TE Bvwg Erkenntnis 2021/2/4 W247 1259578-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.02.2021
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Entscheidungsdatum

04.02.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W247 1259578-5/64E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., iVm §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat: „Der Antrag auf internationalen Schutz vom 11.06.2018 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigen und des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unzulässig zurückgewiesen“.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis VII. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG iVm §§ 9, 18 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF., und §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 53 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., stattgegeben und werden diese ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer (BF) ist russischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Kisten und dem muslimischen Glauben zugehörig.

I. Verfahrensgang:

1.Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 24.02.2005 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.03.2005 wurde mit Polen ein Konsultationsverfahren eingeleitet und der Asylantrag des BF mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 23.03.2005 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen. Der Beschwerde dagegen wurde mit Bescheid des Unabhängigen Asylsenates (UBAS) vom 06.09.2005, Zl. XXXX , stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben.

Mit Bescheid vom 04.09.2006 des ehemaligen Bundesasylamtes wurde der Asylantrag des BF abgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Der gegen diese Entscheidung verspätet eingebrachten Berufung und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Bescheid des UBAS vom 17.12.2007, Zl. XXXX entsprochen und dem BF gemäß § 7 AsylG 1997 der Status des Asylberechtigten verliehen.

1.2. Am 18.03.2010 wurde – aufgrund der begangenen Straftaten und Verurteilungen in Österreich – ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Der Bescheid gem. § 7 (Asylaberkennung) wurde am 03.05.2010 zugestellt, am 18.05.2010 erhob der Beschwerdeführer über seinen Vertreter fristgerecht Beschwerde. Mit Erkenntnis des ehemaligen Asylgerichtshofs vom 11.08.2010, Zl. XXXX , wurde der Aberkennungsbescheid ersatzlos behoben.

1.3. Am 28.10.2014 ist der BF freiwillig und unterstützt aus dem Bundesgebiet ausgereist.

2. Zweiter und gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz:

2.1. Der BF reiste spätestens am 11.06.2018 unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem er am folgenden Tag vor der Landespolizeidirektion XXXX erstbefragt, sowie am 21.06.2018 und am 05.11.2018 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Oberösterreich, jeweils im Beisein eines dem Beschwerdeführer einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache RUSSISCH niederschriftlich einvernommen wurde.

2.2. Der BF brachte im Rahmen seiner Erstbefragung am 12.06.2018 zusammenfassend vor, dass sein Vater bereits verstorben sei, jedoch seine Ehefrau und seine beiden Kinder noch im Herkunftsstaat leben würden. Das Sorgerecht für seine Kinder haben er und seine Ehefrau. Seine Mutter würde im Bundesgebiet und seine Schwester, sowie sein Halbbruder in Deutschland leben. Außerdem habe er einen weiteren Bruder in Belgien. Seine letzte Wohnadresse im Herkunftsstaat sei in Tschetschenien in XXXX gewesen. Den Entschluss zur Ausreise aus dem Herkunftsstaat habe er bereits im Jahr 2016 gefasst, doch habe er damals keine Möglichkeit dazu und auch kein Geld gehabt. Sein Reiseziel sei Österreich gewesen, weil er hier bereits von 2005 bis 2014 gelebt habe. Vor einigen Monaten sei er dann mit einem PKW nach Inguschetien gefahren und vor ca. 2 Wochen mit einem Zug über Rostov in die Ukraine ausgereist. Ausgereist sei er legal mit seinem russischen Reisepass und Personalausweis, Kopien oder Originale könne er jedoch nicht beschaffen, weil er beide Dokumente in einem Wald in der Ukraine beim Grenzübertritt verloren habe. In Ungarn habe er Kontakt mit der Polizei gehabt und sei erkennungsdienstlich behandelt worden. Die Ausreise habe er selbst organisiert. Er sei nicht geschleppt worden, sondern habe den ukrainisch-ungarischen Grenzübergang selbständig zu Fuß überquert. Von Ungarn sei er mit einem LKW weitergereist. Ein LKW-Fahrer habe ihn mitgenommen.

Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab er im Wesentlichen an, dass er von 2005-2014 mit seiner Mutter in Österreich gelebt habe. Er habe leider keine Arbeit gefunden und keine Ausbildung gemacht. Seine Mutter habe ihm gesagt, er solle in seine Heimat zurückgehen, damit er sein Leben in den Griff bekomme, weil er auf die schiefe Bahn geraten sei. Nach kürzester Zeit habe sich gezeigt, dass dies eine falsche Entscheidung gewesen sei. In Tschetschenien habe er Probleme mit XXXX Leuten bekommen. Sie hätten ihn mehrere Male verhaftet, geschlagen und befragt. Sie hätten ihm Fragen gestellt, wie beispielsweise, warum er Russland verlassen habe und wieder zurückgekehrt sei, wo er gewesen sei und was er dort gemacht habe. Sie hätten ihn nach ihm unbekannten, verschiedenen Personen gefragt. Er habe sich in Tschetschenien wie ein Asylwerber gefühlt und verstanden, dass er dort nicht mehr hingehöre. Aus Angst um sein Leben, habe er beschlossen nach Österreich zurückzukehren. Das sei alle seine Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat habe er Angst vor XXXX Leuten, sowie davor verschleppt zu werden.

2.3. Mit Verfahrensanordnung vom 13.06.2018 wurde dem BF gemäß § 15b AsylG 2005 iVm § 7 VwGVG mitgeteilt, in einem Quartier in Schwechat durchgehend Unterkunft zu nehmen.

