TE Vwgh Erkenntnis 1985/4/18 83/16/0090

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Veröffentlicht am 18.04.1985
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Index

Zollrecht
10/07 Verwaltungsgerichtshof
25/01 Strafprozess
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

FinStrG §207a idF 1975/335
FinStrG §54 Abs1 idF 1975/335
FinStrG §54 Abs2 idF 1975/335
FinStrG §54 idF 1975/335
StPO 1975 §143 Abs1
VwGG §42 Abs2

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
83/16/0091

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schöller, über die Beschwerden der 1. Raiffeisenkasse S in S, 2. Raiffeisenkasse M in S, beide vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, Paris-Lodron-Straße 19, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Salzburg, ad 1) vom 6. Mai 1983, Zl. 252/15-GA6-DA/1982 (hg. Zl. 83/16/0090), ad 2) vom 10. Mai 1983, Zl. 252/16-GA6-DA/82 (hg. Zl. 83/16/0091), betreffend finanzstrafgesetzliche Beschlagnahme, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 10. April 1982 wurden von Organwaltern des Zollamtes Salzburg anläßlich einer im Hotel „Ö“ durchgeführten Schmuckausstellung Schmuck und Juwelen beschlagnahmt, die JK bei der Erstbeschwerdeführerin, der Raiffeisenkasse S, zur Kreditbesicherung verpfändet hatte; diese Beschlagnahme wurde auf § 25 Abs. 2 ZollG gestützt.

Weiters wurden am 14. April 1982 von Organwaltern des Zollamtes Salzburg in den Geschäftsräumlichkeiten der Zweitbeschwerdeführerin, der Raiffeisenkasse M, u.a. diverse Brillantringe, Edel- und Halbedelsteine beschlagnahmt, die JK dieser Raiffeisenkasse gleichfalls zur Kreditbesicherung als Pfand übergeben hatte.

Mit zwei getrennten Schriftsätzen vom 27. April 1982 stellten die Beschwerdeführerinnen an das Zollamt Salzburg jeweils den Antrag auf Zurückstellung der gepfändeten Gegenstände, in eventu auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Frage der zollunredlichen Einfuhr der beschlagnahmten Pretiosen.

Mit formlosen Schreiben des Zollamtes Salzburg je vom 30. April 1982 wurde den Beschwerdeführerinnen mitgeteilt, daß eine Rückstellung der beschlagnahmten Gegenstände nicht möglich sei.

Am 14. Oktober 1982 erstattete das Zollamt Salzburg gegen JK gemäß § 54 Abs. 1 FinStrG „Grundsatzanzeige“ an die Staatsanwaltschaft Salzburg wegen Verdachtes des Finanzvergehens des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 bzw. der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG. In dieser Anzeige wurde um „Bestätigung“ der von der Finanzstrafbehörde getätigten Beschlagnahmen innerhalb von sechs Wochen durch gerichtliche Anordnung im Sinne des § 54 Abs. 2 leg. cit. ersucht.

Am 5. November 1982 faßte der zuständige Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zur Zahl 23 C Vr 9018/82 nachstehenden Beschluß:

„Beschluß

In der Strafsache gegen JK werden die vom Zollamt Salzburg angeordneten Beschlagnahmen vom 14. 4. 1982 (betreffend sämtliche Schmuckgegenstände sowie Edelsteine und Halbedelsteine, die vom Verdächtigen JK der Raiffeisenkasse M zur Kreditbesicherung übergeben wurden) ... gemäß § 54 Abs. 2 FinStG, § 143 StPO bestätigt.

Begründung:

Da der dringende Verdacht eines Finanzvergehens vorliegt, die obgenannten Gegenstände vom Verfall bedroht sind und darüberhinaus auch als Beweismittel zur allfälligen Schätzung durch einen Sachverständigen benötigt werden, war die Beschlagnahme anzuordnen ...“

Ein weiterer Beschluß desselben Gerichtes vom 25. November 1982 mit gleicher Zahl hat folgenden Wortlaut:

„Beschluß

In der Strafsache gegen JK wird die vom Zollamt Salzburg am 10. 4. 1982 angeordnete Beschlagnahme (betreffend diversen Schmuck sowie diverse Schriftstücke und Urkunden) gem. § 54 (2) FinStG, § 143 StPO bestätigt.

