TE Vwgh Erkenntnis 2021/5/12 Ro 2021/02/0003

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Veröffentlicht am 12.05.2021
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
37/01 Geldrecht Währungsrecht
37/02 Kreditwesen
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BWG 1993
BWG 1993 §40
BWG 1993 §99d Abs3
FM-GwG 2017
FM-GwG 2017 §35 Abs3
FM-GwG 2017 §36
FM-GwG 2017 §6
VStG §1 Abs2
VStG §31 Abs2
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGVG 2014 §38
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Dezember 2020, W158 2173890-1/32E, betreffend Übertretung des BWG (mitbeteiligte Partei: U AG in W, vertreten durch Dr. Bettina Hörtner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden FMA vom 21. August 2017 wurde die mitbeteiligte Partei, ein konzessioniertes Kreditinstitut, folgender Übertretung schuldig erkannt:

„[Die mitbeteiligte Partei] verfügte jedenfalls von 01.01.2014 (Inkrafttreten des § 99d BWG) bis jedenfalls 30.11.2015 über keine angemessenen und geeigneten Strategien und Verfahren für die Einhaltung des § 40 Abs. 2 erster Halbsatz zweiter Fall BWG, einer Sorgfaltspflicht gegenüber Kunden und eine einschlägige Vorschrift im Sinne des § 41 Abs. 4 Z 1 BWG, um Transaktionen, die mit Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zusammenhängen, vorzubeugen und zu verhindern. Konkret hatte [die mitbeteiligte Partei] weder (schriftliche) Arbeitsanweisungen an die für sich tätigen Personen erteilt, noch technische oder sonstige Vorkehrungen getroffen, die sicherstellten, dass bei Durchführung von nicht in den Rahmen einer dauernden Geschäftsbeziehung fallenden Transaktionen (im Folgenden auch gelegentliche Transaktionen), deren Betrag sich auf mindestens 15.000 Euro oder Euro-Gegenwert beläuft [...], die Kunden stets aufgefordert werden, bekannt zu geben, ob sie die Transaktionen auf eigene oder fremde Rechnung bzw. in fremden Auftrag betreiben wollen. Den rechtmäßigen Zustand hat [die mitbeteiligte Partei] frühestens im Dezember 2015 durch eine entsprechende Adaptierung der [in der mitbeteiligten Partei] verwendeten EDV-Programme, wonach die Kundenbetreuer bei derartigen Transaktionen nunmehr ein Freitextfeld zu befüllen haben, in welchem zu vermerken ist, ob die Transaktionen auf eigene oder fremde Rechnung bzw. im fremden Auftrag erfolgen soll, hergestellt.

Die Verantwortlichkeit [der mitbeteiligten Partei] ergibt sich folgendermaßen:

Die im Tatzeitraum (01.01.2014 bis 30.11.2015) zur Vertretung nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes [der mitbeteiligten Partei] (siehe dazu den beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch, welcher einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses bildet) haben durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung der angeführten Verstöße durch für [die mitbeteiligte Partei] tätige Personen ermöglicht.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 41 Abs. 4 Z 1 BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. Nr. 13/2014 iVm § 40 Abs. 2 erster Halbsatz zweiter Fall iVm Abs. 1 Z 2 BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. Nr. 184/2013 iVm § 35 Abs. 3 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016

2        Über die mitbeteiligte Partei wurde deswegen eine Geldstrafe von € 60.000,-- gemäß § 35 Abs. 3 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016, verhängt und ihr ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

3        Die mitbeteiligte Partei erhob gegen dieses Straferkenntnis Beschwerde.

4        Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde zur Klärung einer Vorfrage mit Beschluss vom 12. September 2018, zugestellt am selben Tag, bis zur Entscheidung eines vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens ausgesetzt. Gegen diesen Aussetzungsbeschluss erhob die FMA Revision. Der Verwaltungsgerichtshof entschied in der Sache, aufgrund welcher das Verfahren ausgesetzt wurde, mit Erkenntnis vom 29. März 2019. Mit Beschluss vom 8. April 2019, zugestellt am 9. April 2019, setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren fort. Die gegen den Aussetzungsbeschluss vom 12. September 2018 erhobene Revision erklärte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Mai 2019, Ra 2018/02/0317, als gegenstandslos geworden und stellte das Verfahren ein.

