TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/5 W120 2226204-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.02.2020
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Entscheidungsdatum

05.02.2020

Norm

BVergG 2018 §12 Abs1 Z4
BVergG 2018 §141 Abs1 Z7
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §20 Abs1
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §328 Abs1
BVergG 2018 §333
BVergG 2018 §334 Abs2
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §344 Abs1
BVergG 2018 §347
BVergG 2018 §347 Abs1
BVergG 2018 §4 Abs1 Z2
BVergG 2018 §5
BVergG 2018 §78 Abs1 Z9
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W120 2226204-2/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian Eisner als Vorsitzenden, Mag. Jirina Rady als fachkundige Laienrichterin auf Auftraggeberseite und Dr. Annemarie Mille als fachkundige Laienrichterin auf Auftragnehmerseite über die Anträge vom 5. Dezember 2019 der Bietergemeinschaft bestehend aus der XXXX , vertreten durch Harrer Schneider Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, betreffend das Vergabeverfahren „ XXXX “ zu Los XXXX und zu Los XXXX der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Den Anträgen, „die Entscheidungen über den Abschluss der Rahmenvereinbarung (‚Zuschlagsentscheidung‘) für die Lose XXXX und XXXX der Antragsgegnerin vom 25. November 2019 für nichtig [zu] erklären“ wird stattgegeben.

Die am 25. November 2019 der Antragstellerin im gegenständlichen Vergabeverfahren bekanntgegebene Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, hinsichtlich Los XXXX und Los XXXX wird für nichtig erklärt.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2019 stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren und brachten im Wesentlichen vor:

1.1.    Mit Schreiben vom 25. November 2019, das der Antragstellerin über die elektronische Vergabeplattform der Auftraggeberin zugestellt worden sei, habe die Auftraggeberin der Antragstellerin bekanntgegeben, dass sie beabsichtige, den

„Zuschlag für die Lose XXXX im Vergabeverfahren [...]

XXXX mit einem Gesamtpreis von Euro XXXX an XXXX :

‚ XXXX

[…]

XXXX :

‚ XXXX

[…]“

zu erteilen. Im Anhang zu diesem Schreiben („Begründung über den Abschluss der Rahmenvereinbarung – Absage“) werde einerseits die Entscheidung begründet und andererseits klargestellt, dass es sich um die Entscheidung gemäß § 154 Abs 3 BVergG 2018 handle, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll.

1.2.    Zur Begründung der Rechtswidrigkeit der „Zuschlagsentscheidung“ brachte die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass 1. die Auftraggeberin aufgrund der auffällig niedrigen Angebotspreise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sowohl bezüglich Los XXXX als auch bezüglich Los XXXX zwingend eine vertiefte Angebotsprüfung im Sinne des § 137 BVergG 2018 vornehmen hätte müssen bzw. in eventu diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, 2. das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 ausgeschieden hätte werden müssen, 3. das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen eines Widerspruchs zur Ausschreibung (Nichteinhaltung der kollektivvertraglichen Mindestlöhne sowie der Kalkulationsvorschriften gemäß ÖNORM B 2061) ausgeschieden hätte werden müssen und 4. die präsumtive Zuschlagsempfängerin frühere Aufträge von öffentlichen Auftraggebern nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erfüllt habe.

Bei einer ordnungsgemäßen Angebotsprüfung der Auftraggeberin hätte das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu Los XXXX und XXXX ausgeschieden werden müssen und hätte der Zuschlag zum Angebot der Antragstellerin ergehen müssen.

1.2.1.  Zum Vorliegen der Voraussetzungen zur vertieften Angebotsprüfung

Die Auftraggeberin habe trotz Vorliegens (mutmaßlich aller) dieser Voraussetzungen offenbar keine vertiefte Angebotsprüfung beim Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vorgenommen.

Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin weise ungewöhnlich niedrige Gesamtpreise bei den gegenständlichen Losen XXXX und XXXX auf. Dies sei schon bei einem Vergleich mit den von der Auftraggeberin veranschlagten Schätzkosten und den Angebotspreisen der Antragstellerin klar ersichtlich: Das Angebot der Antragstellerin bzw. die Schätzkosten der Auftraggeberin würde bzw. würden somit über XXXX % bzw. über XXXX % über den Angebotspreisen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin liegen.

Gegenständlich liege schon im Vergleich zur zweitgereihten Antragstellerin und zur Kostenschätzung der Auftraggeberin eine grobe Abweichung von mehr als XXXX bzw. XXXX % bei den Gesamtpreisen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vor. Aufgrund dieser Preisdifferenzen wäre die Auftraggeberin daher schon gemäß § 137 Abs 2 Z 1 BVergG 2018 verpflichtet gewesen, eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen.

Die Antragstellerin müsse davon ausgehen, dass eine vertiefte Angebotsprüfung nicht durchgeführt worden sei. Die Antragstellerin, die an zweiter Stelle gereiht sei, sei nie zur Preisaufklärung aufgefordert worden, welcher Umstand darauf schließen lasse, dass auch die präsumtive Zuschlagsempfängerin zu keinem Zeitpunkt zur Aufklärung ihrer Preise aufgefordert worden sei und somit auch keine vertiefte Preisprüfung stattgefunden habe.

Das Ergebnis der vertieften Prüfung wäre in einem Prüfbericht festzuhalten gewesen. Die Feststellung, dass es sich um angemessene und nicht spekulative Preise handle, wäre objektiv von der Auftraggeberin zu begründen gewesen.

Da die präsumtive Zuschlagsempfängerin trotz ihres betriebswirtschaftlich nicht erklärbaren Preises als präsumtive Zuschlagsempfängerin in Aussicht genommen worden sei, sei davon auszugehen, dass keine vertiefte Angebotsprüfung bzw. jedenfalls keine ordnungsgemäße vertiefte Angebotsprüfung (mit einer entsprechenden nachvollziehbaren Dokumentation in einem Prüfbericht) erfolgt sei.

Die Entscheidung zum Abschluss der Rahmenvereinbarung betreffend die Lose XXXX und XXXX sei daher schon aus diesem Grund für nichtig zu erklären.

1.2.2.  Zur nicht plausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises

Aufgrund des nicht erklärbaren Gesamtpreises der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und der dargestellten Preisdifferenzen, bestehe die begründete Annahme, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises gemäß § 141 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 auszuscheiden sei.

