TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/29 2003/04/0181

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Veröffentlicht am 29.03.2006
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E6J;
L72002 Beschaffung Vergabe Kärnten;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
97 Öffentliches Auftragswesen;

Norm

61999CJ0285 Impresa Lombardini VORAB;
AVG §56;
BVergG 2002 §175 Abs2;
BVergG 2002 §20 Z13 lita sublitaa;
BVergG 2002 §20 Z13 litb;
BVergG 2002 §93 Abs3 Z1;
BVergG 2002 §93 Abs3 Z2;
BVergG 2002 §93 Abs3 Z3;
BVergG 2002 §93 Abs4;
BVergG 2002 §93 Abs5;
BVergG 2002 §98 Z3;
B-VG Art14b;
B-VG Art17;
EURallg;
LVergRG Krnt 2003 §18 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der G GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Peter Bibiza, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 9. Oktober 2003, KUVS- 1585/10/2003, betreffend Nachprüfung einer öffentlichen Auftragsvergabe nach dem Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Hermagor-Presseggersee in Hermagor, vertreten durch Dr. Gerhard Fink, Dr. Peter Bernhart und Dr. Bernhard Fink, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 9. Oktober 2003 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung gemäß § 17 Kärntner Vergaberechtsschutzgesetz, LGBl. Nr. 17/2003 (K-VergRG), abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die mitbeteiligte Partei habe die Zimmermeisterarbeiten für den Neubau "Volksschule Hermagor" im offenen Verfahren ausgeschrieben. Bei Angebotseröffnung sei die Beschwerdeführerin Erstgereihte gewesen; die Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei vom 29. August 2003 habe auf die Zweitgereihte gelautet.

Gegen diese Zuschlagsentscheidung habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, ihr Angebot sei zu Unrecht ausgeschieden worden. Dabei habe die Beschwerdeführerin zunächst gerügt, ihr sei eine Ausscheidungsentscheidung nicht zugekommen. Dem sei entgegenzuhalten, dass das Vergabeverfahren zwischen gesondert und nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen unterscheide und alle einer gesondert anfechtbaren Entscheidung vorangegangenen (nicht gesondert anfechtbare) Entscheidungen zusammen mit dieser anzufechten seien. Das Ausscheiden eines Angebotes stelle keine gesondert anfechtbare Entscheidung dar, sondern sei zusammen mit der Zuschlagsentscheidung als zeitlich nächstfolgender gesondert anfechtbarer Entscheidung bekämpfbar, sodass die Beschwerdeführerin einen Verfahrensmangel nicht dartun könne.

Im Zuge der Angebotsprüfung seien für die Prüfer bei folgenden Positionen des Angebotes der Beschwerdeführerin Unklarheiten gegeben gewesen:

"03.01.02Z bis 03.01.13Z (Dach- bzw. Deckenelemente aus Brettsperrholzplatten): Die Positionspreise erschienen vor allem bei den Positionen mit den aufgeleimten Leimrippen zu niedrig, um die geforderte Ausführungsqualität zu gewährleisten.

03.05.44Z (Schwellenhölzer Leimholz Fichte): Diese Position war in Laufmeter ausgeschrieben. Im Angebot ist offensichtlich der Kubikmeterpreis für Leimholz eingesetzt worden.

04.06.01Z bis 04.06.02Z (Wandverkleidungen):

Der Positionspreis erschien zu niedrig, vor allem im Hinblick auf die ausgeschriebene Ausführungsqualität und Komplexität.

04.06.09Z bis 04.06.16Z: Die Positionspreise für die Massivholzpanele sowie für die Bereiche zwischen den Leimholzrippen (Akustik) erschienen zu niedrig. Dies wiederum im Hinblick auf die ausgeschriebene Ausführungsqualität und die Komplexität."

