TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 W283 2234246-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch


W283 2234246-5/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Stefanie OMENITSCH als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1117556802/200359834 über die weitere Anhaltung von XXXX , alias XXXX auch XXXX , alias XXXX , geb. am XXXX , alias XXXX , alias XXXX StA. AFGHANISTAN, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG iVm § 76 FPG iVm § 80 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans. Er stellte am 29.05.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn. Am 04.06.2016 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieses Verfahren wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2019 rechtskräftig negativ beendet. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine aufenthaltsbeendende Maßnahme und ein Einreiseverbot.

2. Der Beschwerdeführer wurde zwei Mal rechtskräftig von einem Strafgericht in Österreich verurteilt.

3. Trotz seiner bestehenden Ausreiseverpflichtung nach Afghanistan reiste der Beschwerdeführer unrechtmäßig nach Deutschland weiter und stellte dort unter falscher Identität einen Antrag auf internationalen Schutz. Eine Rücküberstellung nach Österreich scheiterte daran, dass der Beschwerdeführer in Deutschland ebenfalls untertauchte.

4. Am 10.09.2019 stellte der Beschwerdeführer in der Schweiz unter falscher Identität einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Am 05.12.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Zuständigkeit Österreichs gemäß der Dublin-III Verordnung aus der Schweiz nach Österreich rücküberstellt. Am 05.12.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Asylfolgeantrag).

5. Der Beschwerdeführer befand sich von 05.12.2019 bis 30.04.2020 in Untersuchungshaft bzw. Strafhaft.

6. Mit Bescheid vom 29.04.2020 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an. Dieser Bescheid wurde nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft am 30.04.2020 in Vollzug gesetzt und der Beschwerdeführer wird seither in Schubhaft angehalten.

7. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes vom 27.05.2020 wurde der dem Beschwerdeführer gemäß § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2020 wurde festgestellt, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig gewesen ist.

8. Am 20.10.2020 wurde der Beschwerdeführer über die Dauer der Schubhaft gemäß § 80 Abs. 7 FPG in Kenntnis gesetzt.

9. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2020, vom 18.09.2020, vom 15.10.2020 sowie zuletzt vom 12.11.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

10. Am 27.11.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vor und erstattete eine Stellungnahme. Vom Bundesamt wurde neben dem Hinweis auf die massive Straffälligkeit des Beschwerdeführers und auf sein Untertauchen trotz Rückkehrverpflichtung ausgeführt, dass ein gültiger Reisepass des Beschwerdeführers beim Bundesamt aufliege. Die Abschiebung des Beschwerdeführers sei von 04.06.2020 bis dato aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht durchführbar gewesen. Der Beschwerdeführer sei für eine Charterabschiebung Mitte Dezember 2020 gebucht. Eine freiwillige Rückkehr sei jedoch jederzeit möglich.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit 30.04.2020, somit länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft. Es ist gemäß § 22a Abs 4 BFA-VG daher die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu prüfen und festzustellen, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt länger als sechs Monate in Schubhaft. Es ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 FPG vorliegen. Zudem ist zu überprüfen, ob das Bundesamt der Verständigungspflicht des § 80 Abs. 7 FPG nachgekommen ist.

Die letzte gerichtliche Haftüberprüfung erfolgte mit Erkenntnis vom 11.11.2020, zugestellt am Donnerstag, 12.11.2020. Die vierwöchige Frist zur Überprüfung endet daher am Donnerstag, 10.12.2020.

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger von Afghanistan. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der Beschwerdeführer ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter (W276 2215770-1/12E; W117 2215770-2/3E).

1.1.2. Der Beschwerdeführer wird seit 30.04.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet am 10.12.2020. Bereits am 30.10.2020 wurde der Beschwerdeführer sechs Monate in Schubhaft angehalten (Anhaltedatei; W154 2234246-4: OZ 3).

1.1.4. Der Beschwerdeführer ist in gutem Allgemeinzustand und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu medizinischer Versorgung (Anhaltedatei; Krankenkartei; Befund und Gutachten der Amtsärztin vom 25.08.2020).

