TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/19 95/01/0012

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Veröffentlicht am 19.03.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §39a impl;
AVG §45 Abs1;
AVG §45 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/01/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerden 1. des A D und

2. der F D, beide in B und vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in G, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 29. November 1994, Zl. 4.345.220/1-III/13/94 (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers, hg. Zl. 95/01/0012) und Zl. 4.345.220/2-III/13/94 (hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin, hg. Zl. 95/01/0013), beide betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres je vom 29. November 1994 wurden die jeweils am 5. Oktober 1994 gestellten Asylanträge der Beschwerdeführer - eines Ehepaares mit rumänischer Staatsangehörigkeit, das am 30. September 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist - abgewiesen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, vom jeweiligen Beschwerdeführer in Ansehung des ihn betreffenden Bescheides erhobenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges - erwogen hat:

Der Erstbeschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, er habe sich gegen das derzeitige Regime in Rumänien "politisch engagiert", und zwar habe er an Veranstaltungen und Demonstrationen teilgenommen. In Haft habe er sich zu der Zeit, als Ceaucescu erschossen worden sei, für vier Tage befunden. Von 1989 bis zu seiner Ausreise sei er ständig bedroht worden. Über Vorhalt, wie er sich seine - aus dem Reisepaß ersichtlichen - regelmäßigen Aus- und Einreisen erklären könne, antwortete er, aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit die Möglichkeit gehabt zu haben, ins Ausland zu reisen. Über die Frage, warum er nach seinem Aufenthalt in Österreich im Mai 1994 wieder nach Rumänien zurückgereist sei, vermeinte er, daß er damals noch nicht verfolgt worden sei. "Jetzt bekomme ich aber Todesdrohungen. Ich wurde von der Securitate zu Hause angerufen und man sagte mir, wenn ich in Rumänien bliebe, würde man mich töten." Der Grund dafür sei, daß er gegen das Regime eingestellt sei. Er wolle, daß der König zurückkomme, "und sagte ihnen das ins Gesicht". Ab Mai 1994 sei er immer wieder bei Streiks dabeigewesen. Er habe auch einen Hungerstreik gemacht. Ein Gerichtsverfahren sei gegen ihn nicht anhängig. Auf die Frage, was er im Falle seiner Rückkehr zu erwarten habe, vermeinte er zunächst, er wolle in Österreich bleiben und hoffe, sein Kind nachbringen zu können. Danach führte er aus, daß eine Rückkehr "fatal" wäre; sein Leben wäre in Gefahr. Er habe eine Arbeitsbewilligung für Deutschland, aus welchem Grund er auch ein österreichisches Visum für die Durchreise nach Deutschland erhalten habe. Den Asylantrag habe er in Österreich gestellt, weil er nur zu diesem Land, nicht aber zu Deutschland, Vertrauen habe.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung vor der Erstbehörde an, sie habe gemeinsam mit ihrem Mann im Jahre 1989 an der Revolution teilgenommen und sei damals verhaftet worden. Als ihr Mann von einer Reise aus der Schweiz nach Rumänien zurückgekehrt sei, habe man ihn beschuldigt, er habe Kontakt zum rumänischen König, der in der Schweiz lebe. Seither seien ihr Mann und sie ständig bedroht worden. Über die Frage, von wem und wann sie bedroht worden sei, führte sie aus: "Die Polizei kam, wir wurden auch vorgeladen und dort sagte man uns, man würde es uns schon zeigen, daß wir den König zurückholen wollten. Wir wurden auch telefonisch bedroht, daß man uns umbringen würde." Auf die Frage, was ihr im Falle einer Rückkehr geschehen würde, vermeinte sie, dies nicht zu wissen, und führte aus, daß ihr Mann weder in Rumänien noch in Deutschland eine Arbeit habe.

