TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/20 W141 2239303-1

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Veröffentlicht am 20.04.2021
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Entscheidungsdatum

20.04.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1 Abs1
VOG §4 Abs5

Spruch


W141 2239303-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Höllerer als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX ,
geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch RA Ing. Dr. Wolfgang GAPPMAYER, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 10.12.2020, XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung gemäß § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 5 Verbrechensopfergesetz (VOG), nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 17.03.2021 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:
1.         Die Beschwerdeführerin hat am 31.01.2020 beim Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gestellt und angegeben, dass sie Opfer von K.O.-Tropfen geworden sei und dadurch aus dem fünften Stock gestürzt sei. Sie habe dadurch ein Polytrauma inklusive Folgeschäden erlitten.
2.         Die Beschwerdeführerin hat am 31.01.2020 bei der belangten Behörde ebenfalls einen Antrag auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung gestellt und begründend ausgeführt, dass sie nach der Vergabe von K.O.-Tropfen Halluzinationen gehabt hätte und diese zu einem Sturz aus ihrer Wohnung, ca. 21 Meter Höhe, geführt hätten. Sie habe ein Polytrauma und Folgeschäden erlitten.
3.         Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.12.2020 hat die belangte Behörde die Anträge vom 31.01.2020 auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld und auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Straftat im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG nicht angenommen werden könne und somit die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen nicht gegeben wären.
3.         Gegen diesen Bescheid hat der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

Die Beschwerdeführerin führte im Wesentlichen aus, dass die belangte Behörde zwar richtig festgestellt habe, dass die Menge der im Körper festgestellten Gamma-Hydroxybuttersäure keinen eindeutigen Hinweis auf eine exogene Aufnahme der Substanz liefere, diese aber auch nicht ausschlösse. Die belangte Behörde gehe jedoch fälschlicherweise davon aus, dass das Ermittlungsverfahren abgebrochen worden wäre und habe daraus geschlossen, dass eine anspruchsbegründende Straftat nicht angenommen werden könne.

Es wird weiters ausgeführt, dass mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden könne, dass eine Vorsatztat vorliege, da die Beschwerdeführerin plötzlich und nicht vorhersehbar anders agiert habe, ihr Verhalten gliche einem psychotischen Schub und sei von allen Zeugen ausgeschlossen worden, dass die Beschwerdeführerin bereits vorher Drogen konsumiert habe. Die Beschwerdeführerin habe sich ab dem Konsum des Getränkes an gar nichts mehr erinnert.
4. Am 01.02.2021 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
5. Am 17.03.2021 fand eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, welche hier zusammenfassend wiedergegeben wird. Bei dieser Verhandlung waren der Richtersenat mit Vorsitzendem Richter Mag. Gerhard HÖLLERER (VR) und die Beisitzer Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS (BR) und der fachkundige Laienrichter Mag. Michael SVOBODA (FLR), sowie die Schriftführerin XXXX anwesend. Weiters nahmen die Beschwerdeführerin XXXX (BF), die Dolmetscherin XXXX (D) sowie die Zeugin XXXX (Z1), der Zeuge XXXX (Z2), die Zeugin XXXX (Z3), der Zeuge XXXX (Z4) und die Zeugin XXXX (Z5) an der Verhandlung teil. Der Rechtsvertreter RA Ing. Dr. Wolfgang GAPPMAYER, LL.M. (BFV) ist nicht zur Verhandlung erschienen, die belangte Behörde (BehV) hat auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet und der Zeuge XXXX (Z6) ist entschuldigt nicht erschienen.

Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme der Beschwerdeführerin (BF) Folgendes hervor:

Die BF führte zum verfahrensgegenständlichen Abend aus, sie habe feiern wollen und sei mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und einer Freundin in den betreffenden Club gegangen, da ihre erste Wahl geschlossen gewesen sei. Dort hätten sie eine Flasche Wein bestellt. Die BF habe aber wahrscheinlich noch ein RedBull mit Vodka und Shots getrunken, die Erinnerungen seien aber nicht mehr vorhanden. Sie habe an der Bar mit Bankomatkarte gezahlt und den Code eingegeben, sie sei daher jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch zurechnungsfähig gewesen. Die BF legt die Abrechnung ihrer Bankomatkarte vor. Sie habe das meiste vom Abend nur von Erzählungen erfahren. Sie erinnere sich an nichts mehr, nachdem sie das zweite Mal an der Bar gewesen sei.

Die BF legte zudem gepostete Nachrichten von Frauen vor, welchen dasselbe wie ihr passiert sei, im selben Lokal. Diese können sich auch an nichts erinnern, hätten Muskelkrämpfe gehabt, ihnen sei schlecht geworden. Die BF verliest einige Auszüge. Die BF legte zudem Postings des betreffenden Lokals vor und verlas einige Auszüge.