1.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

1.2.1. Mit Erkenntnis vom 15.04.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen die Abweisung des ersten Antrages auf internationalen Schutz und die Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit der Abschiebung sowie das Einreiseverbot als unbegründet ab und gewährte eine 14tägige Frist für die freiwillige Ausreise (W276 2215770-1/12E).

1.2.2. Nach dem negativen Ausgang des ersten Asylverfahrens wies der Beschwerdeführer im Zeitraum von 22.05.2019 bis 04.12.2019 keine behördliche Meldung im Bundesgebiet auf (Zentrales Melderegister). Am 08.06.2019 stellte der Beschwerdeführer in Deutschland unter Angabe anderer Identitätsdaten einen weiteren Asylantrag. Der Beschwerdeführer tauchte auch in Deutschland unter und stellte am 07.09.2019 in der Schweiz einen weiteren Asylantrag (Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister).

Der Beschwerdeführer wurde am 05.12.2019 aufgrund der Dublin-III Verordnung aus der Schweiz aufgrund der vorliegenden Zuständigkeit Österreichs rücküberstellt. Der Beschwerdeführer hat sich durch seine Weiterreise nach Deutschland und in die Schweiz seiner Abschiebung entzogen, als der Beschwerdeführer von 22.05.2019 bis 04.12.2019 in Österreich ohne behördliche Meldung war und unrechtmäßig nach Deutschland bzw. in die Schweiz weitergereist war (Zentrales Melderegister).

1.2.3. Am 05.12.2019 wurde der Beschwerdeführer in eine Justizanstalt eingeliefert, am 30.04.2020 wurde er aus der Strafhaft entlassen (Zentrales Melderegister; Schubhaftbescheid S. 7).

1.2.4. Mit Bescheid vom 29.04.2020, ordnete das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme an (Zustellnachweis und Schubhaftbescheid). Er wird seit seiner Entlassung aus der Strafhaft am 30.04.2020 in Schubhaft angehalten (Anhaltedatei). Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.06.2020 wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes als rechtmäßig festgestellt (W117 2215770-2/3E). Es liegt eine durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer vor.

1.2.5. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über Familienangehörige. Seine geschiedene Exfrau lebt in Österreich, ebenso die Kinder sowie die Stiefmutter und Halbbrüder des Beschwerdeführers. Es besteht kein persönlicher Kontakt zu den Familienangehörigen. Der Beschwerdeführer ging in Österreich bisher keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, verfügt über kein Vermögen und keinen eigenen gesicherten Wohnsitz (Anhaltedatei; Melderegister).

1.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

1.3.1. Gegen den Beschwerdeführer wurde am 18.04.2017 aufgrund des Verdachts der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung gegen seine damalige Ehefrau ein Betretungsverbot gemäß § 38a Sicherheitspolizeigesetz für den früheren Wohnort seiner Ehefrau und seiner Kinder ausgesprochen. Mit Beschluss eines Bezirksgerichts wurde am 10.05.2017 eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach der Beschwerdeführer für die Dauer eines Jahres verboten wurde die Wohnung seiner damaligen Ehefrau und die Volksschule seiner Kinder zu betreten und das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme zu vermeiden (OZ 3).

1.3.2. Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

1.3.2.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes als Schöffengericht vom 31.10.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) wegen der Zufügung eines Traumas der Epiphyse eines Fingers an der linken Hand seiner zum Tatzeitpunkt minderjährigen Tochter, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde unter der Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Bei der Strafbemessung wurde die bisherige Unbescholtenheit sowie die objektiv tatsachengeständige Verantwortung des Beschwerdeführers ins Kalkül gezogen. Erschwerungsgründe kamen nicht hervor (OZ 3).

1.3.2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes als Schöffengericht vom 07.01.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 207 Abs. 1 StGB) und des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Dieser Verurteilung liegen Tathandlungen am 26.07.2018 zugrunde, wonach der Beschwerdeführer an einer zum Tatzeitpunkt unmündigen Minderjährigen geschlechtliche Handlungen vorgenommen hat, indem er das Opfer mit einer Hand an einem ihrer Handgelenke packte, sie gewaltsam an sich zog und mit der anderen Hand sein Opfer an ihrer Brust, in ihrem Genitalbereich und an ihrem Gesäß intensiv betastete. Durch diese Tathandlung hat er das unmündige minderjährige Opfer mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt.

