TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/15 2004/04/0032

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Veröffentlicht am 15.09.2004
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Index

L72006 Beschaffung Vergabe Steiermark;
97 Öffentliches Auftragswesen;

Norm

BVergG 2002 §175;
BVergG 2002 §93 Abs4;
BVergG 2002 §98 Z3;
LVergabenachprüfungsG Stmk 2003 §15 Abs2;
LVergabenachprüfungsG Stmk 2003 §9 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. T GesmbH in L, 2. S AG in G,

3. A GmbH in H, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Am Hof 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats für die Steiermark vom 1. Dezember 2003, Zl. UVS 443.7-6/2003-17, betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Partei: A, vertreten durch Weidacher, Imre & Schaffer, Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 8200 Gleisdorf, Ludwig Binderstraße 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Abweisung der Anträge der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei vom 6. Oktober 2003 und auf Zuspruch von Aufwandersatz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2003 hat die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 6. Oktober 2003 zu Gunsten der W GesmbH & Co KG (im Folgenden: Unternehmen W.), auf Gewährung von Akteneinsicht in den gesamten Vergabeakt, insbesondere das Angebot des Unternehmens W. sowie in den gesamten Prüfakt des Auftraggebers und auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren abgewiesen sowie die Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit der Zuschlagsentscheidung, Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers, das Unternehmen W. bei der Zuschlagsentscheidung zu berücksichtigen und Nichtigerklärung der Entscheidung des Auftraggebers, das Unternehmen W. nicht auszuscheiden, zurückgewiesen.

Diese Entscheidung hat die belangte Behörde auf die §§ 3 Abs. 1 Z. 2, 13, 14 Abs. 1 Z. 1 und 18 Abs. 1 und Abs. 5 Steiermärkisches Vergabe-Nachprüfungsgesetz, LGBl. Nr. 43/2003 und auf § 93 Abs. 2 und Abs. 4 Bundesvergabegesetz 2002, BGBl. I Nr. 99/2002 (BVergG) gestützt.

Zur Begründung führte die belangte Behörde - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren wesentlich - aus, das gegenständliche offene Vergabeverfahren der mitbeteiligten Partei bezwecke die Erteilung eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich für die Sammlung und den Abtransport von Rest- und Biomüll in mehreren Gemeinden im Bereich der mitbeteiligten Partei. Bei der Angebotseröffnung am 12. September 2003 seien die sieben abgegebenen Anbote verlesen worden. Das Unternehmen W. habe zu einem Gesamtpreis von EUR 499.200,--, der weitere Bieter WSA zu einem Gesamtpreis von EUR 662.500,-- und die Beschwerdeführerin zu einem Gesamtpreis von EUR 743.000,-- angeboten. Der Preis der übrigen Angebote sei darüber gelegen. Mit Schreiben vom 6. Oktober 2003 habe der Mitbeteiligte der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass er beabsichtige, den Zuschlag dem Unternehmen W. zu erteilen.

Die Beschwerdeführerin habe den gegenständlichen Nachprüfungsantrag damit begründet, dass das Angebot des Unternehmens W. offensichtlich unterpreisig wäre. Die Zuschlagsentscheidung hätte daher nicht zu Gunsten dieses Unternehmens ausfallen dürfen. Der Angebotspreis des Unternehmens W. hätte schon auf den ersten Blick ungewöhnlich niedrig erscheinen müssen, würde er doch um etwa 25 % unter dem Preis des zweitgereihten Angebots liegen. Dennoch hätte der Mitbeteiligte keine ordnungsgemäße vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt. Das Angebot des Unternehmens W. wäre auszuscheiden gewesen. Das Angebot des zweitgereihten Bieters käme deshalb für die Zuschlagsentscheidung nicht in Betracht, weil dieser Bieter die geforderten Referenzleistungen nicht aufweisen hätte können.

Zur Klärung der offenen Fragen sei ein Amtsachverständiger beigezogen worden, der u.a. folgenden Befund aufgenommen habe: Der Prüfbericht der mitbeteiligten Partei sei von Ing. B., Mag. S. und Dipl. Ing. Dr. M. gefertigt. Dieser Prüfbericht enthalte einen als "vertiefte Angebotsprüfung" bezeichneten Prüfschritt. Als Ergebnis dieser vertieften Angebotsprüfung sei festgehalten, dass "die niedrigeren jetzt vorgelegten Angebotspreise ... plausibel und damit zu erklären (sind), dass nunmehr eine Synergie in Hinsicht auf die weitläufige Entsorgung im Verbandsgebiet gegen ist."