Begründung:

Mit Beschluß des gefertigten Gerichtes vom 5. 11. 1982 wurden bereits die vom Zollamt Salzburg angeordneten Beschlagnahmen vom 14. 4. 1982 und 20. 4. 1982 bestätigt, da der dringende Verdacht eines Finanzvergehens vorlag, die beschlagnahmten Gegenstände vom Verfall bedroht sind und darüber hinaus auch als Beweismittel zur allfälligen Schätzung durch einen Sachverständigen benötigt werden.

Da die gleichen Voraussetzungen auch hinsichtlich der vom Zollamt Salzburg am 10. 4. 1982 durchgeführte Beschlagnahme vorliegen, war gem. § 54 (2) FinStG, § 143 StPO auch diese Beschlagnahme zu bestätigen ...“

Mit Beschluß vom 5. Jänner 1983 gab die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien den von JK gegen die beiden zuletzt genannten Beschlüsse des Untersuchungsrichters erhobenen Beschwerden teilweise Folge, hob die Beschlagnahme hinsichtlich jener Schmuckstücke, die eine österreichische Punzierung trugen, auf, erließ jedoch gleichzeitig gemäß § 207 a Abs. 1 und 4 lit. a FinStrG eine einstweilige Verfügung durch Verwahrung jener Sachen, hinsichtlich derer die Beschlagnahme zugleich aufgehoben worden war. In der Begründung dieses Beschlusses heißt es unter anderem, beim Landesgericht für Strafsachen Wien sei derzeit ein Strafverfahren gegen JK wegen des Verdachtes der Beihilfe zum Verbrechen des schweren Betruges sowie wegen der Finanzvergehen des Schmuggels und der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben sowie der Abgabenhehlerei anhängig. Wenngleich „der angefochtene Beschluß“ (gemeint offenbar: die beiden angefochtenen Beschlüsse) von einer „Bestätigung“ der seinerzeit vom Zollamt Salzburg durchgeführten Beschlagnahmen spreche (sprächen), so bestehe kein Zweifel, daß eine Beschlagnahme durch den Untersuchungsrichter, keinesfalls jedoch, wie JK vermeine, ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentum vorliege.

Mit zwei getrennten, an das Zollamt Salzburg gerichteten Schriftsätzen vom 14. Dezember 1982 hatten mittlerweile die beiden Beschwerdeführerinnen die bescheidmäßige Feststellung, daß ihr Pfandrecht an den beschlagnahmten Gegenständen nicht bestritten werde, sowie die Freigabe dieser Gegenstände beantragt.

Mit den beiden Bescheiden vom 11. März 1983 wies sodann das Zollamt Salzburg die oben erwähnten Anträge der beiden Beschwerdeführerinnen je vom 27. April 1982 und vom 14. Dezember 1982 „als nicht zulässig (wegen nunmehriger Unzuständigkeit der Finanzstrafbehörde)“ zurück. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, daß nach Erstattung der Anzeige der zuständige Untersuchungsrichter die Beschlagnahme der fraglichen Gegenstände angeordnet habe und somit ausschließlich dem Gericht die Verfügungsgewalt über die beschlagnahmten Gegenstände zustehe.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen gemäß § 152 FinStrG Beschwerden an die Finanzlandesdirektion Salzburg.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 6. bzw. 10. Mai 1983 wies die Finanzlandesdirektion Salzburg diese Beschwerden als unbegründet ab. In ihrem Bescheid vom 6. Mai 1983 begründete sie dies nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Hinweis auf die Vorschriften des § 54 Abs. 1 und 2 FinStrG im wesentlichen damit, daß, gerechnet vom Tage des Einlangens der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Salzburg, die dem Untersuchungsrichter „auferlegte“ sechswöchige Frist am 30. November 1982 geendet habe. Durch die Beschlüsse vom 5. und 25. November 1982 habe der Untersuchungsrichter diese Frist objektiv ausgenützt. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, diese Beschlüsse stellten keine Beschlagnahmeanordnung dar, könne nicht gefolgt werden. Durch diese Beschlagnahmeanordnung sei „ein für alle Mal die ausschließliche Zuständigkeit an sämtlichen beschlagnahmten Gegenständen auf das Gericht“ übergegangen und es sei daher der Finanzstrafbehörde verwehrt, in irgendeiner Form in die Gerichtshoheit einzugreifen. Die am 5. Jänner 1983 „gesetzte“ einstweilige Verfügung sei lediglich als eine nach Eintritt der Gerichtshoheit „getroffene Fortsetzungsverfügung“ des Gerichtes zu werten. Das Begehren der nebenbeteiligten Raiffeisenkasse (der Erstbeschwerdeführerin) sei wegen Unzuständigkeit der Finanzstrafbehörde als „verfehlt“ und „unerfüllbar“ zu bewerten. In ähnlicher Weise ist auch der Bescheid vom 10. Mai 1983 betreffend die Zweitbeschwerdeführerin begründet.