Bei einem derart niedrigen Gesamtpreis müsse die Antragstellerin davon ausgehen, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin bei ihrer Kalkulation

a)       den falschen Kollektivvertrag zugrunde gelegt habe und/oder

b)       die kollektivvertraglichen Mindestlöhne nicht eingehalten habe und/oder

c)       bezüglich des Lohns insbesondere zu Los XXXX nicht berücksichtigt habe, dass für die präsumtive Zuschlagsempfängerin (die über keinen Standort in diesem Gebiet verfüge) auch Nächtigungskosten anfallen müssen, die im K3-Blatt berücksichtigt werden hätten müssen,

d)       bei den umgelegten Lohnnebenkosten unplausible und betriebswirtschaftlich nicht erklärbare Ansätze vorgenommen habe und/oder

e)       Ansätze für Gerätekosten verwendet habe, die im K7-Blatt auszuweisen seien und unplausibel und nicht erklärbar seien und/oder

f)       unzulässige Preisverschiebungen vorgenommen habe und/oder

g)       die in der Ausschreibung in Teil B.1 Punkt 1.1.16. festgelegten Kalkulationsvorschriften (Kalkulation gemäß ÖNORM B 2061) nicht eingehalten habe.

Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei daher wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden.

Sollte die präsumtive Zuschlagsempfängerin zudem gegen die von der Auftraggeberin festgelegten Kalkulationsvorschriften der ÖNORM B 2061 verstoßen haben, sei diese überdies gemäß § 141 Abs 1 Z 7 BVergG 2018 wegen eines der Ausschreibung widersprechenden Angebots auszuscheiden.

1.2.3.  Ausschlussgrund gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG 2018

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei durch ihre besonders aggressiven niedrigen Preise bei öffentlichen Ausschreibungen aufgefallen, wodurch diese eine Vielzahl von öffentlichen Aufträgen lukrieren habe können.

Im vorliegenden Fall sei aufgrund der Nichtverlängerung der Verträge für die Durchführung von Bodenmarkierungsarbeiten in XXXX und in XXXX jeweils bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin der Ausschlusstatbestand erfüllt. Bereits die Nichtverlängerung des Vertrages aufgrund der Schlechterfüllung sei eine vergleichbare Sanktion im Sinne des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG 2018. Dass öffentliche Auftraggeber freiwillig neu ausschreiben würden, obwohl sie einen bestehenden Auftragnehmer hätten, der noch dazu zu sehr günstigen Preisen angeboten habe, lasse nur die Schlussfolgerung zu, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin massiv gegen vertragliche Verpflichtungen verstoßen habe.

Des Weiteren sei davon auszugehen, dass die präsumtive Zuschlagsempfängerin aufgrund der Schlechterfüllung Vertragsstrafen oder aber Schadenersatz zu leisten gehabt habe. Immerhin seien die Auftraggeber gezwungen gewesen, die Leistungen trotz der niedrigen Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin neu auszuschreiben, obwohl diese den Vertrag einfach verlängern hätten können.

Die Antragstellerin gehe davon aus, dass die Auftraggeberin die mangelhafte Erfüllung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin bei anderen Auftraggebern habe kennen müssen, aber dies offenbar bei der Angebotsprüfung nicht berücksichtigt habe. Sollte die Auftraggeberin diese Umstände im Rahmen der Angebotsprüfung überprüft haben, sei davon auszugehen, dass

a)       dies entweder nicht ausreichend erfolgt sei,

b)       falsche Schlussfolgerungen aus gegebenenfalls eingeholten Aufklärungen von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und Informationen der betroffenen Auftraggeber gezogen worden seien oder

c)       die präsumtive Zuschlagsempfängerin die Umstände nur unvollständig oder unrichtig dargestellt habe.


1.3.    Die Antragstellerin stelle daher folgende

„Anträge,

Das Bundesverwaltungsgericht möge

a)       nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Entscheidungen über den Abschluss der Rahmenvereinbarung (‚Zuschlagsentscheidung‘) für die Lose XXXX und XXXX der Antragsgegnerin vom 25. November 2019 für nichtig erklären;

b)       der Antragstellerin Einsicht in den Vergabeakt des Auftraggebers gewähren;

c)       das Angebot der Antragstellerin (inkl jener Teile der Angebotsprüfung, die auf das Angebot der Antragstellerin Bezug nehmen) sowie die mit dem gegenständlichen Nachprüfungsantrag vorgelegte Eidesstättige Erklärung von der Akteneinsicht durch den Auftraggeber, die XXXX und allfällige sonstige Dritte ausnehmen;

d)       dem Auftraggeber auftragen, die von der Antragstellerin entrichtete Pauschalgebühr für den Nachprüfungsantrag und für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu Händen der Rechts Vertretung der Antragstellerin binnen 14 Tagen (§ 19a RAO) zu ersetzen.“

2.       Am 10. Dezember 2019 erteilte die Auftraggeberin zunächst allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren.

3.       In der hg. am 10. Dezember 2019 eingelangten Stellungnahme führte die präsumtive Zuschlagsempfängerin zusammengefasst aus, dass abgesehen davon, dass der Nachprüfungsantrag nicht über formelhafte Behauptungen hinausgehe, der „Vortrag“ auch in keinster Weise geeignet sei, die behaupteten Rechtswidrigkeiten darzutun, geschweige denn zu begründen. Ins Leere gehe sämtliches Vorbringen der Antragstellerin, wonach das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht entsprechend den vergaberechtlichen Vorgaben geprüft worden wäre. Die Auftraggeberin habe eine dem Vergaberecht entsprechende vertiefte Angebotsprüfung vorgenommen. Völlig aus der Luft gegriffen sei zudem das Vorbringen der Antragstellerin, dass die Preisgestaltung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar wäre, geschweige denn die anzuwendenden kollektivvertraglichen Löhne unterschritten werden würden. Vielmehr sei ihr Angebot ordnungsgemäß kalkuliert, plausibel zusammengesetzt und betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Sollte die Antragstellerin nähere Gründe als bloß formelhafte Behauptungen und einen Preisspiegel – zu erwähnen sei dabei auch, dass in der Vergangenheit die betreffenden Abschnitte von der Antragstellerin ausgeführt worden seien, weshalb davon auszugehen sei, dass sich die Kostenschätzung der Auftraggeberin an den (überhöhten) Preisen der Antragstellerin orientiert habe – vortragen, könnten auch diese sicherlich entkräftet werden. Zunächst wäre es aber an der Antragstellerin gelegen, überhaupt fundiert vorzubringen.

4.       Der Auftraggeberin wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes untersagt, für die Dauer des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens, im vorliegenden Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarungen abzuschließen.

5.       Am 11. Dezember 2019 nahm die Auftraggeberin zum Nachprüfungsverfahren Stellung und führte im Wesentlichen zusammengefasst Folgendes aus:

5.1.    Im gegenständlichen Fall habe eine Preisprüfung bzw. vertiefte Angebotsprüfung im Sinne des BVergG 2018 stattgefunden.

