TE Vwgh Erkenntnis 1997/5/6 97/08/0123

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Veröffentlicht am 06.05.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §1 Abs1;
BEinstG §4 Abs1 lita;
BEinstG §4 Abs2;
BEinstG §4 Abs3;
BEinstG §9 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/08/0133 97/08/0135 97/08/0134

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerden der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landeshauptmannes von Wien vom 13. Februar 1997, betreffend Vorschreibung einer Ausgleichstaxe gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinStG) a) Zl. MA 15-II-BEG 8/97 für das Jahr 1995,

b)

Zl. MA 15-II-BEG 9/97 für das Jahr 1992,

c)

Zl. MA 15-II-BEG 10/97 für das Jahr 1993,

d)

Zl. MA 15-II-BEG 11/97 für das Jahr 1994 (mitbeteiligte Partei: Ausgleichstaxfonds beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Stubenring 1, 1010 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem vorliegenden Beschwerdeschriftsatz und den beigeschlossenen Ablichtungen der angefochtenen Bescheide ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist ein Reinigungsunternehmen im Bereich der Objekt- und Fassadenreinigung und beschäftigt - ihrem Vorbringen zufolge - über 400 Dienstnehmer, von denen ein erheblicher Teil teilzeit- und/oder nebenbeschäftigt sei. Mit vier Bescheiden wurde der Beschwerdeführerin vom Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland eine Ausgleichstaxe gemäß § 9 Behinderteneinstellungsgesetz vorgeschrieben, und zwar für das Kalenderjahr 1992 in der Höhe von S 390.720,--, für das Kalenderjahr 1993 in der Höhe von

S 373.320,--, für das Kalenderjahr 1994 in der Höhe von

S 353.430,-- und für das Kalenderjahr 1995 in der Höhe von S 359.040,--.

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin jeweils Berufung; mit den nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheiden wurden diese Berufungen als unbegründet abgewiesen und die erstinstanzlichen Bescheide bestätigt.

Nach der insoweit gleichlautenden Begründung dieser Bescheide hatte die Beschwerdeführerin in ihren Berufungen vorgebracht, sie beschäftige zu einem erheblichen Teil Personen, welche einer Teilzeit- oder Nebenbeschäftigung nachkämen. Die Ertragskraft (der Beschwerdeführerin) je Dienstnehmer sei daher wesentlich geringer als in jenen Betrieben, welche überwiegend vollbeschäftigte Dienstnehmer beschäftigten. Aus diesem Grunde seien zur Berechnung der Pflichtzahlen nur vollbeschäftigte Personen heranzuziehen. Bei nicht vollbeschäftigten Personen sei die Beschäftigungsdauer je Woche und Monat nur aliquot heranzuziehen. Die Aufnahme von Behinderten sei der Beschwerdeführerin auch nur im eingeschränkten Umfang überhaupt möglich, da die durchzuführenden Tätigkeiten eine "habituelle Einschränkung" nicht erlaubten. Im übrigen widerspreche die Pflichtzahlbeschränkung unabhängig vom Ausmaß der Beschäftigung dem Gleichheitsgrundsatz.

In der rechtlichen Begründung der belangten Behörde (nach Hinweisen auf die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 lit. a Behinderteneinstellungsgesetz) wird zunächst darauf verwiesen, daß dem Erfordernis der Tätigkeit einer Person in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (§ 4 Abs. 1 lit. a Behinderteneinstellungsgesetz) auch dann entsprochen würde, wenn nur eine Teilzeitbeschäftigung vorliege. Eine Differenzierung zwischen voll- und teilzeitbeschäftigten Personen sehe das Gesetz nicht vor. Dem Hinweis auf die niedrigere Ertragskraft je Dienstnehmer hält die belangte Behörde entgegen, daß "nach der gesetzlichen Lage sogar geringfügig Beschäftigte in die Berechnung der Gesamtzahl der Dienstnehmer" miteinzubeziehen seien. Da im Gegenzug auch teilzeit- und geringfügig beschäftigte begünstigte Behinderte auf die Pflichtzahl angerechnet werden könnten, widerspreche dieser Berechnungsmodus keinesfalls den Intentionen des Behinderteneinstellungsgesetzes. Aus welchen Gründen die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt werde, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutungslos: Die Ausgleichstaxe trete an die Stelle der wirtschaftlichen Belastung, die für den Dienstgeber sonst mit der Erfüllung der primären Beschäftigungspflicht verbunden sei. Dieser Ausgleich sei gemäß § 9 Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz für alle Fälle der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht, unabhängig von deren Ursachen und den Absichten des Dienstgebers, vorgesehen (Hinweis auf das Erkenntnis vom 5. April 1990, Zl. 89/09/0110, sowie auf das Erkenntnis vom 16. Mai 1995, Zl. 95/08/0051).