Mildernd waren bei der Strafbemessung keine Umstände zu berücksichtigen, erschwerend das Zusammenkommen von zwei Verbrechen, die einschlägige Vorverurteilung und die Tatbegehung während der offenen Probezeit. Eine Diversion standen fallbezogenen spezialpräventive Überlegungen entgegen, weil der Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht oder eine partielle Verantwortungsübernahme gezeigt hat und der Angeklagte bereits mehrfach oder kurz zurückliegend einschlägig kriminell in Erscheinung getreten war.

Mit Beschluss wurde vom Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen die Probezeit zu diesem Urteil vom 31.10.2017 jedoch auf fünf Jahre verlängert (W115 2234246-1).

Am 30.04.2020 wurde der Beschwerdeführer vorzeitig aus der Strafhaft entlassen (Schubhaftbescheid vom 29.03.2020, S. 7).

1.3.3. Am 20.10.2020 wurde der Beschwerdeführer in der Sprache Dari im Rahmen einer Einvernahme davon in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer nur deshalb nicht abgeschoben werden könne, weil er sich dem Verfahren entzogen habe. Dieser Umstand sei alleine seinem Verhalten zuzurechnen, weshalb die Dauer der Schubhaft auf die von Gesetzes wegen maximal zulässige Dauer von 18 Monaten ausgedehnt werde (OZ 4).

1.3.4. Ein gültiger Reisepass des Beschwerdeführers liegt beim Bundesamt auf (Stellungnahme vom 27.11.2020, S. 3). Eine Abschiebung des Beschwerdeführers war im Zeitraum von 30.04.2020 bis 03.06.2020 aufgrund des ihm zukommenden faktischen Abschiebeschutzes nicht durchführbar. Seit 04.06.2020 war die Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund der Einschränkungen des Flugverkehrs nach Afghanistan aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht möglich (Stellungnahme vom 27.11.2020, S. 3 ff).

Es ist davon auszugehen, dass die Wiederaufnahme der Flugabschiebungen nach Afghanistan Mitte Dezember 2020 erfolgen wird. Der Beschwerdeführer ist für diese Flugabschiebung vorgesehen. Das erkennende Gericht geht im Entscheidungszeitpunkt davon aus, dass eine Flugabschiebung des Beschwerdeführers Mitte Dezember 2020 wahrscheinlich ist (Stellungnahme vom 27.11.2020, S. 3 ff).

1.3.5. Bei einer Entlassung aus der Schubhaft wird der Beschwerdeführer untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten, um sich seiner unmittelbar bevorstehenden Abschiebung zu entziehen. Der Beschwerdeführer stellte bisher keinen Antrag auf freiwillige Rückkehr. Der Beschwerdeführer wird auch nicht freiwillig ausreisen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asylverfahren sowie das Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend. Er ergibt sich ebenfalls aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.11.2020 und 07.12.2020, sowie den zitierten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes in den Asylverfahren, und wurde bis dato nicht bestritten.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1.1. Aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.11.2020 ergibt sich, dass ein gültiger Reisepass des Beschwerdeführers vorliegt, weshalb seine Staatsangehörigkeit feststeht. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des Beschwerdeführers. Da das Asylverfahren in Österreich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2019 rechtskräftig negativ abgeschlossen wurde, ist der Beschwerdeführer weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Auch hinsichtlich des Folgeantrages erfolgte keine Statusgewährung (W276 2215770-1/12E; W117 2215770-2/3E).

2.1.2. Dass der Beschwerdeführer seit 30.04.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres. Da die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zuletzt am 12.11.2020 gerichtlich überprüft wurde, endet die Frist zur neuerlichen Überprüfung am 10.12.2020 (W154 2234246-4: OZ 3).

2.1.3. Aus dem Akt ergeben sich keine Indizien für eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers. Dass er Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft. Dazu wurde insbesondere auf Befund und Gutachten der Amtsärztin vom 25.08.2020 und die Krankenkartei rekurriert.

2.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.2.1. Dass das erste Asylverfahren des Beschwerdeführers mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2019 rechtskräftig abgeschlossen wurde sowie der Verfahrensausgang, war aufgrund der Einsichtnahme in den Gerichtsakt festzustellen (W276 2215770-1/12E).