Einen dementsprechenden Vorhalt habe die Beschwerdeführerin wie folgt beantwortet:

"zu 03.01.02Z bis 03.01.13Z, dass der Aufwand für die aufgeleimten Rippen in 03.05.21Z berücksichtigt sei.

Zu 03.05.44, dass in dieser Position der Aufwand für Transport und die Kranarbeiten berücksichtigt sei.

Zu den übrigen Positionen äußerte sich die Antragstellerin, dass die Kalkulationsgrundlage auf jahrelanger Erfahrung beruhe, dass die Arbeiten im Frühjahr 2004 zur Ausführung gelangen und in dieser Jahreszeit generell eine Flaute herrsche, sie daher für Lehrlinge und Angestellte einen gewissen Auftragsstand benötige, damit Lohn und Zentralregien abgedeckt würden. Sie gewähre daher einen Nachlass."

Diese von der Beschwerdeführerin gegebenen Aufklärungen seien von den Prüfern aus folgenden Gründen als unzureichend bewertet worden:

"Die Prüfer bewerteten die zu Position 03.01.02Z bis 03.01.13Z gegebenen Aufklärungen als unzureichend. In Pos. 03.05.21Z mit einer Masse von 1,1 m3 und einem angebotenen Einheitspreis von EUR 996,23 sei es auszuschließen, dass in dieser Position die gesamten aufgeleimten Leimholzrippen berücksichtigt worden sind. Es handle sich bei den Rippen um mehrere Kubikmeter Leimholz in Sichtqualität, die in einem Positionspreis von EUR 1.062,85 bei weitem nicht berücksichtigt sein könnten.

Zu 03.05.44Z hat die Antragstellerin den Mangel nach Ansicht der Prüfer nicht aufgeklärt. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf 01.06.01Z (Hebewerkzeuge), wo eindeutig definiert sei, dass sämtliche Hebewerkzeuge für die Montage in die entsprechenden Positionen einzukalkulieren seien. Darüber hinaus könne eine untergeordnete Position wie 03.05.44Z (Schwellenhölzer Leimholz Fichte) nicht einen Positionspreis von EUR 101.310,00 aufweisen. Bei einer Massenverschiebung dieser Position würde es zu gravierenden Preisverschiebungen kommen."

Hinsichtlich der übrigen Positionen seien die Prüfer zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um Unterpreise handle.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde sei dieser Bericht von den Prüfern bestätigt und präzisiert worden. Die Prüfer hätten die Ausführungen überzeugend und in sich schlüssig dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass sie bei ihren Überlegungen von unsachlichen Motiven geleitet gewesen wären, seien nicht zu erkennen gewesen. Es sei daher seitens der belangten Behörde nicht zu beanstanden, wenn die Prüfer zu dem Ergebnis gelangt seien, dass eine nicht plausible Preisgestaltung vorläge. Bei dieser Sachlage seien die Prüfer aber auch nicht gehalten gewesen, weitere Aufklärungen von der Beschwerdeführerin zu verlangen, weil bereits die erste Erklärung der Beschwerdeführerin zu dem Ergebnis geführt habe, dass die Rippen in einem Umfang von 85 m3 Leimholz und einem Auftragswert "von rund EUR 85.000,--" im Angebot nicht enthalten gewesen seien. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ziele zum einen auf einen Erkundungsbeweis ab und habe im Übrigen im Hinblick auf die im § 19 K-VergRG normierte Entscheidungsfrist nicht mehr berücksichtigt werden können. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin nichts vorgebracht, was geeignet wäre, an der Qualifikation der Prüfer im Sinn des § 90 Bundesvergabegesetz 2002 (BVergG 2002) zu zweifeln.

