TE Vwgh Erkenntnis 1997/4/22 97/04/0013

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Veröffentlicht am 22.04.1997
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Index

95/01 Elektrotechnik;

Norm

ETG 1992 §9;
NspGV 1993 §2;
NspGV 1993 §3;
NspGV 1993 §4;
NspGV 1993 §5;
NspGV 1993 §8 Abs1;
NspGV 1993 §9 Abs1;
NspGV 1993 §9 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/04/0014 97/04/0015 97/04/0016 97/04/0017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der X-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in E, gegen die Bescheide des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. und 8. März 1995, Zlen. 94.423/30-IX/4/95, 94.423/31-IX/4/95, 94.423/34-IX/4/95, 94.423/35-IX/4/95 und 94.423/41-IX/4/95, alle betreffend Untersagung des Inverkehrbringens elektrischer Betriebsmittel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und den dieser angeschlossenen Bescheidausfertigungen zufolge wurde der Beschwerdeführerin mit den Bescheiden des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 3. und 8. März 1995 gemäß § 9 Abs. 4 Z. 2 Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG 1992) das Inverkehrbringen eines jeweils näher bezeichneten elektrischen Betriebsmittels sowie all jener elektrischer Betriebsmittel untersagt, die in demselben Betrieb lagern und von denen nach ihrer Art, Marke, Type, Fabrikationsnummer (Seriennummer) oder ihrem Herstellungsjahr anzunehmen ist, daß sie dieselbe vorschriftswidrige Beschaffenheit aufweisen. Hiezu wurde im wesentlichen jeweils ausgeführt, vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten sei in den Betriebsräumen der Beschwerdeführerin eine Kontrolle der elektrischen Betriebsmittel durchgeführt worden. Für die Beurteilung der elektrotechnischen Sicherheit der jeweils betroffenen Betriebsmittel seien im einzelnen angeführte ÖVE-HG/EN-Bestimmungen herangezogen worden. Im Zuge der Kontrolle sei bei den in den Bescheiden vom 3. März 1995 genannten Dampfreinigungsgeräten festgestellt worden, daß

1.)

die beiden Gerätegehäusehälften ohne Zuhilfenahme eines Werkzeuges auseinandergenommen werden könnten, wodurch spannungführende Anschlüsse zugänglich würden. Auf Grund der Berührbarkeit spannungführender Teile sei die Gefahr eines elektrischen Schlages gegeben; siehe

ÖVE-HG/EN 60335-1/1988, Abschnitt 8.1.;

2.)

durch die Lüftungsöffnungen in der Geräteoberseite bei den für spritzwassergeschützte Geräte vorgesehenen Prüfungen Wasser in das Gerät eindringen und spannungführende Teile erreichen könne, wodurch es zu einer Verringerung der erforderlichen Kriech- und Luftstrecken, deren Einhaltung eine wesentliche Voraussetzung für die Gerätesicherheit sei, komme; siehe ÖVE-HG/EN 60335-1/1988 und ÖVE-HG/EN 60335/1 A2/1988, Abschnitt 15.1. und

3.)

die folgende Aufschrift fehle: "Achtung Verbrühungsgefahr", wodurch der Benützer des Gerätes auf die Verletzungsgefahr durch den aus der Düse austretenden Dampf aufmerksam gemacht werden solle; siehe ÖVE-HG/EN 60335-2-54/1991, Abschnitt 7.1.

Hinsichtlich des im Bescheid vom 8. März 1995 genannten Dampfreinigungsgerätes habe die Kontrolle ergeben, daß

1.)

der Schalter im Handgriff des Elektro-Dampfschlauches, sowie fallweise der Netzschalter und/oder die Kontrolleuchten ohne Zuhilfenahme eines Werkzeuges entfernt werden könnten, wodurch die spannungführenden Schalteranschlüsse zugänglich würden. Auf Grund der Berührbarkeit spannungführender Teile sei die Gefahr eines elektrischen Schlages gegeben; siehe

ÖVE-HG/EN 60335-1/1988, Abschnitt 8.1;

2.)