2.4. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 21.06.2018 gab der BF im Wesentlichen an, dass er keine identitätsbezeugenden Dokumente habe, seinen Reisepass habe er am 08.06.2018 in Ungarn verloren. Er habe außerhalb Österreichs nicht um Asyl angesucht, sei gesund und weder in medizinischer Behandlung, noch nehme er Medikamente. Er spreche Russisch und Tschetschenisch, sei Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehöre der Volksgruppe der Kasten sowie dem islamischen Glauben an. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Ehefrau heiße XXXX , geb. XXXX und seine Söhne würden XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX , heißen. Seine Familie lebe in Tschetschenien im Dorf XXXX in der Region XXXX , 60 km von der Stadt XXXX entfernt. Seine Frau lebe bei ihren Eltern, er habe sie am 20.12.2014 geheiratet. Sein Vater sei 1999 verstorben, seine Mutter, XXXX , geb. 17.08.1954 lebe in Österreich, in XXXX und sei österreichische Staatsbürgerin. Er habe mehrere Verwandte in der EU, nämlich eine Schwester und einen Halbbruder in Deutschland, sowie einen weiteren Bruder in Belgien. Der BF sei in XXXX geboren und ebendort aufgewachsen, seine Eltern seien Staatsangehörige der Russischen Föderation. Seine Kinder seien in XXXX geboren und er halte sich seit 28.02.2005 in Österreich auf. Auch seinen Führerschein habe er in Ungarn verloren, sowie seinen Inlandsreisepass. Seine Geburts- und Heiratsurkunde seien in seinem Haus in XXXX , ehem. XXXX . Dabei handle es sich um sein Elternhaus. Er habe in XXXX von 1993 bis 2002 die Grundschule besucht. Beruf habe er keinen erlernt. Er habe teilweise als Fliesenleger und teilweise als Bauarbeiter gearbeitet. Seine Heimat habe er 2005 verlassen, wobei er 2014 in sein Elternhaus zurückgekehrt sei und dort bis Anfang Juni 2018 gelebt habe. Am 12.06.2018 sei er nach Österreich eingereist und habe sofort Asyl beantragt. Er sollte in Schwechat leben, habe aber seine Familie in XXXX und wolle dort bei seiner Mutter leben. In Österreich sei er auf die schiefe Bahn geraten. Nach seiner Rückkehr im Jahr 2014 habe er sein Elternhaus verkauft und ein neues schöneres Haus gekauft, das in XXXX , an der Adresse XXXX stehe. Dort habe er von 2014 bis 2018 mit seiner Familie gelebt. Als er nach Österreich zurückkehrte habe seine Frau bei ihren Eltern Unterkunft genommen und sein Haus stehe leer, es werde von Verwandten beaufsichtigt. Grundwehrdienst habe er im Herkunftsstaat nicht geleistet, er sei nie einberufen worden. Nach seiner Rückkehr in die Russische Föderation 2014, habe er in der Baubranche gearbeitet, jedoch manchmal keinen Lohn erhalten. In Tschetschenien sei es Glückssache, ob man gerecht entlohnt werde oder nicht. Es sei schwierig eine gute Arbeit zu finden. Bis zu seiner neuerlichen Ausreise habe er als Fliesenleger gearbeitet. Sein Vater heiße XXXX und sei 1923 oder 1928 geboren. Er sei am 26.11.1999 gestorben und in XXXX begraben. Der Vater seines Vaters heiße XXXX . Seine Mutter sei österreichische Staatsbürgerin und Reinigungsdame. Sein Halbbruder, der in Deutschland lebe, sei verheiratet und habe eine Tochter und einen Sohn. Seine Schwester, die ebenfalls in Deutschland lebe, sei geschieden und habe keine Kinder. Sein Bruder, der in Belgien lebe, sei auch verheiratet und habe einen Sohn und zwei Töchter. Seine beiden Halbschwestern würden in Georgien leben. Eine sei verheiratet und habe Kinder. Die andere sei ledig und kinderlos. Sein Vater habe eine Schwester gehabt, sie sei vor kurzem verstorben und habe ihren Ehemann, sowie Kinder hinterlassen und habe in Georgien gelebt. Während seines Aufenthalts im Herkunftsstaat, habe er dem Begräbnis beiwohnen wollen, jedoch kein Taxi gefunden. Sein Vater habe noch weitere Geschwister, die in Georgien leben würden, er kenne deren Namen jedoch nicht. Seine Mutter habe zwei Schwester, eine davon sei österreichische Staatsbürgerin, die andere polnische Staatsangehörige, die ebenso in Österreich, in XXXX , leben würden. Ein Bruder seiner Mutter lebe in Deutschland, in Berlin und ein weiterer ebenfalls in Österreich, glaublich in XXXX . Zwei weitere Brüder und drei Schwestern seiner Mutter würden in Tschetschenien leben. Davon sei ein Bruder verheiratet, habe zwei Kinder und betreibe eine Landwirtschaft. Der andere Bruder sei ebenfalls verheiratet, habe zwei Kinder und arbeite, was, wisse der BF nicht. Die Schwestern seiner Mutter hätten alle fünf Kinder, zwei davon würden von der Landwirtschaft leben. Eine davon sei Krankenschwester. Kurz vor seiner Ausreise habe er zum ersten Mal daran gedacht den Herkunftsstaat zu verlassen, er sei sich wie ein Gastarbeiter vorgekommen. Tatsächlich verlassen habe er die Russische Föderation Anfang Juni 2018, bis dahin habe er die letzten Jahre in seinem neuen Haus gewohnt. Dabei handle es sich um ein Einfamilienhaus mit drei Zimmern, zwei Küchen, einem Bad und einem WC. Es habe auch einen Garten mit 1.400 m² und der BF verfüge auch über landwirtschaftliche Grundstücke. Nach Ungarn sei er auf eigene Faust gereist, dort sei er festgenommen worden. Österreich habe er gewählt, weil seine Familie hier lebe.

2.5. Am 21.06.2018 wurde der BF angezeigt, weil er in XXXX angetroffen wurde, obwohl ihm eine Anordnung der Unterkunftnahme in Schwechat auferlegt wurde. Es erging ein Festnahmeauftrag des BFA gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005, weil sich der BF der Betreuungsstelle Schwechat entzogen hat und untergetaucht ist und er wurde ins PAZ XXXX überstellt.

2.6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.07.2018, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (V.). Unter Spruchpunkt VI. gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, BFA-VG), idgF., einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, die aufschiebende Wirkung aberkannt. Unter Spruchpunkt VII. wurden gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

2.7. Mit Eingabe vom 31.07.2018 brachte der gewillkürte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde ein, wobei zusammenfassend ausgeführt wurde, dass sich sein Antrag auf internationalen Schutz auf den Herkunftsstaat Russische Föderation beziehe und Spruchpunkt II. und V. vom Herkunftsstaat Georgien ausgehe.

