TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/5 L504 2233103-1

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Veröffentlicht am 05.10.2020
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Entscheidungsdatum

05.10.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §46a

Spruch


L504 2233103-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Türkei, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2020, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 46, 46a FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

Aus dem Verfahrensgang des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

„[…]

Gegen Sie wurde am 08.05.2013 eine auf 10 Jahre befristete

Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen. Dieser

Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht mit der Maßgabe bestätigt, dass es sich

bei dem Bescheid um ein Aufenthaltsverbot handelt. Seit 05.03.2014 ist

gegenständlicher Bescheid rechtskräftig und durchsetzbar.

? Am 24.10.2014 stellten Sie einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete

wegen Vorliegen von Gründen im Sinne des § 46a Abs 1 Z 3 FPG. Begründet wurde

Ihr Antrag aber nicht.

? Am 12.11.2014 wurde Ihnen die Absicht der Behörde mitgeteilt, den Antrag auf

Duldungskarte abzuweisen und wurde Ihnen Gelegenheit gegeben, binnen zwei

Wochen eine Frist zur Stellungnahme abzugeben.

? Sie haben aber bis dato keine Stellungnahme abgegeben.

? Es wurde im Jahre 2017 noch eine weitere Verständigung an Sie übermittelt, die

jedoch nicht zugestellt werden konnte, da Sie in Österreich die meiste Zeit nicht

behördlich gemeldet und unbekannten Aufenthaltes waren.

? Am 14.06.2017 wurden Sie wegen des bestehenden Aufenthaltsverbotes

festgenommen und dem BFA vorgeführt.

? Ihre Einvernahme am 15.06.2017 gestaltete sich wie folgt:

[…]

? Die VP (Parteienverkehr) nimmt den Verfahrensgegenstand wie folgt zur Kenntnis

bzw. gibt folgendes an:

? Sie wurden am 14.06.2017 durch Kräfte der LPD betreten. Dabei wurde

festgestellt, dass Sie sich nicht mit Dokumenten ausweisen können und

unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sind. Möchten Sie dazu etwas angeben?

? VP: Ich bin nicht einvernahmefähig, ich bin jedoch in keinen

Entwöhnungsprogramm. Mir geht es nicht gut!

?

? LA: Wo sind Sie Wohnhaft?

? VP: Nein. Nur im Winter wohne ich in einem Obdachlosenheim sonst im Freien.

?

? LA: Wann sind Sie in das österreichische Bundesgebiet eingereist?

? VP: Ich bin seit 1989 in Österreich. Ein zwei Mal bin ich ausgereist.

?

? LA: Mit was verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?

? VP: Meine Verwandten und meine Freunde unterstützen mich im Moment.

?

? LA: Sind Sie verheiratet?

? VP: Nein, ich bin geschieden.

?

? LA: Haben Sie etwaige Sorgepflichten?

? VP: Nein.

?

? LA: Haben Sie Angehörige in Österreich?

? VP: In Salzburg lebt mein jüngerer Bruder. In Wien leben ein Onkel, Tante, Neffen

und Nichten.

?

? LA: Haben Sie Angehörige in der Türkei?

? VP: Meine Eltern und ein Bruder leben in der Türkei.

?

? LA: Haben Sie sich mit Ihrer Vertretungsbehörde in Verbindung gesetzt um ein

Ersatzdokument zu erlangen?

? VP: Ich war einige Male dort, es hat jedes Mal geheißen, dass ich meinen

Wehrdienst leisten soll und erst dann einen Reisepass bekomme. Ich vermute

jedoch, dass Sie mich in der Zwischenzeit ausgebürgert haben.

?

? LA: Ihnen wird ein Formblatt ausgehändigt, dass Sie mithilfe der Dolmetscherin

auszufüllen haben. Mit diesem Formblatt wird versucht Ihre Identität zu klären

und evtl. Heimreisezertifikat zu erlangen. Möchten Sie dazu etwas angeben?

? VP: Nein, ich werde es mithilfe der Dolmetscherin ausfüllen.

?

? Ihnen wird zur Kenntnis gebracht, dass Sie sich unrechtmäßig im Bundesgebiet

aufhalten. Gegen Sie wurde ein 10 jähriges Aufenthaltsverbot erlassen, welches

mit bestätigter Ausreise zu laufen beginnt. Ihnen wird eine Verfahrensanordnung

zum Verpflichtenden Rückkehrberatungsgespräch ausgehändigt, welches Sie

innerhalbe einer Frist von 2 Wochen in Anspruch nehmen müssen.

? LA: Möchten Sie noch etwas angeben?

? VP: Ich habe alles verstanden und mache keine weiteren Angaben.

?

? Ende der Amtshandlung um 10:40Uhr.

? Im Anschluss an die Einvernahme wurden Sie aus der Haft entlassen.

? Am 19.02.2020 wurden Sie erneut in Wien angehalten und der Behörde

vorgeführt.

? Ihre Einvernahme am 20.02.2020 gestaltete sich wie folgt:

? Die anwesenden Personen werden der Verfahrenspartei (VP) vorgestellt und deren

Funktion/Aufgabe im Verfahren erklärt. Die Verfahrenspartei wird darauf

hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit

rückfragen kann. Der Verhandlungsgegenstand wird der Verfahrenspartei

erläutert.

?