Die StA habe das Strafverfahren nur abgebrochen, da es sich lt. StA doch um eine Straftat handeln könne. Ob ihr getrunkener Alkohol alleine ausreichen würde, einen solchen Zustand auszulösen, stehe für die BF nicht fest. Sie habe noch nie Suchtmittel zu sich genommen, sie ernähre sich clean. Für die BF sei es verständlich, dass bei einer Person, die erstmals solch ein Mittel konsumiere, eine derart große Reaktion entstehe.

Die BF befinde sich nunmehr in Psychotherapie, es seien 50 Stunden genehmigt worden ab ca. Dezember 2020.

Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme der Zeugin XXXX (Z1) Folgendes hervor:

Die Z1 sei Intensivmedizinerin in der Klinik, in der die BF behandelt worden sei. Es könne sein, dass sie die Polizei informiert habe, da sie oft Angehörige suche. Sie könne sich aber nicht vorstellen, dass sie gegenüber der Polizei angegeben habe, dass ein positiver GHB-Wert vorhanden sei, dies schließe sie komplett aus. Sie dürfe Befunde nicht übers Telefon an die Polizei durchgeben, diese müssten über das Sekretariat über den Chef angefordert werden.

Die Z1 führte zudem aus, sie nehme Blut nicht routinemäßig ab, da es im Akutgeschehen keine Relevanz habe, ob Drogen im Harn oder Blut wären. Sie habe zudem erst um 07:30 Uhr Dienstantritt gehabt und sei sicher erst um 07:30 gekommen.

Auf Nachfrage, ob jemand, der nur gelegentlich ein Gläschen trinke bei 2,2 Promille einen Gedächtnisverlust erleiden könne, gab die Z1 an, es würde der Person sicher nicht gut gehen, aber es komme auf das Essen an, es sei eine Antwort jedoch schwierig, da sie keine Spezialistin sei.

Nach Einsicht in AS 70 gab die Z1 an, die Pflege habe den Auftrag zur Blutabnahme um 04:53 Uhr eingegeben und dieser sei um 05:19 Uhr angenommen worden, die Probe sei um 05:19 Uhr im Labor gewesen.

Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme des Zeugen XXXX (Z2) Folgendes hervor:

Der Z2 als Amtssachverständiger führte aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines Nachweises einer einmaligen GHB-Gabe in einem Haar sehr niedrig sei und daher eine Haaranalyse kein Ergebnis gebracht hätte. Aus der vorliegenden Blutanalyse lasse sich nicht ableiten, ob es sich um eine einmalige Gabe handle, oder GHB häufiger konsumiert werde.

Der Z2 führte zu seinem Gutachten weiters aus, es sei aus der vorliegenden Blutprobe nicht mehr ableitbar, ob es sich um einen vom Körper der BF produzierten GHB Wert gehandelt habe oder dieser von außen dazugekommen sei. Im Blut sei auch Midazolam festgestellt worden, dies sei ein Benzodiazepin, welches im Bereich von notfall- und intensivmedizinischer Betreuung angewendet werde. Er sei in der Gutachtenserstellung davon ausgegangen, dass der Benzodiazepinwert auf die Gabe des Benzodiazepins Midazolam zurückzuführen sei.

Der Z2 wies darauf hin, dass Ethanol zu einem falsch positiven GHB-Ergebnis führen kann, da die immunologischen Tests zu einer Kreuzreaktion führen können, da sowohl GHB als auch Ethanol eine strukturelle Ähnlichkeit haben und beide ein Signal abgeben.

Der Z2 führte aus, dass der Mischkonsum von GHB und Alkohol sich so auswirke, dass vor allem die dämpfenden Eigenschaften, Schläfrigkeit usw., die die Alkoholgabe nunmehr habe, durch GHB verstärkt werde. GHB wirke ebenfalls eher dämpfend und ab einer gewissen Konzentration schlaffördernd und könne dies zu Atemdepression und Koma führen.

Der Grenzwert bei GHB zwischen körpereigener Produktion und exogener Zufuhr betrage 6000 ng/mm. Aus den Ergebnissen der Blutanalyse ergebe sich ein 10-15-fach höherer Wert, um 05:19 Uhr habe er 96,2 betragen, der nächste Wert sei leer und um 07:30 Uhr sei der Wert mit 78,8 festgestellt worden. Es gebe jedoch eine Kreuzreaktion mit Ethanol und habe der Blutalkoholwert 1,59 Promille betragen.

Der Z2 erklärte den Unterschied zwischen Liquid Ecstasy und Ecstasy, das tablettenförmige Ecstasy wirke aufputschend, Liquid Ecstasy sedierend. Den Konsum von Ecstasy schließe der Z2 jedoch aus.

Die Abnahme des GHB-Wertes könne auch auf die Kreuzreaktion mit Ethanol zurückzuführen sein, da dieser sich auch abbaue.