2.2.2. Die Feststellungen zum Untertauchen des Beschwerdeführers nach negativem Ausgang seines ersten Asylverfahrens waren aufgrund der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister zu treffen. Die Feststellungen zur Asylantragstellung in Deutschland und der Schweiz fußen aufgrund der Eintragungen im Fremdenregister. Dass der Beschwerdeführer bei der Asylantragstellung in Deutschland andere Identitätsdaten angegeben hat und auch in Deutschland untergetaucht ist, ergibt sich aufgrund des Akteninhaltes, insbesondere aufgrund des Schubhaftbescheides vom 29.03.2020.

Dass der Beschwerdeführer von der Schweiz rücküberstellt wurde fußt auf dem Akteninhalt. Die Feststellung zum Entziehen des Beschwerdeführers vor seiner Abschiebung und seine unrechtmäßige Weiterreise, ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister und dem Akteninhalt.

2.2.3. Dass der Beschwerdeführer am 05.12.2019 in eine Justizanstalt eingeliefert wurde, ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Schubhaftbescheid und den Eintragungen im Melderegister.

2.2.4. Die Feststellungen zur erlassenen Schubhaft und dem Zeitpunkt der Anhaltung in Schubhaft ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Schubhaftbescheid und dem Zustellnachweis sowie der Einsicht in die Anhaltedatei. Die Feststellungen zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gründen auf dem Gerichtsakt (W117 2215770-2/3E). Dass eine durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer vorliegt ergibt sich aufgrund der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes.

2.2.5. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären, sozialen und beruflichen Anknüpfungspunkten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über kein Vermögen verfügt, ergibt sich aufgrund der Einsicht in die Anhaltedatei. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über einen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt, liegen nicht vor, insbesondere verfügte er zuletzt am 21.05.2019 über eine Meldeadresse in Österreich und verfügt seither über keine Meldeadresse außerhalb einer Justizanstalt bzw. eines Polizeianhaltezentrums.

2.3. Zur Verhältnismäßigkeit und Dauer der Schubhaft

2.3.1. Die Feststellungen zum Betretungsverbot und der einstweiligen Verfügung waren aufgrund des Akteninhalts, insbesondere aufgrund des im Akt aufliegenden Gerichtsbeschlusses festzustellen (OZ 3).

2.3.2.Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie in die aufliegenden Urteilsausfertigungen (OZ 3 und W115 2234246-1). Dass der Beschwerdeführer am 30.04.2020 vorzeitig aus der Strafhaft entlassen wurde, ergibt sich insbesondere aufgrund des Schubhaftbescheides vom 29.03.2020 (S. 7).

2.3.3. Dass der Beschwerdeführer am 20.10.2020 in der Sprache Dari in einer Einvernahme vom Bundesamt darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass er bisher alleine wegen seines Verhaltens nicht abgeschoben wurde, weil er sich dem Verfahren entzogen habe und die Schubhafthöchstdauer daher 18 Monate betrage, war aufgrund der im Akt aufliegenden Niederschrift festzustellen (OZ 4).

2.3.4. Dass ein gültiger Reisepass für den Beschwerdeführer beim Bundesamt aufliegt, war aufgrund der Stellungnahme vom 27.11.2020 festzustellen (S. 3). Dass die Abschiebung des Beschwerdeführers im Zeitraum von 30.04.2020 bis 03.06.2020 aufgrund des ihm zukommenden faktischen Abschiebeschutzes nicht durchführbar war, ergibt sich aufgrund des Akteninhalts. Dass seit 04.06.2020 die Abschiebung des Beschwerdeführers aufgrund der Einschränkungen im Flugverkehr aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht möglich war, ergibt sich aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.11.2020 (S. 3 f).

Das erkennende Gericht geht im Entscheidungszeitpunkt aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.11.2020 und vom 07.12.2020 davon aus, dass eine Flugabschiebung des Beschwerdeführers Mitte Dezember 2020 wahrscheinlich ist, zumal es bereits eine Charterplanung gibt. Dass der Beschwerdeführer für diesen Charterabschiebungstermin geplant ist, ergibt sich aufgrund der Stellungnahme des Bundesamtes vom 27.11.2020.