? Der Dolmetscher wurde durch mündlich verkündeten Bescheid für die Sprache

Türkisch bestellt und beeidet und ist die Verfahrenspartei dieser Sprache mächtig

und damit einverstanden, in dieser Sprache einvernommen zu werden.

? Zur Prüfung dieses Sachverhaltes sind Sie, auch in Ihrem Interesse einer

möglichsten Vermeidung von Eingriffen in Ihre Rechte, zur mitwirkenden Klärung

des Sachverhaltes verpflichtet und haben die Möglichkeit das Parteiengehör

wahrzunehmen.

?

? Sie wurden am 19.02.2020 angehalten und festgestellt, dass ein aufrechtes

Aufenthaltsverbot gegen Sie vorliegt.

? Sie sind somit unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Daher

wurde Ihre Einlieferung in das PAZ HG verfügt.

?

? Die VP (Parteienverkehr) nimmt den Verfahrensgegenstand wie folgt zur Kenntnis

bzw. gibt folgendes an:

? LA: Sind Sie rechtlich vertreten?

? VP: Nein.

? LA: Wie lauten Ihre korrekten Personalien?

? VP: XXXX, geboren am XXXX in XXXX, Türkei.

?

? LA: Sind Sie im Besitz eines internationalen oder nationalen Reisepasses?

? VP: Nein.

?

? LA: Seit wann sind Sie in Österreich aufhältig?

? VP: seit 06.12.1989.

?

? LA: Wie viel Bargeld haben Sie bei sich?

? VP: keines.

?

? LA: Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?

? VP: Ich bin meistens in der Gruft.

?

? LA: Haben Sie in Österreich gearbeitet?

? VP: ja, 17 oder 18 Jahre.

?

? LA: Gehen Sie in Österreich aktuell einer Beschäftigung nach?

? VP: Nein.

?

? LA: Was ist der Zweck Ihres Aufenthalts in Österreich?

? VP: Ich habe damals gearbeitet.

?

? LA: Wo nehmen Sie derzeit Unterkunft?

? VP: In der „Gruft“.

?

? LA: Sind Sie an dieser Adresse gemeldet?

? VP: Nur Postadresse.

?

? LA: Machen Sie Angaben zu Ihren persönlichen Verhältnissen.

? VP: Ich bin ledig und habe keine Kinder.

?

? LA: Haben Sie Angehörige in Österreich?

? VP: Ich habe einen Bruder in Pinzgau, Tante im 10. Bezirk. Auch Neffen.

?

? LA: Haben Sie Familienangehörige in der Türkei?

? VP: Meine Eltern und ein Bruder in der Türkei.

?

? LA: Wie lautet die Wohnadresse Ihrer Eltern in der Türkei?

? VP: Sie wohnen in XXXX, die genaue Adresse weiß ich nicht.

?

? LA: Werden Sie in der Türkei strafrechtlich oder politisch verfolgt?

? VP: Soweit ich weiß nicht.

?

? LA: Gegen Sie besteht ein aufrechtes Aufenthaltsverbot. Sie wurden bereits

mehrmals aufgefordert, das Bundesgebiet zu verlassen. Sind Sie dieser

Aufforderung jemals nachgekommen?

? VP: Nein, wohin?

?

? LA: Werden Sie das Bundesgebiet freiwillig verlassen?

? VP: Nein. Ich bin ein Wiener und werde hier sterben.

?

? LA: Werden Sie an der Beschaffung eines türkischen Reisedokuments mitwirken?

? VP: Wenn Sie mir meine Jugend und Versicherungszeit zurückgeben.

?

? LA: Sie sind bereits seit 27.07.2015 nicht mehr behördlich gemeldet. Nennen Sie die

Örtlichkeiten wo Sie sich in dieser Zeit aufgehalten haben!

? VP: Ich weiß das nicht genau.

?

? LA: Sie sind somit seit 2015 dauerhaft und illegal in Österreich aufhältig. Aus

welchem Grund kommen Sie der behördlichen Verpflichtung sich anzumelden bzw.

das Land zu verlassen nicht nach?

? VP: Ich kann mich nirgends anmelden.

?

? LA: Sie wurden mehrmals wegen Verletzungen nach dem SMG angezeigt und

inhaftiert. Aus welchem Grund haben Sie nach Verbüßung der Haftstrafen das

Land nicht verlassen?

? VP: Wohin soll ich gehen?

?

? LA: Laut Ihren Angaben sind Sie seit 1989 im österr. Bundesgebiet aufhältig. Sind

Sie jemals einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

? VP: Ich hatte mehrere Stellungen in der Gastronomie.

?

? LA: Welche Integrationsmaßnahmen können Sie vorweisen?

? VP: Ich habe Deutsch gelernt und gearbeitet.

?

? Entscheidung

? Vorhalt: Es wird mir mitgeteilt, dass aufgrund des Sachverhaltes eine

Rückkehrentscheidung erlassen werden wird. Aus ha. Sicht ist der illegale

Aufenthalt als erwiesen anzusehen.

? Es wird mir mitgeteilt, dass von Amts wegen eine Rechtsberatungsorganisation

verständig werden wird, da aufgrund des Sachverhaltes ein illegaler Aufenthalt

vorliegt und gem. § 52 Abs. 1 Ziffer 1 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen

ist. Aufgrund meines persönlichen Verhaltens muss die aufschiebende Wirkung

einer Beschwerde aberkannt werden, da meine sofortige Ausreise dringend

erforderlich wäre. Ich habe die Bestimmungen nach dem FPG übertreten. Mein

Verhalten stellt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar.

