TE Lvwg Erkenntnis 2020/10/13 VGW-101/014/12470/2020

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §34 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Findeis über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 16.9.2020, GZ …, betreffend Ordnungsstrafe in einem Verwaltungsstrafverfahren, zu Recht erkannt:

Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird mit der Abänderung bestätigt, dass die anzuwendende Rechtsvorschrift „§ 34 Abs. 3 AVG“ lautet.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

BEGRÜNDUNG

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 16.9.2020 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 34 AVG wegen beleidigender Schreibweise in dessen schriftlichen Eingabe vom 10.9.2020 in der Angelegenheit VStV/…/ 2020, eine Ordnungsstrafe von 350,00 Euro verhängt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, eine beleidigende Schreibweise liege vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthalte, dass in einer Art gehalten sei, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstelle oder sich eine Person im Umgang mit der Behörde einer Ausdrucksweise bediene, die nicht dem Anstand entspreche.

Im angefochtenen Bescheid werden folgende Aussagen angeführt:

«D., Büro – zwei „Magister-Schwänze sitzen im klimatisierten Büro:

Friert den zwei Trotteln, Arschlöchern und Blödmännern der Arsch ein (Anstand verletzt?)

Bringen in ein klimatisiertes Büro zwei Heizstrahler mit, weil sie zu deppert sind an einem Thermostat zu drehen!!!!

Singe, oh Göttin den Zorn, den man auf so zwei blöde „Arschlöcher“ hat!!!!!!!!!!!!

Solange ihr Akademiker zu blöd zum Scheissen seid, werde ich mich nicht rechtfertigen!!!!!

SIE RECHTFERTIGEN sich vor MIR, warum sie so deppert sind!

Doppelklicken tut‘s ihr Ärsche auch sehr gern und versteht nicht, dass euer „Doppelklick in einem Temp-Ordner landet! JA!!!!!!! Bledheit siegt!

JAAA! Ihr Idioten werdet das Klima schaukeln und die Menschheit weiterbringen,

gaaaaaaaaaaaaaaaz sicher! »

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer argumentiert, dass gemäß § 34 Abs. 2 [erg: AVG] Personen zu ermahnen seien, bleibe die Ermahnung erfolglos, so könne ihnen nach vorausgegangener Androhung eine Ordnungsstrafe verhängt werden. Er sei nicht ermahnt, sondern gleich bestraft worden, weswegen § 34 Abs. 2 [erg: AVG] auf ihn nichtzutreffe n und die belangte Behörde diesen Paragraphen missinterpretiert habe.

Sämtliche Zitate, die zur Begründung des Bescheides angeführt worden seien, seien nicht an Herrn Mag. E. [Anm: Organwalter der belangten Behörde] gerichtet, sondern seien ein Erfahrungsbericht über Erfahrungen, die der Beschwerdeführer mit Akademikern bei D.-Beverages gemacht habe.

Außerdem habe die belangte Behörde verabsäumt, dem Beschwerdeführer mitzuteilen, aufgrund welchen Absatzes des § 34 (AVG) sie sich gezwungen sehe, ihn zu bestrafen.

Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Schreiben vom 28.8.2020 der forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer in der Verwaltungsstrafsache GZ VStV/…/2020 auf, sich zum Vorwurf von Übertretungen nach §§ 81 Abs. 1 SPG, 1 Abs. 1 Z 1 und 1 Abs. 1 Z 2 WLSG am 6.8.2020 im Zeitraum 12.55 Uhr bis 13.03 Uhr in Wien, U-Bahnstation F., Bahngleis Richtung G. zu rechtfertigen.

Am 10.9.2020 um 17:35 Uhr richtete der Beschwerdeführer dazu nachstehende Nachricht von seiner E-Mailadresse a.b.@chello.at an die belangte Behörde:

«Sehr geehrt, im Nom der lider usw.,,,,

Ich habe einen Bindestrich vergessen!

Wenn das der Führer wüßte!

Von daher noch eine kleine „Anektote“, „HERR Magister“:

D., Büro – zwei „Magister-Schwänze sitzen im klimatisierten Büro:

friert den zwei Trotteln, Arschlöchern und Blödmännern der Arsch ein (Anstand verletzt?)

Bringen in ein klimatisiertes Büro zwei Heizstrahler mit, weil sie zu deppert sind an einem Thermostat zu drehen!!!!

Singe, oh Göttin den Zorn, den man auf so zwei blöde „Arschlöcher“

hat!!!!!!!!!!!!

An den ROTEN Steckern, die Heizstrahler, an den WEISSEN ihre Laptops.

Solange ihr Akademiker zu blöd zum Scheissen seid, werde ich mich nicht rechtfertigen!!!!!

SIE RECHTFERTIGEN sich vor MIR, warum sie so deppert sind!

Doppelklicken tut‘s ihr Ärsche auch sehr gern und versteht nicht, dass euer „Doppelklick in einem Temp-Ordner landet! JA!!!!!!! Bledheit siegt!

JAAA! Ihr Idioten werdet das Klima schaukeln und die Menschheit weiterbringen,

gaaaaaaaaaaaaaaaz sicher!