5        Mit Erkenntnis vom 24. Juni 2019 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge und behob das Straferkenntnis vom 21. August 2017 ersatzlos.

6        Die FMA erhob dagegen Revision, welche am 9. August 2019 beim Verwaltungsgerichtshof einlangte.

7        Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2019, Ra 2019/02/0147, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis vom 9. August 2019 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Das aufhebende Erkenntnis wurde der belangten Behörde am 2. Jänner 2020 zugestellt.

8        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 23. Dezember 2020 gab das Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren der Beschwerde erneut Folge und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 iVm § 31 Abs. 2 VStG ein.

9        Begründend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Strafbarkeit der Verwaltungsübertretung mittlerweile verjährt sei. Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts des § 36 FM-GwG, wonach die verlängerte fünfjährige Strafbarkeitsverjährungsfrist nur für Übertretungen nach dem FM-GwG zur Anwendung komme und eine solche nicht vorliege, komme nur die allgemeine dreijährige Strafbarkeitsverjährungsfrist nach dem § 31 Abs. 2 VStG zur Anwendung. Das Verfahren sei mit 28. Juni 2019 verjährt, weshalb die Strafbarkeit ausgeschlossen und das Verfahren einzustellen gewesen sei. Die ordentliche Revision ließ das Verwaltungsgericht zu, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ob die verlängerte Strafbarkeitsverjährungsfrist des § 36 FM-GwG (zumindest analog) auch auf Sachverhalte anwendbar sei, die - wenngleich materiellrechtlich gleichzuhalten - noch dem BWG und nicht dem FM-GwG unterlägen.

10       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhalts.

11       Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12       Die FMA bringt in ihrer Revision vor, das Verwaltungsgericht habe entgegen VwGH 30.9.2015, 2012/15/0111, verkannt, dass Verjährungsbestimmungen Normen des Verfahrensrechts seien und bei Änderungen das neue Recht - auch auf Sachverhalte die vor dem Inkrafttreten lägen - anzuwenden sei, hier somit § 36 FM-GwG. Das Erkenntnis weiche auch von VwGH 13.12.2019, Ra 2019/02/0184, ab: In dieser Entscheidung sei ein Sachverhalt, der zunächst dem BWG unterlag, aber eine materiellrechtliche Entsprechung im FM-GwG habe, vom Verwaltungsgerichtshof als Übertretung des FM-GwG behandelt worden. Weiter sei gemäß VwGH 24.4.2015, Ra 2015/08/0016, und VwGH 14.4.2016, Ra 2015/06/0042 ua., die Anwendung geänderter Verjährungsbestimmungen auf Sachverhalte vor Inkrafttreten der Änderung möglich, sofern zu diesem Zeitpunkt die Verjährung noch nicht eingetreten sei. Schließlich sei die neuere Rechtslage günstiger, weshalb nach dem Günstigkeitsprinzip das FM-GwG anzuwenden gewesen wäre (Verweis auf VwGH 15.9.2006, 2005/04/0073, und weitere). Im Übrigen verwies die FMA auf die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts.

13       In ihrer Revisionsbeantwortung verneinte die mitbeteiligte Partei das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

14       Die Revision ist im Ergebnis zulässig, jedoch nicht berechtigt.

15       Im vorliegenden Fall sind nachstehende Bestimmungen des BWG maßgebend:

„Sorgfaltspflichten zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung

§ 40. (1) Die Kredit- und Finanzinstitute haben die Identität eines Kunden festzustellen und zu überprüfen: [...] ...