Die allgemeine Wirkung von Liquid Ecstasy ist dosisabhängig, es beginne mit einer Linderung der Angst, mit einer Entspannung und einer verminderten Reaktionsfähigkeit. Es komme auch eine erhöhte Bereitschaft zum Sex hinzu. Ab einer gewissen Dosis werden auch Halluzinationen angeführt. Es könne zudem zu einer Amnesie kommen. Mit einer höheren Dosis komme es zur Müdigkeit, Schläfrigkeit oder Übelkeit sowie Brechreiz. Aggressivität sei eher eine Wirkung von Alkohol. Der Gedächtnisverlust sei eher dem GHB zuzuschreiben, es trete aber auch bei Alkohol auf.

Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme der Zeugin XXXX (Z3) Folgendes hervor:

Auf Vorhalt ihrer Angaben, die BF habe mit ihrer Mutter öfters gestritten, führte die Z3 aus, sie habe an diesem Abend von der kleinen Schwester gehört, dass die beiden sich oft gestritten hätten.

Die Z3 führte aus, sie habe die BF noch nie in einem solchen Zustand gesehen, wie am Abend des Vorfalles. Diese sei wie benommen gewesen. Bei der Auseinandersetzung der BF mit ihrem damaligen Freund habe es sich um eine Eifersuchtsszene gehandelt. Die Z3 habe versucht die BF am Boden zu beruhigen und die BF sei dann ins Schlafzimmer gegangen. Die Z3 habe einen Schlag gehört, als ob jemand ein Fenster aufgemacht habe. Als die Z3 nachgesehen habe, sei die BF schon mit dem Oberkörper aus dem Fenster rausgelehnt gewesen.

Die Z3 führte aus, sie wüsste nicht, dass die BF sich öfters betrinken würde.

Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme des Zeugen XXXX (Z4) Folgendes hervor:

Der Z4 sei der Exfreund der BF. Er habe den Sturz selbst nicht miterlebt. An den Streit könne er sich nicht mehr genau erinnern. Die BF habe ihn vor diesem Vorfall nie körperlich verletzt.

Ihm sei nicht aufgefallen, dass die BF Rauschgift konsumiert habe, sie hätten hin und wieder ein paar Gläser Wein konsumiert. Die BF sei an dem Abend des Vorfalles nicht die gleiche gewesen wie sonst, sie sei aggressiv gewesen.

Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme der Zeugin XXXX (Z5) Folgendes hervor:

Die Z5, die Mutter der BF, habe mit der BF bereits zu Hause etwas getrunken und sei mit ihr ins Lokal mitgegangen.

Zum Abend im Lokal führte die Z5 aus, sie habe eine Flasche Wein und vier Gläser Wasser bestellt. Die BF habe sich Zigaretten von der Bar geholt und habe bereits nach kurzer Zeit bereits alkoholisiert gewirkt. Ein Kellner habe dann Shots an den Tisch gebracht, die vom Haus gekommen seien. Die Z5 habe gesagt, dass solle niemand trinken. Die BF habe jedoch zwei bis drei dieser Shots getrunken. Ein Mann sei dann zur BF gekommen und habe sie mit der Hand begrüßt, die Z5 habe diesen dann verscheucht. Die BF habe danach versucht sich hinzusetzen und habe dabei die Gläser runtergeschmissen. Die Z5 habe die BF an der Hand genommen und habe mit ihr gehen wollen, diese habe ihr die Faust an die Stirn geschlagen. Die BF habe das Lokal verlassen und sei in ein Auto gestiegen. Der Türsteher habe zur Z5 gesagt, dies sei ein Taxi. Die Z5 habe ihren Sohn angerufen, dieser habe sie zu seiner Wohnung gebracht und dann die BF gesucht. Die Z5 sei dann in ein Hotel gebracht worden. Sie habe späte erfahren, dass ihre Tochter aus dem Fenster gestürzt sei.

Es würden zwar Meinungsverschiedenheiten mit ihrer Tochter bestehen, sie hätten aber nicht öfters Streit. Die BF habe sich nicht regelmäßig betrunken, sie habe nur hin und wieder ein Glas Wein getrunken.

Im Wesentlichen geht aus der Einvernahme der Zeugin XXXX (Z7) Folgendes hervor:

Die Z7 sei beim Akutteam Niederösterreich beschäftigt. Sie sei Psychotherapeutin. Sie habe die BF im Auftrag des Akutteams betreut.

Die BF entband die Z7 von der Verschwiegenheitspflicht.

Die Z7 sei eigentlich für den Vater der BF gerufen worden, dieser habe angegeben, gesehen zu haben, wie jemand aus dem Fenster gesprungen sei. Dies sei nicht passiert. Der Akutfall sei der Vater gewesen. Die Z7 habe dann beim zweiten Einsatz auch die BF betreut.

Die Z7 habe versucht die BF zum Weißen Ring weiterzuvermitteln, hierfür sei eine Anzeige notwendig gewesen. Die Z7 habe mit der BF die Anzeige erstattet.