Weiters sei in diesem Prüfbericht festgehalten, dass weitere Aufklärungen seitens des Unternehmens W. nicht notwendig gewesen seien. Abschließend werde dem Mitbeteiligten vorgeschlagen, das Anbot des Unternehmens W. anzunehmen.

Auf dieser Grundlage habe der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2003 ein - im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegebenes - Gutachten erstattet. Danach hätten die Verfasser des Prüfberichts den gegenüber dem zweitgereihten Bieter um 24 % geringeren Preis des Angebots des Unternehmens W. zum Anlass für eine vertiefte Angebotsprüfung nach der ÖNORM A 2050 (deren Inhalt mit § 93 Abs. 4 BVergG ident sei) genommen. Für diese vertiefte Angebotsprüfung sei ein 32-seitiges Konvolut von Kalkulationsunterlagen des Unternehmens W. herangezogen worden. Weiters seien die Preise berücksichtigt worden, zu denen das Unternehmen W. bereits derzeit einzelne Gemeinden entsorge. Nach § 93 Abs. 4 BVergG komme es auf die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit an. Es sei also nur ausschlaggebend, ob ein Bieter gemessen an den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten kostendeckend kalkuliert habe. Die Personen, die die vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt und den Bericht darüber verfasst hätten, verfügten über den hiezu erforderlichen Sachverstand. Da den Prüfern ausreichende Kalkulationsgrundlagen des Unternehmens W. zur Verfügung gestanden seien, sei es nicht erforderlich gewesen, dieses Unternehmen zu einer weiteren Aufklärung aufzufordern.

Der Sachverständige beantwortete auf Grund dieser Überlegungen die erste von der belangten Behörde an ihn gerichtete Frage dahin, dass alle für eine vertiefte Angebotsprüfung im Sinn des § 93 Abs. 4 BVergG erforderlichen Informationen vorgelegen seien und von der mit der Angebotsprüfung beauftragten Stelle zur Entscheidungsfindung herangezogen worden seien.

Die Ausführungen des Sachverständigen zur zweiten Frage (Sind die Angaben und Unterlagen des Billigstbieters geeignet, die betriebswirtschaftliche Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit und damit die Angemessenheit seiner Preise beurteilen zu können, und wurden diese bei der Angebotsprüfung ordnungsgemäß berücksichtigt?) sind im angefochtenen Bescheid wie folgt wiedergegeben:

     "Das BVergG 2002 legt in § 93 Abs. 4 fest, dass bei der

vertieften Angebotsprüfung ‚insbesondere (geprüft werden kann), ob

     1. im Preis ... alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-

, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind ...

     2. der Einheitspreis ... für höherwertige Leistungen

grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringwertige Leistungen.'

Der Billigstbieter hat seinem Angebot ein 32-seitiges Konvolut von Kalkulationsunterlagen beigefügt, das unter anderem eine ausführliche Kalkulation für jede einzelne Gemeinde enthält. Darin sind unter Einbeziehung der

-

notwendigen Entleerungen/Jahr,

-

erwarteten Müllmengen in den einzelnen Fraktionen

-

erforderlichen Wegzeiten

-

Personalkosten

für jede Müllcontainerart die jeweils relevanten Kosten ermittelt. Diese Kosten werden je Containerart mit der gemeindespezifischen Vertragsdauer multipliziert und über das gesamte vertragsrelevante Gebiet addiert; aus einer Division durch die Gesamtzahl der Behälter ergibt sich in der Folge der (durchschnittliche) Einheitspreis.

Aus dem Angebot des Billigstbieters ist zu entnehmen, dass zwar in keinem Fall ein volumengrößerer Container billiger als ein kleinerer angeboten wird, in mehreren Fällen aber zum gleichen Preis (Pos. 1-3, 8 u. 9, 10 u. 11). Wie sich aus den Einzelkalkulationsblättern ableiten lässt bzw. in der Äußerung der Antragsgegnerin an einem Beispiel dargelegt wurde, ist neben dem Containervolumen - und damit den zu transportierenden Volumina - auch der mit der Entsorgung verbundene Zeit- und Personalaufwand von Relevanz. Dass dies - wie beim Billigstbieter - zu Preisgleichheit führen kann, wird nicht nur durch das Angebot der Antragstellerin (Pos. 1 u. 2, 10 u. 11) bestätigt, sondern auch durch den Umstand, dass bei allen Bietern derartige Übereinstimmungen bei einzelnen Positionen bestehen.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Angaben und Unterlagen des Billigstbieters geeignet sind, die betriebswirtschaftliche Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit und damit die Angemessenheit seiner Preise beurteilen zu können, und dass diese ordnungsgemäß bei der Bestbieterermittlung berücksichtigt wurden."