?

? Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann ich kostenlos eine Rechtsberatung

in Anspruch nehmen und wird die zuständige Stelle heute noch verständigt

werden.

? Es wird mir eine Organisation zugewiesen und erfolgt eine Verständigung in

schriftlicher Form, welche Organisation mich kontaktieren wird.

?

? Eine Rückkehr in die Türkei ist mir zumutbar und sprechen keine Gründe dagegen,

dass ich nicht in meine Heimat zurückkehren kann. Meine Abschiebung in die

Türkei wäre somit zulässig.

?

? LA: Wollen Sie dazu etwas sagen?

? VP: Nein.

?

? Zu dem vorliegenden Sachverhalt und Ihren Angaben zu Ihrem Aufenthalt stellt die

Behörde fest, dass

? • Sie sich zurzeit unrechtmäßig im Österreichischen Bundesgebiet aufhalten.

?

? Zur Beendigung Ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes ist beabsichtigt, eine

Rückkehrentscheidung gegen Sie zu erlassen

? und Sie (nach Erlangung eines Reisedokumentes) in Ihr Heimat abzuschieben.

? Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass ein Antrag gemäß § 51 Abs. 1 FPG auf

Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten von Ihnen

bezeichneten Staat, der nicht Ihr Herkunftsstaat ist, nur während eines Verfahrens

zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes gestellt werden

kann.

? Nach Vorhalt und Erörterung des § 51 FPG gebe ich an, dass ich in der Türkei

weder strafrechtlich noch politisch verfolgt werde.

? Es wird Ihnen nun die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme geboten.

? Es wird Ihnen nunmehr zur Kenntnis gebracht, dass das Ermittlungsverfahren

wegen Entscheidungsreife gemäß § 39 Abs. 3 AVG geschlossen wird.

?

? Ende der Amtshandlung am 20.02.2020 um 10:45 Uhr

? Im Anschluss an die Einvernahme wurde gegen Sie die Schubhaft verhängt.

? Am 17.03.2020 sollten Sie der Botschaft zwecks Erlangung eines

Heimreisezertifikates vorgeführt werden. Aufgrund der aktuellen Coronakrise

wurde der Termin abgesagt und konnte auch kein weiterer Termin in Aussicht

gestellt werden.

? Aus diesem Grund wurden Sie aus der Schubhaft entlassen und wurde gegen Sie

das gelindere Mittel verhängt und Ihnen aufgetragen, sich jeden Montag bei der

PI Kopernikusgasse zwischen 08:00 und 12:00 zu melden.

? Eine Schubhaftbeschwerde wurde am 24.03.2020 abgewiesen und die Dauer der

Anhaltung in Schubhaft für rechtmäßig erklärt.

B) Beweismittel

Die Behörde zog die folgenden Beweismittel heran:

Von Ihnen vorgelegte Beweismittel:

? Sie haben keinerlei Beweismittel vorgelegt.

Weitere von der Behörde herangezogene Beweismittel:

? Der gesamte Akteninhalt des Aktes IFA XXXX.

[…]“

Mit gegenständlichem Bescheid vom 27.05.2020 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei [bP] vom 24.10.2014 auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gem. § 46a Abs 4 iVm Abs 1 Z 3 FPG idgF abgewiesen.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die bP ihren Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete in keinster Weise begründet habe, daher ging die Behörde von dem Grund des § 46a Abs. 1 Z 3 FPG aus, deren Voraussetzungen sie nicht als gegeben ansah, da gegen die bP seit 2014 ein rechtskräftiges und durchsetzbares Aufenthaltsverbot bestehe und sich diese seit Verhängung des Aufenthaltsverbotes dem Abschiebeverfahren entziehe, indem sie sich behördlich nicht melde und für das gegenständliche Verfahren nicht greifbar sei. Es wäre ihr zumutbar und möglich gewesen, sich ein Reisedokument bei der türkischen Botschaft zu besorgen und das Land zu verlassen.

Mit Verfahrensanordnung vom 27.05.2020 wurde der bP die ARGE Rechtsberatung als Rechtsberater für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem BVwG zur Seite gestellt.

Dagegen hat die bP durch ihre gewillkürte Vertretung (ARGE) innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wird im Wesentlichen, dass die Beschaffung eines Heimreisezertifikates im Jahr 2017 an einem Formfehler – fehlendes Lichtbild – und im Jahr 2020 an der Covid-19-Pandemie scheiterte. Außerdem wären zum Zeitpunkt der Antragstellung die Voraussetzungen zur Ausstellung einer Karte für Geduldete vorgelegen, da sich die bP zu diesem Zeitpunkt in einer Suchtmitteltherapie befand und eine Rückkehrentscheidung bis zum voraussichtlichen Abschluss einer aufgrund einer gerichtlichen Weisung durchgeführten Therapie nach § 46a Abs 1 Z 4 FPG unzulässig sei. Der bP wäre daher zum Zeitpunkt der Antragstellung ex lege geduldet gewesen. Es sei darüber hinaus der Säumnis der Behörde geschuldet, dass seit der Antragstellung im Jahr 2014 sechs Jahre bis zu gegenständlicher Entscheidung vergangen seien. Auch zum jetzigen Zeitpunkt war die Erlangung eines Heimreisezertifikats und eine Abschiebung aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht möglich und daher sei die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich. Daher würde die bP die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 Z 3 FPG erfüllen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die bP wurde am XXXX geboren und ist türkischer Staatsbürger. Sie besuchte acht Jahre lang in der Türkei die Schule und absolvierte danach eine Schusterlehre. Im Jahr 1990 reiste er in das österreichische Bundesgebiet ein und verfügte von 1997 bis 2008 über befristete Aufenthaltsbewilligungen.