6.       Mit Schreiben vom 29.03.2021 wurde den Parteien das Langprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.03.2021 zur Stellungnahme binnen einer Woche übermittelt. Weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin haben eine Stellungnahme eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und wurde am XXXX geboren.

Die Beschwerdeführerin wollte am 09.02.2019 mit ihrer Mutter, Schwester und einer Freundin ihren bevorstehenden Studienabschluss und die in Aussicht stehende Arbeitsstelle feiern. Sie haben bereits zu Hause „vorgeglüht“ mit einer Flasche Rose und einer Flasche Rotwein und sind anschließend in ein Wiener Lokal gegangen, um weiter zu feiern. Dort haben sie gemeinsam eine Flasche Wein konsumiert. Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus auch noch ein Vodka Red Bull und zwei bis drei Shots konsumiert.

Die Beschwerdeführerin wurde bereits im Lokal aggressiv und es kam zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit der Mutter der Beschwerdeführerin, der sie gegen die Stirn geschlagen hat. Die Beschwerdeführerin verließ daraufhin das Lokal und fuhr mit einem Taxi durch Wien, bis sie einige Zeit später in ihrer Wohnung angekommen ist. Dort kam es zu einem Streit mit ihrem damaligen Freund und verhielt sie sich diesem gegenüber auch sehr aggressiv. Der hinzugekommene Bruder der Beschwerdeführerin und dessen Ehefrau schickten den Freund nach Hause, und die Ehefrau des Bruders versuchte die Beschwerdeführerin zu beruhigen. Die Beschwerdeführerin ging in ihr Schlafzimmer.

Die Beschwerdeführerin stürzte in weiterer Folge am 09.02.2019 um ca. 03:25 Uhr aus dem Schlafzimmerfenster ihrer Wohnung an der Adresse XXXX im vierten Stock und erlitt dabei ein Polytrauma mit folgenden Einzeldiagnosen:

-        Thoraxtrauma mit Rippenserienfraktur II bis V und VII bis IX

-        Lungenkontusion und Pneumothorax

-        Subkapsuläres Leberhämatom

-        Subkapsuläres Nierenhämatom

-        Klavikelfraktur links gering disloziert

-        Dislozierte Maxillafraktur rechts

-        Fraktur der Mandibula

-        Zweitgradig offene Taulusfraktur rechts

-        Pilontibial Fraktur und Tauluskorpusfraktur links

Die Beschwerdeführerin erlitt zudem eine Anpassungsstörung.

Die Beschwerdeführerin wies im Zeitraum 09.02.2019 zwischen 01:00 Uhr und 03:23 Uhr eine Blutalkoholkonzentration von ca. 1,89 ‰ bis 2,19 ‰ auf.

Es kann nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, ob zum Vorfallszeitpunkt im Blut der Beschwerdeführerin Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB, liquid Ecstasy) aufgrund einer exogenen Aufnahme vorliegend war.

Es kann nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin von einer oder mehreren anderen Personen Liquid Ecstasy gegen ihren Willen zugeführt wurde.

Es kann daher nicht Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte, rechtswidrige und vorsätzliche Handlung vorliegt.

Die Beschwerdeführerin wurde im Rahmen der Krisenintervention durch das Akutteam Niederösterreich betreut. Die Betreuung in der Krisenintervention und somit die Betreuung durch Frau Dr. XXXX stellen keine psychotherapeutische Krankenbehandlung dar.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Ermittlungsverfahren zu 69 St 304/19g wegen
§ 84 Abs. 4 StGB gemäß § 197 Abs. 2 StPO gegen unbekannten Täter am 07.11.2019 bis auf weiteres abgebrochen.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat das Ermittlungsverfahren gegen XXXX wegen
§ 84 Abs. 4 StGB gemäß § 190 Abs. 2 StPO eingestellt, da kein Tatnachweis zu erbringen war.

Der Antrag auf Pauschalentschädigung und der Antrag auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung sind am 31.01.2020 bei der belangten Behörde eingelangt.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur österreichischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin sowie zum Datum der Einbringung der Anträge auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Ablauf des Abends beruhen auf den im Wesentlichen gleichlautenden Aussagen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 17.03.2021.

Die Feststellung zur Alkoholisierung der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem im Akt aufliegenden Sachverständigengutachten vom 14.10.2019 aus dem Strafrechtsverfahren. Dort wurde schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Probeabnahme um 05:20 Uhr bei 1,59 Promille gelegen hat. Die mittlere stündliche Abbaurate betrage bei Ethanol im Allgemeinen 0,15 Promille und ergibt dies unter Voraussetzung der zwei bis vierstündigen Zeitdifferenz, da der Vorfallszeitraum zwischen 01:00 Uhr und 03:23 Uhr war, eine mittlere Blutalkoholkonzentration von ca. 2,19 Promille (Vorfallsbeginn) und 1,89 Promille (Vorfallsende). Der Sachverständige führte aus, dass dies eine deutliche Alkoholisierung und eine deutliche alkoholbedingte Beeinträchtigung im Vorfallszeitraum darstellt.