2.   vor Durchführung von allen nicht in den Rahmen einer dauernden Geschäftsbeziehung fallenden Transaktionen, deren Betrag sich auf mindestens 15 000 Euro oder Euro-Gegenwert beläuft, und zwar unabhängig davon, ob die Transaktion in einem einzigen Vorgang oder in mehreren Vorgängen, zwischen denen eine Verbindung offenkundig gegeben ist, getätigt wird; ist der Betrag vor Beginn der Transaktion nicht bekannt, so ist die Identität dann festzustellen, sobald der Betrag bekannt ist und festgestellt wird, dass er mindestens 15 000 Euro oder Euro-Gegenwert beträgt; [...]

(2) Die Kredit- und Finanzinstitute haben den Kunden aufzufordern, bekannt zu geben, ob er die Geschäftsbeziehung (Abs. 1 Z 1) oder die Transaktion (Abs. 1 Z 2) auf eigene oder fremde Rechnung bzw. im fremden Auftrag betreiben will; [...]

Meldepflichten

§ 41 [...] (4) Die Kredit- und Finanzinstitute haben

1.   angemessene und geeignete Strategien und Verfahren für die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, Verdachtsmeldungen, die Aufbewahrung von Aufzeichnungen, die interne Kontrolle, die Risikobewertung, das Risikomanagement, die Gewährleistung der Einhaltung der einschlägigen Vorschriften und die Kommunikation einzuführen, um Transaktionen, die mit Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung zusammenhängen, vorzubeugen und zu verhindern sowie geeignete Strategien zur Verhinderung des Missbrauchs von neuen Technologien für Zwecke der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung zu entwickeln; [...]

Verfahrens- und Strafbestimmungen

[...]

§ 98 [...] (5a) Wer als Verantwortlicher (§ 9 VStG) eines Kreditinstitutes

[...]

3.   die Pflichten der §§ 40, 40a, 40b, 40d oder 41 Abs. 1 bis 4 verletzt;

[...]

begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 150 000 Euro, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß Z 3 mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen.

[...]

§ 99d (1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn Personen, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt haben und eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person aufgrund

1.   der Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,

2.   der Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder

3.   einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person

innehaben, gegen die in § 98 Abs. 1, Abs. 2 Z 7 und 11, Abs. 5, Abs. 5a oder § 99 Abs. 1 Z 3 oder 4 angeführten Verpflichtungen verstoßen haben, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(2) Juristische Personen können wegen Verstößen gegen die in § 98 Abs. 1, Abs. 2 Z 7 und 11, Abs. 5, Abs. 5a oder § 99 Abs. 1 Z 3 oder 4 angeführten Pflichten auch verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs. 1 genannte Person die Begehung dieser Verstöße durch eine für die juristische Person tätige Person ermöglicht hat, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(3) Die Geldstrafe gemäß Abs. 1 oder 2 beträgt bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs. 4 oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt.

[...]“

16       Die hier in Frage kommenden Bestimmungen des FM-GwG lauten:

„Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden

Anwendung der Sorgfaltspflichten

§ 5 Die Verpflichteten haben in folgenden Fällen Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden gemäß § 6 anzuwenden:

[...]

2.   bei Durchführung von allen nicht in den Rahmen einer Geschäftsbeziehung fallenden Transaktionen (gelegentliche Transaktionen),

a)   deren Betrag sich auf mindestens 15 000 Euro oder Euro-Gegenwert beläuft, und zwar unabhängig davon, ob die Transaktion in einem einzigen Vorgang oder in mehreren Vorgängen, zwischen denen eine Verbindung offenkundig gegeben ist, getätigt wird

[...]

Umfang der Sorgfaltspflichten

§ 6 [...] (3) Die Verpflichteten haben den Kunden aufzufordern, Folgendes bekannt zu geben:

1.   ob er die Geschäftsbeziehung (§ 5 Abs. 1 Z 1) oder die gelegentliche Transaktion (§ 5 Abs. 1 Z 2) auf eigene oder fremde Rechnung bzw. im fremden Auftrag betreiben will

[...]

