TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/13 W280 2204547-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.01.2021
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Entscheidungsdatum

13.01.2021

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52 Abs3
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W280 2204547-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Dr. Peter LECHENAUER & RA Dr. Margit SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .02.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Am XXXX .08.2017 stellte der Beschwerdeführer (BF) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom XXXX .07.2018 wurde dem BF folglich ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen diesen gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei, gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 2 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies mit Erkenntnis vom XXXX .04.2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde ab. Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass der (suchtgiftabhängige) Beschwerdeführer mehrfach wegen Drogendelikten, zuletzt mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX wegen des Verbrechens der Vorbereitung des Suchtgifthandels, verurteilt worden sei. Dem BF wurde folglich hinsichtlich der unbedingt verhängten Freiheitsstrafe unter der Voraussetzung, dass dieser sich einer entsprechenden medizinischen Behandlung unterziehe, ein Strafaufschub von zwei Jahren gewährt und die Freiheitsstrafe schließlich unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nachgesehen.

Das BVwG berücksichtigte bei der seiner Entscheidung zugrundeliegenden Interessenabwägung vor allem die seit 20 XXXX bestehende Ehegemeinschaft des BF mit einer Österreicherin, die bei der Ehefrau bestehende „Anpassungsstörung F 43.2 gemischt mit Angst und depressiver Reaktion“ sowie dass diese sich in ärztlichen Behandlung befinde. Ebenfalls berücksichtigt wurde die erlittene Fehlgeburt seiner Ehefrau, sowie der Umstand, dass diese deshalb seit Ende Jänner 20 XXXX arbeitsunfähig sei. Weitere Abwägungsgründe waren die sehr guten Deutschkenntnisse des BF, dass dieser bis zur Entscheidungsfindung nicht erwerbstätig gewesen ist, das Vorliegen einer hinsichtlich eines tatsächlichen Arbeitsantrittes als unrealistisch beurteilten „Einstellungszusage“, sowie die Tragung dessen Unterhalts durch Unterstützungen der Eltern, dessen Bruder und seiner Ehefrau. Das Verhältnis zu seinem (damals) XXXX jährigen Stiefsohn wurde ebenso gewertet, wie die seit seinem Aufenthalt im Bundesgebiet erfolgte Integration, als auch seine Eheschließung im Bewusstsein, dass der BF zu keinem Zeitpunkt zuvor einen Aufenthaltstitel besessen hatte und sich dieser sohin seines unsicheren Aufenthaltes bewusst dein musste.

Am XXXX .07.2018 wurde dem BF vom BFA hinsichtlich seines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vom XXXX .08.2017 Parteiengehör eingeräumt.

Mit Beschluss vom XXXX .12.2019 wies der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) die Revision des BF gegen die Entscheidung des BVwG (betreffend Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot) vom XXXX .04.2019 zurück.

Am XXXX .02.2020 erging sodann der Bescheid des BFA, mit welchem der Antrag des BF vom XXXX .08.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 58 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) zurückgewiesen wurde (Spruchpunkt I.).

Mit der am XXXX .05.2020 bei der belangten Behörde eingebrachten Beschwerde macht der BF Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften wegen wesentlicher Ermittlungsmängel sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend und beantragt dieser, dass das BVwG a) in der Sache selbst entscheide und den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern möge, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gegeben werde, b) gemäß § 44 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen in eventu c) den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweise.

Die gegenständliche Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt wurde dem BVwG am XXXX .06.2020, eingelangt am XXXX .06.2020, vom BFA vorgelegt, dies verbunden mit dem Antrag die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.06.2020 wurde die Beschwerdesache einer anderen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist im Besitz eines am XXXX .2016 ausgestellten und bis XXXX 2026 gültigen serbischen Reisepasses. Seine Identität steht fest.

Der BF wurde in XXXX /Serbien geboren, spricht serbisch und deutsch, ist gesund und arbeitsfähig.

Er ist seit XXXX .20 XXXX mit der österreichischen Staatsbürgerin XXXX , geb. XXXX .1974, verheiratet und lebte mit dieser bis zu seiner Abschiebung nach Serbien am XXXX .05.2019 im gemeinsamen Haushalt.

