TE Bvwg Beschluss 2020/3/25 L525 2147096-3

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Veröffentlicht am 25.03.2020
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Entscheidungsdatum

25.03.2020

Norm

AsylG 2005 §12a
AVG §62
B-VG Art133 Abs4

Spruch


L525 2147096-3/4E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die als Erledigung intendierte vorgelegte Niederschrift vom 20.3.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. XXXX , und die dort verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Johannes Zöchling, beschlossen:

A) Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 6.10.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz.

Diesem Antrag wurde durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 13.1.2017 nicht stattgegeben und wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche mit hg Erkenntnis vom 22.10.2018, Zl. L525 2147096-1 als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer verblieb im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer stellte in weiterer Folge am 21.2.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK. Dieser Antrag wurde durch das BFA mit Bescheid vom 21.8.2019 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit hg Erkenntnis vom 21.1.2020, Zl. L516 2147096-2 als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer stellte am 3.3.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und wurde er am 4.3.2020 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen. Der Beschwerdeführer gab an, sein Leben sei im Falle der Rückkehr nach Pakistan in Gefahr. Er würde über Befragung in Pakistan angeben, dass die Leute in Österreich gut seien und es ihm gut gegangen sei. Er würde erzählen, dass er einen Deutschkurs A1 und A2 besucht hätte. Die Pakistani würden dann denken, dass er ein Agent für Österreich sei und dadurch würde es ihm in Pakistan schlecht gehen. Außerdem würden die Pakistani glauben, dass er die Religion gewechselt hätte und dies wäre sehr gefährlich für ihn. Er habe in den letzten fünf Jahren in Österreich nichts falsch gemacht.

Der Beschwerdeführer befindet sich im Zeitpunkt der Antragstellung in Schubhaft im Anhaltezentrum Vordernberg. Ein Heimreisezertifikat liegt im vorgelegten Verwaltungsakt auf.

Der Beschwerdeführer wurde am 18.3.2020 mittels Videotelefonie niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer wurde darüber belehrt, dass die Einvernahme aus organisatorischen Gründen nicht in der EAST West stattfinden könne. Dem Verwaltungsakt liegt eine vom Beschwerdeführer unterfertigte Niederschrift der Einvernahme auf.

Der Beschwerdeführer wurde am 20.3.2020 abermals niederschriftlich einvernommen und wurde festgehalten, dass ein Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm §§ 22 Abs. 10 AsylG und 62 Abs. 2 AVG verkündete worden sei. Das BFA sprach dabei im Wesentlichen aus, dass der faktische Abschiebeschutz des Beschwerdeführers aberkannt werde.

Das BFA legte nach der Niederschrift die Akten des Verfahrens vor und wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Mail vom 24.3.2020 darüber informiert, dass die Akten in der zuständigen Gerichtsabteilung L525 eingelangt sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer befindet sich in Schubhaft im Anhaltezentrum Vordernberg. Der Beschwerdeführer kam den bisherigen Ausreiseverpflichtungen nicht nach, sondern verblieb weiterhin illegal im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer, der Rechtsberater, der über kein Vertretungsverhältnis verfügte, sowie eine weitere Schreibkraft befanden sich im Zeitpunkt der niederschriftlichen Einvernahme am 20.3.2020 im Anhaltezentrum Vordernberg, der Verhandlungsleiter und der Dolmetscher jeweils in der EAST West in St. Georgen im Attergau. Die Einvernahme fand mittels Videotelefonie statt. In der Niederschrift vom 20.3.2020 wurde die Protokollierung eines Bescheides festgehalten. Im vorgelegten Verwaltungsakt befinden sich nunmehr zwei Abschriften, nämlich eine Abschrift, welche vom Einvernahmeleiter und vom Dolmetscher unterfertigt wurden, eine weitere Niederschrift wurde durch das Anhaltezentrum Vorderberg vorgelegt, wobei dort der Rechtsberater unterschrieb und befindet sich ein Vermerk (wiederum offenbar durch die Schreibkraft unterfertigt), wonach der Beschwerdeführer die Unterschrift unter das Protokoll vom 20.3.2020 verweigerte.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt zum bisherigen Verfahren und dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich aus den vorgelegten unbedenklichen Verwaltungsakten der belangten Behörde. Einwände, dass die Verwaltungsakten unvollständig oder unrichtig wären, wurden nicht erhoben und sind auch keine Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten erkennbar.