Vorweg sei festzuhalten, dass die Prüfung ergeben habe, dass die angebotenen Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angemessen bzw. betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar seien. Wie nachfolgend näher ausgeführt werde, liege aus der Sicht der Auftraggeberin bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin kein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vor. Aus diesem Grund wäre daher – auch nach der Judikatur – keine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen gewesen. Im Zuge der Preisprüfung zeige sich zunächst der Umstand, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin deutlich unter der Kostenschätzung der Auftraggeberin bzw. des Angebotspreises der einzigen Mitbewerberin in den konkreten Losen gelegen sei. Bei einer näheren Betrachtung der Sachlage seien jedoch die vorliegenden Unterlagen näher zu hinterfragen gewesen. Die derzeit relevanten Marktverhältnisse würden zeigen, dass die Preise für die (ausgeschriebenen) Markierungsarbeiten im Allgemeinen stagnieren würden bzw. rückläufig seien. Die Kostenschätzung basiere auf den bisher geschlossenen Verträgen (inklusive Indexanpassung). Aus diesem Grund sei auch die Kostenschätzung der Auftraggeberin – im Nachhinein betrachtet und in Kenntnis des aktuellen Angebotsergebnisses – zu hoch gegriffen. Daraus folge, dass die Kostenschätzung der Auftraggeberin in die Beurteilung, ob ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis bzw. auffällige Einheitspreise vorliegen würden, nicht bzw. nur bedingt einzubeziehen sei.

Mit den nun vorliegenden Angebotspreisen (ua auch eines neuen Marktteilnehmers) sei ersichtlich, welche realistischen Preise am Markt tatsächlich möglich seien bzw. seien dadurch die derzeitig relevanten Marktverhältnisse ersichtlich. Dieses Bild zeige sich nicht nur in den Losen XXXX und XXXX ; wie aus dem Angebotseröffnungsprotokoll ersichtlich sei, würden bei allen Losen die Angebotspreise (deutlich) unter der Kostenschätzung liegen.

Obwohl für die Auftraggeberin aufgrund deren Erfahrungswerte keine Anhaltspunkte vorgelegen seien, dass im Verhältnis zur Leistung ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis gegeben gewesen sei, habe die Auftraggeberin – schon im eigenen Interesse – bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. Die durchgeführten Prüfschritte seien:

Zunächst werde ein Preisspiegel erstellt. Dieser Preisspiegel werde ua auf hohe Abweichungen bei den Einheitspreisen innerhalb der Lose XXXX und XXXX untersucht. Zudem werde ein Preisspiegel, der sich explizit auf die wesentlichen Positionen beziehe, erstellt und geprüft. Weiters sei ein Preisspiegel über sämtliche Positionen aller Lose erstellt und geprüft worden.

Im Zuge dieser Prüfung sei festgestellt worden, dass keine unplausiblen Abweichungen zu den Einheitspreisen der Mitbewerber vorgelegen seien.

In weiterer Folge sei die Angemessenheit dieser vorerst auffälligen Positionen geprüft worden. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin sei aufgefordert worden, zu den einzelnen Positionen Stellung zu nehmen.

Die Antragstellerin habe eine umfassende Aufklärung zu den einzelnen Positionen geliefert. Die Aufklärung sei nachvollziehbar und somit seien die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar.

Zudem werde generell geprüft, ob im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte- und etwaige Fremdleistungskosten enthalten seien. Abgesehen davon werde geprüft, ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar seien.

Im Zuge der Durchsicht der vollständig vorliegenden Kalkulationsblätter habe sich gezeigt, dass sowohl die angebotenen Preise als auch die Ansätze als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt werden könnten. Insbesondere würden auch die Mindestlöhne des (einschlägigen) Kollektivvertrages eingehalten werden.

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die Prüfung der Preisangemessenheit bzw. die vertiefte Angebotsprüfung von der Auftraggeberin entsprechend den Vorgaben des BVergG 2018 durchgeführt worden sei. Als Ergebnis der durchgeführten (vertieften) Prüfung des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin könne festgehalten werden, dass die angebotenen Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar bzw. angemessen seien.

5.2.    Der Vollständigkeit halber werde auch auf folgenden Umstand hingewiesen:

Wie die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz selbst ausführe, seien Vergaben an die (idente) präsumtive Zuschlagsempfängerin auch Gegenstand von Nachprüfungsverfahren beim Landesverwaltungsgericht XXXX . Auch sei die Antragstellerin bei diesen Verfahren
ident mit der vorliegenden Antragstellerin. Gegenstand dieser Verfahren seien ua die angebotenen Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin. Als Ergebnis dieser Verfahren könne grob zusammengefasst werden, dass die (soweit ersichtlich wohl vergleichbaren niedrigen) Preise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin und deren Kalkulation (gutachterlich) bestätigt worden seien.

Im konkreten Fall sei davon auszugehen gewesen, dass kein Ausschlussgrund im Sinne des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG 2018 vorliege.

Auch in diesem Punkt gehe das Vorbringen der Antragstellerin ins Leere. Die Entscheidungen, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden sollen, seien somit rechtskonform erfolgt.

5.3.    Die Auftraggeberin stelle daher folgenden

„Antrag

das Bundesverwaltungsgericht möge den Antrag der Antragstellerin auf Nichtigerklärung der Entscheidung über den Abschluss der Rahmenvereinbarung für die Lose XXXX und XXXX abweisen.“

6.       Die Stellungnahme der Auftraggeberin wurde der Antragstellerin und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin am 3. Jänner 2020 übermittelt.

7.       Die Antragstellerin übermittelte am 13. Jänner 2020 eine Stellungnahme, die der Auftraggeberin und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin übermittelt wurde.

8.       Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21. Jänner 2020 im Beisein der Antragstellerin, der Auftraggeberin und der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine öffentlich mündliche Verhandlung durch.

9.       Am selben Tag erfolgte nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtsfragen die Beschlussfassung im Senat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Ausschreibung

Die Auftraggeberin schrieb unter der Bezeichnung „ XXXX “ einen Bauauftrag nach dem Bestbieterprinzip im Oberschwellenbereich aus. Es erfolgte eine Unterteilung in neun Lose; verfahrensgegenständlich sind die Lose XXXX und XXXX .

Der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer für die gesamten Lose XXXX beträgt EUR XXXX .

Das Los XXXX betrifft die Region XXXX mit einem geschätzten Auftragswert von EUR XXXX ,-- und das Los XXXX umfasst die Region XXXX mit einem geschätzten Auftragswert von EUR XXXX ,--.

Die Laufzeit der Rahmenvereinbarungen soll jeweils XXXX Monate betragen. Die Auftraggeberin veröffentlichte die Ausschreibung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union vom 8. Juli 2019 zur Ausschreibungsnummer XXXX und im Amtlichen Lieferanzeiger zur Ausschreibungsnummer XXXX vom 8. Juli 2019.

Die Auftraggeberin führt dieses Verfahren als offenes Verfahren durch.

1.2.    Zum Angebot der Antragstellerin

XXXX wurde die XXXX in die XXXX eingebracht, welche in weiterer Folge in XXXX umfirmiert wurde.

Die Antragstellerin beteiligte sich rechtzeitig am vorliegenden Vergabeverfahren durch die Abgabe eines Angebotes am 22. August 2019. Zu Los XXXX beträgt der Gesamtangebotspreis der Antragstellerin EUR XXXX und zu Los XXXX beträgt der Gesamtangebotspreis der Antragstellerin EUR XXXX .