Nach der Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin ergänzte der Erstbeschwerdeführer seine Angaben dahin, daß seine Frau im Jahr 1991 und 1992 von Zivilisten auf der Straße geschlagen worden sei. Er legte einen Ausschnitt einer Zeitung vom 27. September 1993 vor, welcher einen Bericht über eine Demonstration von Personen, welche ihre Wohnung verloren haben, beinhaltet. Dazu führte er aus, daß bei dieser Demonstration aus einem Auto die Parole "Nieder mit Iljescu" gerufen und die Verhaftung des für die Enteignung von Häusern Verantwortlichen gefordert worden sei. Der Beschwerdeführer habe dieses Auto gelenkt. Weder sein Name noch das Kennzeichen dieses Autos gehe aus dem Zeitungsartikel hervor.

Die Protokolle über die Vernehmungen der Beschwerdeführer enthalten jeweils den abschließenden Satz: "Mir wurde der Inhalt der Niederschrift vom Dolmetscher zur Kenntnis gebracht und ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen."

Die insoweit im wesentlichen gleichlautenden Beschwerden rügen den Umstand, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheiden jeweils nur das Ergebnis der Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde gelegt hat. Sie führen dazu aus, daß der von der Erstbehörde den Vernehmungen beigezogene Dolmetscher weder ein Amtsdolmetscher noch gerichtlich beeidet gewesen sei. Dieser Umstand sei relevant, weil sich die Beschwerdeführer jeweils "immer gleich verantwortet" hätten, der Inhalt ihrer Aussagen jedoch nicht zur Gänze übersetzt worden sei. Den Beschwerdeführern seien ihre Aussagen vor Unterfertigung nicht rückübersetzt worden. Wäre dies geschehen, so hätten die Beschwerdeführer jeweils darauf gedrungen, ihre Angaben zu vervollständigen und die Verfolgung des Erstbeschwerdeführers detaillierter darzustellen.

Dem ist zunächst zu entgegnen, daß gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ein geeigneter Dolmetscher, der den gesamten Verlauf der Vernehmung in die Muttersprache des Asylwerbers oder eine diesem ausreichend verständliche Sprache zu übersetzen hat, beizuziehen ist und dies nicht bedeutet, daß sich die Behörde eines Amtsdolmetschers oder eines gerichtlich beeideten Dolmetschers bedienen muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, Zl. 93/01/1357). Gemäß § 15 AVG liefert eine gemäß § 14 leg. cit. aufgenommene Niederschrift, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis. Den gemäß § 15 leg. cit. zulässigen Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges haben die Beschwerdeführer, welche in den Berufungen keine unrichtige oder unvollständige Übersetzung ihrer Angaben geltend gemacht haben, im Verwaltungsverfahren nicht erbracht. Es ist daher davon auszugehen, daß den Beschwerdeführern jeweils der Inhalt der Niederschrift vom Dolmetscher zu Kenntnis gebracht wurde und sie dem nichts mehr hinzuzufügen hatten, wie das in den Niederschriften festgehalten ist. Die Zweitbeschwerdeführerin vermag daher auch mit ihrem Berufungsvorbringen, sie habe lediglich aufgrund der Kürze der für ihre Vernehmung zur Verfügung stehenden Zeit kein weiteres Vorbringen erstatten können, keine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens aufzuzeigen.

Der belangten Behörde kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie die von den Beschwerdeführern erstmals in der Beschwerde vorgebrachte mangelnde Beeidigung des dem erstinstanzlichen Verfahren beigezogenen Dolmetschers - sollte sie tatsächlich vorliegen - nicht zum Anlaß für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens genommen hat, weil eine derartige Rüge in der Berufung nicht erhoben wurde und das Vorliegen dieses vorgebrachten Mangels (auch für den Verwaltungsgerichtshof) der Aktenlage nicht zu entnehmen ist. Überdies macht nicht die Ablegung des Eides eine Person zum Dolmetscher, sondern die ihr vorausgehende Bestellung (vgl. das zur Beeidigung eines nicht amtlichen Sachverständigen ergangene hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Juni 1987, Zl. 93/05/0146, 0147; Slg. Nr. 12492/A). Im übrigen haben die Beschwerdeführer nicht vorgebracht, inwiefern der dem Asylverfahren beigezogene Dolmetscher im Falle seiner Beeidigung "eine größere Sorgfalt bei der Übersetzung der maßgebenden Textpassagen an den Tag gelegt" hätte. Sie haben daher auch die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dargetan. Da auch die in der Beschwerde vorgebrachte mangelnde Rückübersetzung des Inhalts der Niederschrift vor Unterfertigung durch den Beschwerdeführer weder aus der Aktenlage ersichtlich ist, noch in der Berufung geltend gemacht wurde, bestand auch insoweit kein Grund für die belangte Behörde, die Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.