Mit Urteil des LG Innsbruck vom 08. April 2002, XXXX, wurde die bP wegen §15, 127 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von vierzig Tagessätzen zu je 14,- EUR verurteilt.

Mit Urteil des LG Innsbruck vom 13. Mai 2009, XXXX, wurde die bP wegen §§15, 105, 106 StGB zu einer bedingten Geldstrafe in Höhe von 240 Tagessätzen zu je 5,- EUR verurteilt.

Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 07. Juni 2011, XXXX, wurde die bP wegen § 37 Abs. 1 Z 1 8. Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 09. November 2012, XXXX, wurde die bP wegen §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 4 Z 3, 28a Abs. 5 SMG sowie §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 03. Februar 2014, Zl. XXXX wurde gegenüber der bP ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot rk. bestätigt.

Seit Bestehen des Aufenthaltsverbotes scheint sie vom 27.05.2015 bis 19.02.2020 (Anmeldung im Polizeianhaltezentrum) im ZMR mit keinem Wohnsitz auf. Weiters scheint sie davor auch zwischen 04.11.2011 bis 16.04.2014 (Anmeldung in der Justizanstalt) nicht im ZMR auf.

Mit einem formlosen Schreiben vom 24.10.2014 brachte die bP einen Antrag auf Ausstellung einer „Duldungskarte“ ein und begründete diesen wie folgt:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich, XXXX geb. am XXXX, beantrage die Ausstellung einer Duldungskarte.

Mit freundlichen Grüßen“.

Verständigungen vom Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme konnten der bP mangels Bekanntgabe eines Aufenthaltsortes bzw. Zustelladresse nicht persönlich zugestellt werden.

Die bP hat das Bundesgebiet seit Bestehen des Aufenthaltsverbotes nicht verlassen und ist hier rechtswidrig aufhältig.

Die bP wurde mit Mandatsbescheid vom 20.02.2020, Zl. 118844806/200194274 zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung in Schubhaft genommen und mit Mandatsbescheid vom 17.03.2020 ein gelinderes Mittel zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Am 24.02.2020 wurde bezüglich des Beschwerdeführers ein Termin beim türkischen Generalkonsulat am 17.03.2020 (bezüglich der Erlangung eines Heimreisezertifikats/HRZ) erwirkt. Am Nachmittag des 16.03.2020 wurde dieser Termin vom türkischen Generalkonsulat unter Verweis auf die aktuelle Entwicklung im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie storniert.

Die bP ist geschieden und hat keine Sorgepflichten. Ihre Exfrau lebt genauso wie ihre Eltern und ein Bruder in der Türkei. In Österreich leben ein Bruder, Onkeln, Tanten, Neffen und Nichten der bP.

Seit 2007 ist die bP ohne Beschäftigung in Österreich aufhältig und lebt meistens in Gruft.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen unstreitig aus dem Akteninhalt bzw. auch aus den eigenen Angaben der bP. Bestritten wird die rechtliche Verpflichtung der bP an der Besorgung des Reisedokumentes mitzuwirken. Diese sei ihrer Ansicht nach „überflüssig“.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 46a FPG als die Bestimmung zur „Duldung“ lautet:

(1) Der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet ist zu dulden, solange

1. deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig;

2. deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig ist;

3. deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint oder

4. die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist; es sei denn, es besteht nach einer Entscheidung gemäß § 61 weiterhin die Zuständigkeit eines anderen Staates oder dieser erkennt sie weiterhin oder neuerlich an. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 geduldet ist, bleibt unberührt.

(2) Die Duldung gemäß Abs. 1 Z 3 kann vom Bundesamt mit Auflagen verbunden werden; sie endet jedenfalls mit Wegfall der Hinderungsgründe. Die festgesetzten Auflagen sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) während des anhängigen Verfahrens mitzuteilen; über sie ist insbesondere hinsichtlich ihrer Fortdauer im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. § 56 gilt sinngemäß.

(3) Vom Fremden zu vertretende Gründe (Abschiebungshindernisse) liegen jedenfalls vor, wenn er

1. seine Identität verschleiert,

2. einen Ladungstermin zur Klärung seiner Identität oder zur Einholung eines Ersatzreisedokumentes nicht befolgt oder

3. an den zur Erlangung eines Ersatzreisedokumentes notwendigen Schritten nicht mitwirkt oder diese vereitelt.