Gegen diese beiden Bescheide richten sich die vorliegenden, inhaltlich im wesentlichen übereinstimmenden Beschwerden. Nach dem gesamten Inhalt ihres Vorbringens erachten sich die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht verletzt, daß ihre Anträge auf Ausfolgung der fraglichen Schmuckgegenstände nicht zurückgewiesen würden. Sie beantragen, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, machen aber inhaltlich auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat jeweils eine Gegenschrift erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres engen sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber erwogen:

Findet die Finanzstrafbehörde nach Einleitung des Strafverfahrens, daß für dessen Durchführung das Gericht zuständig ist, so hat sie gemäß § 54 Abs. 1 FinStrG in jeder Lage des Verfahrens ohne unnötigen Aufschub die Anzeige an die Staatsanwaltschaft zu erstatten und hievon den Beschuldigten und die gemäß § 122 dem Verfahren zugezogenen Nebenbeteiligten zu verständigen; Personen, die sich in vorläufiger Verwahrung oder in Untersuchungshaft der Finanzstrafbehörde befinden, sind dem Gericht zu übergeben.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist über die Beschlagnahme von Gegenständen und über Sicherstellungsmaßnahmen in der Anzeige Mitteilung zu machen. Soweit nicht binnen sechs Wochen nach der Anzeige der Untersuchungsrichter die Beschlagnahme seinerseits anordnet oder die Ratskammer eine einstweilige Verfügung erläßt (§ 207 a), hat die Finanzstrafbehörde die Beschlagnahme oder Sicherstellung unverzüglich aufzuheben.

Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle hat nach Erstattung der Anzeige die Finanzstrafbehörde eine weitere Tätigkeit nur soweit zu entfalten, als dies § 197 vorsieht.

Gemäß § 197 Abs. 1 leg. cit. können die Gerichte und die Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung der Finanzvergehen die Hilfe der Finanzstrafbehörden, der Zollämter, der Zollwache und ihrer Organe in Anspruch nehmen. Die im Abs. 1 genannten Behörden und Organe der Bundesfinanzverwaltung haben - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Tätigkeit zur Aufklärung des Vergehens nur soweit zu entfalten, als das Gericht oder die Staatsanwaltschaft darum ersucht.

Besteht hinreichend Verdacht, daß sich der Beschuldigte eines Finanzvergehens schuldig gemacht habe, so hat nach der Vorschrift des § 207 a Abs. 1 FinStrG die Ratskammer auf Antrag des Staatsanwalts zur Sicherung der Geldstrafe, des Verfalls und des Wertersatzes eine einstweilige Verfügung zu erlassen, wenn zu befürchten ist, daß andernfalls die Einbringung gefährdet oder wesentlich erschwert würde.

Unter den gemäß § 122 leg. cit. dem Verfahren zugezogenen Nebenbeteiligten sind, wie sich aus der Vorschrift des § 76 leg. cit. ergibt, Verfallsbeteiligte sowie Haftungsbeteiligte, deren Haftung in Anspruch genommen werden soll, zu verstehen.

§ 143 Abs. 1 StPO hat folgenden Wortlaut:

„Werden Gegenstände gefunden, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen, so sind sie in ein Verzeichnis zu bringen und in gerichtliche Verwahrung oder doch in gerichtliche Obhut oder in Beschlag zu nehmen (§ 98).“

Unter Hinweis auf die Bestimmung des § 54 Abs. 1 FinStrG machen die beiden Beschwerdeführerinnen zunächst als Verfahrensmangel den Umstand geltend, daß die Strafanzeige erst am 19. Oktober 1982 und somit (über) ein halbes Jahr nach Beschlagnahme der Pretiosen bei der Staatsanwaltschaft Salzburg eingelangt sowie daß erst am 11. März 1983, also fast ein Jahr später, über die Anträge der Beschwerdeführerinnen vom 27. April 1982 auf Rückstellung entschieden worden sei.