Er führt mit ihr seit dem Jahr 20 XXXX eine Beziehung und lebte mit ihr seit 20 XXXX zusammen. Die Ehefrau des BF hat drei Kinder, sohin zwei Söhne im Alter von XXXX und XXXX Jahren sowie eine Tochter im Alter von XXXX Jahren aus einer früheren Beziehung. Eine Tochter ist im Alter von XXXX Jahren an XXXX verstorben. Die Ehegattin war 20 XXXX schwanger und erwartete für Februar 20 XXXX Drillinge, erlitt jedoch zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt, jedoch vor der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG im Rahmen des Erstverfahrens am XXXX 12.2018, eine Fehlgeburt.

Zu seinem XXXX -jährigen Stiefsohn, dem eine Niere fehlt und den der BF zu Kontrolluntersuchungen begleitet hat, hat seitens des BF bis zu seiner Abschiebung ein sehr enges Verhältnis bestanden.

Die Frau des BF leidet an einer Anpassungsstörung F 43.2 mit Angst und depressiver Reaktion gemischt, befindet sich dahingehend in ständiger ärztlicher Behandlung, nimmt zur Bekämpfung dieses Zustandes Medikamente ein und ist aus diesem Grund seit XXXX .20 XXXX arbeitsunfähig.

Nicht festgestellt werden kann, dass es zu einer, vom BF behaupteten, massiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes sowie der psychischen Situation der Ehefrau seit der Erlassung der Rückkehrentscheidung gegen diesen gekommen ist.

Der BF, der während seines Aufenthaltes in Österreich, sohin seit 2009 bis zu seiner Abschiebung nicht beschäftigt war, verfügt über eine mit „Arbeitsrechtlicher Vorvertrag“, übertitelte, jedoch vom BF nicht unterzeichneten, Bescheinigung einer Gebäudereinigungsfirma mit Firmensitz XXXX vom XXXX .09.2020, die nach wie vor aufrecht ist.

Der BF wurde vom Landesgericht XXXX zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX 2012, wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und Suchtgifthandels gemäß §§ 28 Abs. 1 Z 1, 1. und 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, § 28a Abs. 1. 5. Fall, 28a Abs. 3, 1. Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

Ferner wurde der BF vom Landesgericht XXXX zu XXXX , in Rechtskraft erwachsen am XXXX .2016, wegen Suchtgifthandels gemäß §§ 28 Abs. 1. 2. Satz, 28 Abs. 2, 28 Abs. 3 SMG zu einer 2 ½ jährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.

Abgesehen davon weist der BF weitere 4 einschlägige Vorstrafen in Deutschland auf.

Mit Beschluss des XXXX vom XXXX .2017, Zahl XXXX , wurde dem BF gemäß § 39 SMG ein Strafaufschub von 2 Jahren, beginnend mit XXXX 02.2017 unter der Voraussetzung bewilligt, dass er sich einer Psychotherapie sowie regelmäßigen Harnuntersuchungen unterziehe. Im Anschluss daran nahm der BF beim Verein XXXX vom XXXX 2017 bis XXXX .2019 eine diesbezügliche Therapie war.

Mit Beschluss des XXXX vom XXXX .2017, Zahl XXXX vom XXXX 2017 wurde die ursprünglich unbedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren –vorbehaltlich der Absolvierung einer Therapie - unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Nach Ausschöpfung der Rechtsmittel gegen den Bescheid des BFA vom XXXX .07.2018 mit welchem gegen den BF ua. eine Rückkehrentscheidung und ein 7-jähriges Einreiseverbot ausgesprochen wurde, wurde der BF am XXXX .05.2019 im Luftweg nach Serbien abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des Gerichtsakts des BVwG sowie dem beim BVwG aufliegenden Gerichtsakt betreffend das Erstverfahren des BF zu XXXX .

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, Staatsbürgerschaft und Familienstand und familiären Verhältnissen des BF sowie seiner Ehefrau getroffen werden, ergeben sich diese aus dem unstrittigen Akteninhalt, in dem eine Ablichtung seines serbischen Reisepasses, eine Geburtsurkunde und eine Heiratsurkunde enthalten sind, an deren Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind, sowie dem Gerichtsakt zum angeführten Erstverfahren.