(4) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat das Bundesamt von Amts wegen oder auf Antrag eine Karte für Geduldete auszustellen. Im Antrag ist der Grund der Duldung gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 3 oder 4 zu bezeichnen. Die Karte dient dem Nachweis der Identität des Fremden im Verfahren vor dem Bundesamt und hat insbesondere die Bezeichnungen „Republik Österreich“ und „Karte für Geduldete“, weiters Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Lichtbild und Unterschrift des Geduldeten sowie die Bezeichnung der Behörde, Datum der Ausstellung und Namen des Genehmigenden zu enthalten. Die nähere Gestaltung der Karte legt der Bundesminister für Inneres durch Verordnung fest.

(5) Die Karte für Geduldete gilt ein Jahr beginnend mit dem Ausstellungsdatum und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 über Antrag des Fremden für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Die Karte ist zu entziehen, wenn

1. deren Gültigkeitsdauer abgelaufen ist;

2. die Voraussetzungen der Duldung im Sinne des Abs. 1 nicht oder nicht mehr vorliegen;

3. das Lichtbild auf der Karte den Inhaber nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt oder

4. andere amtliche Eintragungen auf der Karte unlesbar geworden sind.

Der Fremde hat die Karte unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, wenn die Karte entzogen wurde oder Umstände vorliegen, die eine Entziehung rechtfertigen würden. Wurde die Karte entzogen oder ist diese vorzulegen, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und das Bundesamt ermächtigt, die Karte abzunehmen. Von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes abgenommene Karten sind unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(6) Der Aufenthalt des Fremden gilt mit Ausfolgung der Karte als geduldet, es sei denn das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig festgestellt. Diesfalls gilt der Aufenthalt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Feststellung als geduldet.

Das Bundesamt führte aus, dass die bP, mangels näherer Angaben bei der Antragsstellung, ihren Antrag darauf offensichtlich darauf stützt, dass die Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen iSd § 46a Abs 1 Z3 FPG unmöglich erscheine. Dies wird durch das Vorbringen der bP in der Beschwerde gestützt, wonach die Ausstellung eines Heimreisezertifikats nicht an von ihr zu vertretenen Gründen gescheitert sei.

§ 46 FPG lautet:

(1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn
1.         die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,
2.         sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,
3.         auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder
4.         sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es allfällige Gebühren und Aufwandersatzleistungen an ausländische Behörden im Zusammenhang mit der Abschiebung zu entrichten und sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

(7) Befindet sich der Fremde in einer Krankenanstalt (§§ 1 und 2 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten – KAKuG, BGBl. Nr. 1/1957) und steht seine Abschiebung zeitnah bevor, so hat die Krankenanstalt das Bundesamt auf Anfrage unverzüglich über den feststehenden oder voraussichtlichen Zeitpunkt der Entlassung aus der Anstaltspflege zu informieren. Ändert sich der nach Satz 1 mitgeteilte Zeitpunkt, so hat die Krankenanstalt das Bundesamt aus Eigenem zu informieren.

Aus den erläuternden Bemerkungen zum FrÄG 2017 ergibt sich zu § 46 FPG Folgendes:

Zu Z 6 (§ 46 Abs. 2)

[…] Die weitere Anpassung des ersten Satzes dahingehend, dass das Bundesamt nicht verpflichtet, sondern ermächtigt ist, die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde zu beschaffen, erfolgt vor dem Hintergrund des vorgeschlagenen Abs. 2a. Dieser stellt klar, dass der Fremde ungeachtet der Ermächtigung des Bundesamtes nach Abs. 2 jederzeit verpflichtet ist, sich eine für die (freiwillige) Ausreise erforderliche Bewilligung, insbesondere ein taugliches Reisedokument, auch selbst zu beschaffen und sämtliche dafür erforderliche Handlungen aus Eigenem zu setzen. Die Ermächtigung des Bundesamtes gemäß Abs. 2 besteht neben dieser eigenständigen Verpflichtung des Fremden jedoch weiter. Zwischen der Ermächtigung des Bundesamtes nach Abs. 2 und der Verpflichtung des Fremden nach dem vorgeschlagenen Abs. 2a besteht auch kein Rangverhältnis in dem Sinne, dass der Fremde zunächst selbst gemäß Abs. 2a tätig werden muss, um sich ein Reisedokument zu beschaffen, und das Bundesamt die Handlungen zur Erlangung der für die Abschiebung erforderlichen Bewilligung(en) erst dann setzen darf, wenn die eigenständigen Bemühungen des Fremden erfolglos verlaufen sind. Vielmehr steht es jederzeit im Ermessen des Bundesamtes dem Fremden entweder die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes aufzutragen oder aber gegenüber der ausländischen Behörde sofort gemäß Abs. 2 tätig zu werden.

[…]

Die vorgeschlagene Änderung im letzten Satz dient der Klarstellung, dass der Fremde nicht nur bei der Beschaffung einer für die Abschiebung erforderlichen Bewilligung durch die ausländische Botschaft, sondern auch an der Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen gemäß § 97 mitzuwirken hat. Darüber hinaus konkretisiert der letzte Satz die den Fremden treffenden Pflichten durch eine nicht abschließende Aufzählung von Einzelschritten, an denen der Fremde mitzuwirken hat. Dies betrifft insbesondere die Mitwirkung an der Feststellung der Identität und – allenfalls – der Herkunft. Während sich der Begriff der Identität aus § 36 Abs. 2 BFA VG ergibt und demnach den oder die Namen, das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit und die Wohnanschrift beinhaltet, umfasst der Begriff der Herkunft darüber hinausgehende Informationen, wie etwa die Feststellung der Heimatregion des Fremden. Die Feststellung oder nähere Eingrenzung der Herkunft kann insbesondere in jenen Fällen erforderlich sein, in denen eine zweifelsfreie Feststellung sämtlicher in § 36 Abs. 2 BFA VG genannter Identitätsdaten nicht gelingt; dabei stehen dem Bundesamt sämtliche verfahrensrechtlich zulässigen Beweismittel, einschließlich des Sachverständigenbeweises (etwa die Einholung eines Sprachgutachtens, dazu VwGH 19.03.2009, 2008/01/0020), offen.