Die belangte Behörde hat ihren Bescheiden daher zu Recht das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zu Grunde gelegt.

Sie hat in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich der Frage der Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer sowohl die Sachverhaltsfeststellungen (und damit auch die Beweiswürdigung, aufgrund deren diese Feststellungen getroffen worden sind) als auch die rechtliche Beurteilung (welche sie noch ergänzte) des jeweiligen erstinstanzlichen Bescheides übernommen, wozu sie - ohne diese Ausführungen wiederholen zu müssen - berechtigt war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045).

Die Erstbehörde - und somit auch die belangte Behörde - hat den Angaben des Erstbeschwerdeführers zu seiner Verfolgung durch staatliche Stellen in Rumänien insgesamt keinen Glauben geschenkt. Sie hat dies im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer bei seiner Vernehmung zunächst ausgesagt habe, seit dem Jahre 1989 ständig bedroht und politisch verfolgt worden zu sein. Diese Verantwortung habe er erst geändert, als er mit der aus den Eintragungen im Reisepaß ersichtlichen Tatsache seiner wiederholten Auslandsreisen konfrontiert worden sei. Nach diesem Vorhalt habe er angegeben, erst nach seiner letzten Auslandsreise im Mai 1994 in konkreter Gefahr gewesen zu sein. In Kenntnis der politischen Situation in Rumänien sei es überdies nicht glaubwürdig, daß dem Beschwerdeführer immer wieder die Ausreise gestattet worden wäre, wenn er tatsächlich ein aktiver Regimegegner wäre. Ein weiteres Indiz für die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers sei, daß er die angeblichen Verfolgungshandlungen nicht detailliert habe schildern können.

Diese Beweiswürdigung kann nicht als unschlüssig erachtet werden. Insbesondere widerspricht es nicht der Lebenserfahrung, wenn die belangte Behörde aus der Tatsache, daß der Beschwerdeführer, der zunächst behauptete, bereits seit 1989 verfolgt zu werden und zur Zeit der Hinrichtung Ceaucescus sogar verhaftet worden zu sein, nach dem Hinweis auf die Unhaltbarkeit dieses Vorbringens im Hinblick auf die in diesem Zeitraum mehrmals erfolgten Aus- und Einreisen seine Verantwortung grundlegend änderte, schloß, die Aussage des Beschwerdeführers über seine Verfolgung sei insgesamt nicht glaubwürdig.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat sich bei ihrer Vernehmung primär auf die Verfolgung ihres Mannes wegen dessen politischer Ansichten gestützt. Soweit sie als eigenen Asylgrund geltend macht, sie sei (gemeinsam mit ihrem Mann) ständig bedroht worden, ist den - von der belangten Behörde übernommenen - Ausführungen der Erstbehörde zur Beweiswürdigung beizupflichten, daß die Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer tatsächlichen Verfolgung in der Lage hätte sein müssen, die Verfolgungshandlungen detaillierter zu schildern, zumal sie bei ihrer Vernehmung auch auf konkretes Nachfragen zu den erlittenen Bedrohungen weder den Zeitpunkt noch die Art der Bedrohung exakt schildern konnte. Es kann daher auch die Beweiswürdigung, daß die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin betreffend ihrer Fluchtgründe nicht glaubwürdig seien, nicht als unschlüssig erkannt werden.

Da die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Verfolgungshandlungen nicht festgestellt werden konnten, begegnet auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß den Beschwerdeführern die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme, keinem Einwand.

Aufgrund der somit bereits mangels Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer zu Recht erfolgten Abweisung der Asylanträge braucht auf die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht überdies den Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ("Verfolgungssicherheit") herangezogen hat und auf das dazu erstattete Beschwerdevorbringen nicht eingegangen zu werden.

Die beiden Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Von der jeweils beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich jeweils auf die §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010012.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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