2.8.1. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.08.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2.8.2. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.10.2018, Zl. XXXX , wurde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG der Beschwerde stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Im Wesentlichen wird der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts damit begründet, dass sich die Spruchpunkte II. und V. des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft auf den Herkunftsstaat Georgien beziehen. Nachdem gemäß § 2 Z 13 AsylG 2005 der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bei Nichtzuerkennung mit dem Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eine Gedankeneinheit bilde, führe das zum objektiven Verständnis, dass im Spruchpunkt I. auch in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgesprochen sei. Aufgrund des sprachlich exakt gefassten Spruchs sei objektiv und zweifelsfrei davon auszugehen, dass die behördliche Entscheidung sich mit allen Spruchpunkten auf den Herkunftsstaat Georgien beziehe. Darüber hinaus lege die belangte Behörde ihrer Entscheidung die Feststellung zu Grunde, dass keine existenzbedrohende Notlage des BF im Falle seiner Rückkehr nach Georgien zu erwarten sei, womit die Behörde gleichzeitig ihren eigenen an anderer Stelle getroffenen Feststellungen zur Person des BF hinsichtlich seines Herkunftslands Russische Föderation widerspreche. Die Auslegung des Parteivorbringens nach dem objektiven Erklärungswert ergebe jedoch ganz klar, dass eine Entscheidung in Hinblick auf den Herkunftsstaat Russische Föderation beantragt worden sei und würden die Widersprüchen in Spruch und Begründung die gesamte Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belasten.

2.9. Am 05.11.2018 wurde der BF neuerlich niederschriftlichen vor dem BFA einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er gesund sei, weder in ärztlicher Behandlung sei, noch Medikamente nehme. Seit seiner letzten Einvernahme hätten sich keine Änderungen ergeben. Er sei jedoch nie rechtmäßig verheiratet gewesen und lebe von seiner Frau schon seit langem getrennt. In Österreich habe er seine Mutter, mit der er auch zusammenlebe. Mit seiner Frau habe er keinen Kontakt. Er habe einen Onkel und eine Tante im Bundesgebiet, von ihnen habe er weder Geld, noch andere Sachleistungen erhalten. Auch er habe ihnen nie etwas gegeben, denn er habe nichts. Jeder würde sein eigenes Leben leben. Sein Bruder lebe in Belgien und ein weiterer in Deutschland. Seine Schwester lebe ebenfalls in Deutschland. Der BF sei weder in einem Verein tätig, noch besuche er einen Deutschkurs. Er erhalte keine Grundversorgung und lebe von der Unterstützung seiner Mutter. Arbeit habe er gesucht, er hätte jedoch kaum eine Chance. Er habe als Gärtner arbeiten wollen. Er hatte schon Probleme mit den Gesetzen in Österreich, derzeit jedoch nicht.

Der BF brachte erstinstanzlich keine Unterlagen in Vorlage.

2.10.1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.11.2018, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (V.). Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG von 5 Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.).

2.10.2. In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zur Lage in seinem Herkunftsstaat und führte aus, dass die Ausführungen zu den Fluchtgründen keine Asylrelevanz hätten. Es hätte keine Verfolgung im Konventionssinn glaubhaft gemacht werden können. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr eine Verfolgung drohen würde.

2.10.3. Beweiswürdigend führte das BFA im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen aus, dass der BF keine Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates vorgebracht habe, die erkennen hätten lassen, dass er in der Russischen Föderation einer Verfolgung durch staatliche Organe unterliege, weshalb keine Verfolgung im Konventionssinn festgestellt werden konnte.

2.10.4. Die belangte Behörde kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat geltend gemacht hätte. Es ergebe sich auch keine Gefährdungslage nach § 8 AsylG und erscheint eine Rückkehr in die Russische Föderation zumutbar.