Die Feststellung zum Verhältnis des BF zu seinem minderjährigen Stiefsohn beruht auf dem glaubwürdigen Vorbringen des BF, welches mit der vom BVwG im Erstverfahren ergangenen Entscheidung korreliert.

Die Feststellungen zur gesundheitlichen Situation der Ehefrau des BF gründen in dem Erkenntnis des BVwG XXXX .2019 und dem dazugehörigen Gerichtsakt zum Erstverfahren des BF, sowie in den vom BF im gegenständlichen Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen.

So datiert der Klinisch-psychologische Befund betreffend die Ehegattin des BF vom XXXX .04.2019 (AS XXXX ) und somit zeitlich nur unwesentlich nach Durchführung der am XXXX .12.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundverwaltungsgericht bei der sowohl der BF als auch die Ehefrau als Zeugin einvernommen wurde. Aus dem angeführten Klinisch-psychologische Befund ist weder eine Verschlechterung gegenüber dem Zeitpunkt der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung erkennbar noch enthält dieser entscheidungsrelevante Anhaltspunkte, die auf die vom BF behauptete Verschlechterung der psychischen Situation seiner Ehegattin bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde am XXXX .02.2020, hindeuten würden.

Dass der BF neben seiner Muttersprache Serbisch der deutschen Sprache zumindest auf dem Niveau A 1 mächtig ist, wird durch die ebenfalls im Verfahrensakt einliegende Prüfungszeugnis des Österreichischen Integrationsfonds vom XXXX 2017 belegt.

Die Feststellung, wonach der BF gesund und arbeitsfähig ist ergibt sich aus dem Verweis des BF in der Beschwerde auf die mit „Arbeitsrechtlicher Vorvertrag“ übertitelte - seitens des BF nicht unterschriebene - Bescheinigung vom XXXX .09.2019 was einen Arbeitswillen indiziert, jene betreffend den Gesundheitszustand aufgrund mangelndem anderweitigem Vorbringen.

Die bisherige Erwerbslosigkeit in Österreich ist aus dem vom erkennenden Gericht eingeholten Auskunft aus der Sozialversicherung ersichtlich.

Die beiden Verurteilungen in Österreich, die Vorstrafen in Deutschland sowie die aufgetragene Therapie und bedingte Strafnachsicht sind aus dem Gerichtsakt des Erstverfahrens sowie aus der vom erkennenden Gericht eingeholten Strafregisterauskunft ersichtlich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen den BF verbunden mit einem 7-jährigen Einreiseverbot sowie die Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen, dem Gerichtsakt des BVwG zum Erstverfahren und dem darin einliegenden und bekämpften Bescheid des BFA, dem hierzu ergangenen Erkenntnis des BVwG und dem Beschluss des VwGH zur vom BF dagegen erhobenen Revision sowie der amtlicherseits eingeholten Abfrage aus dem Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche – zulässige und rechtzeitige – Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß § 58 Abs. 10 AsylG sind Anträge gemäß § 55 leg. cit. als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorkommt. […]

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs. 10 AsylG Folgendes dar:

„Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass – im Rahmen einer Neubewertung – wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.“

Im beschwerdegegenständlichen Fall ist der vom Beschwerdeführer angefochtene Bescheid des BFA vom XXXX .07.2018, mit welchem gegen den BF gemäß § 52 Abs. 1 Zif 1 FPG eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Zif 2 FPG ergangen ist, nach Ausschöpfung aller Rechtsmittel am XXXX .04.2019 rechtskräftig geworden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.

Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt.

Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann.

Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083; 12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist. Dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

Aus diesem Grund war auf den in der Beschwerde zu Punkt a.) gestellten Antrag des Beschwerdeführers, das Bundesverwaltungsgericht möge „in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel gegeben wird“ nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.