im Bereich der Durchführungsöffnung für den Dampfregler, am Netzschalter und bei der Gerätesteckvorrichtung für den Anschluß des Elektro-Dampfschlauches bei den für spritzwassergeschützte Geräte vorgesehenen Prüfungen Wasser in das Gerät bzw. in den Netzschalter eindringen und spannungführende Teile erreichen könne, wodurch es zu einer Verringerung der erforderlichen Kriech- und Luftstrecken, deren Einhaltung eine wesentliche Voraussetzung für die Gerätesicherheit sei, komme; siehe ÖVE-HG/EN 60335-1/1988 und ÖVE-HG/EN 60335-1 A2/1988, Abschnitt 15.1.;

3.)

die folgende Aufschrift fehle: "Achtung Verbrühungsgefahr", wodurch der Benützer des Gerätes auf die Verletzungsgefahr durch den aus der Düse austretenden Dampf aufmerksam gemacht werden solle; siehe ÖVE-HG/EN 60335-2-54/1991, Abschnitt 7.1. und

4.)

der im Handgriff des Elektro-Dampfschlauches angeordnete Schalter, der im Netzspannungskreis liege, nicht wasserdicht ausgeführt sei, wodurch eindringendes Wasser die erforderlichen Kriech- und Luftstrecken überbrücken könne und damit die Gefahr eines elektrischen Schlages gegeben sei; siehe ÖVE-HG/EN 60335-2-54/1991, Abschnitt 22.2.

Gemäß § 9 Abs. 4 Z. 2 ETG 1992 sei das Inverkehrbringen elektrischer Betriebsmittel zu untersagen, wenn der Zustand des elektrischen Betriebsmittels nicht den Bestimmungen des § 3 Abs. 1 ETG 1992 oder den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspreche und dadurch eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Personen drohe.

Die von der Beschwerdeführerin gegen diese Bescheide an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem der Verfassungsgerichtshof deren Behandlung mit Beschluß vom 10. Juni 1996, B 825-829/95, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die angefochtenen Bescheide im "Recht auf Inverkehrbringen von elektrischen Betriebsmitteln gemäß § 3 Abs. 7 ETG bzw. in meinem Recht, nicht entgegen § 9 Abs. 4 Z. 2 ETG 1992 zum Unterlassen des Inverkehrbringens elektrischer Betriebsmittel verpflichtet zu werden", verletzt. Sie begründet ihre Behauptung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide damit, daß die gegenständlichen Dampfreinigungsgeräte in Italien hergestellt worden seien und sich dort und auch in Deutschland im freien Verkehr befänden. Aufgrund des Art. 30 EG-Vertrag könnten Waren, die in einem EG-Mitgliedsstaat nach den dortigen - gegebenenfalls wie hier europaweit harmonisierten - Bestimmungen rechtmäßig hergestellt worden seien, in andere Mitgliedsstaaten frei eingeführt und hier frei vertrieben bzw. in Verkehr gesetzt werden. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung seien zwischen den Vertragsparteien nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes verboten. Durch die - bereits vorgelegte - TÜV-Genehmigung würde die Konformität der elektrischen Betriebsmittel mit den harmonisierten europäischen Normen, insbesondere der Norm EN 60335, welche wörtlich in das österreichische Normenwesen transformiert worden sei, bestätigt. Die TÜV-Genehmigung sei in Übereinstimmung mit § 9 Abs. 2 der Niederspannungsgeräteverordnung 1993, BGBl. Nr. 44/1994, von einer akkredidierten Zertifizierungsstelle erteilt worden. Im übrigen liege auch seitens des Herstellers eine Konformitätserklärung vor, welche die Übereinstimmung der in Rede stehenden Geräte mit den europäischen Normen bescheinige; insofern wäre also auch der Fall des § 9 Abs. 5 der zitierten Niederspannungsgeräteverordnung erfüllt. Die Auffassung der belangten Behörde, die in Rede stehenden Dampfreinigungsgeräte dürften in Österreich nicht in Verkehr gebracht werden, widerspreche Art. 30 des EG-Vertrages, weil es sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine Einfuhrbeschränkung handle. Eine "Maßnahme gleicher Wirkung" sei nämlich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes jede Regelung, die geeignet sei, den innergemeinschaftlichen Handel mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potentiell zu berühren. Die genannte Bestimmung sei weiters unmittelbar anzuwenden; der Rechtsunterworfene könne sich daher darauf ohne Bedachtnahme auf eine vorherige Umsetzung in nationales Recht berufen. Die Untersagung des Inverkehrbringens der Dampfreinigungsgeräte, obwohl deren Übereinstimmung mit den harmonisierten europäischen Normen feststehe, verletze die Beschwerdeführerin daher in den genannten Rechten. Im übrigen habe die belangte Behörde in der Frage der Übereinstimmung der Dampfreinigungsgeräte mit den einschlägigen europarechtlichen Normen - insbesondere der Richtlinie 73/23/EWG, ABl. 1973 L 77, in Verbindung mit der Norm EN 60335 - jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Der Sachverhalt bedürfe daher in einem entscheidungswesentlichen Punkt der Ergänzung.