2.10.5. Demnach – so die belangte Behörde – könnte der vom Beschwerdeführer behauptete Fluchtgrund nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus seinem Vorbringen sei nichts ersichtlich, das im Falle seiner Rückkehr eine existenzbedrohende Notlage oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich hervorgekommen, zumal dieser weder ehrenamtlich, noch vereinsmäßig tätig sei und vom Sozialsystem der Republik Österreich lebe. Außerdem sei er strafrechtlich bescholten und würden teilweise lange Haftstrafen vorliegen. Zwar lebe seine Mutter und seine Tante in Österreich, doch sei der BF nicht im Bundesgebiet gemeldet, weshalb kein schützenswertes Familienleben bestehe. Er verfüge er nur über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für Asylwerber, habe keine geregelten Einkünfte und sei strafgerichtlich bescholten, sodass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

2.11. Mit Verfahrensanordnung vom 09.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

2.12. Mit Eingabe vom 04.12.2018 brachte der gewillkürte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA, zugestellt am 09.11.2018, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, als auch wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften in vollem Umfang ein, wobei beschwerdeseitig zusammenfassen vorgebracht wurde, dass es unrichtig sei, wenn im Bescheid ausgeführt werde, der BF habe keine Fluchtgründe vorgebracht. Sowohl in der Erstbefragung, als auch in der Einvernahme habe er angegeben, von XXXX Leuten verfolgt worden zu sein. Er sei mehrere Male verhaftet, geschlagen und befragt worden. Ebenso habe er angegeben, dass sich die Polizei nach seiner Rückkehr für ihn interessiert hätte. Die Behörde hätte darauf hinwirken müssen, dass der BF für die Entscheidung erheblichen Angaben vervollständige, die zur Begründung des Antrages notwendig gewesen wären. Das geführte Ermittlungsverfahren lasse jedoch keinen tauglichen Versuch erkennen, wonach die Behörde den Sachverhalt zur Abklärung für die im Verfahren maßgeblichen Fragen habe vervollständigen wollen, weshalb das Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet sei. In diesem Zusammenhang wird auf Judikatur des VfGH verwiesen, wonach willkürliches Verhalten dann anzunehmen sei, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen werde oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfinde, insbesondere in Verbindung mit Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes. Demnach habe die Behörde das Vorbringen des BF ignoriert und keiner Würdigung unterzogen. Eine Frage, was mit den Behörden in Tschetschenien passiert sei, sei nicht gestellt worden. Der BF sei oft verwirrt und leide an schweren Konzentrationsschwierigkeiten. Es sei keine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt worden, die festgestellt hätte, dass der BF einvernahmefähig gewesen wäre, was den Bescheid ebenso mit Rechtswidrigkeit belaste. Der gegenständlich angefochtene Bescheid sei eine Kopie des zurückverwiesenen Bescheides vom 23.07.2018 und seien lediglich die Länderberichte geändert worden. Die Behörde habe sich auch in diesem Bescheid nicht ordentlich mit dem Vorbringen des BF auseinandergesetzt, was den Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Weiters gehöre der BF der sozialen Gruppe der „Rückkehrer“ an und sei deswegen von tschetschenischen Behörden inhaftiert worden, wo er zwei Tage lang mit einem Stromkabel gefesselt, geschlagen und verhört worden sei. Nachdem man ihn entlassen habe, habe er sich versteckt, bis er nach Österreich zu seiner Mutter habe flüchten können. Er fürchte sich wohlbegründet davor, wieder in die Hände XXXX zu fallen und geschlagen sowie gefoltert zu werden. Auch die Länderberichte würden seine tatsächliche Situation im Herkunftsstaat zeigen. Es wäre ihm nicht möglich, in seiner Heimat eine Existenz aufzubauen und würde die Zahl der Arbeitslosen, sowie der Obdachlosen steigen. Das Sozialsystem funktionieren nicht und die Suche nach einer menschenwürdigen Unterkunft erscheine aussichtlos. Außerdem sei die Behörde in Bezug auf Spruchpunkt IV. von falschen Tatsachen ausgegangen. Er habe in Österreich bzw. Europa ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Er lebe bei seiner Mutter und werde von ihr finanziell unterstützt, weshalb er von ihr abhängig sei. Auch seine Tante lebe in Österreich. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei nicht zulässig. Die Behörde beschränke sich im Übrigen bei ihrer Begründung betreffend des Einreiseverbotes fast ausschließlich auf rechtliche Ausführungen allgemeiner Natur und modulhaft gehaltene Formulierungen. Insbesondere werde nicht dargelegt, inwiefern eine besondere Schwere des Fehlverhaltens anzunehmen sei und seien die Umstände, die einer Beurteilung seines Gesamtverhaltens zugrunde gelegen wären, nicht hinreichend dargelegt. In der Beschwerde wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge 1.) den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen, 3.) in eventu den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt werde, 4.) allenfalls die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufheben, 5.) in eventu feststellen, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation nicht zulässig sei, 6.) eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumen, damit der BF seine Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen RichterInnen persönlich und unmittelbar schildern und glaubhaft machen könne, 7.) das gegen ihn für die Dauer von 5 Jahren erlassene Einreiseverbot beheben oder verkürzen.