Mfg»

Diese Feststellungen gründen sich auf das an den Beschwerdeführer gerichtete Schreiben der belangten Behörde vom 28.8.2020 zur GZ VStV/…/2020 und auf die am 10.9.2020 um 17:35 Uhr bei der belangten Behörde eingetroffene E-Mail des Beschwerdeführers.

Dazu wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 2 sind Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.

Gemäß § 34 Abs. 3 AVG können die gleichen Ordnungsstrafen von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 3 AVG reicht es aus, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht werden und damit objektiv beleidigenden Charakter hat; auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an (VwGH 14.6.2019, So 2019/03/0003; 17.4.2012, 2010/04/0133).

Es ist auch ohne Belang, ob sich die beleidigende Schreibweise gegen die Behörde, gegen das Verwaltungsorgan oder gegen eine einzige Amtshandlung richtete. (VwGH 16.2.1999m 98/02/0271) Auch auf „Besonderheiten der Milieu- und geographisch bedingten Sprach Wahl, an die ein anderer Maßstab bei der Beurteilung anzulegen sei kommt es dabei nicht an“ (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344).

Versucht man, dem Inhalt des Begriffes „Beleidigung“ näherzukommen, so müssen mit ihm Ausdrucksweisen verbunden werden, die kränkend, verletzend, demütigen, entwürdigend, erniedrigend, herabsetzend, schimpflichen, verunglimpfen, schmähen, verspotten, verhöhnen, der Lächerlichkeit aussetzend wirken sollen, die den Vorwurf eines verächtlichen, schändlichen, schmachvollen, sittlich verwerflichen Handelns zum Ausdruck bringen sollen, kurz und Behauptungen sind, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind und für die ein Wahrheitsbeweis nicht infrage kommen kann (VwGH 27.10.1997, 97/17/0187).

Eine Beschimpfung (hier: Magister-Schwänze, Trotteln, Arschlöcher und Blödmänner, zu deppert, blöde „Arschlöcher, ihr Akademiker zu blöd zum Scheissen, so deppert, ihr Ärsche, Ihr Idioten) ist kein diskutables Werturteil, sondern vergiftet nur die Atmosphäre im Verfahren (vgl. VwGH 10.3.1998, 97/08/0110).

Wenn der Beschwerdeführer nunmehr im vorliegenden Rechtsmittel behauptet, die angeführten Textpassagen wären ein „Erfahrungsbericht über Erfahrungen mit Akademikern bei D.-Beverages“, die sich nicht an die belangte Behörde bzw. deren Organwalter gerichtet hätten, so ist ihm entgegenzuhalten, dass diese Verantwortung bereits mit seinen Formulierungen im Schreiben vom 10.9.2020 „Solange ihr Akademiker zu blöd zum Scheissen seid, werde ich mich nicht rechtfertigen! Sie rechtfertigen sich vor mir, warum sie so deppert sind“ klar widerlegt ist.

Dazu kommt, dass unter einer beleidigenden Schreibweise nicht nur eine solche zu verstehen ist, die geeignet ist ein Behördenorgan in seiner Ehre herabzusetzen; vielmehr ist als beleidigende Schreibweise auch eine solche anzusehen, die das Verhandlungsklima zwischen Behörde und Einschreiter durch unsachliche Ausdrücke, unpassende Vergleiche, Anspielungen etc. dergestalt belastet, dass eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen erschwert, wenn nicht gar verhindert wird (VwGH 4.10.1995, 95/15/9125)

Die Strafbestimmung nach § 34 Abs. 3 AVG soll erreichen, dass die Kritik an einer Behörde oder an einem ihrer Organe sich auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweisführung nicht zugänglich sind (VwGH 20.11.1998, 98/02/0320).

Es liegt im Interesse der öffentlichen Ordnung, der Behinderung von behördlichen Verfahren durch Beschimpfungen entgegenzuwirken, wofür sich eine angemessene Ordnungsstrafe als geeignetes und verhältnismäßiges Mittel darstellt (VwGH 10.3.1998, 97/08/0110, mit Hinweis auf 4.9.1995, 94/10/0099).

Der Zweck der Bestimmung des § 34 Abs. 3 AVG ist die Spezialprävention, also die Absicht, die betreffende Person von der Setzung eines ordnungswidrigen Verhaltens abzuhalten und damit den Anstand im schriftlichen Verkehr mit den Behörden zu wahren (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0344).

Da sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 3 AVG, insbesondere das Vorliegen einer beleidigenden Schreibweise erfüllt sind, erachtet das Verwaltungsgericht Wien die Verhängung der Ordnungsstrafe im festgesetzten Ausmaß in Ansehung der Vielzahl der verwendeten eleidigenden Ausdrücke für geboten und verhältnismäßig. Die Spruchabänderung dient der Präzisierung der heranzuziehenden Rechtsvorschrift.

Soweit die Beschwerde vorbringt, der Beschwerdeführer wäre vor Verhängung einer Ordnungsstrafe zunächst zu ermahnen gewesen, ist dem zu entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Verhängung einer Ordnungsstrafe nach § 34 Abs. 3 AVG nicht die vorhergehende Ermahnung und Androhung voraussetzt (VwGH 17.4.2012, 2010/04/0133).

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ordnungsstrafe; Beleidigung; Eingabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.014.12470.2020

Zuletzt aktualisiert am

07.06.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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