Die belangte Behörde könne keinen Grund erkennen, diesem schlüssigen und fachlich fundierten Gutachten nicht zu folgen. Aus diesem Grund sei der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung zu Gunsten des Unternehmens W. abzuweisen gewesen. Das Gleiche gelte für den Antrag auf Aufwandersatz.

Die Beschwerdeführerin stehe auf dem Standpunkt, dass nicht nur die Nachvollziehbarkeit der Angebotsprüfung durch den Auftraggeber wesentlich sei, sondern geprüft werden müsse, ob die Grundlage, auf der die Kalkulation der Preise beruhe, den Tatsachen entspreche. Dem sei entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe einer Kontrollinstanz im Nachprüfungsverfahren sein könne, die Kalkulation eines Unternehmens, das sich um einen öffentlichen Auftrag bewerbe, nachzuvollziehen bzw. nachzuprüfen. Im vorliegenden Fall sei - wie der Sachverständige ausgeführt habe - eine umfangreiche vertiefte Angebotsprüfung durch den Auftraggeber durchgeführt worden. Im Zug dieser Angebotsprüfung habe der Billigstbieter seinem Angebot ein 32-seitiges Konvolut von Kalkulationsunterlagen beigefügt. Diese Unterlagen hätten den Auftraggeber in die Lage versetzt, die betriebswirtschaftliche Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit und damit die Angemessenheit der angebotenen Preise zu beurteilen.

Vor diesem Hintergrund seien die weiteren Beweisanträge der Beschwerdeführerin wegen hinreichend ermittelten Sachverhalts abzuweisen gewesen.

Die weiteren Anträge der Beschwerdeführerin, die sich gegen Unterlassungen des Auftraggebers richteten, seien zurückzuweisen gewesen, weil lediglich ein positives Tun des Auftraggebers nichtig erklärt werden könne. Der Antrag auf Akteneinsicht in den gesamten Vergabeakt, insbesondere das Angebot des Unternehmens W., sowie in den gesamten Prüfakt des Auftraggebers sei gemäß § 17 Abs. 3 AVG abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten je eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde wendet sich ihrem gesamten Inhalt nach nur gegen die Abweisung der Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung, auf Gewährung von Akteneinsicht und auf Ersatz der Pauschalgebühr, nicht aber gegen die Zurückweisung der übrigen Anträge.

Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, der Beschwerdeführerin fehle das Rechtschutzbedürfnis, weil der Zuschlag bereits erteilt worden sei, und verweist dazu auf die ständige hg. Judikatur.

Dazu ist auszuführen, dass die angesprochene Judikatur (etwa die hg. Beschlüsse vom 12. Dezember 2001, Zl. 2000/04/0054, und vom 24. März 2004, Zl. 2001/04/0088, und das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2002/04/0049) zur Rechtslage vor dem Bundesvergabegesetz 2002 und den darin genannten Landesvergabekontrollgesetzen erging. Zur geltenden Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen im zum Kärntner Vergaberechtschutzgesetz ergangenen Erkenntnis vom 1. März 2004, Zl. 2004/04/0012, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass das Rechtschutzbedürfnis eines Beschwerdeführers, dessen Antrag sich im Nachprüfungsverfahren ursprünglich auf die Nichtigerklärung einer Entscheidung des Auftraggebers gerichtet hat, im Fall einer zwischenzeitigen Zuschlagserteilung weiter fortbesteht und auf Feststellung des im Nachprüfungsverfahren behaupteten Verstoßes durch die Vergabekontrollbehörde gerichtet ist. Diese Judikatur gilt auch für die Rechtslage nach dem Steiermärkischen Vergabe-Nachprüfungsgesetz (siehe § 9 Abs. 3 und § 15 Abs. 2 leg. cit.).