Gemäß § 98 Z 3 bzw. Z 5 BVergG 2002 seien Angebote auszuscheiden, die eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises aufwiesen bzw. von Bietern, die es unterlassen hätten, innerhalb der ihnen gestellten Frist die verlangten Aufklärungen zu geben oder deren Aufklärung einer nachvollziehbaren Begründung entbehre. Dabei genüge es, dass nur ein Tatbestand vorliege, der für sich genommen jedenfalls zur Ausscheidung des Angebotes führen müsse, und es sei unbeachtlich, dass die Ausscheidung des Angebotes allenfalls auch auf andere Gründe gestützt worden sei. Die mitbeteiligte Partei habe das Angebot der Beschwerdeführerin zu Recht ausgeschieden, die Zuschlagsentscheidung erweise sich somit als rechtsfehlerfrei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit die Beschwerdeführerin zunächst vorbringt, seitens der mitbeteiligten Partei sei bereits der Zuschlag erteilt worden, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage des K-VergRG das Rechtschutzbedürfnis eines Beschwerdeführers, dessen Antrag sich im Nachprüfungsverfahren ursprünglich auf die Nichtigerklärung einer Entscheidung des Auftraggebers gerichtet hat, im Fall einer zwischenzeitigen Zuschlagserteilung weiter fortbesteht und auf Feststellung des im Nachprüfungsverfahren behaupteten Verstoßes durch die Vergabekontrollbehörde gerichtet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. März 2004, Zl. 2004/04/0012).

2. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ausscheiden des Angebotes der Beschwerdeführerin und bringt hiezu vor, diese Entscheidung der mitbeteiligten Partei sei mangels Verständigung und rechtswirksamen Zugangs an die Beschwerdeführerin niemals rechtswirksam geworden, weil ihr lediglich die Zuschlagsentscheidung mitgeteilt worden sei.

Gemäß § 20 Z 13 lit. a sublit. aa BVergG 2002 sind im offenen Verfahren lediglich die Ausschreibung, sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist und die Zuschlagsentscheidung gesondert anfechtbare Entscheidungen. Gemäß § 20 Z 13 lit. b BVergG 2002 sind nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen alle übrigen, den gesondert anfechtbaren Entscheidungen zeitlich vorhergehende Entscheidungen. Diese könne nur gemeinsam mit der ihnen nächstfolgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung angefochten werden.

Nach dieser Rechtslage ist eine Verletzung der von der Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemachten subjektiven Rechte nicht zu erkennen, hat sie doch durch die Anfechtung der - ihr unstrittig zugegangenen - Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei ausreichend Gelegenheit, das Ausscheiden ihres Angebotes als der Zuschlagsentscheidung vorangegangene, nicht gesondert anfechtbare Entscheidung (§ 20 Z 13 lit. b BVergG 2002) zu bekämpfen.

3. Wie sich aus dem in den vorgelegten Verwaltungsakten aufliegenden Prüfbericht der für die mitbeteiligten Partei tätigen Architekten DI Dr. H.R. und DI A.R. (vgl. Beilage ./D zum Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführerin), den die mitbeteiligte Partei ihrer Entscheidung, die Beschwerdeführerin auszuscheiden, zugrundelegte, ergibt, hat die mitbeteiligte Partei diese Entscheidung alleine auf § 98 Z 3 BVergG 2002 gestützt.

4. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des BVergG 2002 lauten:

"§ 91 (1) Die Prüfung der Angebote hat in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Kriterien zu erfolgen.

(2) Im Einzelnen ist zu prüfen

...

4. die Angemessenheit der Preise

...

§ 93 (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen.

(2) Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen. Erscheint der Angebotspreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig, muss der Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gegebenenfalls gemäß Abs. 3 bis 5 vertieft prüfen.

(3) Soweit dies nach der Art des Auftrages möglich ist, sind Angebote, die für die Wahl des Zuschlages in Frage kommen, einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen, wenn sie auf Grund von vergleichbaren Erfahrungswerten

1. einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,

2. zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 67 Abs. 4 aufweisen, oder

3. nach Prüfung gemäß Abs. 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen entstehen lassen.