Der BF bringt in seiner Beschwerde im Wesentlichen vor, dass sich der gesundheitliche Zustand seiner Ehegattin seit Erlassung der Rückkehrentscheidung gegen ihn massiv verschlechtert habe. Darüber hinaus habe sich auch die psychische Situation seiner Frau seit dem XXXX .04.2019 verschlechtert und sei darin eine wesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens zu sehen. Auch sei eine Vorlage von Aus- und Weiterbildungsnachweisen wie dies die belangte Behörde zum Nachweis der gelungenen Integration eingefordert habe, angesichts des Jobangebotes bei der Gebäudereinigungsfirma irrelevant.

Wenn der BF zum Beweise hierfür einen klinisch-psychologischen Befund betreffend seine Ehefrau vom XXXX .2019 vorlegt, so datiert dieser lediglich ca. fünf Monate nach Durchführung der im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG erhobenen Beweisaufnahme und vom selben Tag, an dem die – folglich in Rechtskraft erwachsene - Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Der gegenständliche Befund lässt keine Hinweise auf eine, bei der Entscheidungsfindung des BVwG nicht schon berücksichtigte, und nachfolgend eingetretene Verschlechterung im Gesundheitszustand der Ehegattin erkennen. Auch sind keine Anhaltspunkte hinsichtlich einer bei der Ehefrau des BF folglich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Verschlechterung erkennbar und wurde solche auch bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde am XXXX .02.2020 vom BF nicht dargetan.

Auch der Verlust der ungeborenen Kinder gründet in einem Zeitpunkt, der vor der mündlichen Verhandlung des BVwG gelegen ist. Etwaige aus diesem schmerzlichen Verlust resultierende Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Ehefrau des BF hätten sohin bereits im Rahmen des Beweisverfahrens zur angefochtenen Rückkehrentscheidung vom BF geltend gemacht werden können respektive wären solche – sofern diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in maßgeblichem Ausmaß virulent geworden, von diesem entsprechend zu bescheinigen gewesen. Vor dem Hintergrund, dass das dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Verfahren auf Antrag des BF eingeleitet wurde, kommt diesem diesbezüglich eine erhöhte Mitwirkungspflicht zu, welcher dieser nicht nachgekommen ist (vgl. VwGH 22.2.2011, 2008/04/0152; 22.2.2011, 2008/04/0247).

Auch die vom BF monierte Begleitung seines Stiefsohnes zu den, lt. vom BF vorgelegter Bescheinigung des Facharztes für Kinder- und Jugendheilkunde vom Oktober 2017 einmal jährlich indizierten, Kontrolluntersuchungen stellt sohin kein im Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG und der Erlassung des angefochtenen Bescheides entstandenes Novum dar.

Damit zeigt der BF insgesamt aber keine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes gegenüber dem Sachverhalt, der dem in Rechtskraft erwachsenen Erkenntnis betreffend die Rückkehrentscheidung, zugrunde gelegt worden war, auf. Es wurde in keiner Weise dargelegt, welche entscheidungsrelevante Änderung in den 10 Monaten, die zwischen den beiden Entscheidungen liegen, eingetreten sein sollte.

Die Bemühungen des BF zur Schaffung von Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Integration in einem Zeitraum, wie dies durch die Vorlage eines mit „Arbeitsrechtlichen Vorvertrag“ titulierten Einstellungszusage, datiert vom XXXX .09.2019, erfolgte vom BF zu einem Zeitpunkt, als dieser sich bereits mehrere Monate nach seiner Abschiebung aufgrund einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem 7-jährigen Einreiseverbot, in seinem Herkunftsstaat aufgehalten hat.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde auch diesbezüglich feststellt, dass keine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist.

Die geltend gemachten Umstände weisen von vornherein keine solche Bedeutung auf, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde bzw. wurden gegenständlich gar keine neuen Umstände vorgebracht.

Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war und die Beschwerde war demnach spruchgemäß vom Bundesverwaltungsgericht abzuweisen.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss.

Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen.

Aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG ungeachtet des diesbezüglich in der Beschwerde gestellten Antrages unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der beschwerdegeklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung Bindungswirkung entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung entschiedene Sache erhebliche Unterschiedlichkeit geänderte Verhältnisse Identität der Sache Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata unzulässiger Antrag Vergleich wesentliche Änderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W280.2204547.2.00

Im RIS seit

21.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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