Zu Z 7 (§ 46 Abs. 2a)

Die vorgeschlagene Änderung des Abs. 2a dient der Klarstellung, dass ein zur Ausreise verpflichteter Fremder grundsätzlich angehalten ist, der mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme festgestellten oder auferlegten Ausreiseverpflichtung aus Eigenem nachzukommen und sämtliche dafür notwendigen Voraussetzungen – wie insbesondere die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes, falls ein solches fehlen sollte – herzustellen. Diese Klarstellung ist erforderlich, weil der Wortlaut des bisherigen Abs. 2 auf die Mitwirkung des Fremden an den Maßnahmen des Bundesamtes zum Zwecke der Erlangung der für die Abschiebung erforderlichen Bewilligungen eingeschränkt ist und daher die Pflicht des Fremden, Vorbereitungen für seine Ausreise eigenständig zu treffen, nicht umfasst.

Die Pflicht des Fremden umfasst unter anderem die Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes bei der dafür zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) sowie die Erstattung sämtlicher dazu erforderlicher Angaben, insbesondere die wahrheitsgemäße Angabe der Identität und die Bekanntgabe allfälliger sonstiger erkennungsdienstlicher Daten. Da je nach Herkunftsstaat die zuständigen ausländischen Behörden unterschiedliche Anforderungen für die Ausstellung von Reisedokumenten aufstellen, ist eine abschließende Aufzählung der diesbezüglichen Pflichten des Fremden nicht zweckmäßig und auch nicht notwendig, weil die vom Fremden konkret zu setzenden Schritte ohnehin im Bescheid des Bundesamtes genau zu bezeichnen sind.

Wie bereits in den Erläuterungen zu Abs. 2 festgehalten, besteht kein Rangverhältnis zwischen der Pflicht des Fremden zur eigenständigen Vorbereitung der (freiwilligen) Ausreise und seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Vorbereitung der Abschiebung (Abs. 2). Dies folgt aus dem Wortlaut des ersten Satzes, wonach die Verpflichtung des Fremden zur eigenständigen Vorbereitung der freiwilligen Ausreise unbeschadet der Ermächtigung des Bundesamtes gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2 besteht, und der systematischen Stellung der Abs. 2 und 2a, wonach die Beschaffung der für die Abschiebung erforderlichen Bewilligung(en) durch das Bundesamt einer eigenständigen – durch Handlungen des Fremden erfolgenden – Beschaffung eines Reisedokumentes grundsätzlich vorgelagert ist.

Zu Z 8 (§ 46 Abs. 2b)

Satz 1 der vorgeschlagenen Änderung erstreckt die schon bisher bestehende Möglichkeit, dem Fremden die Erfüllung bestimmter in § 46 genannter Pflichten mittels Mandatsbescheides aufzuerlegen, auf die Pflicht zur eigenständigen Vorbereitung der (freiwilligen) Ausreise gemäß dem vorgeschlagenen Abs. 2a. Das Bundesamt wird daher ermächtigt, dem Fremden auch die selbständige Antragstellung auf Ausstellung eines Reisedokumentes durch die zuständige ausländische Behörde (Botschaft oder Konsulat) und alle sonstigen für die Ausreise erforderlichen Handlungen aufzutragen. Die Möglichkeit der Auferlegung der Erfüllung solcher Pflichten mittels (Mandats-)Bescheids ist erforderlich, um die Verletzung dieser Pflichten gegebenenfalls zur Grundlage der Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, insbesondere der Beugehaft gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Fall VVG, machen zu können. Satz 1 der vorgeschlagenen Änderung dient somit der effizienteren Sicherstellung der Erfüllung bestimmter Mitwirkungspflichten und, insoweit sich diese Mitwirkungspflichten auf die Vorbereitung der Abschiebung bzw. der freiwilligen Ausreise beziehen, auch der Steigerung der Effizienz im Vollzug des österreichischen Asyl- und Fremdenwesens.

Aufgrund der terminologischen Anpassung in Abs. 2 ist auch Satz 2 entsprechend anzupassen.

Satz 3 der vorgeschlagenen Änderung sieht vor, dass der Fremde die Erfüllung der ihm mit Bescheid auferlegten Pflichten gemäß Abs. 2 oder 2a dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen hat. Eine derartige Nachweispflicht ist jedenfalls dort erforderlich, wo der Fremde verpflichtet wird, ein Reisedokument zum Zwecke der Ermöglichung der freiwilligen Ausreise und die dazu erforderlichen Schritte aus Eigenem zu setzen. Die eigenständige Beschaffung eines Reisedokumentes und die Erstattung der dazu erforderlichen Angaben gemäß Abs. 2a erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fremden und der zuständigen ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat), also ohne direkte Einbeziehung des Bundesamtes. Daher hat das Bundesamt ein Interesse daran, über die diesbezüglichen Maßnahmen des Fremden unterrichtet zu sein, zumal die Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a nicht nur zur Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, insbesondere der Beugehaft, führen kann, sondern auch für die Prüfung der Zulässigkeit einer (späteren) Anordnung der Schubhaft zu berücksichtigen ist; insoweit wird auf die Erläuterungen zu dem vorgeschlagenen § 76 Abs. 3 Z 1a verwiesen.

