TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/18 95/16/0185

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Veröffentlicht am 18.04.1997
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Index

yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs4;
KVG 1934 §2 Z1;
KVG 1934 §2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der S GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 16. Mai 1995, Zl. 34/1-9/Mü-1995, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 18. September 1990 schlossen die S GmbH & Co KG mit dem Sitz in Wels und die B GmbH & Co KG mit dem Sitz in Salzburg - die letztgenannte KG (= die Beschwerdeführerin) änderte im Laufe des Abgabenverfahrens ihre Firma auf S GmbH & Co KG und verlegte den Sitz von Salzburg nach Wels - eine als "Verschmelzungsvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Punkt Zweitens und Fünftens des Vertrages lauten:

"Zweitens: Die Vertragsparteien vereinbaren nunmehr, daß die Firma S mit der Firma B in der Weise verschmolzen wird, daß die Firma S von der Firma B zur Gänze, mit allen Aktiva und Passiva, mit allen Rechten und Pflichten unter Verzicht auf die Liquidation auf der Grundlage des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 1989 aufgenommen wird und damit die Firma S erlischt.------------------------------------------------------

Die Firma S bringt somit ihr gesamtes Unternehmen in die Firma B ein, welche die Buchwerte der Firma S fortsetzt. Durch diese Einbringung erhalten die Kommanditisten der Firma S neue Gesellschaftsrechte in der Firma B, und zwar durch Erhöhung des Kommanditkapitals der Firma B von bisher S 10,000.000,-- (Schilling zehn Millionen) um S 40,000.000,-- (Schilling vierzig Millionen) auf S 50,000.000,-- (Schilling fünfzig Millionen) und wird dieser Erhöhung des Kommanditkapitals von den beiden Kommanditisten der Firma S gleichteilig übernommen, welche somit an der Firma B nunmehr mit Kommanditeinlagen von je S 25,000.000,-- (Schilling fünfundzwanzig Millionen) beteiligt sind.------------------------------------------------

Zum Vermögen der Firma S gehört unter anderem die Liegenschaft EZ. N868 KG. 51224 Pernau, bestehend aus den Grundstücken 735/10 Baufläche LN und 735/13 LN.-----------------------------

...

Fünftens: Die Gesellschafter der Firma S und die Gesellschafter der Firma B, welche ja ident sind, erteilen zu dieser Verschmelzung ihre ausdrückliche Zustimmung.-------------------

Mit Bescheid vom 11. Jänner 1991 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg Gesellschaftsteuer in Höhe von 2 % von S 40,000.000,--, das sind S 800.000,--, vor.

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde vom (nunmehr örtlich zuständigen) Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz der Wert des von der (vormaligen) S GmbH & Co KG eingebrachten Unternehmens mit S 153,811.944,37 festgestellt. Im Zusammenhang wurde auf eine abgabenbehördliche Prüfung durch die Großbetriebsprüfung Linz (gemeint hinsichtlich Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1990) hingewiesen.

Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz wurde das Verfahren betreffend Gesellschaftsteuer wieder aufgenommen und von der zuletzt genannten Bemessungsgrundlage Gesellschaftsteuer in Höhe von S 3,076.239,-- vorgeschrieben. In der Begründung wurde ausgeführt, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei "durch die durchgeführte Prüfung der Großbetriebsprüfung Linz und die dabei aufgetretenen Änderungen der Wertverhältnisse erforderlich" gewesen.

Sowohl gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens als auch gegen die Vorschreibung der Gesellschaftsteuer wurde Berufung erhoben. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, das Finanzamt habe der Gesellschaftsteuer nunmehr eine andere Berechnungsbasis zugrunde gelegt. Sei im Erstbescheid die Erhöhung des Kommanditkapitals, so sei nunmehr der Wert der Gesellschaftsrechte herangezogen worden. Es habe sich daher die Rechtsmeinung des Finanzamtes geändert, während die Tatsachen unverändert geblieben seien. Hinsichtlich Gesellschaftsteuer wurde eingewendet, nur der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber unterliege nach § 2 Z. 1 KVG der Gesellschaftsteuer.

Nach einer die Berufung abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Gesellschaftsteuer unverändert mit S 3,076.239,-- festgesetzt. Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens wurde ausgeführt, erst im Zuge der durchgeführten Prüfung sei festgestellt worden, daß der Wert der der Gesellschaftsrechte ein wesentlich anderer gewesen sei "als der in den dem Finanzamt anläßlich der Anmeldung vorgelegten Urkunden". Die Zuführung von Mitteln durch die Gesellschafter stelle eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung i.S.d. § 2 Z. 2 KVG dar. Bei der Ermittlung des Wertes der Gesellschaftsrechte seien alle Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen, die der Kommanditgesellschaft neu zugeführt werden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs. 4 BAO unter anderem in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im Beschwerdefall wurde - nach Rechtskraft des vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg erlassenen Erstbescheides - vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz - im Zusammenhang mit Feststellungen der Großbetriebsprüfung Linz hinsichtlich des Einheitswertes des Betriebsvermögens - festgestellt, daß der Wert des an die Beschwerdeführerin übertragenen Unternehmens S 153,811.944,-- betragen hat. Dieser Umstand stellte zweifellos eine neue Tatsache für die Abgabenbehörde dar. Der Einwand der Beschwerdeführerin, dem "Finanzamt" sei ein Unternehmenswert von S 106,516.944,-- "im Verschmelzungszeitpunkt" bekannt gewesen, ist unzutreffend: Dieser Wert hätte vielmehr aus der beim Finanzamt Wels eingereichten Erklärung über den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1990 ermittelt werden können; dem damals für die Erhebung der Gesellschaftsteuer örtlich und sachlich zuständigen Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg war aber dieser Wert nicht bekannt. Überdies ist der Einwand auch deswegen unmaßgeblich, weil von der Beschwerdeführerin selbst zugestanden wird, daß sich "durch die Betriebsprüfung" ein Wert von S 153,811.944,-- ergeben hat, somit jedenfalls eine wesentliche Neuerung hervorgekommen ist.