Nun trifft es zwar zu, daß gemäß § 54 Abs. 1 FinStrG unter den dort genannten Voraussetzungen die Anzeige an die Staatsanwaltschaft ohne unnötigen Aufschub zu erstatten ist. Die Beschwerdeführerinnen übersehen jedoch, daß eine Verzögerung des Verfahrens keinen der im § 42 Abs. 2 VwGG genannten Aufhebungsgründe darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1952, Slg. Nr. 2663/A); ein entgegen dem Grundsatz einer möglichst raschen Verfahrensabwicklung verspätet erlassener Bescheid ist deswegen noch nicht rechtswidrig, (Erkenntnis vom 16. März 1972, Zl. 2118/71). Daran vermögen auch die von den Beschwerdeführerinnen ins Treffen geführten schweren wirtschaftlichen Nachteile, durch die ihr Rechtsschutzbedürfnis verletzt worden sei, nichts zu ändern. Im übrigen konnten die Beschlagnahmen vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts unmittelbar bekämpft werden, was auch tatsächlich geschehen ist.

Im Falle der Anzeige an die Staatsanwaltschaft kommt noch hinzu, daß es sich hiebei um keinen Bescheid, sondern lediglich um eine Information für die Staatsanwaltschaft handelt (Sommergruber, Finanzstrafgesetz mit Erläuterungen, S. 339).

Die Beschwerdeführerinnen rügen weiters, daß die angefochtenen Bescheide ihre (jeweils) beiden Anträge verfahrens- und materiellrechtlich gleich behandelt hätten. Dabei werde übersehen, daß über ihre sofort nach der Beschlagnahme eingebrachten Anträge vom 27. April 1982 sofort hätte entschieden werden müssen; zu diesem Zeitpunkt sei die Anzeige an die Staatsanwaltschaft noch nicht erstattet und damit die Zuständigkeit des Zollamtes Salzburg zweifellos gegeben gewesen.

Dem ist abermals mit dem Hinweis auf die oben zitierte Rechtsprechung zu erwidern, daß die Verzögerung einer Entscheidung sie nicht rechtswidrig macht. Weil jeder Bescheid grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu ergehen hat, hatte das Zollamt Salzburg bei seiner Entscheidung über die vorliegenden Anträge der Beschwerdeführerinnen zu beachten, daß es - wie noch näher auszuführen sein wird - zu diesem Zeitpunkt, nämlich am 11. März 1983, zu einer Entscheidung über die Anträge auf Rückstellung der beschlagnahmten Gegenstände nicht mehr befugt war. Keinerlei rechtliche Bedenken sprechen schließlich - entgegen der von den Beschwerdeführerinnen vertretenen Ansicht - gegen die Vorgangsweise des Zollamtes Salzburg, über jeweils beide Anträge der Beschwerdeführerinnen in je einem gemeinsamen Bescheid anstatt gesondert abzusprechen.

In ihrer Rechtsrüge vertreten die Beschwerdeführerinnen die Auffassung, in den beiden Beschlüssen des Untersuchungsrichters vom 5. bzw. 25. November 1982 sei lediglich eine Bestätigung der vom Zollamt Salzburg am 14. bzw. 10. April 1982 angeordneten Beschlagnahmen zu erkennen. Der Hinweis auf die Bestimmungen der §§ 54 Abs. 2 FinStrG sowie 143 StPO ersetze keinesfalls die vom § 54 Abs. 2 FinStrG geforderte originäre Beschlagnahmeanordnung durch den Untersuchungsrichter. Mit den genannten Beschlüssen sei „auf Grund der Verletzung des Artikels 94 B-VG“ eine wirksame richterliche Verfügung nicht getroffen worden.