Das Angebot der Antragstellerin wurde von der Auftraggeberin nicht ausgeschieden.

1.3.    Zur Aufklärung zum Angebot

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 10. September 2019 wurde die präsumtive Zuschlagsempfängerin aufgefordert, zu bestimmten Positionen ihres Angebotes Stellung zu nehmen; ihr wurde zudem Gelegenheit eingeräumt, diese Positionen aufzuklären.

Zu Los XXXX beträgt der Gesamtangebotspreis der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin EUR XXXX und zu Los XXXX beträgt der Gesamtangebotspreis der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin EUR XXXX

Mit Schreiben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 1. Oktober 2019 erfolgten entsprechende „Zusatzinformationen“ ihrerseits. Die Aufklärung durch die präsumtive Zuschlagsempfängerin war im Wesentlichen gleichlautend für alle Positionen mit dem Verweis auf das Herstellermaterialbeschreibungsblatt und die Erfahrungswerte der präsumtiven Zuschlagsempfängerin (auch aus anderen Bauvorhaben) sowie auf den Einkaufspreis plus weiterer Faktoren plus den dazu gehörigen Verlusten.

Im vorliegenden Fall erging von der Auftraggeberin an die präsumtive Zuschlagsempfängerin hinsichtlich § 138 BVergG 2018 keine weitere Aufforderung zu Aufklärung als jene zur Preisgestaltung.

1.4.    Zur Angebotsprüfung

Von der Auftraggeberin wurde bzw. wurden im Zuge der Angebotsprüfung ein bzw. mehrere Preisspiegel erstellt, aus dem bzw. denen Abweichungen der Einheitspreise bzw. der Positionspreise im Vergleich zu der Kostenschätzung der Auftraggeberin und dem Angebot der Bieter ersichtlich sind. In weiterer Folge erfolgte ein Vergleich zwischen den vorliegenden Preisen. Bei den für die Auftraggeberin nicht „auffälligen“ Preisen von bestimmten Positionen wurde von Seiten der Auftraggeberin aufgrund der Erfahrungswerte des Prüfers bei der Auftraggeberin eine Einschätzung vorgenommen und in einer erstellten Excel-Tabelle (Ordner C 5.2.) mit dem Vermerk „unauff. Preis b Vergleich aller Lose“ festgehalten.

Die Prüfung der Angebotspreise der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit durch die Auftraggeberin aufgrund der Ausführungen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zum Aufklärungsschreiben gestaltete sich derart, dass von Seiten der Auftraggeberin nach einer Sichtung durch den Prüfer von Seiten der Auftraggeberin die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit unter der Rubrik „Anmerkung EP-Prüfung“ mit den Vermerken „kalkulatorische Ansätze lt. K7-Blatt ok, EP nachvollziehbar“ und „nachvollziehbare Aufklärung“ festgehalten wurde (Ordner C 5.2.).

1.5.    Zum Stand des Vergabeverfahrens

Am 25. November 2019 übermittelte die Auftraggeberin an die Antragstellerin betreffend das Los XXXX und das Los XXXX jeweils die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll.

Die Auftraggeberin hat das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt.

Die Antragstellerin bezahlte die entsprechenden Pauschalgebühren.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den Unterlagen des Vergabeverfahrens, sowie den Auskünften, die nur die Auftraggeberin erteilen kann.

Die Echtheit und Richtigkeit der herangezogenen Unterlagen hat keine der Verfahrensparteien bestritten. Diese Beweismittel sind daher echt. Ihre inhaltliche Richtigkeit steht außer Zweifel. Widersprüche in den Unterlagen traten nicht auf.

Die Feststellungen bezüglich der erfolgten Preisprüfung durch die Auftraggeberin ergeben sich insbesondere aus den Ausführungen in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und den von Seiten der Auftraggeberin in Vorlage gebrachten Vergabeunterlagen.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1.    Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und zur formalen Zulässigkeit

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG 2018 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über die oben wiedergegebenen Nachprüfungsanträge zu entscheiden. Somit liegt Senatszuständigkeit vor.

Auftraggeber iSd § 2 Z 5 BVergG 2018 ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft. Diese ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BVergG 2018. Beim gegenständlichen Auftrag handelt es sich um einen Bauauftrag gemäß § 5 Z 1 iVm § 153 BVergG 2018. Nach den Angaben der Auftraggeberin beträgt der geschätzte Auftragswert exklusive Umsatzsteuer für die gesamten Lose XXXX , sodass es sich gemäß § 12 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 342 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit c B-VG ist sohin gegeben.

Die Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Auftraggeberin vom 25. November 2019, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, wurde rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte. Ein Grund für eine Unzulässigkeit gemäß § 344 Abs 2 BVergG 2018 liegt nicht vor. Die Antragstellerin entrichtete die Pauschalgebühren in der erforderlichen Höhe.

Die Antragsvoraussetzungen gemäß § 342 Abs 1 BVergG 2018 liegen bei der Antragstellerin bezüglich der Anträge auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, vor. Die Antragstellerin wies ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Abgabe des Angebotes nach und brachte das Vorliegen eines drohenden Schadens aufgrund des Erhalts der Entscheidung der Auftraggeberin, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, in Form von Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren plausibel vor. Vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin weder ausgeschieden wurde noch für das Bundesverwaltungsgericht auf Basis des Vergabeaktes ein Ausscheidensgrund hervorkam, ist die Antragstellerin zur Anfechtung der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, legitimiert.

3.2.    Anzuwendendes Recht

3.2.1.  § 28 Abs 1 VwGVG („Erkenntnisse“), BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

3.2.2.  Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65, lauten:

„Dokumentationspflichten

§ 49. (1) Der öffentliche Auftraggeber hat alle wesentlichen Entscheidungen und Vorgänge im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren so ausreichend zu dokumentieren, dass sie nachvollzogen werden können. Ferner ist jede Mitwirkung von Dritten an der Vorbereitung einer Ausschreibung zu dokumentieren. Die Dokumentation ist für mindestens drei Jahre ab Zuschlagserteilung aufzubewahren.

(2) Sofern Dokumente ausschließlich in elektronischer Form erstellt bzw. übermittelt werden, sind sie in jener Form und mit jenem Inhalt, die oder den sie zum Zeitpunkt des Verfassens durch den öffentlichen Auftraggeber oder des Absendens vom bzw. des Einlangens beim öffentlichen Auftraggeber aufweisen, so zu kennzeichnen und zu speichern, dass ein nachträgliches Verändern des Inhaltes sowie des Zeitpunktes des Verfassens, des Absendens vom bzw. des Einlangens beim öffentlichen Auftraggeber feststellbar ist (Integrität der Daten).

[…]

Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung

§ 137. (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen. Dabei ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen.

(2) Der öffentliche Auftraggeber muss Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gemäß Abs. 3 vertieft prüfen, wenn

1. Angebote einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, oder

2. Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen, oder

3. nach der Prüfung gemäß Abs. 1 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen.