Soweit die Beschwerdeführerin weiters einwendet, die Abgabenbehörde habe lediglich ihre Rechtsmeinung geändert, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Erhöhung von Kommanditanteilen an einer GmbH & Co KG zwar nicht nach § 2 Z. 1 KVG, wohl aber nach Z. 2 dieser Gesetzesstelle der Gesellschaftsteuer unterliegen kann (vgl. das Erkenntnis vom 26. März 1981, Zl. 3153/80, Slg. Nr. 5568/F). Auf Grund der Formulierung unter Punkt Zweitens des beschwerdegegenständlichen Vertrages, wonach die Kommanditisten durch die Einbringung des Unternehmens der S GmbH & Co KG neue Gesellschaftsrechte an der Beschwerdeführerin erhalten, konnte die Erstbehörde von der Erfüllung eines der Gesellschaftsteuer unterliegenden Tatbestandes ausgehen. Der Umstand, daß in der Begründung des Erstbescheides auf § 2 Z. 1 KVG verwiesen wurde, ist dabei schon deswegen nicht maßgeblich, weil der Begründung eines Bescheides keine Rechtskraftwirkung zukommt. Hält aber wie hier die Behörde den (durch die Urkunde über den Gesellschaftsvertrag dokumentierten) Sachverhalt für die Abgabenerhebung für ausreichend, bildet das spätere Hervorkommen neuer entscheidungsbedeutsamer Tatsachen in bezug auf den im Erstbescheid besteuerten Vorgang einen Wiederaufnahmsgrund, und zwar auch dann, wenn der Behörde wie hier ein Verschulden am Unterbleiben der für die Feststellung des tatsächlichen Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen im Erstverfahren vorzuwerfen ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2932).

Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung kann dabei keine Rede davon sein, daß dem Finanzamt alle Umstände für die Steuerbemessung offengelegt wurden, war doch der (allein dem zuständigen Finanzamt vorgelegten) Urkunde der Wert der Sacheinlage bzw. der Umstand nicht zu entnehmen, daß die dort bezeichneten Kommanditeinlagen außer jedem Verhältnis zum Wert der Sacheinlage standen.

Dem Vorwurf der Beschwerdeführerin, die Abgabenbehörde habe bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens ihre Ermessensübung nicht begründet, ist entgegenzuhalten, daß die Ermessensübung im Prüfungsbericht des Finanzamtes sehr wohl mit der Gesamtauswirkung der festgestellten neuen Tatsachen begründet wurde. Nach Auffassung des Finanzamtes sei daher dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung der Vorrang gegenüber dem Interesse der Partei an der Rechtskraft (des Erstbescheides) einzuräumen. Auf diesen Bericht wurde im Abgabenbescheid des Finanzamtes ausdrücklich verwiesen. Da die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine Einwendungen gegen die begründete Ermessensübung des Finanzamtes erhoben hat, war die belangte Behörde nicht gehalten, im angefochtenen Bescheid die Ermessensübung (neuerlich) zu begründen, zumal der zweitinstanzliche, das Rechtsmittel abweisende Bescheid grundsätzlich so zu werten ist, als ob die Rechtsmittelbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte.

Soweit sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Vorschreibung von Gesellschaftsteuer mit dem nach Wiederaufnahme des Verfahrens erlassenen Abgabenbescheid sowie mit der die Berufung dagegen (zunächst) abweisenden Berufungsvorentscheidung auseinandersetzt, ist sie darauf zu verweisen, daß Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens allein der letztinstanzliche Bescheid ist (vgl. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG). Im übrigen geht aus § 289 Abs. 2 BAO hervor, daß die Abgabenbehörde zweiter Instanz den bei ihr angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern kann.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist aus der zwar knappen, aber noch nachvollziehbaren Begründung des angefochtenen Bescheides ersichtlich, daß die belangte Behörde die Zuführung des Betriebes der übertragenden Kommanditgesellschaft als eine im Gesellschaftsverhältnis begründete Leistung im Sinne des § 2 Z. 2 KVG angesehen hat. Die im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtung ergibt sich aus dem vorliegenden "Verschmelzungsvertrag" (richtig: Zusammenschlußvertrag), nach dessen Punkt Zweitens im Zusammenhalt mit Punkt Fünftens sich die Gesellschafter der B GmbH & Co KG wie der S GmbH & Co KG zur Einbringung des Betriebes der S GmbH & Co KG verpflichteten (vgl. insbesondere Dorazil, Kapitalverkehrsteuergesetz, 45 f und 52).

Damit erweist sich die Beschwerde aber zur Gänze als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995160185.X00

Im RIS seit

11.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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