Satz 4 stellt durch den Verweis auf § 3 Abs. 3 BFA VG, der seinerseits auf das VVG und damit auch auf die Möglichkeit zur Verhängung von Zwangsstrafen nach § 5 VVG verweist, klar, dass aufgrund der Nichterfüllung der in Abs. 2 und 2a genannten Pflichten, sofern sie dem Fremden zuvor mit Mandatsbescheid gemäß Abs. 2b auferlegt wurden, Zwangsstrafen nach § 5 VVG durch das Bundesamt als Vollstreckungsbehörde verhängt werden können, wie es seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 in §§ 3 Abs. 3 und 5 BFA VG explizit vorgesehen und in den Erläuterungen 582 d.B. (XXV. GP) dargelegt wurde. Bei den in Abs. 2 und 2a genannten Pflichten handelt es sich ausnahmslos um höchstpersönliche Handlungen, die ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nach nicht durch Dritte, sondern ausschließlich durch den Fremden erfüllt werden können und daher auch keiner Ersatzvornahme (§ 4 VVG) zugänglich sind. Als Zwangsmittel nach dem VVG kommen für den Fall der Nichterfüllung daher die Geldstrafe und die Haft gemäß § 5 Abs. 1 VVG in Betracht.

Die Verhängung von Zwangsstrafen aufgrund der vorgeschlagenen Änderungen kann entsprechend dem VVG nur das Ergebnis eines stufenweisen Vorgehens sein. Grundvoraussetzung ist die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a durch Bescheid. In diesem ist die zu erfüllende Pflicht, etwa die Beantragung eines Reisedokumentes bei der zuständigen ausländischen Behörde, genau zu bezeichnen. Mit dem Eintritt der Vollstreckbarkeit dieses Bescheides ist dem aus dem Bescheid verpflichteten Fremden zunächst eine angemessene Erfüllungsfrist zu setzen und für den Fall der Nichterfüllung bereits das jeweilige Zwangsmittel (Höhe der Geldstrafe oder Dauer der Haft) anzudrohen. Diese Androhung ist kein Bescheid (VwGH 18.06.1984, 84/10/0018; 18.06.1991, 91/11/0014) und kann daher mittels Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) erfolgen. Erst nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Erfüllungsfrist ist das angedrohte Zwangsmittel mittels Vollstreckungsverfügung anzuordnen. Diese ist ein Bescheid, gegen den Beschwerde an das BVwG erhoben werden kann. Da dieser Beschwerde gemäß § 10 Abs. 3 VVG keine aufschiebende Wirkung zukommt, kann die Vollstreckungsverfügung sofort vollzogen werden. Für den Fall, dass der Fremde in der Nichterfüllung der ihm auferlegten Verpflichtung verharrt, ist jeweils ein schärferes Zwangsmittel anzudrohen (§ 5 Abs. 2 Satz 3 VVG). Dabei ist zu beachten, dass Zwangsstrafen, einschließlich der Haft, auch mehrmals hintereinander angeordnet bzw. so oft wiederholt werden können, bis der im Bescheid konkret auferlegten Verpflichtung tatsächlich entsprochen ist (zB. VwGH 09.10.2014, 2013/05/0110). Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Verwaltungsvollstreckungsrecht (§ 2 Abs. 1 VVG) ist jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist im Zusammenhang mit der Vollstreckung unvertretbarer Leistungen die Geldstrafe im Verhältnis zur Haft grundsätzlich das gelindere Zwangsmittel (zB. VwGH 19.12.1996, 96/11/0323).

Der letzte Satz sieht vor, dass Verpflichtungen des Fremden nicht mit Zwangsstrafen durchgesetzt werden können, wenn deren Erfüllung für den Fremden aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Dies kann insbesondere bei einer akuten Krankheit des Fremden der Fall sein, die es ihm unmöglich macht, mit der ausländischen Behörde (Botschaft oder Konsulat) entsprechend dem Bescheid des Bundesamtes in Kontakt zu treten.