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass aus dem Prüfbericht nicht hervorgehe, ob die Preise des Unternehmens W. auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit geprüft worden seien. Eine solche Prüfung hätte sich auf jede wesentliche Position der ausgeschriebenen Leistung beziehen müssen. Eine derart detaillierte Prüfung gehe aus dem Bericht nicht hervor, sei von der belangten Behörde nicht festgestellt worden und ergebe sich auch nicht aus dem Sachverständigengutachten. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei es Aufgabe einer Nachprüfungsbehörde, nachzuprüfen, ob der Auftraggeber seinen im BVergG normierten Verpflichtungen voll inhaltlich nachgekommen sei. Dazu gehöre auch die Nachprüfung, ob der Auftraggeber die angebotenen Preise auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung ordnungsgemäß geprüft habe. Im Prüfbericht fehle jegliche Aussage des Auftraggebers dazu, wie Einzelpreise für die Entleerung von 90-, 120-, 140-, 240- und 360- Liter-Behältern zwischen EUR 0,99 und EUR 1,01 und somit de facto in der gleichen Höhe betriebswirtschaftlich erklärbar seien. Eine genauere Untersuchung des Angebots des Unternehmens W. hätte ergeben müssen, dass die angebotenen Preise weder plausibel seien, noch den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprächen. Der Preis des Unternehmens W. berücksichtige in keiner Weise, ob ein einfaches Müllsammelfahrzeug oder ein Spezialsammelfahrzeug verwendet werde. Auch die unterschiedliche Häufigkeit der Entleerung von Behältnissen verschiedener Größe habe im Angebotspreis keinen Niederschlag gefunden. Abgesehen davon sei in keiner Weise geprüft worden, warum die angebotenen Preise des Unternehmens W. von der dem Auftraggeber bekannten Marktlage so stark nach unter abwichen.

Die belangte Behörde habe keine bzw. nur undeutliche Feststellungen getroffen. Sie habe lediglich Befund und Gutachten des Sachverständigen wörtlich in den Bescheid aufgenommen, ohne darzulegen, welchen Sachverhalt sie ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde lege. Selbst unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen als behördliche Feststellungen würden die wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen fehlen. Das Sachverständigengutachten setze sich nämlich mit dem Kern des Nachprüfungsverfahrens, ob die in der Kalkulation des Billigstbieters enthaltenen Grundlagen betriebswirtschaftlich erklärbar seien, nicht auseinander. Aus der Aussage, dem Aufraggeber seien sämtliche erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestanden, ergebe sich noch nicht, dass der Auftraggeber eine ordnungsgemäße Kontrolle durchgeführt habe. Aus dem Prüfbericht lasse sich der Schluss ziehen, dass der Auftraggeber nicht geprüft habe, ob die Preise des Billigstbieters auch tatsächlich betriebwirtschaftlich erklärbar seien. Dazu fehlten Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Überdies sei die belangte Behörde auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht eingegangen, nach den Ausschreibungsunterlagen bestünden Zweifel, ob die interne Willensbildung bei der mitbeteiligten Partei den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben entspreche.

Zunächst sei ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin im Nachprüfungsantrag lediglich vorgebracht hat, es sei auf Grund der unklaren Angaben des Auftraggebers in den Ausschreibungsunterlagen "nicht auszuschließen", dass für die interne Willensbildung nicht alle notwendigen Beschlussvoraussetzungen vorgelegen seien. Dieses in keiner Weise konkretisierte Vorbringen verpflichtete die belangte Behörde nicht zur Durchführung bestimmter Ermittlungen; deren Fehlen stellt daher keinen Verfahrensmangel dar. Im Übrigen bestreitet die Beschwerdeführerin weder im Nachprüfungsantrag noch in der Beschwerde, dass die Ausschreibung durch die nach Außen vertretungsbefugten Organe des Mitbeteiligten durchgeführt wurde.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des BVergG haben folgenden Wortlaut:

"§ 91 (1) Die Prüfung der Angebote hat in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nach den in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Kriterien zu erfolgen.

(2) Im einzelnen ist zu prüfen

...

4. die Angemessenheit der Preise

...

§ 93 (1) Die Angemessenheit der Preise ist in Bezug auf die ausgeschriebene oder alternativ angebotene Leistung und unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen sie zu erbringen sein wird, zu prüfen.