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Wie schon im Verwaltungsverfahren macht die Beschwerdeführerin auch in ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend, daß "bei Reinigungsunternehmen ... der Fluktuationsgrad für Dienstnehmer relativ groß" sei. Überdies bezögen eine relativ große Anzahl von Beschäftigten ein Entgelt, das die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreite. Die "Ertragskraft je Dienstnehmer" sei in derartigen Fällen daher wesentlich geringer als in jenen Betrieben, welche überwiegend vollbeschäftigte Dienstnehmer im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigten. Auch beschäftige der Betrieb zu einem erheblichen Teil Personen, welche einer Teilzeit- oder Nebenbeschäftigung, jedenfalls aber keiner Vollbeschäftigung im Ausmaß von 40 Stunden je Woche nachkämen. Dieser hohe Grad an Teilzeit- und Nebenbeschäftigung ergebe sich aus der Eigenart des Reinigungsdienstes und aus dem Umstand, daß diese Tätigkeit häufig auch außerhalb der Betriebszeiten der zu reinigenden Objekte ausgeführt werden müsse. Aus diesem Grunde sei "die Ertragskraft (des) Unternehmens je Dienstnehmer systemimmanent wesentlich geringer, als in jenen Betrieben, welche überwiegend vollbeschäftigte Dienstnehmer im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigen". Auch handle es sich bei "Hilfs- und Reinigungsdiensten" um Tätigkeiten der sogenannten Niedrigstlohnbranche. Auch dies habe zur Konsequenz, daß die Beschwerdeführerin "nur über eine geringe Ertragskraft je Dienstnehmer" verfüge, während "andere Dienstleistungsbetriebe schon nach der Entlohnung der jeweiligen Dienstnehmer über eine wesentlich stärkere Ertragskraft je Dienstnehmer" verfügten, sodaß die Pflichtzahl unter Anwendung sachlich nicht gerechtfertigter Kriterien festgesetzt worden sei oder diese Umstände zumindest im Rahmen des § 1 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz entsprechend zu berücksichtigen wären. Durch die Ermittlung einer starren Pflichtzahl allein aus der Anzahl der Dienstnehmer, ohne Berücksichtigung des Ausmaßes der Beschäftigung, der Dauer der Beschäftigung oder der Ertragskraft des Betriebes ergebe sich eine Ungleichbehandlung in der Form, daß durch die Anzahl der Teilzeitbeschäftigungen nominell die Anzahl der Dienstnehmer zwar höher sei, nicht jedoch die Ertragskraft des Unternehmens stärker sei, als dies bei Betrieben mit überwiegend vollbeschäftigten Personen im Sinne des ASVG der Fall wäre. § 4 Behinderteneinstellungsgesetz sei also insofern gleichheitswidrig, als er nicht zwischen Vollzeit-, Teilzeit- oder Nebenbeschäftigungen differenziere. Nach weiteren Ausführungen darüber, daß die Beschwerdeführerin in Wahrheit auf die Bedürfnisse ihrer Dienstnehmer(innen) eingehe, wenn sie diesen Teilzeitbeschäftigung anbiete, und es schon aus diesem Grund nicht sachlich gerechtfertigt sei, sie neben dem erhöhten Verwaltungsaufwand auch noch mit höheren Lohnnebenkosten zu belasten, weist die Beschwerdeführerin schließlich noch darauf hin, daß es im Bereich der Objekt- und Fassadenreinigung erforderlich sei, daß die Dienstnehmer selbständig über größere Wegstrecken zwischen Arbeitsorten wechselten und auf "großflächigen Arbeitsbereichen" tätig seien. Die Tätigkeiten, die das Reinigungspersonal ausübe, seien körperlicher Natur und erlaubten keine "habituellen Einschränkungen". Soweit eine Vollbeschäftigung nicht gegeben sei, sei daher die Beschäftigungsdauer "je Woche und Monat für die Berechnung der Pflichtzahl gemäß § 9 BEinstG nur aliquot heranzuziehen".