(3) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

1. im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind,

2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringerwertige Leistungen, und

3. die gemäß § 105 Abs. 2 geforderte oder vom Bieter gemäß § 128 Abs. 2 vorgenommene Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

[…]

Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote

§ 138. (1) Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot oder über die geplante Art der Durchführung der Leistung oder werden Mängel festgestellt, so ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Die vom Bieter übermittelten Auskünfte bzw. die vom Bieter allenfalls vorgelegten Nachweise sind der Dokumentation über die Prüfung der Angebote beizuschließen.

(2) Die durch die erfolgte Aufklärung allenfalls veranlasste weitere Vorgangsweise darf die Grundsätze der §§ 20 Abs. 1, 112 Abs. 3, 113 Abs. 2 und 139 nicht verletzen.

(3) Ergeben sich bei der Prüfung der Eignung von Subunternehmern, die für den Nachweis der Eignung des Bieters nicht erforderlich sind, Mängel, die nicht durch eine Aufklärung gemäß Abs. 1 und 2 behoben werden können, so hat der öffentliche Auftraggeber den betreffenden Subunternehmer abzulehnen.

(4) Weist ein Angebot solche Mängel auf, dass eine Bearbeitung nicht zumutbar ist, so ist es auszuscheiden.

(5) Stellt der öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung fest, dass die angebotenen Preise nicht angemessen sind, so hat er vom Bieter eine verbindliche Aufklärung zu verlangen. Der öffentliche Auftraggeber darf das Angebot nur ausscheiden, wenn trotz des Vorbringens des Bieters die Preise für den öffentlichen Auftraggeber nicht betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Er hat das Angebot jedenfalls auszuscheiden, wenn die Prüfung ergibt, dass der Bieter die in § 93 genannten Bestimmungen nicht berücksichtigt hat. Die Prüfung hat unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Bieters zu erfolgen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind in die Dokumentation der Prüfung der Angebote aufzunehmen.

(6) Stellt der öffentliche Auftraggeber bei einem Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich fest, dass ein Angebotspreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig ist, weil der betreffende Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so darf er das Angebot allein aus diesem Grund nur dann ausscheiden, wenn der Bieter nach Aufforderung durch den öffentlichen Auftraggeber nicht innerhalb einer vom öffentlichen Auftraggeber festgesetzten angemessenen Frist nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe im Sinne des Art. 107 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar war. Sofern der öffentliche Auftraggeber aus diesem Grund ein Angebot ausscheidet, hat er dies der Kommission bekannt zu geben.

(7) Rechnerisch fehlerhafte Angebote sind, sofern dies in der Ausschreibung festgelegt wurde, dann nicht weiter zu berücksichtigen, wenn die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen – erhöhend oder vermindernd – 2% oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises beträgt. Berichtigungen von Seitenüberträgen der Zwischensummen im Angebot (Übertragungsfehler), mit denen nicht weitergerechnet wurde, bleiben dabei unberücksichtigt. Eine Vorreihung infolge der Berichtigung eines Rechenfehlers ist, ausgenommen der öffentliche Auftraggeber hat in der Ausschreibung ausdrücklich anderes festgelegt, unzulässig.“

[…]

Dokumentation der Angebotsprüfung

§ 140. (1) Die Prüfung der Angebote ist so zu dokumentieren, dass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände nachvollziehbar sind.

(2) Über die Gesamtpreise, die sich nach Prüfung der Angebote ergeben – bei Teilvergabe auch über die betreffenden Teilgesamtpreise –, ist jedem verbliebenen Bieter Auskunft zu geben, sofern das Ergebnis der Angebotsöffnung nicht geheim ist. Jeder Bieter kann von seinem allenfalls berichtigten Angebot oder der Durchrechnung seines Angebotes Kenntnis nehmen.

(3) Der Bieter kann die Übermittlung oder Bereitstellung des Teiles der Dokumentation verlangen, der sein Angebot betrifft.

[…]

Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers

§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn

1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und

2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.

(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung in Betracht.

(3) Erklärt das Bundesverwaltungsgericht eine gesondert anfechtbare Entscheidung für nichtig, ist der Auftraggeber verpflichtet, in dem betreffenden Vergabeverfahren mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

[…]“

3.2.3.  Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 137 BVergG 2018 (ErläutRV 69 BlgNR 26. GP 153) ergibt sich Folgendes:

„Zu § 137 (Prüfung der Angemessenheit der Preise und vertiefte Angebotsprüfung): § 137 dient dem Schutz des Auftraggebers (zB vor spekulativen Angeboten) und soll zugleich auch einen fairen Wettbewerb gewährleisten. Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 29. März 2006, 2003/04/0181, festgehalten hat, handelt es sich bei der vertieften Angebotsprüfung um eine Plausibilitätsprüfung, bei der nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur – grob – geprüft werden muss, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann. Zu betonen ist ferner, dass nach dem System der RL und des BVergG die Prüfung der Preisangemessenheit im Ober- wie auch im Unterschwellenbereich stattzufinden hat (vgl. dazu auch EuGH verbundene Rs C-147/06 und C-148/06, SECAP) und keine Einschränkung der Prüfmöglichkeit des Auftraggebers (zB auf sogenannte ‚wesentliche Positionen‘) besteht (siehe dazu insbesondere auch EuGH Rs C-568/13, Data Medical Services). § 137 regelt die Vorgangsweise des Auftraggebers, falls dieser zur Auffassung kommt, dass angebotene Preise (vgl. dazu § 2 Z 26) ungewöhnlich niedrig sind. Weder die RL noch das BVergG definieren den Begriff eines ‚ungewöhnlich niedrigen Angebots‘. Es ist daher Sache des Auftraggebers festzulegen (entweder rein intern oder im Rahmen der Ausschreibungsunterlagen), wie die Ungewöhnlichkeitsschwelle für ein ‚ungewöhnlich niedriges Angebot‘ zu errechnen bzw. wo sie wertmäßig anzusetzen ist (so auch EuGH Rs C-285/99 und C-286/99, Lombardini und Mantovani, Rs C- 568/13, Data Medical Service). Dies könnte etwa durch Festlegung eines maximalen Differenzprozentsatzes (zB 10%) im Vergleich zum zweitgereihten Bieter (beim Angebotspreis) oder zum zweitbilligsten Positions-, Pauschal- oder Regiepreis oder durch Festlegung eines maximalen Differenzprozentsatzes (zB 15%) zum Mittelwert der entsprechenden Preise erfolgen. Unter ‚alternativ angebotenen‘ Leistungen gemäß Abs. 1 sind sowohl Alternativ- wie auch Abänderungsangebote zu verstehen (Variantenangebote fallen unter das Konzept der ‚ausgeschriebenen‘ Leistung). Bei der Prüfung der Angebotspreise können allgemein anerkannte Leitlinien, standardisierte Kalkulationshilfen und wissenschaftliche Publikationen für die Feststellung herangezogen werden, welche Bandbreite an Preisen für die ausgeschriebenen Leistungen angemessen ist. Abs. 2 regelt jene Umstände, die den Auftraggeber zur Aufklärung und zur vertieften Angebotsprüfung verpflichten. Abs. 3 beinhaltet die bei einer vertieften Angebotsprüfung anzulegenden Maßstäbe. Abs. 3 Z 1 verweist im Kontext der Prüfung der Nachvollziehbarkeit der Personalkosten demonstrativ auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge (die – falls sie nicht ohnehin bereits im Angebot offen gelegt wurden – der Auftraggeber im Rahmen der Aufklärung vom Unternehmer identifizieren lassen kann; vgl. dazu auch die verschiedenen, online verfügbaren Kollektivvertragsdatenbanken). Dies stellt eine flankierende Maßnahme zur leichteren Aufdeckung von Lohn- und Sozialdumping dar. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass bei der vertieften Angebotsprüfung des Bieters keine Verpflichtung zur Nachprüfung der Preise allenfalls bereits namhaft gemachter Subunternehmer besteht. Zur weiteren Vorgangsweise des Auftraggebers bei nicht erklär- oder nachvollziehbaren Preisen vgl. § 138 und insbesondere dessen Abs. 5.“