2.3.5. Dass der Beschwerdeführer bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen wird und sich vor den Behörden verborgen halten wird, um sich seiner Abschiebung zu entziehen, war aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers festzustellen. Bereits nach dem negativen Ausgang des ersten Asylverfahrens im Jahr 2019 verließ der Beschwerdeführer unrechtmäßig das Bundesgebiet und reiste unrechtmäßig nach Deutschland und in die Schweiz. Aufgrund dieses Verhaltens, geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund der kurz bevorstehenden Abschiebung untertauchen wird, um sich seiner Abschiebung zu entziehen. Dass der Beschwerdeführer bisher keinen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt hat und auch nicht freiwillig ausreisen wird, ergibt sich aufgrund des Akteninhaltes und dem Vorverhalten des Beschwerdeführers.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zu Spruchteil A. – kein Fortsetzungsausspruch

3.1. Maßgebliche Rechtslage

3.1.1. § 80 des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet auszugsweise:

„Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

…“

3.1.2. Art 2 und Art 15 Rückführungsrichtlinie lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

„Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf. 

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:
a.         mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,
b.         Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

…“

3.1.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung aus, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH vom 11.06.2013, 2013/21/0024).

Wird die Aufrechterhaltung einer - wegen Wegfalls des bisherigen Tatbestandes eigentlich zu beendenden - Schubhaft aber auf einen anderen Grund gestützt, muss es dem Betroffenen möglich sein, die Annahme des Vorliegens des neuen Schubhafttatbestandes mit Beschwerde effektiv zu bekämpfen. Das setzt eine entsprechende Kenntnis vom Austausch des Schubhaftgrundes voraus, sodass die Behörde gegenüber dem Fremden insoweit eine Informationspflicht trifft (Hinweis E VfGH 23. Juni 1994, B 2019/93, VfSlg 13806; Urteil OGH 29. Juli 2005, 14 Os 76/05s). In dieser Konstellation ist daher eine unverzügliche schriftliche Verständigung des Angehaltenen vorzunehmen, wie sie in § 80 Abs 7 FrPolG 2005 vorgesehen ist. Um dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art 5 Abs 2 MRK bzw. des Art 4 Abs 6 PersFrSchG 1988 Rechnung zu tragen, wonach jeder Festgenommene in möglichst kurzer Frist und in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme unterrichtet werden muss (Hinweis Urteil EGMR 2. Oktober 2008, Appl Nr 34082/02, Rusu gg. Österreich), muss diese Information in einer dem Schubhäftling verständlichen Sprache erfolgen. Nur durch eine solche schriftliche Verständigung wird der Rechtsschutz für den Betroffenen ausreichend gewahrt, wird er doch erst dadurch in die Lage versetzt, die angenommenen Voraussetzungen für die weitere Anhaltung mit einer Schubhaftbeschwerde wirksam zu bekämpfen (VwGH vom 18.12.2008, 2008/21/0582).

3.1.3. Dauer der Schubhaft

Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer noch vor dem Hintergrund der zulässigen Dauer einer Anhaltung in Schubhaft angehalten werden darf und allenfalls in weiterer Folge, ob eine Abschiebung des Beschwerdeführers noch innerhalb der noch zur Verfügung stehenden, zulässigen Dauer der Schubhaft bewerkstelligt werden kann.

Die Anhaltung der Dauer in Schubhaft ist in § 80 FPG geregelt. § 80 FPG sieht in Abs. 2 eine grundsätzliche Anhaltung in Schubhaft von bis zu drei oder sechs Monaten vor. Gemäß Abs. 5 kann die Dauer der Schubhaft auf 10 Monate, und gemäß Abs. 4 auf 18 Monate – bei Vorliegen aller Voraussetzungen – verlängert werden.

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft verlängert werden, wenn zumindest eine der in den Z 1 bis 4 genannten zusätzlichen Voraussetzungen erfüllt ist.