Der Verwaltungsgerichtshof vermag diesen Ausführungen nicht beizupflichten:

Gemäß § 1 BEinstG sind alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. Für die Berechnung der Pflichtzahl gelten als Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 1 leg. cit. "a) Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (einschließlich Lehrlinge);

b) Personen, die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulausbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigt sind;

c) Personen, die in Ausbildung zum Krankenpflegefachdienst stehen;

d)

Hebammenschülerinnen;

e)

Heimarbeiter."

Gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. sind für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen ist, alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen.

Gemäß § 5 Abs. 1 BEinstG sind auf die Pflichtzahl die beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten, begünstigte Personen nach § 2 Abs. 3 und Dienstgeber anzurechnen, bei denen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 zutreffen. Gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 10 BSÄG, BGBl. Nr. 314/1994) die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheides vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

Zunächst ist der belangten Behörde in ihrer Auffassung beizupflichten, daß der Heranziehung auch nur teilzeitbeschäftigter Dienstnehmer auf die gemäß § 1 Abs. 1 BEinstG zu ermittelnde Pflichtzahl auf der anderen Seite die Möglichkeit entspricht, auch Behinderte in Teilzeitbeschäftigung auf die Erfüllung der Beschäftigungspflicht anzurechnen. Die belangte Behörde hat auch mit Recht darauf hingewiesen, daß es nach dem Behinderteneinstellungsgesetz in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise für die Pflicht zur Leistung der Ausgleichstaxe ohne Bedeutung ist, aus welchen Gründen es zur Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht gekommen ist (vgl. das Erkenntnis vom 23. September 1993, Zl. 93/09/0388, mit Hinweisen auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 9705/83 und 11034/86).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch die Beschwerdeausführungen nicht nachzuvollziehen, wonach "die Ertragskraft des Unternehmens je Dienstnehmer systemimmanent" geringer sei, als in Betrieben mit überwiegend vollbeschäftigten Dienstnehmern, weil das Ausmaß der Beschäftigung eines Dienstnehmers und dessen Entlohnung (mag es sich auch um einen Niedriglohnbereich handeln) nicht unbedingt ein Zeichen geringerer Ertragskraft des Unternehmens sein muß. Dem Behinderteneinstellungsgesetz liegt vielmehr erkennbar die Auffassung des Gesetzgebers zugrunde, die durch die Ausgleichstaxe abzugeltenden Probleme, die andere Dienstgeber durch eine Beschäftigung von Behinderten auf sich nehmen, hingen nicht so sehr von der wöchentlichen Beschäftigungsdauer eines Behinderten, sondern von der Tatsache der Beschäftigung an sich ab, wie z.B. häufigere krankheitsbedingte Abwesenheiten eines Behinderten. Es ist daher durchaus sachgerecht, wenn die Berechnung der Pflichtzahl (bzw. letztlich die Berechnung der Ausgleichstaxe für die Nichtbeschäftigung von Behinderten) nach der Anzahl von Dienstnehmern erfolgt und nicht nach dem jeweiligen Ausmaß des Dienstverhältnisses.

Da bereits durch die bisher dargelegten Aspekte auch die Sachlichkeit der von der Beschwerdeführerin angegriffenen Regelung dargetan ist, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den sonstigen Beschwerdeausführungen. Es läßt somit der vorliegende (für alle angefochtenen Bescheide gemeinsame) Beschwerdeschriftsatz erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerden ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Dadurch ist auch eine Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihren Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997080123.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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