3.3.    Zum Vorbringen der Parteien

3.3.1.  Am 25. November 2019 übermittelte die Auftraggeberin an die Antragstellerin betreffend die Lose XXXX und XXXX die Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll. Dagegen richten sich die gegenständlichen Nachprüfungsanträge.

3.3.2.  Die Antragstellerin brachte in Bezug auf die nicht durchgeführte vertiefte Angebotsprüfung der Auftraggeberin im Wesentlichen vor, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ungewöhnlich niedrige Gesamtpreise bei den gegenständlichen Losen XXXX und XXXX aufweise. Gewisse Umstände würden darauf schließen lassen, dass auch die präsumtive Zuschlagsempfängerin zu keinem Zeitpunkt zur Aufklärung ihrer Preise aufgefordert worden sei und somit auch keine vertiefte Preisprüfung stattgefunden habe sowie, dass das Ergebnis der vertieften Prüfung in einem Prüfbericht festzuhalten gewesen wäre. Die Feststellung, dass es sich um angemessene und nicht spekulative Preise handle, wäre objektiv von der Auftraggeberin zu begründen gewesen.

3.3.3.  Die Auftraggeberin führte diesbezüglich aus, dass obwohl für die Auftraggeberin aufgrund deren Erfahrungswerte keine Anhaltspunkte vorgelegen seien, dass im Verhältnis zur Leistung ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis gegeben gewesen sei, habe diese bezüglich der präsumtiven Zuschlagsempfängerin eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. Im gegenständlichen Fall seien Preisspiegel erstellt und im Zuge dieser Prüfung sei festgestellt worden, dass bei der präsumtiven Zuschlagsempfängerin keine unplausiblen Abweichungen zu den Einheitspreisen der Mitbewerber vorgelegen seien. Zudem sei in weiterer Folge die präsumtive Zuschlagsempfängerin aufgefordert worden, zu den einzelnen Positionen Stellung zu nehmen. Im Zuge der Durchsicht der vollständig vorliegenden Kalkulationsblätter der präsumtiven Zuschlagsempfängerin habe sich gezeigt, dass sowohl die angebotenen Preise als auch die Ansätze als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt werden könnten. Insbesondere würden auch die Mindestlöhne des (einschlägigen) Kollektivvertrages eingehalten werden.

3.4.    Inhaltliche Beurteilung des Antrages

3.4.1.  Gemäß § 20 Abs 1 letzter Satz BVergG 2018 hat die Vergabe an befugte, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen. Folglich ist die Angemessenheit der Preise gemäß § 135 Abs 2 Z 4 BVergG 2018 im Zuge der Angebotsprüfung entsprechend den Vorgaben des § 137 BVergG 2018 einer Überprüfung zu unterziehen. Die Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung liegt nicht im Ermessen des Auftraggebers. Angebote sind einer solchen zu unterziehen, wenn sie (1) einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen, (2) zu hohe oder niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen enthalten oder (3) nach der Angemessenheitsprüfung begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen bestehen. Dabei hat der Auftraggeber dem Gebot der kontradiktorischen Angebotsprüfung zu entsprechen (BVA 01.10.2004, 06N-84/04-22 unter Verweis auf EuGH 27.11.2001, Rs C-285/99 und C-286/99, Lombardini und Mantovani; VwGH 29.03.2006, 2003/04/0181; Fink/Hofer in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 [2015], Rz 1582ff). Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu klären, ob die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar ist, wobei im Einzelnen die in § 135 Abs 4 Z 1 bis 3 BVergG 2018 genannten Kriterien maßgeblich sind (vgl zum BVergG 2006 Eilmansberger/Fruhmann in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg], Bundesvergabegesetz: Kommentar zum Bundesvergabegesetz 20062 [2009] § 19 Rz 53). Dabei handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, bei der nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur – grob – geprüft werden muss, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (vgl. VwGH 15.09.2004, 2004/04/0032). Dies erfordert eine inhaltlich begründete, auf betriebswirtschaftlichen Fakten aufbauende Erklärung (vgl zum BVergG 2006 Kropik in Schramm/Aicher/Fruhmann [Hrsg], Bundesvergabegesetz: Kommentar zum Bundesvergabegesetz 20062 [2009] § 125 Rz 38). Ein Ausscheiden eines Angebotes hat demnach dann zu erfolgen, wenn sich bei dieser Prüfung die Kalkulation des Angebots als betriebswirtschaftlich nicht erklärbar („nicht plausibel") erweist (vgl. VfGH 22.09.2003, B 1211/01). Die Überprüfung der Preise setzt bei der (scheinbaren) Unangemessenheit eines Preises an. Hinterfragt werden muss, ob der angebotene Preis mit der der Ausschreibung zugrundeliegenden Leistung in einem adäquaten Verhältnis steht. Bei der Prüfung, ob ein Unterpreis vorliegt, kann es nach allgemeinem Verständnis nur darauf ankommen, ob ein Bieter anhand der ihm zur Verfügung stehenden Mitteln kostendeckend kalkuliert hat (Fink/Hofer, Vergaberecht4 Rz 1581 mit Verweis auf die Judikatur der Vergabekontrollbehörden).