3.1.4. Aus den erläuternden Bemerkungen zu § 80 FPG (RV 1523 BlgNR XXV. GP 2, Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) ergibt sich:

„Schließlich wird durch die Änderung des § 80 FPG einerseits die Regelung der höchstzulässigen Dauer der Schubhaft den Vorgaben des Unionsrechts auf Grund der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. Nr. L 348 vom 24.12.2008 S. 98 (im Folgenden: „Rückführungs-RL“) angepasst.“

Mit § 80 FPG wird die Bestimmung des Art. 15 Rückführungs-RL umgesetzt. Ist eine Anhaltung des Fremden in Schubhaft über die übliche Dauer gemäß § 80 Abs. 2 FPG vorgesehen und fällt daher die Überprüfung einer Anhaltung in Schubhaft in den Anwendungsbereich der Rückführungs-RL, ist die innerstaatliche Bestimmung des § 80 FPG richtlinienkonform auszulegen.

Beim Beschwerdeführer handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 1 Rückführungs-RL um einen Drittstaatsangehörigen, der sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates aufhält. Die Rückführungs-RL ist im gegenständlichen Fall daher anwendbar und die Bestimmung des § 80 FPG daher im Sinne der Rückführungs-RL auszulegen.

3.1.5. Die Anhaltung in Schubhaft darf gemäß § 80 Abs. 2 FPG grundsätzlich die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Dies steht im Einklang mit Art. 15 Abs. 5 der Rückführungs-RL.

Im gegenständlichen Fall wird der Beschwerdeführer seit 30.04.2020 in Schubhaft angehalten, sodass eine Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb von sechs Monaten, sohin bis zum 30.10.2020 hätte durchgeführt werden müssen.

3.1.6. Zu prüfen ist daher, ob in der vorliegenden Konstellation aufgrund der Bestimmungen des § 80 Abs. 4 FPG iVm Art. 15 Rückführungs-RL von einer Schubhaftdauer von bis zu 18 Monaten auszugehen ist.

Das Bundesamt hat den Beschwerdeführer am 20.10.2020 gemäß § 80 Abs. 7 FPG davon in Kenntnis gesetzt, dass die weitere Anhaltung aufgrund des Vorliegens des § 80 Abs. 4 FPG erfolgt. Der Beschwerdeführer könne „nur deshalb nicht abgeschoben werden“, weil er sich „dem Verfahren entzogen“ habe. Dieser Umstand sei allein „seinem Verhalten zuzurechnen“ und werde „die Dauer der Schubhaft gemäß § 80 Abs. 4 FPG auf die von Gesetzes wegen maximal zulässige Dauer von 18 Monaten ausgedehnt.“ Ein Informationsblatt über die Verlängerung der Schubhaft gemäß § 80 Abs. 7 FPG wurde ausgefolgt.

3.1.7. Der Vollständigkeit halber wird angeführt, dass hinsichtlich des Beschwerdeführers beim Bundesamt ein gültiger Reisepass aufliegt und daher § 80 Abs. 4 Z 1 FPG unstrittig nicht vorliegt. Aus dem Akteninhalt ergeben sich auch keinerlei Hinweise, dass der Beschwerdeführer die Abschiebung dadurch vereitelt habe, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt habe, weshalb auch § 80 Abs. 4 Z 3 leg. cit. nicht vorliegt.

3.1.7. Der Vollständigkeit halber wird ebenfalls angeführt, dass ein Drittstaatsangehöriger gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden kann, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. b der Rückführungs-RL umgesetzt. Gemäß Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL kann die höchstmögliche Dauer der Anhaltung in Schubhaft um weitere 12 Monate in Fällen verlängert werden, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch einen Drittstaat, wahrscheinlich länger dauern werden.

Während § 80 Abs. 4 Z 2 FPG darauf abstellt, dass für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligungen eines anderen Staates nicht vorliegen, stellt Art. 15 Abs. 6 lit. b Rückführungs-RL darauf ab, dass es trotz angemessener Bemühungen zu einer Verzögerung der Übermittlung dieser Unterlagen durch den Drittstaat kommt. Der Anwendungsbereich der Rückführungs-RL ist daher enger gefasst, als in der Umsetzung des § 80 Abs. 4 Z 2 FPG. Es ist daher die nationale Bestimmung im Sinne der Rückführungs-RL enger auszulegen.