Die Verhängung von Zwangsstrafen wegen der Nichterfüllung von Pflichten gemäß Abs. 2 und 2a lässt die Möglichkeit der Anordnung von Schubhaft unberührt. Die Anordnung der Schubhaft ist von gänzlich anderen Voraussetzungen als die Verhängung von Zwangsstrafen nach dem VVG, nämlich vom Vorliegen eines Sicherungsbedarfes bzw. von Fluchtgefahr (§ 76 Abs. 2 und 3), abhängig; sie verfolgt auch einen anderen Zweck (§ 76 Abs. 2), nämlich der Verfahrenssicherung oder der Sicherung der Abschiebung. Demgegenüber setzt die Verhängung von Zwangsstrafen einen Sicherungsbedarf im Sinn des § 76 Abs. 1 nicht voraus und dient lediglich der Erzwingung der Erfüllung von Mitwirkungspflichten, die zwar mit der Abschiebung bzw. der freiwilligen Ausreise in einem sachlichen Zusammenhang stehen, dieser jedoch vorgelagert sind. Es ist daher denkbar, Zwangsstrafen nach dem VVG zum Zweck der Erfüllung von Pflichten nach Abs. 2 oder 2a zu verhängen, obwohl die Anordnung der Schubhaft im Einzelfall nicht zulässig wäre, etwa weil deren zulässige Höchstdauer gemäß § 80 bereits ausgeschöpft ist, Fluchtgefahr im Einzelfall nicht vorliegt oder der ausländische Staat bzw. dessen Behörde zwar bekanntermaßen keine Ersatzreisedokumente für die Abschiebung ausstellt (und es daher am Sicherungsbedarf mangelt), wohl aber zur Aufnahme freiwilliger Rückkehrer bereit ist und der Fremde daher – ungeachtet der faktischen Unmöglichkeit der Abschiebung – zur eigenständigen Beschaffung eines Reisedokumentes gemäß Abs. 2a verpflichtet ist. Umgekehrt sind auch der für die Anordnung der Schubhaft erforderliche Sicherungsbedarf und die Fluchtgefahr – grundsätzlich – unabhängig davon zu beurteilen, ob der Fremde seinen Pflichten gemäß Abs. 2 oder 2a nachkommt und allenfalls die Voraussetzungen für die Anordnung von Zwangsstrafen nach dem VVG erfüllt sind.

Zu Z 9 (§ 46a Abs. 1)

Die vorgeschlagene Änderung hat lediglich klarstellende Funktion. Schon bisher ergibt sich aus § 31 Abs. 1a Z 3, dass ein Fremder, dessen Aufenthalt geduldet ist, unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, und zwar unabhängig davon, auf welcher Ziffer des § 46a Abs. 1 die Duldung jeweils beruht. Kehrseite eines unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ist jedoch regelmäßig die Ausreiseverpflichtung des Fremden, mag diese aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen auch nicht mittels Abschiebung vollstreckt werden können. Die vorgeschlagene Änderung soll diesen Zusammenhang deutlicher zum Ausdruck bringen, als dies bisher der Fall war. Sie ist zum Zwecke der Klarstellung auch insofern angezeigt, als nach der jüngeren Rechtsprechung die Duldung (bzw. das der Duldung zugrunde liegende Abschiebungsverbot oder Abschiebungshindernis) hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Fortbestand einer bestehenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. auf die Zulässigkeit der Erlassung einer solchen Maßnahme, insbesondere einer Rückkehrentscheidung, den Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 gleichgestellt bzw. angenähert wird (zB. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0101; 04.08.2016, Ra 2016/21/0209). Insofern wird auf die Erläuterungen zu den vorgeschlagenen Änderungen in §§ 8 Abs. 3a, 9 Abs. 2 und 10 Abs. 1 AsylG 2005, § 21 Abs. 2a Z 3 BFA VG sowie § 52 Abs. 2 verwiesen.

Die durch die Duldung unberührt bleibende Ausreiseverpflichtung des Fremden fällt selbstverständlich dann weg, wenn die aufenthaltsbeendende Maßnahme, aus der sich die Ausreiseverpflichtung ergibt, gegenstandslos wird oder außer Kraft tritt. Dies ist nach geltendem Recht etwa der Fall, wenn dem Fremden nachträglich der Status eines Asylberechtigten zuerkannt (§§ 60 Abs. 3 Z 1 und 69 Abs. 3) oder ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 erteilt wird (§ 60 Abs. 3 Z 2).“

Wie sich aus den erläuternden Bemerkungen klar ergibt, geht der Einwand in der Beschwerde, dass aufgrund des abgesagten Termins zur Erlangung des Heimreisezertifikats eine Abschiebung aus tatsächlichen, von der bP nicht zu vertreten Gründen unmöglich erscheint, ins Leere, da die bP (schon seit Jahren) verpflichtet ist, sämtliche zu dem Zweck der Einholung eines Reisedokuments erforderlichen Handlungen von sich aus zu tätigen. Darunter fällt unter anderem die eigenständige Beantragung des Reisedokuments. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen.

Aus dem Ermittlungsverfahren ergibt sich, dass die bP nie beim türkischen Konsulat bzw. bei der Botschaft war und dort unter Angabe der erforderlichen Daten die Ausstellung eines Reisedokumentes beantragte, wozu sie aber verpflichtet gewesen wäre. Sie gibt auch selbst an, dass sie nicht auszureisen beabsichtige, sie sehe sich als „Wiener“. Auf Grund der unbestritten gebliebenen mangelnden Mitwirkung der bP hat sie es gem. § 46a Abs 1 Z 3 FPG zu vertreten, dass eine Abschiebung nicht möglich scheint. Der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet ist daher auf Basis dieses Tatbestandes nicht zu dulden.

Es war daher die Beschwerde abzuweisen.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Eine Verhandlung konnte gem. § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien. Die Parteien haben zudem auch keine Verhandlung beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Ausreiseverpflichtung Duldung Mitwirkungspflicht rechtswidriger Aufenthalt Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L504.2233103.1.00

Im RIS seit

09.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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