Entsprechend dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot einer zwingend durchzuführenden
kontradiktorischen Überprüfung der Angebotspreise muss im Zuge der vertieften Angebotsprüfung der Auftraggeber vom Bieter eine verbindliche schriftliche – bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische – Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen (Fink/Hofer, Vergaberecht4 Rz 1582 und 1590 unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union). Schließlich ist gemäß § 140 Abs 1 BVergG 2018 die Prüfung der Angebote so zu dokumentieren, sodass alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände nachvollziehbar sind. Ziel der Dokumentation der Angebotsprüfung ist, dass „objektiv nachvollziehbar begründete Ermittlung des zuzuschlagenden Angebotes dokumentiert“ wird (Gölles in Gölles, BVergG 2018 [2019] § 140 Rz 4).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus dem Vergleich mit der Kostenermittlung des Auftraggebers sowie aus dem Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote, ob ein derartig ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorliegen kann (etwa VwGH 22.05.2012, 2009/04/0187). Vor diesem Hintergrund stehen als Ausgangspunkt für die Preisprüfung der geschätzte Auftragswert und ein Vergleich der Angebotspreise der Bieter zur Verfügung (Kropik, § 125 Rz 8). Ob ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis vorliegen kann, ergibt sich aus dem Vergleich mit der Kostenermittlung des Auftraggebers sowie aus dem Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote. Beide Vergleiche geben einen Überblick darüber, ob ein unverhältnismäßig niedriger Gesamtpreis vorliegen könnte. Ein ungewöhnlich niedriger Gesamtpreis liegt bereits dann vor, wenn die Differenz zwischen der Kostenermittlung des Auftraggebers bzw. der Vergleich der Gesamtpreise aller Angebote über 15 % („grobe Abweichung") beträgt (Kropik, § 125 Rz 28). Auch in der vergaberechtlichen Judikatur wurde ein Vergleich mit der Kostenschätzung bzw. ein Vergleich mit den Angeboten der Bieter als zulässig erachtet (siehe etwa BVwG 28.09.2015, W123 2112845-2/24E).

Das vorliegende Ermittlungsverfahren ergab, dass der Gesamtpreis des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zu Los XXXX (= EUR XXXX ) ca. XXXX % unter der Kostenschätzung der Auftraggeberin (= XXXX ,--) und zu ca. XXXX % unter dem Gesamtpreis der Antragstellerin (= EUR XXXX ) liegt. Zu Los XXXX stellte sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens heraus, dass das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin (= EUR XXXX ) ungefähr XXXX % unter der Kostenermittlung der Auftraggeberin (= EUR XXXX ,--) und rund XXXX % unter dem Gesamtpreis der Antragstellerin liegt.

Vor dem Hintergrund, dass bereits bei einer Abweichung des Gesamtpreises zwischen erst- und zweitgereihtem Angebot von über 15 % eine vertiefte Angebotsprüfung notwendig ist (Kropik, § 125 Rz 28), dann trifft dies umso mehr auf den gegenständlich zu beurteilenden Sachverhalt zu, in welchem der Angebotspreis der präsumtiven Zuschlagsempfängerin den geschätzten Auftragswert sowie den Gesamtpreis der Antragstellerin um ca. XXXX % bzw. XXXX % und XXXX % bzw. XXXX % unterschreitet. Dies entspricht auch der bisherigen vergaberechtlichen Judikatur zur vertieften Angebotsprüfung (siehe dazu insbesondere auch BVwG 28.09.2015, W123 2112845-2/24E).

3.4.2.  Im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung ist der Auftraggeber verpflichtet, die vom Bieter im Zuge eines Aufklärungsgesprächs abgegebenen Erklärungen kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Die Feststellung, dass es sich um angemessene und nicht spekulative Preise handelt, ist objektiv zu begründen. Aus dem Prüfbericht muss hervorgehen, dass die Preise betriebswirtschaftlich erklärbar und nachvollziehbar sind (Rindler/Lehner in Gast [Hrsg], Bundesvergabegesetz inkl. BVergG Konz – Leitsatzkommentar [2018] § 137 Rz 60 mit Verweis auf BVwG 28.09.2015, W123 2112845-2/24E; UVS OÖ 19.10.2006, VWSen-550290/6/Kü/Sp, VWSen-550292/6/Kü/Sp, VWSen-550300/3/Kü/Sp).

Die vertiefte Angebotsprüfung hat so detailliert und umfangreich zu sein, dass eine ausreichend begründete Schlussfolgerung, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann, möglich ist (Rindler/Lehner, § 137 Rz 61 mit Verweis auf BVwG 28.09.2015, W123 2112845-2/24E).

Über die Prüfung der Angebote und ihr Ergebnis ist eine Niederschrift zu verfassen, in welcher alle für die Beurteilung der Angebote wesentlichen Umstände festzuhalten sind. Der Niederschrift kommt vor allem für den Fall eines Vergabekontrollverfahrens besondere Bedeutung zu. Sie dient gleichsam einer „ex-post-Kontrolle" des Auftraggeberverhaltens und gewährleistet damit im Sinne des Gebotes der Transparenz die Nachvollziehbarkeit jener Auftraggeberentscheidungen, denen das Ergebnis der Angebotsprüfung zugrunde liegt. Dabei ist zu bedenken, dass die Angebotsprüfung im weitesten Sinne einerseits die Prüfung der Ausschreibungskonformität und andererseits die Bestbieterermittlung erfasst (Fink/Hofer, Vergaberecht4 Rz 1542; siehe dazu auch Gölles in Schramm/Aicher/Fruhmann, [Hrsg], Bundesvergabegesetz: Kommentar zum Bundesvergabegesetz 20062 [2012] § 128 Rz 4).

Dem Gebot der Transparenz im Vergabeverfahren kommt insbesondere in der Wahl des Angebotes für den Zuschlag eine elementare Bedeutung zu, da die Entscheidung des Auftraggebers, aus welchen Gründen er einen bestimmten Bieter einen Zuschlag erteilen möchte, objektiv nachvollziehbar sein muss (Koller in Gast [Hrsg], Bundesvergabegesetz inkl. BVergG Konz – Leitsatzkommentar [2019] § 140 Rz 12 mit Verweis auf BVwG 28.09.2015, W123 2112845-2/24E).

Die schriftliche Dokumentation der vertieften Angebotsprüfung ist aus Gründen der Transparenz und Gleichbehandlung der Bieter im Sinne des § 20 Abs 1 BVergG 2018 zwingend geboten. Dadurch, dass die Auftraggeberin dies unterlassen hat, liegt ein Verstoß gegen § 20 Abs 1 iVm § 140 BVergG 2018 vor (Koller, § 140 Rz 13 mit Verweis auf BVwG 28.09.2015, W123 2112845-2/24E).

Die im konkreten Fall durchgeführte und dokumentierte Prüfung der Angemessenheit der Preise erschöpft sich darin darauf zu verweisen, dass ein Preisspiegel erstellt worden sei, in welchem in einem ersten Schritt ermittelt worden sei, ob begründete Zweifel an der Preisangemessenheit sämtlicher (unwesentlicher) Positionen vorlägen. Im entsprechenden Vergabebericht der Auftraggeberin lautet es diesbezüglich wortwörtlich:

XXXX

- XXXX ;

- XXXX

- XXXX

Ergänzend sei die Kalkulation des Bieters umfassend geprüft worden. Der Bieter sei zu diesem Zweck aufgefordert worden eine Preisaufklärung vorzulegen bzw. nachzureichen. Diese Unterlagen seien ebenfalls geprüft worden.