(4) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

1. im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind;

2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringwertige Leistungen;

3. die gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 geforderte Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

(5) Werden im Zuge der vertieften Angebotsprüfung in einem Angebot Mängel bei der Kalkulation festgestellt, so ist vom Bieter eine verbindliche schriftliche - bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische - Aufklärung zu verlangen. Hiefür ist ihm eine angemessene Frist einzuräumen. Die anschließende Prüfung hat unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterung zu erfolgen. Der Auftraggeber hat Erläuterungen im Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, oder die Originalität der Leistung des Bieters bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen.

...

§ 98 Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung

hat die vergebende Stelle auf Grund des Ergebnisses der Prüfung

die folgenden Angebote auszuscheiden:

...

3. Angebote, die eine - gegebenenfalls durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen;

..."

5. Die Beschwerde bringt hiezu zunächst vor, die mitbeteiligte Partei habe zu Unrecht eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt bzw. diese vertiefte Angebotsprüfung rechtswidrig vorgenommen. So sei eine vertiefte Angebotsprüfung nur in den gemäß § 93 Abs. 3 Z 1 bis 3 BVergG 2002 angeführten Fällen zulässig. Diese Voraussetzungen seien jedoch im vorliegenden Vergabeverfahren nicht gegeben gewesen, sodass die dennoch durchgeführte vertiefte Angebotsprüfung zu Unrecht erfolgt sei.

Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerde, dass § 93 Abs. 3 Z 1 bis 3 BVergG 2002 lediglich jene Fälle aufzählt, in denen Angebote verpflichtend - soweit dies nach Art des Auftrages möglich ist - einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen sind. Diese Bestimmung verbietet es dem öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht, im Rahmen der privatwirtschaftlichen Durchführung des Vergabeverfahrens (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2006, Zl. 2005/04/0202) auch in anderen Fällen eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. So spricht § 98 Z 3 BVergG 2002 davon, dass eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises "gegebenenfalls" durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellt werden kann.

6. Soweit die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom 27. November 2001 in den verbundenen Rechtssachen C-285/99 und C-286/99, Impresa Lombardini SpA, Slg. 2001, I-9233, Randnr. 43 bis 58, vorbringt, die mitbeteiligte Partei habe bei der Durchführung der vertieften Angebotsprüfung dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis einer kontradiktorischen Überprüfung nicht entsprochen, so ist sie darauf hinzuweisen, dass diesem Erfordernis durch § 93 Abs. 5 BVergG 2002 Rechnung getragen wurde, die mitbeteiligte Partei im vorliegenden Fall entsprechend dieser Bestimmung Aufklärung verlangt hat und die anschließende Prüfung unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen der Beschwerdeführerin erfolgte.

7.1. Die Beschwerde führt weiter aus, entgegen der (von der belangten Behörde geteilten) Auffassung der mitbeteiligten Partei sei der Gesamtpreis ihres Angebotes gemäß § 98 Z 3 BVergG 2002 sehr wohl plausibel zusammengesetzt, und begründet dies mit eingehenden Ausführungen zu den einzelnen Positionen ihres Angebotes und insbesondere mit einem "Spezialarrangement" mit einem näher bezeichneten Unternehmen, nach welchem für die Fertigstellung der Rippendecken und den erforderlichen Abbund näher bezeichnete Leistungen kostenlos zur Verfügung gestellt würden. Den Beweisergebnissen sei somit eine plausible Preisgestaltung der entsprechenden Positionen "03.01.02Z bis 03.01.04Z, 03.01.06 bis 03.01.08Z sowie 03.01.12Z" betreffend die Rippenkonstruktionen bei den Holzdecken zu entnehmen.

