TE OGH 2021/4/30 8Ob22/21z

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Veröffentlicht am 30.04.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, vertreten durch Dr. Christoph Reitmann LL.M., Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei H***** A*****, vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 45.953,52 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 25.317,84 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. Jänner 2021, GZ 4 R 162/20f-81, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO

zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Die Bestimmung des § 1307 ABGB, wonach der im Zustand der Sinnesverwirrung verursachte Schaden dem als Verschulden zuzurechnen ist, der sich aus eigenem Verschulden in diesen Zustand versetzt hat, muss auch auf den Geschädigten selbst angewendet werden, der in diesem Zustand den ihm zugefügten Schaden mitverursacht hat (RIS-Justiz RS0027280; iglS Schacherreiter in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.07 § 1307 Rz 6; Karner in KBB6 § 1304 Rz 3; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht4 I Kap C-9 Rz 36). Dabei misst die Rechtsprechung der Vorhersehbarkeit der Gefahrensituation durch den Geschädigten Bedeutung zu, so etwa, dass der sich Betrinkende wusste, dass er sich im betrunkenen Zustand immer sehr lästig und gewalttätig verhält und daher Gefahr läuft, aus dem Wirtshaus geschmissen zu werden (vgl 8 Ob 200/64 – Schädigung durch Lungenentzündung des nach dem Rausschmiss vor dem Wirtshaus in der Kälte liegengelassenen Betrunkenen); oder dass er vorsehen konnte, später von einem Mitfeiernden nach Hause gefahren zu werden, dann aber alkoholbedingt nicht mehr im Stande zu sein, dessen Fahrtauglichkeit zu überprüfen (vgl RS0026843 – Schädigung durch Autounfall); oder dass nahelag, dass er im betrunkenen Zustand selbst ein Fahrzeug lenken wird (vgl 8 Ob 281/71 = ZVR 1972/115: Geschädigter blieb nach einem durch Trunkenheit selbstverschuldeten Sturz vom Moped betrunken auf der Fahrbahn liegen und wurde einige Minuten später von einem PKW überrollt).

[2]            Hier erkannte der eine Alkoholisierung von zumindest 1,2 Promille aufweisende Kläger nicht, dass es sich bei der von ihm benützen, erkennbar am oberen Ende mit einem Gitter abgesperrten – aus verschiedenen Gründen nicht verkehrssicheren – Treppe nicht um den Ausgang aus dem Lokal handelte, sodass er wieder hinabsteigen musste und dabei stürtzte. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe sich „sorglos der infolge seiner Alkoholisierung absehbaren Gefahr eines Sturzes auf der Treppe aus[gesetzt]“, sodass ihn ein Mitverschulden treffe, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Dass es sich bei Alkoholisierung um ein erkennbares Gefahrenmoment handelt, das die Benützung einer Treppe gefährlich macht, und dass folglich bei Alkoholisierung bereits das Betreten einer Treppe eine vermeidbare Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten begründen kann, geht auch aus der vom Kläger in der Revision genannten Entscheidung 1 Ob 174/19y hervor. Ob der Kläger noch erkennen konnte, dass ein Verlassen des Lokals über diese Treppe nicht möglich ist, oder ob dies ihm alkoholbedingt nicht mehr möglich war, ist aufgrund der Bestimmung des § 1307 ABGB ohne Bedeutung.

[3]            2. Fragen der Verschuldensteilung sind im Allgemeinen – von korrekturbedürftigen Fehlbeurteilungen abgesehen – grundsätzlich nicht revisionsfähig (vgl RS0029844; 2 Ob 219/04a). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, das auf eine Mitverschuldensquote von 2 : 1 zu Lasten des Beklagten erkannte, wird in der Revision des Klägers nicht zur Darstellung gebracht.

[4]            3. Bloßen Ermessensentscheidungen – wie über die Höhe des Schmerzengeldes – kommt grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (vgl RS0044088 [T19]). Der Schmerzengeldanspruch ist nach Art, Dauer und Intensität der Schmerzen als Globalsumme unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der physischen und psychischen Schmerzen auszumitteln (zB 8 Ob 42/16h; Danzl in KBB6 § 1325 Rz 26 mwN). Dem entspricht die Ausmittlung des Schmerzengeldes durch das Berufungsgericht. Mit dem in der Revision ins Treffen geführten Fall 2 Ob 55/12w, welcher zu einer massiven Beeinträchtigung des Sehvermögens beider Augen von insgesamt 90 % erging, lässt sich jener des Klägers nicht vergleichen.

[5]       Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Textnummer

E131806

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00022.21Z.0430.000

Im RIS seit

10.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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