Gemäß § 9 Abs. 4 Z. 2 ETG 1992 hat die Behörde, wenn festgestellt wird, daß ein elektrisches Betriebsmittel diesem Bundesgesetz oder den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entspricht und dadurch eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Personen oder für Sachen droht und der gesetzmäßige Zustand nicht sofort hergestellt wird, dem darüber Verfügungsberechtigten deren Inverkehrbringen (§ 3 Abs. 8) zu untersagen; die Untersagung ist dabei für jene in demselben Betrieb lagernden elektrischen Betriebsmittel auszusprechen, von denen nach ihrer Art, Marke, Type, Fabrikationsnummer (Seriennummer) oder ihrem Herstellungsjahr anzunehmen ist, daß sie dieselbe vorschriftswidrige Beschaffenheit aufweisen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß die Dampfreinigungsgeräte, deren Inverkehrbringen durch die angefochtenen Bescheide untersagt wurde, die oben genannten Mängel aufwiesen. Sie stellt weiters die von der belangten Behörde aus der Art dieser Mängel gezogene Schlußfolgerung, es drohe dadurch eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Personen, nicht in Abrede. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Schlußfolgerung und damit die Auffassung der belangten Behörde, es seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 4 Z. 2 leg. cit. in sachverhaltsmäßiger Hinsicht erfüllt, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Soweit die Beschwerdeführerin aber vorbringt, es liege ein Verstoß gegen Art. 30 EG-Vertrag vor, übersieht sie, daß das Verbot von mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen sowie von Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten nicht ohne Ausnahme gilt. Vielmehr sieht Art. 36 EG-Vertrag vor, daß die Bestimmungen u.a. des Art. 30 Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegenstehen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten darstellen.

Wie dargelegt, ergingen die angefochtenen Bescheide in nicht als rechtswidrig zu erkennender Weise zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen. Es kann daher keine Rede davon sein, daß es sich hiebei um ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder um eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten handle; dies behauptet im übrigen auch die Beschwerdeführerin nicht. Der Beschwerdevorwurf, die angefochtenen Bescheide würden gegen Art. 30 des EG-Vertrages verstoßen, ist somit unberechtigt.

Eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin ist aber auch nicht darin gelegen, daß das Inverkehrbringen von elektrischen Betriebsmitteln untersagt wurde, für die - dem Beschwerdevorbringen zufolge - eine Konformitätsbescheinigung einer akkredidierten Zertifizierungsstelle vorliege. Das Vorliegen einer Konformitätsbescheinigung im Sinne des § 9 Abs. 2 der Niederspannungsgeräteverordnung 1993, BGBl. Nr. 44/1994, hindert eine Untersagung des Inverkehrbringens eines elektrischen Betriebsmittels nach § 9 ETG 1992 nämlich nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1994, Zlen. 94/04/0108, 0112).

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften schließlich vorwirft, Ermittlungen hinsichtlich der Übereinstimmung der in Rede stehenden Dampfreinigungsgeräte mit den einschlägigen europarechtlichen Normen unterlassen zu haben, mangelt es dem Beschwerdevorbringen an der nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG erforderlichen Relevanz. Die Beschwerdeführerin tut nämlich nicht auch dar, inwieweit die von ihr nicht näher beschriebenen Ermittlungen in Ansehung der dargestellten Tatbestandsvoraussetzungen zu einem für die Entscheidung wesentlich anderen als dem von der belangten Behörde erzielten Verfahrensergebnis geführt hätten.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040013.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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