(2) Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise ist von vergleichbaren Erfahrungswerten, von sonst vorliegenden Unterlagen und von den jeweils relevanten Marktverhältnissen auszugehen. Erscheint der Angebotspreis im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig, muss der Auftraggeber Aufklärung über die Positionen des Angebotes verlangen und gegebenenfalls gemäß Abs. 3 bis 5 vertieft prüfen.

(3) Soweit dies nach der Art des Auftrages möglich ist, sind Angebote, die für die Wahl des Zuschlages in Frage kommen, einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen, wenn sie auf Grund von vergleichbaren Erfahrungswerten

1. einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis aufweisen,

2. zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen gemäß § 67 Abs. 4 aufweisen, oder

3. nach Prüfung gemäß Abs. 2 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen entstehe lassen.

(4) Bei einer vertieften Angebotsprüfung ist zu prüfen, ob die Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Geprüft werden kann insbesondere, ob

1. im Preis aller wesentlichen Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze nachvollziehbar sind;

2. der Einheitspreis (Pauschalpreis, Regiepreis) für höherwertige Leistungen grundsätzlich höher angeboten wurde als für geringwertige Leistungen;

3. die gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 geforderte Aufgliederung der Preise oder des Gesamtpreises (insbesondere der Lohnanteile) aus der Erfahrung erklärbar ist.

(5) Werden im Zuge der vertieften Angebotsprüfung in einem Angebot Mängel bei der Kalkulation festgestellt, so ist vom Bieter eine verbindliche schriftliche - bei minder bedeutsamen Unklarheiten auch mündliche oder telefonische - Aufklärung zu verlangen. Hiefür ist ihm eine angemessene Frist einzuräumen. Die anschließende Prüfung hat unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterung zu erfolgen. Der Auftraggeber hat Erläuterungen im Bezug auf die Wirtschaftlichkeit des gewählten Fertigungs- oder Bauverfahrens bzw. der Dienstleistung, die gewählten technischen Lösungen, außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Erbringung der Leistung verfügt, oder die Originalität der Leistung des Bieters bei der Überprüfung entsprechend zu berücksichtigen. Die vom Bieter erteilten Auskünfte sind der Niederschrift über die Prüfung der Angebote beizuschließen.

...

§ 98 Vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagentscheidung

hat die vergebende Stelle auf Grund des Ergebnisses der Prüfung

die folgenden Angebote auszuscheiden:

...

3. Angebote, die eine - gegebenenfalls durch eine vertiefte Angebotsprüfung festgestellte - nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises (zB spekulative Preisgestaltung) aufweisen;

..."

Aus dem Akteninhalt und den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Sachverhaltsgrundlagen des Sachverständigengutachtens, die von der belangten Behörde erkennbar als ihre Feststellungen übernommen worden sind, ergibt sich, dass das Unternehmen W. einen um 24 % günstigeren Gesamtpreis angeboten hat als der zweitgereihte Bieter. Dieser Abstand zum nächstgereihten Bieter - und damit der im Verhältnis ungewöhnlich niedrige Gesamtpreis - wurde von der mitbeteiligten Partei zum Anlass für eine vertiefte Prüfung des Angebots genommen. Für diese vertiefte Angebotsprüfung stand ein 32- seitiges Konvolut von Kalkulationsgrundlagen des Unternehmen W. zur Verfügung. Im Prüfbericht wird über die vertiefte Angebotsprüfung folgendes festgehalten:

"3.2.4 Anführungen zu hoher oder zu niedriger Einheitspreise mit mögl. Auswirkungen - Vertiefte Anbotsprüfung lt. ÖNORM A 2050, i. d.g.F.

Auf Grund des Abstandes zwischen Billigst- und Zweitbieter von rund 24 % wurde das vorliegende Angebot der Fa. W. vertieft geprüft.

Dabei wurden nicht nur die mit dem Angebot vorgelegten Kalkulationsblätter nachvollzogen sondern auch stichprobenartig jene Preise überprüft, zu welchen die Fa. W. bereits jetzt einzelne Gemeinden im Verbandsgebiet entsorgt.

Die Gegenüberstellung im Fall der Gemeinde Altenmarkt ergibt:

Behältnis

Aktueller Preis

Angebotspreis

90 l

1,02 EUR

0,99 EUR

770 l

8,14 EUR

6,60 EUR

1.100 l

12,21 EUR

7,70 EUR

Zu berücksichtigen ist, dass die Fa. W. derzeit nur in einem kleinen Teil des Verbandgebietes tätig ist.