Mit der Beschwerdeschrift wurde ein Unterstützungsschreiben der Mutter des BF vorgelegt.

2.13. Die Beschwerdevorlagen vom 07.12.2018 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 11.12.2018 ein.

2.14. Mit Beschluss vom 17.12.2018 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2.15. Am 18.12.2018 und am 18.01.2019 stellte der BF einen Antrag für unterstütze freiwillige Rückkehrhilfe.

2.16. Das Asylverfahren wurde mit Beschluss vom 25.04.2019 gemäß § 24 Abs. 2 1. Satz AsylG 2005 aufgrund der Entziehung des BF im Asylverfahren eingestellt und erging am 30.04.2019 ein Festnahmeauftrag des BFA gemäß § 34 Abs. 4 BFA-VG aus denselben Gründen.

2.17. Am 01.06.2020 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angehalten, weil er die Fahrbahn nebst einem Schutzweg überquerte und dabei den Verkehr behinderte. Aufgrund des Festnahmeauftrags wurde er festgenommen und schlussendlich ins PAZ XXXX verbracht.

2.18. Mit Verfahrensanordnung vom 25.06.2020 wurde das gegenständliche Verfahren von Amts wegen fortgesetzt, nachdem der BF im Bundesgebiet wieder über eine aufrechte Meldung verfügte.

2.19. Am 27.07.2020 stellte der BF erneut einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr. Dieses Verfahren wurde seitens des VMÖ am 03.09.2020 erneut widerrufen, da kein Kontakt zum BF mehr bestanden habe.

2.20. Mit Ladung vom 01.10.2020 übermittelte das BVwG dem Beschwerdeführer die Beweismittelliste zur Lage in der Russischen Föderation und das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Russische Föderation, Gesamtaktualisierung am 27.03.2020, letzte KI vom 21.07.2020, mit der Information, dass es beabsichtigt seiner Entscheidung diese Feststellungen zu Grunde zu legen. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen 10 Tagen einlangend schriftlich Stellung zu nehmen, wovon die Beschwerdeseite keinen Gebrauch machten. Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass bei unentschuldigtem Fernbleiben des BF oder seines Vertreters von der Verhandlung, die Verhandlung in Abwesenheit durchgeführt werden kann.

2.21. Am 23.10.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, zu der der BF unentschuldigt nicht erschienen ist.

2.22. Mit Schreiben vom 23.11.2020 teilte der damalige Rechtsberater dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass die erteilte Vertretungsvollmacht mit 31.12.2020 niedergelegt werde; das Vertretungsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Rechtsberater ende mit Ablauf dieses Tages.

2.23. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 02.02.2021, hg am selben Tag eingelangt, wurde dem BVwG eine Ausreisebestätigung des IOM vom 01.02.2021, den BF betreffend, übermittelt. Darin ist vermerkt, dass der BF am 29.01.2021 im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgereist ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.06.2018, der polizeilichen Erstbefragung des BF am 12.06.2018, der Einvernahme am 21.06.2018 sowie 05.11.2018 vor dem BFA, der für den Beschwerdeführer am 04.12.2018 eingebrachten Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2018, der beschwerdeseitig vorgelegten Unterlagen und der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, der Auszüge des Zentralen Melderegisters, des Fremden- und Grundversorgungsinformationssystems, des Strafregisters der Republik Österreich und des AJ-Web, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1. Zum Vorverfahren und zum gegenständlichen Verfahren:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 24.02.2005 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.03.2005 wurde mit Polen ein Konsultationsverfahren eingeleitet und der Asylantrag des BF mit Bescheid des ehemaligen Bundesasylamtes vom 23.03.2005 gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen. Der Beschwerde dagegen wurde mit Bescheid des Unabhängigen Asylsenates (UBAS) vom 06.09.2005, Zl. XXXX , stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben.