Dass eine exogene Aufnahme von Gamma-Hydroxbuttersäure (GHB) nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, ergibt sich aus den vorliegenden, oben bereits genannten, Sachverständigengutachten. Betreffend der im behandelnden Spital abgenommenen Blutprobe, in der ein GHB Wert von 96,2 mg/l befundet wurde und später ein GHB Wert von 78,7 mg/l, führte der Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar aus, dass in Krankenanstalten eine immunologische Bestimmung des GHB Wertes vorgenommen werde und diese in der Regel mit Ethanol kreuzreagieren. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Sachverständige aus, dass bei diesen immunologischen Tests nicht ausschließlich jene Parameter, welche getestet werden, ein Signal setzen würden, sondern darüber hinaus auch Ethanol, da dies eine ähnliche Struktur hat. Ein immunologisch ermittelter GHB-Wert in Anwesenheit von Ethanol stellt daher keinen schlüssigen Beweis für eine exogene GHB-Aufnahme dar. Der Sachverständige führte weiters aus, dass auch der Alkohol abgebaut wird und dieser mit dem GHB Wert kreuzreagiert und die Abnahme des GHB Wertes sohin auch auf den Abbau des Alkoholwertes zurückgeführt werden kann. Aus den Laborbefunden des Wilhelminenspitals vom 09.02.2019 lässt sich daher keine externe Zuführung des Liquid Ecstasy zweifelsfrei ableiten.

Der Sachverständige konnte zudem in seinem Gutachten als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht schlüssig und nachvollziehbar darlegen, dass GHB in einer Konzentration von etwa 6.000 Nanogramm pro Milliliter auch natürlicher Bestandteil des Blutes ist, sohin auch ohne externe Zuführung gemessen wird. Er führte aus, dass dies der Grenzwert zwischen der körpereigenen Produktion und der exogenen Zufuhr darstellt. Der Sachverständige führte im Gutachten aus, dass im Zeitraum von fünf bis sechs Stunden nach der Aufnahme einer Konsumeinheit von GHB die im Blut fassbare Konzentration wieder auf die endogene bereits vorhandene Konzentration absinkt. Im Zuge der mündlichen Verhandlung gab er als Halbwertszeit zwischen 30 Minuten und eineinhalb Stunden an. Die Konzentration von ca. 5.000 Nanogramm GHB pro Milliliter Blut, wie bei der Beschwerdeführerin im Zuge der chemischen Analyse im Blut nachgewiesen wurde, erlaubt sohin keinen eindeutigen Hinweis auf eine exogene Aufnahme dieser Substanz, diese kann aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Da weder die Laborbefunde vom Wilhelminenspital noch das eingeholte Gutachten zweifelsfrei eine exogene Aufnahme von GHB nachweisen können, kann daraus nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin Liquid Ecstasy gegen ihren Willen verabreicht wurde. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass der Amtssachverständige im Zuge der mündlichen Verhandlung angab, dass beide Ergebnisse die exogene Aufnahme von GHB nicht ausschließen und eine frühere Blutentnahme, insbesondere für die chemische Analyse, ein eindeutigeres Ergebnis erzielen hätten können, doch bedarf es für die Beurteilung des Vorliegens einer strafbaren Handlung nach dem Verbrechensopfergesetz eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Straftat. Aus den objektiven Befunden lässt sich diese jedoch nicht ableiten.

In der Beschwerde wird moniert, dass die Beschwerdeführerin sich ab dem Konsum des Getränkes an gar nichts mehr erinnern konnte und sie sich plötzlich vollkommen entgegen ihres normalen Verhaltens in einer Art agiert habe, welche einem psychotischen Schub geglichen habe. Diesbezüglich ist auf die Alkoholisierung der Beschwerdeführerin zu verweisen. Im Vorfallszeitraum zwischen 01:00 Uhr und 03:23 Uhr betrug der Blutalkoholwert der Beschwerdeführerin zwischen 2.19 (+/- 0,2) Promille und 1,89 (+/- 0,1) Promille. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin nach den Aussagen mehrere Zeugen und nach ihren eigenen Angaben in der Regel kaum Alkohol trinkt, die Mutter der Beschwerdeführerin und der ehemalige Freund der Beschwerdeführerin gaben gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung an, sie trinke hin und wieder ein Gläschen Wein. Aus den vorliegenden Zeugenaussagen, insbesondere der Mutter der Beschwerdeführerin, geht hervor, dass die Beschwerdeführerin in der Vorfallsnacht jedoch neben den drei Flaschen Wein, welche sie mit drei weiteren Personen geteilt hat, noch ein Vodka Red Bull und zwei bis drei Shots getrunken hat. Für eine Person, die, wie die Beschwerdeführerin, Alkohol nicht gewöhnt ist, wirkt diese Menge und dieser Blutalkoholgehalt natürlich viel stärker, als bei einem Alkoholgewöhnten. Der Amtssachverständige führte im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Amnesie ab dem Zeitpunkt, an der sie an der Bar gewesen sei, zwar grundsätzlich eher auf eine GHB- Einnahme zurückzuführen ist, diese aber auch auf den Alkoholkonsum zurückgeführt werden kann. Die Amnesie ist daher kein eindeutiger Beweis für die externe Zugabe von GHB.