Pflichtverletzungen

§ 23 (1) Die Verpflichteten haben Strategien, Kontrollen und Verfahren zur wirksamen Minderung und Steuerung der auf Unionsebene, auf nationaler Ebene und auf Unternehmensebene ermittelten Risiken von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung einzurichten, die in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Größe des Verpflichteten zu stehen haben. Dabei haben sie den Bericht der Europäischen Kommission gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/849, die nationale Risikoanalyse (§ 3) und die Risikoanalyse auf Unternehmensebene (§ 4) zu berücksichtigen. Die Strategien, Kontrollen und Verfahren haben insbesondere Folgendes zu umfassen: [...]

3.   die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden; dies beinhaltet auch Maßnahmen in Bezug auf neue Produkte, Praktiken und Technologien zum Ausgleich der damit in Zusammenhang stehenden Risiken [...]

Pflichtverletzungen

§ 34 (1) Wer als Verantwortlicher (§ 9 VStG) eines Verpflichteten, die Pflichten gemäß [...]

8.   § 23 Abs. 1 bis 3 oder 6 (interne Organisation) [...]

verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen. [...]

Strafbarkeit von juristischen Personen

§ 35 (1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn eine Pflichtverletzung gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat und die aufgrund einer der folgenden Befugnisse eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person innehat:

1.   Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,

2.   Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen oder

3.   Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person.

(2) Juristische Personen können wegen Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 auch dann verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs. 1 genannte Person die Begehung einer in § 34 Abs. 1 bis 3 genannten Pflichtverletzungen zugunsten der juristischen Person durch eine für sie tätige Person ermöglicht hat.

(3) Die Geldstrafe gemäß Abs. 1 und 2 beträgt bei Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 1 bis zu 150 000 Euro und bei Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 2 und 3 bis zu 5 000 000 Euro oder 10 vH des jährlichen Gesamtumsatzes. Der jährliche Gesamtumsatz bestimmt sich nach den jährlichen Umsatzerlösen aus dem letzten festgestellten Jahresabschluss. Wenn es sich bei dem Verpflichteten um ein Kreditinstitut, ein E-Geld-Institut gemäß § 3 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 E-Geldgesetz 2010, das ein CRR-Finanzinstitut gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ist, ein Zahlungsinstitut gemäß § 4 Z 4 ZaDiG 2018, das ein CRR-Finanzinstitut gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 26 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ist, einen AIFM gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 AIFMG oder eine Wertpapierfirma gemäß § 1 Z 1 WAG 2018 handelt, ist der jährliche Gesamtumsatz die Summe der in Z 1 bis 7 der Anlage 2 zu § 43 BWG angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen. Wenn es sich bei dem Verpflichteten um ein Versicherungsunternehmen gemäß § 5 Z 1 VAG 2016 oder um ein kleines Versicherungsunternehmen gemäß § 5 Z 3 VAG 2016 handelt, ist der jährliche Gesamtumsatz die Summe der in § 146 Abs. 4 Z 1 bis 8 und 10 bis 11 VAG 2016 angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen. Wenn es sich bei dem Verpflichteten um eine Muttergesellschaft oder die Tochtergesellschaft einer Muttergesellschaft handelt, die einen konsolidierten Abschluss nach Art. 22 der Richtlinie 2013/34/EU aufzustellen hat, so bestimmt sich der jährliche Gesamtumsatz nach den jährlichen Umsatzerlösen oder der entsprechenden Einkunftsart gemäß den einschlägigen Rechnungslegungsrichtlinien, die im letzten verfügbaren festgestellten konsolidierten Abschluss ausgewiesen sind. Soweit die FMA die Grundlagen für den Gesamtumsatz nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Verlängerung der Verjährungsfrist

§ 36 Bei Verwaltungsübertretungen gemäß diesem Bundesgesetz gilt anstelle der Frist für die Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 VStG) eine Frist von drei Jahren. Die Frist für die Strafbarkeitsverjährung (§ 31 Abs. 2 VStG) beträgt in diesen Fällen fünf Jahre.“