Im gegenständlichen Fall konnte vom Bundesamt bisher aufgrund der Aussetzung der Abschiebeflüge nach Afghanistan aufgrund von Covid-19 noch kein Flug gebucht und durchgeführt werden. Die Verzögerung der Abschiebung beruht darauf, dass bisher die Abschiebeflüge nach Afghanistan aufgrund von Covid-19 ausgesetzt wurden. Die Aussetzung der Abschiebeflüge ist aber keine Verzögerung bei der Übermittlung von erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten und kann als solche auch nicht interpretiert werden. Es kommt nämlich im vorliegenden Fall nicht auf eine Verzögerung bei der Übermittlung von Unterlagen – auch nicht im weitesten Sinn – an, sondern auf die Aussetzung der Abschiebeflüge nach Afghanistan bzw. auf die Aussetzung der Abschiebungen durch die afghanischen Behörden aufgrund der Covid-19 Pandemie.

Es liegt hier daher kein Fall vor, in dem eine Abschiebemaßnahme aufgrund einer Verzögerung bei der Übermittlung von Unterlagen eines Drittstaates nicht durchgeführt werden kann.

Die Anhaltung in Schubhaft über sechs Monate kann daher im gegenständlichen Fall nicht auf eine 18-monatige Schubhaftdauer gemäß § 80 Abs. 4 Z 2 FPG gestützt werden.

3.1.8. Zu prüfen ist daher das Vorliegen der vom Bundesamt der Anhaltung über 6 Monate zugrunde gelegte Vorliegen der Voraussetzung des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG:

Gemäß § 80 Abs. 4 Z 4 FPG kann ein Drittstaatsangehöriger bis zu 18 Monate in Schubhaft angehalten werden, wenn er bisher deshalb nicht abgeschoben werden konnte, weil die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint. Mit dieser Bestimmung wird Art. 15 Abs. 6 lit. a der Rückführungs-RL umgesetzt, wonach sich in den Fällen, in denen Abschiebungsmaßnahmen trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen wahrscheinlich länger dauern werden, die höchstmögliche Schubhaftdauer um weitere 12 Monate verlängert.

§ 80 Abs. 4 Z 4 FPG stellt auf eine Gefährdung der Abschiebung ab, die sich daraus ergeben kann, dass sich der Fremde bereits einmal dem Verfahren entzogen hat oder er ein Abschiebehindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat. Art. 15 Abs. 6 lit a der Rückführungs-RL stellt darauf ab, dass sich eine Abschiebung aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers verzögert. Nach der Rückführungs-RL muss die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Drittstaatsangehörigen daher kausal für die Verzögerung von Abschiebungsmaßnahmen sein, sodass auch § 80 Abs. 4 Z 4 FPG diesbezüglich im Sinn von Art 15 Rückführungs-RL auszulegen ist.

Dem Bundesamt ist hier entgegen zu halten, dass das Verhalten des Beschwerdeführers jedenfalls seit 04.06.2020 nicht kausal für das Abschiebehindernis ist. Die Abschiebung konnte innerhalb von 6 Monaten bisher nicht stattfinden, da aufgrund der Covid-19 Maßnahmen keine Abschiebeflüge nach Afghanistan stattgefunden haben. Die Covid-19 Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen und die Aussetzung der Abschiebeflüge durch die afghanische Regierung waren daher kausal für die bisherige Verhinderung der Abschiebung.

Dem Bundesamt ist zwar beizupflichten, dass sich der Beschwerdeführer im Jahr 2019 einer drohenden Abschiebung durch unrechtmäßige Weiterreise und Asylantragstellung in Deutschland und der Schweiz entzogen hat. Dem Bundesamt ist aber entgegen zu halten, dass insbesondere das Untertauchen des Beschwerdeführers im Jahr 2019 in keinem adäquaten Kausalzusammenhang mit der jetzigen Schubhaft steht. Auch die Stellung von Asylfolgeanträgen in Deutschland und der Schweiz, waren aufgrund der zwischenzeitigen Strafhaft des Beschwerdeführers nicht kausal für die Dauer der gegenständlichen Schubhaft. Das Folgeantragsverfahren war während der gesamten Dauer der Strafhaft von 05.12.2019 bis 30.04.2020, sohin insgesamt über 5 Monate anhängig. Während der Strafhaft hätte der Beschwerdeführer ohnehin nicht abgeschoben werden können. Seit der Verhängung der Schubhaft am 30.04.2020 fanden keine Abschiebeflüge nach Afghanistan mehr statt, weshalb das Verhalten des Beschwerdeführers im Jahr 2019 jedenfalls in keinem adäquaten Kausalzusammenhang mit der gegenständlichen Dauer der Schubhaft steht.