Der Amtssachverständige führte im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass die allgemeine Wirkung von Liquid Ecstasy dosisabhängig ist. Es beginnt grundsätzlich mit einer Linderung der Angst, mit Entspannung und einer verminderten Reaktionsfähigkeit sowie einer erhöhten Bereitschaft zum Sex. Ab einer gewissen Dosis kann es zu Halluzinationen kommen. Mit einer erhöhten Dosis kommt es dann zu Müdigkeit, Schläfrigkeit und auch Übelkeit mit Brechreiz. In Kombination von GHB und Alkohol kommt es zu einer Ergebnisverstärkung, sodass auch bei der Einnahme von GHB und Alkohol zu einer sedierenden Wirkung kommt. Diese sedierende Wirkung ist aus den Zeugenaussagen, sowohl vor der Polizei als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, nicht ableitbar, eine erhöhte Müdigkeit, Schläfrigkeit wurde nicht beschrieben, ebenso wenig eine plötzliche Übelkeit.

Aus den Zeugenaussagen, sowohl bei der Polizei als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, geht hervor, dass die Beschwerdeführerin sich zwar anders als normalerweise verhalten hat, aber ihr Verhalten aggressiv war. Sie hat zunächst getanzt, Getränke vom Tisch geschubst und wirkte auf die Anwesenden alkoholisiert. Die Beschwerdeführerin schlug ihre Mutter, als diese sie aus dem Lokal bringen wollte und fuhr mit einem Taxi davon. In ihrer Wohnung ging die Beschwerdeführerin in einem Streit auch auf ihren damaligen Freund handgreiflich los. Die bei der Beschwerdeführerin aufgetretene und von den Zeugen angegebene Wirkung ist, nach der Einschätzung des Amtssachverständigen, eher auf den konsumierten Alkohol zurückzuführen, da GHB, wie bereits ausgeführt, dämpfend wirkt.

Aus dem Aktenvermerk der Landespolizeidirektion Wien vom 09.02.2019 geht hervor, dass die Zeugin 1 angerufen und angegeben habe, bei der Blutabnahme sei ein „positiver GHB Wert (Ecstasy)“ festgestellt worden. Der hinzugezogene Amtssachverständige konnte die Einnahme von Ecstasy in Tablettenform zweifelsfrei ausschließen, da dieses 24 bis 48 Stunden im Blut nachweisbar ist. Der Amtssachverständige erklärte den Unterschied zwischen Liquid Ecstasy und dem Ecstasy in Tablettenform, dieses wirkt eher aufputschend, wie Speed, während das Liquid Ecstasy sedierend wirkt.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht legte die Beschwerdeführerin mehrere Instagram Nachrichten vor, in denen andere Frauen von der unfreiwilligen Einnahme von K.O. Tropfen im selben Club, in dem die Beschwerdeführerin war, erzählten. Diesbezüglich ist anzuführen, dass dies keine nachgewiesenen Fälle von der Gabe von K.O. Tropfen darstellen, es konnten diesbezüglich keine Strafanzeigen oder gar Nachweise von Liquid Ecstasy im Blut vorgelegt werden. Daher kann dies nicht als Nachweis der regelmäßigen Verabreichung von Liquid Ecstasy im besagten Lokal gelten. Die von diesen Frauen angegebenen Auswirkungen der vermuteten K.O. Tropfen waren zudem gänzlich anders als bei der Beschwerdeführerin, es wurden Muskelkrämpfe, Schläfrigkeit und Erbrechen geschildert, wie vom Amtssachverständigen auch als allgemeine Wirkungen von GHB beschrieben. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Instagram Nachrichten sind jedoch, selbst wenn davon ausgegangen wird, dass diesen Frauen tatsächlich in dem Club gegen ihren Willen GHB in ein Getränk gemischt worden wäre, keinesfalls geeignet, einen Nachweis zu erbringen, dass der Beschwerdeführerin in der Nacht auf den 09.02.2019 gegen ihren Willen Liquid Ecstasy verabreicht wurde. Auch aus dem Vorliegen mehrerer Fälle von Verabreichung von GHB in einem bestimmten Lokal kann nicht darauf geschlossen werden, dass dies im Einzelfall der Beschwerdeführerin ebenfalls eingetreten ist.