Dass die Niederschrift vom 20.3.2020 mittels Videotelefonie (und damit auch die intendierte Verkündung des Bescheides) festgehalten wurde, ergibt sich bereits aus der Beschwerdevorlage vom 20.3.2020, in welcher das BFA selbst festhielt, dass die Bescheidverkündung per Video erfolgt sei. Dass der Beschwerdeführer bei der Einvernahme am 20.3.2020 nicht in St. Georgen in der EAST West anwesend war, sondern im Anhaltezentrum in Vordernberg, ergibt sich wiederum daraus, dass die belangte Behörde das Einvernahmeprotokoll vom 20.3.2020 aus Vordernberg übermittelte und dort festhielt, dass der Beschwerdeführer die Unterschrift verweigerte (OZ 2).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zur Rechtswidrigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

§ 12a Asylgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 84/2017 lautet:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

Das BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF lautet auszugsweise:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Das Allgemeine Verwaltungsverfahren, BGBl. Nr. 51/1991 (WV), idgF lautet auszugsweise:

"2. Abschnitt: Beweise

Allgemeine Grundsätze über den Beweis

§ 45. (1) Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

(2) Im übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

(3) Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Vernehmung von Beteiligten

§ 51. Die §§ 48 und 49 sind auch auf die Vernehmung von Beteiligten zum Zweck der Beweisführung anzuwenden, doch gilt der Weigerungsgrund des § 49 Abs. 1 Z 1 wegen Gefahr eines Vermögensnachteils nicht.

Audiovisuelle Vernehmungen

§ 51a. Nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten kann eine Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt werden, es sei denn, das persönliche Erscheinen vor der Behörde ist unter Berücksichtigung der Verfahrensökonomie zweckmäßiger oder aus besonderen Gründen erforderlich.

III. Teil: Bescheide

Erlassung von Bescheiden

§ 56. Der Erlassung eines Bescheides hat, wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen.

§ 62. (1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

(2) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluß der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

(3) Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

(4) Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden kann die Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigen."

Gegenständlich erfolgte die mündliche Einvernahme und die daran anschließende mündliche Verkündung des "Bescheides" mittels Videotelefonie, wobei sich der Beschwerdeführer im Anhaltezentrum Vordernberg und der Einvernahmeleiter, der auch das Protokoll unterfertigte, in der EAST West befanden.

§ 22 Abs. 10 AsylG schreibt dem BFA verpflichtend vor, dass Bescheide über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG in mündlicher Form zu erlassen sind. Die mündliche Erlassung von Bescheiden hat durch förmliche Verkündung ihres Inhalts gegenüber den anwesenden Parteien bzw ihren – gesetzlichen oder dazu bevollmächtigten – Vertretern zu erfolgen. Ist keine Partei anwesend, so kann der Bescheid auch nicht iSd § 62 Abs. 2 AVG verkündet (oder gar niederschriftlich beurkundet) werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 62, Rz 20; Anm: Ausnahmen bestehen natürlich im hier nicht gegenständlichen Mehrparteienverfahren). Fraglich ist daher, ob der Beschwerdeführer, der mittels Videokonferenz zugeschaltet war, überhaupt bei der "Verkündung" des angefochtenen Bescheides als anwesend zu qualifizieren war. Dies muss nach Ansicht des erkennenden Gerichtes verneint werden. So muss ein mündlich verkündeter Bescheid den Parteien als Formalakt auch zu Bewusstsein kommen. Dies scheidet nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zB bei der telefonischen Verkündung eines Bescheides aus. Dem AVG ist die Form der Verkündung mittels Fernsprecher unbekannt (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 62, Rz E 24 und E 25 angeführte Judikatur). Ein mündlich verkündeter Bescheid ist nur dann vorhanden, wenn die von der Bescheidform umfasste Willensentschließung der Behörde in Gegenwart der Parteien verkündet und niederschriftlich beurkundet worden ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 62, Rz 23). Dies liegt gegenständlich nicht vor, sondern war der Beschwerdeführer bei der Verkündung nur "zugeschaltet". Daran ändert auch die Möglichkeit einer Einvernahme gemäß § 51a AVG nichts, zumal dort nur die Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung ermöglicht wird. Alleine aus der Systematik des AVG ergibt sich für das erkennende Gericht eindeutig, dass nur die Möglichkeit einer Einvernahme für das Ermittlungsverfahren eingeräumt wird, dass damit auch die Möglichkeit einer Verkündung von Bescheiden mittels Videotelefonie eingeräumt werden soll, ist nicht ersichtlich. Eine Zuschaltung des Beschwerdeführers zur Verkündung des angefochtenen Bescheides ersetzt aus Sicht des erkennenden Gerichtes nicht die tatsächliche – physische – Anwesenheit bei der mündlichen Verkündung eines Bescheides und wurde der angefochtene Bescheid daher nicht ordnungsgemäß erlassen.

Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision ist zulässig. Soweit ersichtlich existiert zur Frage, ob die mündliche Verkündung eines Bescheides durch die Verwaltungsbehörde mittels Verwendung einer technischen Einrichtung zur Wort- und Bildübertragung zulässig ist, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Anwesenheit audiovisuelle Vernehmung Bescheiderlassung mündliche Verkündung Revision zulässig Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L525.2147096.3.00

Im RIS seit

10.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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