Mit Bescheid vom 04.09.2006 des ehemaligen Bundesasylamtes wurde der Asylantrag des BF abgewiesen und der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Der gegen diese Entscheidung verspätet eingebrachten Berufung und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Bescheid des UBAS vom 17.12.2007, Zl. XXXX entsprochen und dem BF gemäß § 7 AsylG 1997 der Status des Asylberechtigten verliehen.

Am 18.03.2010 wurde – aufgrund der begangenen Straftaten und Verurteilungen in Österreich – ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Der Bescheid gem. § 7 (Asylaberkennung) wurde am 03.05.2010 zugestellt, am 18.05.2010 erhob der Beschwerdeführer über seinen Vertreter fristgerecht Beschwerde. Mit Erkenntnis des ehemaligen Asylgerichtshofs vom 11.08.2010, Zl. XXXX , wurde der Aberkennungsbescheid ersatzlos behoben.

Vom BFA wurde daraufhin kein neuerlicher Bescheid erlassen, weshalb der BF immer noch über den Status eines Asylberechtigten im Bundesgebiet verfügt.

Am 28.10.2014 ist der BF freiwillig und unterstützt aus dem Bundesgebiet ausgereist.

Der BF reiste am 11.06.2018 erneut illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Zur ausgeschriebenen mündlichen Verhandlung am 23.10.2020 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen.

Am 29.01.2021 ist der BF im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgereist.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, der Volksgruppe der Kisten und dem muslimischen Glauben zugehörig. Seine Identität steht fest. Er hat zwei minderjährige Söhne.

Er wurde in XXXX geboren und ist ebendort aufgewachsen. Zuletzt lebte der BF auch in XXXX (auch XXXX ), einem Dorf in der Nähe von XXXX , an der Adresse XXXX . Er spricht Tschetschenisch auf muttersprachlichem Niveau und gut Russisch.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben ausgeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts und einem Auszug aus dem Fremdenregister.

Dass der Aberkennungsbescheid der belangten Behörde, zugestellt am 03.05.2010 mit Erkenntnis des ehemaligen Asylgerichtshofs vom 11.08.2010, Zl. XXXX , ersatzlos behoben wurde, ergibt sich zweifelsfrei aus der Einsicht dessen. Fälschlicherweise findet sich dazu keine Eintragung im Zentralen Fremdenregister. Aus diesem ist auch nicht ersichtlich, dass die belangte Behörde, nach der ersatzlosen Behebung des Aberkennungsbescheids durch den ehemaligen Asylgerichtshof, einen neuerlichen Aberkennungsbescheid erlassen hätte. Selbst auf wiederholte Nachfrage des erkennenden Gerichts diesen beizubringen, wurde ein solcher nicht vorgelegt, weshalb unter diesen Umständen davon auszugehen ist, dass ein solcher nicht existent ist, zumal dieser im zentralen Fremdenregister auch nicht aufscheint.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

2.3. Die Feststellungen zu Identität, Alter, Nationalität, Volksgruppe, Herkunft und den Familienverhältnissen des Beschwerdeführers gründen auf seinen insofern unbedenklichen Angaben vor dem BFA, sowie auf den in seiner Beschwerde gemachten Angaben. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens konnte der authentische russische Auslandsreisepass des BF sichergestellt werden, weshalb seine Identität feststeht.