Auch dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

Es ist richtig, daß die Beschlagnahme nach § 143 Abs. 1 StPO grundsätzlich, von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, durch Verfügung (Anordnung) des Untersuchungsrichters erfolgt (vgl. hiezu Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts, S. 90; Roeder, Lehrbuch des österreichischen Strafverfahrensrechtes, S. 111). Nach dem oben wiedergegebenen Wortlaut der beiden Beschlüsse vom 5. und 25. November 1982 kann jedoch der rechtliche Charakter dieser Anordnung als einer auf § 143 StPO gestützten Verfügung der Beschlagnahme trotz der irreführenden Verwendung des Wortes „bestätigen“ nicht bezweifelt werden. Dafür spricht insbesondere die ausdrückliche Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§ 54 Abs. 2 FinStrG und 143 StPO, die klar erkennen lassen, daß der Untersuchungsrichter tatsächlich die nach der damaligen Verfahrenssituation einzig sinnvolle Verfügung treffen wollte. Dazu kommt noch, daß es in der Begründung des Beschlusses vom 5. November 1982 ausdrücklich heißt: „... war die Beschlagnahme anzuordnen“, und daß der Beschluß vom 25. November 1982 nach seiner Diktion sich lediglich als Ergänzung des Beschlusses vom 5. November 1982 darstellt. Nur am Rande sei bemerkt, daß auch Bertel aaO. im Zusammenhang mit einer polizeilichen Beschlagnahme das Wort „bestätigt“ verwendet, wenn er schreibt: „Polizeiliche Beschlagnahmen müssen sobald als möglich vom zuständigen Gericht bestätigt oder aufgehoben werden“. Dieses Beispiel zeigt, daß es nicht abwegig ist, das Wort „bestätigen“ im gegebenen Zusammenhang so zu verstehen, daß damit die inhaltliche Übereinstimmung der gerichtlichen Beschlagnahmeanordnung mit einer vorangehenden verwaltungsbehördlichen Maßnahme gleicher Art gemeint ist.

Daraus folgt aber, daß - entgegen der von den Beschwerdeführerinnen aufgestellten Behauptung - eine wirksame und rechtzeitige Anordnung der Beschlagnahme durch den Untersuchungsrichter erfolgt ist. Eine Aufhebung der Beschlagnahme seitens der Finanzstrafbehörde durfte daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 54 Abs. 2 zweiter Satz FinStrG nicht mehr erfolgen, zumal gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle die Finanzstrafbehörde nach Erstattung der Anzeige eine weitere Tätigkeit grundsätzlich nur mehr als Hilfsorgan der Gerichte und der Staatsanwaltschaften gemäß § 197 FinStrG entfalten darf.

Darauf, daß die von JK im Beschwerdewege (§ 113 StPO) angerufene Ratskammer in der Folge - und zwar an sich außerhalb der Frist des § 54 Abs. 2 zweiter Satz leg.cit. - die Beschlagnahme zum Teil aufhob und zugleich eine einstweilige Verfügung nach § 207 a FinStrG erließ, kam es nicht mehr an, zumal § 54 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. die Rechtskraft der richterlichen Beschlagnahme nicht fordert. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn das Zollamt Salzburg mit seinen Bescheiden vom 11. März 1983 die Aufhebung der Beschlagnahmen abgelehnt hat. Aus dem Blickwinkel einer Verletzung der Rechte der beiden Beschwerdeführerinnen macht es dabei auch keinen Unterschied, ob sie diese Anträge zu Recht wegen Unzuständigkeit zurückwies oder ob die Anträge mit der Begründung hätten abgewiesen werden müssen, das zur Aufhebung der Beschlagnahme bei Vorliegen der Voraussetzungen an sich auch funktionell zuständige Zollamt sei hiezu zufolge der fristgerechten Beschlagnahmeanordnung durch den Untersuchungsrichter nicht mehr befugt gewesen.

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß einer gegen die am 10. April 1982 erfolgten Beschlagnahme gerichteten Beschwerde mit Erkenntnis vom 12. Juni 1984, Zl. G 93/82-11, einige Satzteile des § 25 Abs. 2 ZollG 1955 als verfassungswidrig aufgehoben sowie mit Erkenntnis vom 26. November 1982, Zl. B 289/82-9, zu Recht erkannt hat, die Raiffeisenkasse M (die jetzige Zweitbeschwerdeführerin) sowie JK seien durch die am 14. April 1982 erfolgte Beschlagnahme im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden. Beide Erkenntnisse sind jedoch auf die vorliegenden Rechtsstreite schon deshalb ohne Einfluß, weil es vorliegendenfalls nicht um die Rechtmäßigkeit der erfolgten Beschlagnahmen, sondern darum geht, ob das Zollamt Salzburg zu deren Aufhebung befugt war oder nicht.

Die unbegründeten Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 221/1981.

Hinsichtlich des oben erwähnten, unveröffentlichten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes sei an Art. 14 Abs. 4 seiner Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Wien, am 18. April 1985

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1985:1983160090.X00

Im RIS seit

18.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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