17       § 40 BWG spiegelt sich seit dem Inkrafttreten des FM-GwG am 1. Jänner 2017 im Wesentlichen inhaltlich unverändert in dessen § 6 FM-GwG. Die neue Übertretungsnorm entspricht demnach dem Unwerturteil der verletzten Vorschrift des BWG, während sich die Strafsanktionsnorm des § 35 Abs. 3 FM-GwG wegen der im Vergleich zu § 99d Abs. 3 BWG geringeren Strafdrohung als für die Mitbeteiligte günstiger erweist.

18       Bei einer solchen Konstellation berühren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechtsänderungen nach abgeschlossener Tat bei Fehlen einer besonderen gegenteiligen Übergangsregelung die bereits eingetretene Strafbarkeit nicht und haben, wenn Taten der gleichen Art auch weiterhin strafbar bleiben, gemäß § 1 Abs. 2 VStG nur hinsichtlich der Strafe die Folge, dass ein etwaiges nunmehr dem Täter günstigeres Recht zur Anwendung zu kommen hat. In einem solchen Fall ist als verletzte Vorschrift im Sinne des § 44a Z 2 VStG diejenige anzusehen, welche vor der Rechtsänderung in Kraft war, jedoch als Strafsanktionsnorm im Sinne des § 44a Z 3 VStG bei einem zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz günstigeren Recht für den Täter dieses heranzuziehen (vgl. etwa VwGH 23.6.2010, 2009/06/0129, mwN).

19       Das bedeutet für den Revisionsfall, dass im Hinblick auf den Tatzeitraum im Jahr 2015 als verletzte Vorschriften nur solche des damals in Kraft gewesenen BWG in Frage kommen, während für die Strafbemessung die für die Mitbeteiligte günstigere Norm des § 35 Abs. 3 FM-GwG heranzuziehen ist.

20       Für die hier entscheidende Frage, ob die Strafbarkeit der Verwaltungsübertretung durch Verjährung erloschen ist, was nur bei Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG der Fall wäre, lässt sich daraus Folgendes ableiten:

21       Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre.

22       Nach § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt bei Dauerdelikten in dem Zeitpunkt, in dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. In die Verjährungsfrist werden die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist und die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, nicht eingerechnet (Z 3 und 4 leg. cit.).

23       Verjährungsbestimmungen sind keine Normen des materiellen Rechtes, sondern des Verfahrensrechtes. Bei Änderungen verfahrensrechtlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (etwa VwGH 17.11.2020, Ra 2019/13/0067, mwN).

24       Diese Judikatur gilt „im Allgemeinen“, also in jenen Fällen, in denen die (zeitliche) Anwendung der geänderten Verjährungsbestimmung nicht anders geregelt wird.

25       Eine solche spezielle Regelung trifft § 36 FM-GwG, der die Anwendung der fünfjährigen statt der dreijährigen Strafbarkeitsverjährung nur bei Verwaltungsübertretungen „gemäß diesem Bundesgesetz“ vorsieht.

26       Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung kommt die verlängerte Strafbarkeitsverjährung nur bei Übertretungen des FM-GwG in Betracht, das am 1. Jänner 2017 in Kraft getreten ist.

27       Für die vorliegende Übertretung des BWG im Jahr 2015 gilt daher die allgemeine Frist für die Strafbarkeitsverjährung von drei Jahren gemäß § 31 Abs. 2 VStG. Diese hat mit dem Ende der Tat am 30. November 2015 begonnen und ist nach der unbestritten gebliebenen Berechnung des Verwaltungsgerichtes zum Zeitpunkt seiner Entscheidung am 23. Dezember 2020 bereits abgelaufen. Damit ist auch die Strafbarkeit der Tat erloschen, weshalb das Verwaltungsgericht das Verfahren zu Recht eingestellt hat.

28       Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

29       Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Mai 2021

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021020003.J00

Im RIS seit

06.07.2021

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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