Die niedrigeren, jetzt vorgelegten Angebotspreise sind plausibel und damit zu erklären, dass nunmehr eine Synergie in Hinsicht auf die weitläufige Entsorgung im Verbandgebiet gegeben ist.

Dies schlägt sich vor allem bei den größeren Behältern nieder, da es in diesen Fällen zukünftig sichergestellt sein wird, dass die Kapazität der Müllfahrzeuge zur Gänze genutzt werden kann.

3.2.5 Aufklärung von Unklarheiten.

Nicht notwendig."

Der Prüfbericht, in dem die Zuschlagerteilung an das Unternehmen W. vorgeschlagen wird, ist somit zum Ergebnis gekommen, dass die vom Unternehmen W. angebotenen Preise im Sinn von § 93 Abs. 4 BVergG betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses war von der belangten Behörde über den diese Frage aufwerfenden Antrag auf Nichtigerklärung der darauf basierenden Zuschlagsentscheidung zu prüfen. Wäre nämlich der ungewöhnlich niedrige Angebotspreis nicht betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar, so hätte die vertiefte Angebotsprüfung zum Ergebnis führen müssen, dass der Gesamtpreis nicht plausibel zusammengesetzt ist, was gemäß § 98 Z. 3 BVergG zum Ausscheiden des Angebots hätte führen müssen.

Im Rahmen des Vergabekontrollverfahrens ist also in einem Fall wie dem vorliegenden von der Behörde nicht nur zu prüfen, ob die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist, vielmehr ist von der Behörde - ebenso wie vom Aufraggeber bei der vertieften Angebotsprüfung - unter Berücksichtigung der auch dem Auftraggeber zur Verfügung gestandenen Unterlagen die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit zu prüfen, wobei im Einzelnen die in den Z. 1 bis 3 des § 93 Abs. 4 BVergG genannten Kriterien maßgeblich sind. Da es sich hiebei um eine Plausibilitätsprüfung handelt (vgl. § 98 Z. 3 BVergG), muss zweifellos nicht die gesamte Kalkulation des Bieter minutiös nachvollzogen, sondern nur - grob - geprüft werden, ob ein seriöser Unternehmer die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.

Nach dem Gutachten des Amtsachverständigen wurde die vertiefte Angebotsprüfung von sachkundigen Personen durchgeführt. Es standen dafür Unterlagen zur Verfügung, die geeignet sind, die betriebswirtschaftliche Angemessenheit der Preise beurteilen zu können. Zur - wie dargestellt - relevanten Frage, ob die vertiefte Angebotsprüfung zu Recht zu dem Ergebnis geführt hat, die angebotenen Preise seien betriebswirtschaftlich erklär-- und nachvollziehbar, enthält das Gutachten hingegen keine Aussage. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, ob die angebotene Leistung mit dem vom Bieter angenommenen Personal- und Sachaufwand zu bewältigen ist, und ob die Kosten für diesen Aufwand realistisch angenommen worden sind. Der Sachverständige hat vielmehr bei der mündlichen Verhandlung ausdrücklich ausgeführt, die Kalkulationsunterlagen des Unternehmens W. nicht inhaltlich überprüft zu haben.

Die belangte Behörde vertrat in Verkennung der dargestellten Rechtslage die Ansicht, sie sei nicht verpflichtet, die Kalkulation eines Bieters nachzuprüfen; es genüge zu prüfen, ob der Auftraggeber eine vertiefte Angebotsprüfung durchgeführt habe und ihm hiefür ausreichende Unterlagen zu Verfügung gestanden seien. Im Hinblick auf diese unrichtige Rechtsansicht unterließ sie weitere Ermittlungen und Feststellungen zur Frage der Plausibilität der vom Unternehmen W. angebotenen Preise.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit damit der Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung abgewiesen wurde, sowie im Ausspruch über den Aufwandersatz gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht, insbesondere in das Angebot des Unternehmens W. hat die belangte Behörde mit einem Hinweis auf § 17 Abs. 3 AVG, also sachbezogen wegen der durch die Akteneinsicht zu befürchtenden Schädigung von Interessen des Unternehmens W., abgewiesen. Da die Beschwerde gegen diese Begründung kein konkretes Vorbringen enthält, war sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 15. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004040032.X00

Im RIS seit

25.10.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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