Die vorgelegten Nachrichten des angeführten Lokals sind auch nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen. Die widersprechenden Aussagen der Lokalbetreiber gegenüber der Polizei und eines Fernsehsenders betreffend Videomaterial sind nicht Gegenstand des Verfahrens und haben keine Aussagekraft in Hinblick auf eine vermeintliche Verabreichung von GHB.

Aus all diesen Gründen kann nicht mit für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin gegen ihren Willen Gamma-Hydroxbuttersäure extern zugeführt worden ist.

Die Feststellungen zum Sturz der Beschwerdeführerin aus dem Fenster im vierten Stock ihrer Wohnung ergeben sich aus den Angaben der Zeugin XXXX . Die Zeugin konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft und nachvollziehbar schildern, dass sie bei Ankunft im Schlafzimmer gesehen habe, dass sich die Beschwerdeführerin weit aus den Fenster gelehnt habe. Aus den Angaben der Zeugenvernehmung vom 09.02.2019 vor der Landespolizeidirektion Wien geht zudem hervor, dass sie sehen konnte, wie die Beschwerdeführerin sich mit dem Oberkörper durch das Fenster beugte und dabei bereits im Fallen war. Diese Zeugin ist die einzige Zeugin, die eigene Wahrnehmungen zum Sturzgeschehen machen konnte, da außer ihr niemand im Schlafzimmer anwesend war.

Die Beschwerdeführerin konnte im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lediglich angeben, dass sie während ihres Komas einen Traum gehabt hätte, wo sie Wasser habe holen wollen und der Boden unter ihren Füßen plötzlich verschwunden war. Gegenüber den behandelnden Ärzten gab die Beschwerdeführerin an, sie habe in ihrer Benommenheit die Tür mit dem Fenster verwechselt. Da die Beschwerdeführerin keine tatsächlichen Wahrnehmungen tätigen konnten und ihre Angaben mit dem Unfallgeschehen nicht übereinstimmen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie aufgrund einer Halluzination aus dem Fenster gesprungen wäre, weil sie diese mit der Tür verwechselt hätte.

Es ist davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin aus dem Fenster ihres Schlafzimmers gelehnt hat, dabei jedoch das Gleichgewicht verloren hat und vornüber aus dem Fenster gefallen war. Der erkennende Senat konnte zweifelsfrei feststellen, dass es sich beim Sturz aus dem Fenster um einen bedauerlichen Unfall handelte, ein Fremdverschulden ist zweifelsfrei auszuschließen. Die Beschwerdeführerin schließt selbst aus, dass sie von einer anderen Person aus dem Fenster gestoßen wurde.

Die Beschwerdeführerin moniert, es sei nur aus dem Grund zum Sturz aus dem Fenster gekommen, da ihr von einer bis dato unbekannten Person Liquid Ecstasy (GHB) gegen ihren Willen verabreicht worden sei. Wie oben bereits ausgeführt, kann weder angenommen, noch ausgeschlossen werden, dass es am 09.02.2019 zu einer exogenen Aufnahme von GHB durch die Beschwerdeführerin gekommen wäre. Darüber hinaus sind die Ausführungen der Zeugen über das Verhalten der Beschwerdeführerin im Club und in ihrer Wohnung nicht geeignet, eine anderweitige Beurteilung herbeizuführen. Aus dem festgestellten Sturzgeschehen lässt sich auch nicht mit für das VOG erforderlicher Wahrscheinlichkeit ableiten, dass sie aufgrund von Liquid Ecstasy und daraus entstandenen Halluzinationen aus dem Fenster gesprungen wäre. Der Verlust des Gleichgewichtes und der daraus resultierende Sturz kann auch im Alkoholkonsum begründet sein.

Die Feststellungen zum Ermittlungsverfahren zu 69 St 304/19g gründen sich auf den von der belangten Behörde eingeholten Akt der Staatsanwaltschaft Wien.

Der Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld und der Antrag auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung weisen am Eingangsstempel jeweils das Datum 31.01.2020 auf.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)
1.         Zur Entscheidung in der Sache:

Gemäß § 1 Abs. 1 VOG haben Anspruch auf Hilfe österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1.       durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2.       durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3.       als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

Gemäß § 1 Abs. 2 VOG ist Hilfe auch dann zu leisten, wenn

1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,

2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder

3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.