2.4. Weder der BF, noch dessen Rechtsvertreter ist, trotz ordnungsgemäßer Ladung, zur anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung am 23.10.2020 erschienen. Die ordnungsgemäße persönliche Ladung des BF ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, wobei diese hinterlegt, vom BF jedoch nicht behoben wurde. Die ordnungsgemäße Ladung über seinen Rechtsvertreter per Elektronischen Rechtsverkehr ergibt sich ebenso aus dem Verwaltungsakt. Aus der Ladung ist ersichtlich, dass der BF ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, wichtige Gründe, die zu einer Verhinderung an der Teilnahme der Verhandlung führen, sofort mitzuteilen und, dass die Möglichkeit der Verhandlung in Abwesenheit des BF oder seines Rechtsvertreters bestehe. Aus der schriftlichen Stellungnahme des Rechtsvertreters vom 23.10.2020 ist ersichtlich, dass der BF am 08.10.2020 vom VMÖ von der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch informiert wurde und ihm die Ladung persönlich ausgehängt wurde, dennoch ist er nicht erschienen.

2.5. Die mittlerweile zweimalige unterstützte freiwillige Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat ergibt sich aus dem Akteninhalt bzw. aus der am 02.02.2021 übermittelten Ausreisebestätigung des IOM vom 01.02.2021, den BF betreffend.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.3. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.4. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Spruchteil A

3.5. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:

3.5.1. Der BF weist einen aufrechten Asylstatus im Bundesgebiet auf:

Wie bereits beweiswürdigend ausgeführt, hat die belangte Behörde im Vorverfahren nach erfolgter, ersatzloser Behebung ihres Aberkennungsbescheides durch das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.08.2010, Zl. XXXX , keinen neuerlichen Aberkennungsbescheid hinsichtlich des Beschwerdeführers erlassen, weshalb dessen mit seinerzeitigen Bescheid des UBAS vom 17.12.2007, Zl. XXXX , zuerkannter Asylstatus im Bundesgebiet als – nach, wie vor - aufrecht zu betrachten ist. Aus diesem Grund, erweist sich die inhaltliche Prüfung seines zweiten Antrags auf internationalen Schutz vom 11.06.2018 durch die belangte Behörde als unzulässig und verfehlt, zumal der BF die darin begehrte Rechtsstellung im Bundesgebiet bereits innehat. Folglich hätte die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag des BF auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen gehabt.

Gem. § 2 Z 13 AsylG 2005 bildet der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bei Nichtzuerkennung mit dem Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eine Gedankeneinheit.

3.5.2. Die Beschwerde war somit gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides unter der Maßgabe spruchgemäß abzuweisen.

3.6. Zur Stattgaben der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte III. – VII. des angefochtenen Bescheides und der ersatzlosen Behebung dieser Spruchpunkte:

3.6.1. Da der Beschwerdeführer in Ermangelung einer rechtskräftigen Asylaberkennung – nach, wie vor - über einen Asylstatus in Österreich verfügt, hätte die belangte Behörde – wie oben ausgeführt – den am 11.06.2018 gestellten, neuerlichen Asylantrag des BF als unzulässig zurückweisen müssen und war es in casu der belangten Behörde weiters verwehrt amtswegig gemäß § 58 Abs. 1 AsylG über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 52 FPG über eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V.) abzusprechen, gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebenden Wirkung abzuerkennen, sowie gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein Einreiseverbot zu erlassen (VI. und VII.).

3.6.2. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VII. des angefochtenen Bescheides war somit spruchgemäß stattzugeben und diese ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gegen diese Entscheidung kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Für die Abfassung und Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision gilt Anwaltspflicht.

Zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist berechtigt, wer sich durch die Entscheidung in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt erachtet. Eine Revision ist zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt.

Eine Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Eine Revision ist beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabengebühr von € 240,-- zu entrichten.

Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sind nicht mehr zulässig, wenn nach Verkündung oder Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses ausdrücklich darauf verzichtet wurde. Der Verzicht auf die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist bis zur Zustellung der Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses dem Bundesverwaltungsgericht, nach Zustellung der Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses dem Verfassungsgerichtshof schriftlich bekanntzugeben oder zu Protokoll zu erklären. Der Verzicht auf die Revision ist dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich bekanntzugeben oder zu Protokoll zu erklären. Wurde der Verzicht nicht von einem berufsmäßigen Parteienvertreter oder im Beisein eines solchen abgegeben, so kann er binnen drei Tagen schriftlich oder zur Niederschrift widerrufen werden.

Schlagworte

inhaltliche Anforderungen Mangelhaftigkeit Prüfung Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W247.1259578.5.00

Im RIS seit

12.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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