Für das Abschiebehindernis bis zum Ablauf des 6. Monats in Schubhaft war die Aussetzung der Flugabschiebungen nach Afghanistan ursächlich. Nach Ansicht des Gerichts steht ein Untertauchen im Jahr 2019 in keinem ausreichend engen Kausalzusammenhang mehr zu der durch die Covid-19 Pandemie bedingten Aussetzung des Abschiebeflugverkehrs nach Afghanistan.

Das Bundesamt führt selbst aus, dass die Abschiebung bisher aufgrund der vorherrschenden Situation aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht durchgeführt werden konnte und erst Mitte Dezember 2020 wieder stattfinden wird.

Wenn das Bundesamt ausführt, dass der Beschwerdeführer „nur deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil“ er sich „dem Verfahren entzogen“ habe und dieser Umstand allein seinem Verhalten zuzurechnen sei (dabei wird offenbar auf die unrechtmäßige Weiterreise im Jahr 2019 nach Deutschland und in die Schweiz abgestellt) vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwiefern aufgrund dieser allenfalls mangelnden Kooperationsbereitschaft die Abschiebung des Beschwerdeführers im Jahr 2020 nicht binnen sechs Monaten erfolgen habe können.

Das Gericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer bereits nach Afghanistan abgeschoben worden wäre, wenn die Flugabschiebungen nach Afghanistan aufgrund der Covid-19 Pandemie nicht ausgesetzt gewesen wären. Beim Bundesamt liegt ein gültiger Reisepass des Beschwerdeführers auf. Im vorliegenden Fall steht daher ausschließlich die Aussetzung der Flugabschiebungen nach Afghanistan aufgrund der Covid-19 Pandemie in adäquaten Kausalzusammenhang mit der Verzögerung der Abschiebung des Beschwerdeführers.

Die bisherige Aussetzung der Abschiebeflüge nach Afghanistan aufgrund der Covid-19 Pandemie ist jedoch nicht unter einer mangelnden Kooperationsbereitschaft von Drittstaatsangehörigen im Sinne des Art. 15 Abs. 5 lit. a der Rückführungs-RL zu subsumieren.

3.1.9. Es liegen daher die Voraussetzungen für eine Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft gegenständlich nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.1.10. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens und der Stellungnahmen hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren auf Sachverhaltsebene keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

Zu B) Zu Spruchteil B. – Zulässigkeit der Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist der Fall wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es fehlt an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur richtlinienkonformen Auslegung der Bestimmung des § 80 Abs. 4 FPG.

Insbesondere fehlt es an der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ob § 80 Abs. 4 Z 4 FPG iVm Art 15 Rückführungs-RL dahingehend auszulegen ist, dass jegliches in der Vergangenheit gezeigte unkooperative Verhalten eines Drittstaatsangehörigen, dass auf ein zukünftiges Abschiebehindernis oder eine Erschwerung einer Abschiebung hindeutet bzw. bereits jedes in der Vergangenheit liegende Entziehen von einem (bevorstehenden) Abschiebungsverfahren, auch wenn dies in keinem engen Kausalzusammenhang mehr mit der nunmehrigen Schubhaft und dem nunmehrigen Abschiebehindernis steht, die Verlängerung der Schubhaftdauer auf insgesamt 18 Monate ermöglicht.

Die Revision war daher zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Abschiebungshindernis Ausreisewilligkeit Betretungsverbot Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Identität Kausalität Kausalzusammenhang Kooperation Meldeverpflichtung Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rechtsfrage Revision zulässig Rückkehrentscheidung Schubhaft Sexualdelikt Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit Verlängerung Verzögerung Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W283.2234246.5.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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