Als Hilfeleistungen sind gemäß § 2 VOG vorgesehen:

1.       Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

2.       Heilfürsorge

a)       ärztliche Hilfe,

b)       Heilmittel,

c)       Heilbehelfe,

d)       Anstaltspflege,

e)       Zahnbehandlung,

f)       Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955);

2a.      Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten

3.       orthopädische Versorgung

a)       Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,

b)       Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,

c)       Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

d)       Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

e)       notwendige Reise- und Transportkosten;

4.       medizinische Rehabilitation

a)       Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen,

b)       ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluß oder im Zusammenhang mit der unter lit. a angeführten Maßnahme erforderlich sind,

c)       notwendige Reise- und Transportkosten;

5.       berufliche Rehabilitation

a)       berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit,

b)       Ausbildung für einen neuen Beruf,

c)       Zuschüsse oder Darlehen (§ 198 Abs. 3 ASVG 1955);

6.       soziale Rehabilitation

a)       Zuschuß zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerberechtigung, wenn auf Grund der Behinderung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist,

b)       Übergangsgeld (§ 306 ASVG 1955);

7.       Pflegezulagen, Blindenzulagen;

8.       Ersatz der Bestattungskosten;

9.       einkommensabhängige Zusatzleistung;

10.      Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

Erbringt der Träger der Krankenversicherung auf Grund der Satzung dem Opfer oder dem Hinterbliebenen einen Kostenzuschuß für psychotherapeutische Krankenbehandlung infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1, so sind gemäß § 4 Abs. 5 VOG die Kosten für die vom Träger der Krankenversicherung bewilligte Anzahl der Sitzungen, die das Opfer oder der Hinterbliebene selbst zu tragen hat, bis zur Höhe des dreifachen Betrages des Kostenzuschusses des Trägers der Krankenversicherung zu übernehmen. Sobald feststeht, dass der Träger der Krankenversicherung einen Kostenzuschuss erbringt, kann vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auch eine Direktabrechnung der Kosten mit dem Psychotherapeuten unter Bevorschussung des Kostenzuschusses des Trägers der Krankenversicherung vorgenommen werden, in diesem Fall ist der geleistete Kostenzuschuss vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zu vereinnahmen. Eine Kostenübernahme bis zum angeführten Höchstausmaß erfolgt auch, sofern der Träger der Krankenversicherung Kosten im Rahmen der Wahlarzthilfe erstattet.

Gemäß § 4a VOG sind die Kosten einer Krisenintervention (klinisch-psychologische und gesundheitspsychologische Behandlung durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen und Behandlung durch Psychotherapeuten) in Notfällen, die Opfer oder Hinterbliebene infolge einer Handlung nach § 1 Abs. 1 zu tragen haben, pro Sitzung bis zur Höhe des vierfachen Betrages des Kostenzuschusses nach § 4 Abs. 5 des zuständigen Trägers der Krankenversicherung zu übernehmen. Eine Kostenübernahme gebührt für höchstens zehn Sitzungen.

Gemäß § 6a Abs. 1 ist Hilfe nach § 2 Z 10 für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.

§ 6a Abs. 2 bestimmt, zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen
(§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht.

Gemäß § 10 Abs. 1 dürfen Leistungen nach § 2 nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen drei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist.

Körperverletzung

Wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist gemäß § 83 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

Schwere Körperverletzung

Wer einen anderen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit oder eine an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung zufügt, ist gemäß § 84 Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

Gemäß § 84 Abs. 4 StGB ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (Abs. 1) des anderen herbeiführt.

§ 85 Abs. 1 bestimmt, wer einen anderen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig für immer oder für lange Zeit

1. den Verlust oder eine schwere Schädigung der Sprache, des Sehvermögens, des Gehörs oder der Fortpflanzungsfähigkeit,

2. eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung,

2a. eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, oder

3. ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des Geschädigten,

herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

§ 85 Abs. 2 bestimmt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Dauerfolge (Abs. 1) beim Verletzten herbeiführt.

Im gegenständlichen Fall kann nicht mit der im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die erlittene Körperverletzung der Beschwerdeführerin durch eine mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte, rechtswidrige und vorsätzliche Handlung herbeigeführt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.03.2014, Zl. 2013/09/0181).

Diesen Grad der geforderten Wahrscheinlichkeit konnten die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht begründen.

Dass das Vorliegen einer Handlung gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, also grundsätzlich die Möglichkeit besteht, reicht für die Anerkennung nicht aus (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 KOVG vom 19.11.1986, Zl. 86/09/0085).

Die Gesetzeslage bietet keine Handhabe dafür, dass bei nicht geklärter Ursache einer Gesundheitsschädigung, d.h. „im Zweifel“, grundsätzlich für den Beschädigten zu entscheiden sei (VwGH 23.09.1993, 93/09/0221).

Es konnte nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin von einer anderen Person gegen ihren Willen Liquid Ecstasy verabreicht wurde und diese exogene Zuführung den Sturz am 09.02.2019 kausal begründet hat.

Daher war die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld sowie die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung abzuweisen.

Es konnte auch nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einer verbrechenskausalen psychischen Beeinträchtigung leidet, die eine psychotherapeutische Krankenbehandlung erforderlich macht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Anspruchsvoraussetzungen Körperverletzung Kostentragung mündliche Verhandlung Sachverständigengutachten Straftat Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W141.2239303.1.00

Im RIS seit

15.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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