XXXX

XXXX

XXXX

? XXXX

XXXX

Als Ergebnis der durchgeführten vertieften Prüfung habe festgehalten werden können, dass sämtliche Preise betriebswirtschaftlich aufklärbar und nachvollziehbar seien sowie die kollektivvertragliche Lohnordnung eingehalten worden sei.

Ferner wurde im Vergabebericht (auf Seite 23 für Los XXXX und auf Seite 25 für Los XXXX ) darauf hingewiesen, dass in Zweifelsfällen, eine Aufklärung von Seiten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gefordert worden sei.

In der Stellungnahme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin vom 1. Oktober 2019 verweist diese in Bezug auf die einzelnen Lose zu den nachgefragten Positionen regelmäßig beispielhaft darauf, dass sich der gewählte Ansatz aus Erfahrungswerten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin ergebe. Aus welchen Gründen die Auftraggeberin diese Argumentation der präsumtiven Zuschlagsempfängerin für plausibel und den dadurch gewählten Ansatz für rechtfertigbar hält, wird an keiner Stelle des Vergabeberichtes ausgeführt. Ebenso fehlen jegliche Ausführungen der Auftraggeberin dahingehend, aus welchem Grund der jeweils von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gewählte Leistungsansatz betreffend den Lohn, welcher nach den Ausführungen in der Stellungnahme der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auf einem Erfahrungswert beruhe, plausibel und nachvollziehbar sei. Auch sonst finden sich keine Ausführungen im Vergabebericht, aus welchen Gründen die Auftraggeberin die sonstigen Angaben der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in der zitierten Stellungnahme für plausibel und nachvollziehbar hält. Vor diesem Hintergrund ist für das Bundesverwaltungsgericht eine Nachprüfung, wie dies der Verwaltungsgerichtshof verlangt (vgl. VwGH 22.06.2011, 2007/04/0076, mit Verweis auf VwGH 25.01.2011, 2008/04/0082), ob die Auftraggeberin berechtigterweise von der Plausibilität dieser Ansätze ausgehen konnte und diese auch geprüft hat, nicht möglich.

Im konkreten Fall forderte die Auftraggeberin die präsumtive Zuschlagsempfängerin zwar zur Aufklärung bezüglich bestimmter wesentlicher Ausschreibungspositionen auf, jedoch wurde es ihrerseits unterlassen, deren Antworten auch kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass in den gesamten Vergabeunterlagen kein Vorgang dokumentiert wurde, aus dem ein konkretes kritisches Hinterfragen oder Überprüfen abgeleitet werden könnte (vgl. Seite 6 des Verhandlungsprotokolls, arg. „VR: Welche Schritte wurden aufgrund der Antwort der Rahmenvereinbarungspartnerin gesetzt und wo sind sie dokumentiert? – AG: Die Antworten wurden vom Prüfer gesichtet. Wir haben das ganz genau durchstudiert und nachgesehen, ob es nach der Norm richtig ist und dann wurde es in der Liste eingetragen, ob es nachvollziehbar ist.“). Aus den Prüfmatrixen (vgl. Ordner C, 5.2.) lässt sich dies bereits deshalb nicht ableiten, als diese nur eine Gegenüberstellung von Positionen zum Inhalt haben. Aus der weiteren erstellten Tabelle, auf die die Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht primär hinwies, ist unter der Überschrift „Anmerkung EP-Prüfung“ nur zu lesen „nachvollziehbare Aufklärung (1.10.2019)“. Dass mit diesem Vermerk kein erfolgtes kritisches Hinterfragen und Überprüfen dokumentiert wurde, ist augenscheinlich. Es handelt sich dabei lediglich um die Darstellung eines Ergebnisses, welches aber im konkreten Fall nicht aus einem nachvollziehbaren Prüfprozess resultiert. Auch die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigen dieses Ergebnis [vgl. Seite 5 bis 6 des Verhandlungsprotokolls, arg. „VR: Wo finden sich hier Prüfungen in Zusammenhang mit der Antwort der präsumtiven Rahmenvereinbarungspartnerin? – AG: Das Dokument, das wir vorher gesehen haben, unter 5.2. (1. Dokument), indem in der Tabelle ganz rechts ‚Anmerkung EP-Prüfung‘ die Ergebnisse des Prüfers dokumentiert sind. – VR: Gibt es darüber hinaus irgendwo Substrat über die Auseinandersetzung im Akt?“]. Auch über konkrete Nachfrage, konnte von der Auftraggeberin nicht dargelegt werden, welche Prüfschritte, aus Anlass des Aufklärungsschreibens der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gesetzt wurden. Die Ausführungen dazu gehen nicht über ein allgemeines Vorbringen hinaus, das keinen konkreten Bezug zu den Antworten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin enthält. Soweit im Zusammenhang mit der Überprüfung der von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in ihrem Aufklärungsschreiben verwiesenen Erfahrungswerte darauf verwiesen wurde, dass vor dem Hintergrund der Prüfung durch den Mitarbeiter der Auftraggeberin aufgrund dessen Erfahrung von einer Plausibilität der angesetzten Werte auszugehen sei [vgl. die Seite 6 des Verhandlungsprotokolls, arg. „VR: Wie haben Sie konkret z.B. die von der PräsRP in ihrem Aufklärungsschreiben mehrfach erwähnten ‚Erfahrungswerte‘ auf ihre Plausibilität hin überprüft? – AG: Es geht konkret um zwei Dinge. […] AG: Von der Aufklärung her sind die Einkaufspreise der Materialien mitgeliefert worden. Das habe ich dann kontrolliert und das zweite ist: Die Menge pro Stunde. Wie viel Laufmeter, dass sie pro Stunde markieren können und, ob das plausibel ist. Das sind die Erfahrungswerte von der Firma, dass sie sagen, sie bringen in der Stunde z.B. 600 Laufmeter zusammen. Da ich ja in der Praxis auch Abnahmen durchführe, weiß ich ja, was tatsächlich plausibel ist. Dokumentiert ist das auch in 4.2.5. des Vergabeaktes und 4.2.4 für das Los XXXX . – VR: Wo sehen Sie das konkret? – AG: Auf Seite 23 und 24 im letzten Absatz insbesondere auf Seite 23 auf den Absatz ‚Dieser Preisspiegel…‘ und, wie bereits ausgeführt, die Anmerkung EP-Prüfung (5.2. im Ordner C)“.], ist zu entgegnen, dass sich diese Begründung nicht in den Vergabeunterlagen findet. Weiters fehlt es auch bei diesem Aufklärungsversuch an einem Mindestmaß an Nachprüfbarkeit, da zur Nachvollziehbarkeit der angeführten Erfahrungswerte der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nur auf die eigenen Erfahrungswerte verwiesen wird, ohne dass eine Konkretisierung erfolgt wäre.

Über ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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