Der Begründung des angefochtenen Bescheides fehle jede Form der Beweiswürdigung. Die Ausführungen, dass "nicht zu beanstanden sei, wenn die Prüfer zu dem Ergebnis gelangt sind, dass eine nicht plausible Preisgestaltung vorliegt", seien bei weitem nicht ausreichend. Dem Angebot der Beschwerdeführerin sei klar zu entnehmen, dass die Rippendeckenelemente sehr wohl im Gesamtpreis mitenthalten gewesen und auch die niedrigen Preise betriebswirtschaftlich nachvollziehbar begründet worden seien. Auch die übrigen Positionen des Angebotes der Beschwerdeführerin seien - wie in der Beschwerde eingehend dargestellt wird - plausibel zusammengesetzt. Die Beschwerdeführerin habe beantragt, durch einen Sachverständigen sämtliche für den Zuschlag relevanten Angebote umfassend auf spekulative Preisgestaltung überprüfen zu lassen. Die belangte Behörde habe diesen Antrag jedoch abgewiesen, obwohl die von ihr einvernommenen Prüfer Auftragnehmer der mitbeteiligten Partei seien und dadurch eine rein objektive Beurteilung der Sachlage nicht möglich gewesen sei. Ein objektiver Sachverständiger wäre jedenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass weder eine spekulative Preisgestaltung noch ein Ausscheidungsgrund nach § 98 Z 5 BVergG 2002 vorliege.

7.2. Im vorliegenden Fall ist der Prüfbericht, in dem das Ausscheiden des Angebotes der Beschwerdeführerin vorgeschlagen wird, zum Ergebnis gekommen, dass die von der Beschwerdeführerin angebotenen Preise im Sinn von § 93 Abs. 4 BVergG betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar seien. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses war von der belangten Behörde über den diese Frage aufwerfenden Antrag auf Nichtigerklärung der darauf basierenden Zuschlagsentscheidung zu prüfen.

Im Rahmen des Vergabekontrollverfahrens ist in einem Fall wie dem vorliegenden von der Behörde nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist, vielmehr ist von der Behörde - ebenso wie vom Auftraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in den Z 1 bis 3 des § 93 Abs. 4 BVergG genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt (vgl. § 98 Z 3 BVergG), muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieters minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2004/04/0032).

7.3. Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin in ihrem Nachprüfungsantrag der Annahme der mitbeteiligten Partei, der Gesamtpreis des Angebotes der Beschwerdeführerin sei nicht plausibel zusammengesetzt, mit näher dargelegten Argumenten entgegen getreten. In der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde haben die für die mitbeteiligte Partei tätigen Prüfer die zu dieser Annahme führenden Gründe nochmals dargelegt. Diesen Aussagen ist die Beschwerdeführerin in der Verhandlung entgegen getreten und hat insbesondere vorgebracht, es sei unrichtig, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin gegenüber den Prüfern zugegeben habe, in der Kalkulation der Beschwerdeführerin fehlten 85 m3 Leimholz.

Die belangte Behörde hat diese widersprechenden Beweismittel in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht näher gewürdigt, sondern lediglich ausgeführt, die (für die mitbeteiligte Partei tätigen) Prüfer hätten ihre Überlegungen überzeugend und in sich schlüssig dargelegt und es bestünden keine Anhaltspunkte für eine Unsachlichkeit dieser Überlegungen. Sie ist jedoch nicht näher auf die im Verfahren von der Beschwerdeführerin gegen diese Überlegungen vorgebrachten Argumente eingegangen und hat insbesondere nicht näher dargelegt, warum sie selbst - im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung - zum Ergebnis gelangt, dass ein seriöser Unternehmer die vorliegend angebotenen Leistungen zu den von der Beschwerdeführerin angebotenen Preisen nicht erbringen könne.

Aus diesem Grund hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

8. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 29. März 2006

Gerichtsentscheidung

EuGH 61999J0285 Impresa Lombardini VORAB

Schlagworte

Begründung BegründungsmangelGemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Besondere RechtsgebieteAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003040181.X00

Im RIS seit

08.05.2006

Zuletzt aktualisiert am

04.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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