TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/9 W272 2233642-3

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Entscheidungsdatum

09.12.2020

Norm

AVG §71 Abs1
AVG §71 Abs4
AVG §71 Abs6
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W272 2233642-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Florian KREINER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom XXXX , XXXX , bezüglich der Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2020, erkannt:

A)

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.07.2003 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.10.2004, Zl. XXXX , wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Russland ausgewiesen.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.

4. Mit (Berufungs-)bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 13.04.2005, Zahl: XXXX , wurde der Berufung des Beschwerdeführers stattgegeben und ihm gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wurde festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

5. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich fünfmal strafgerichtlich verurteilt.

6. Am 12.09.2020 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zu seinem Aberkennungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.

7. Mit den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis vom 13.04.2005 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.) Weiters erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V.), legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest(Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

Die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid wies ausdrücklich darauf hin, dass gegen diesen Bescheid beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung wurde in einer dem Beschwerdeführer verständlichen Sprache übersetzt.

8. Dieser Bescheid wurde mittels RSa an den bevollmächtigten Vertreter am 26.06.2020 zugestellt (ein entsprechender Beleg liegt im Akt auf).

9. Am 23.07.2020 brachte der nunmehr bevollmächtigte Vertreter mittels Email die Beschwerde des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein. Dabei führte er, als nunmehr mit der rechtsfreundlichen Vertretung bevollmächtigter Rechtsanwalt aus, dass der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 zur Zahl: XXXX , dem ehemaligen ausgewiesenen Vertreter zugestellt am 26.06.2020, innerhalb offener Frist Beschwerde erhebe.

10. Am 03.08.2020 langte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Mit Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2020, mit ERV-Versand zugestellt am 25.09.2020, wurde der Vertretung des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 26.06.2020 (Freitag) die zweiwöchige Rechtsmittelfrist bereits mit Ablauf des 10.07.2020 (Freitag) geendet habe und die am 23.07.2020 per E-Mail an das BFA übermittelte Beschwerde sohin verspätet sei. Diesbezüglich wurde eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens gewährt (Fristende: 09.10.2020).

11. Mit Schriftsatz vom 09.10.2020, eingelangt beim BVwG am 09.10.2020 und beim BFA, wurde fristgerecht eine Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt sowie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht sowie eine ergänzende Beschwerde zum Bescheid des BFA vom 18.06.2020 nachgereicht. Begründend wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der ausgewiesene Rechtsvertreter der Beschwerdeführer/Antragsteller durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis i.S.d. § 33 VwGVG an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Handlung, nämlich der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerden, gehindert worden sei. Dabei wurde durch den rechtsfreundlichen Vertreter ausgeführt, dass XXXX welche seit Juli 2015 als Rechtsanwaltsanwärterin beschäftigt sei, für die Fristenverwaltung zuständig sei und diese im vorliegenden Fall aus Versehen eine Rechtsmittelfrist von vier Wochen vermerkt hätte. Dieser Irrtum sei im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass in der Rechtsmittelbelehrung der Exfrau – deren Bescheid einen Tag vor jener des BF in der Kanzlei eingelangt sei – eine Frist von vier Wochen angegeben worden sei. Ein derartiger Fehler sei seiner Mitarbeiterin noch nie, weder in asyl- und fremdenrechtlichen noch in anderen Belangen unterlaufen. Der Rechtsanwalt legte dar, dass er die eingetragenen Fristen stichprobenartig kontrolliere und die Fristen in einen Handkalender und auch im Aktenverwaltungsprogramm eingetragen wurden. Eine Woche vor der Endfrist werde eine Vorfrist und zwei Tage vor der Endfrist sodann eine Fixfrist eingetragen. Betreffend den BF, dessen Bescheid einen Tag später zugestellt wurde, wurde die Beschwerdefrist mit 24.07.2020 eingetragen. Vorliegend erfolgte die Fristeintragung von XXXX , welche auch die Frist im Akt des Beschwerdeführers eintrug. Der Rechtsanwalt gab an, dass er die Eintragungen der Fristen sowohl im Handkalender als auch in dem elektronischen Akt und natürlich auch stichprobenartig die Angaben in den Rechtsmittelbelehrungen. Da auch die Frist betreffend die Exfrau des Beschwerdeführers entsprechend richtig eingetragen wurden, konnte er auf die richtige Eintragung der Frist des Beschwerdeführers durch seine seit Jahren zuverlässige Mitarbeiterin vertrauen. Der BF brachte vor, dass er vom gewillkürten nunmehrigen Rechtsvertreter informiert worden sei, dass neben dem Bescheid seiner Exfrau, nunmehr auch sein Bescheid am 26.06.2020 zugestellt worden sei und sein Asyl aberkannt wurde und eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Er sei auch gemeinsam mit seiner Exfrau bei den Terminen in der Kanzlei gewesen. Aufgrund des Verspätungsvorhalts des Bundesverwaltungsgerichts sei noch einmal Nachschau gehalten und dabei festgestellt worden, dass eine kürzere Rechtsmittelfrist von zwei Wochen in der Rechtsmittelbelehrung angeführt wurde.

13. Mit gegenständlichen im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 14.10.2020, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2020 gem. § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gem. § 71 Abs. 6 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II). Die Behörde begründete ihre Zuständigkeit damit, dass gem. § 71 Abs. 4 zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung jene Behörde berufen ist, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Da der BF kein unabwendbares Ereignis glaubhaft gemacht habe, sei die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.06.2020 rechtzeitig einzubringen gewesen, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung abzuweisen sei. Der Bescheid wurde am 19.10.2020 zugestellt.

14. Dagegen erhob der BF mit Schreiben vom 12.11.2020, eingelangt beim BFA am 12.11.2020, rechtzeitig Beschwerde.

15. Mit Beschluss des BVwG vom 25.11.2020, W272 2233642-1/5E und W272 2233642-2/5E wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 09.10.2020 gemäß § 33 Abs. 1 und 4 VwGVG als unbegründet abgewiesen und die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 als verspätet zurückgewiesen.

15. Die gegenständliche Beschwerde langte am 25.11.2020 beim BVwG ein.

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist Staatsbürger der Russischen Föderation. Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13.04.2005 wurde dem BF die Flüchtlingseigenschaft nach § 7 zuerkannt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 wurde dem Beschwerdeführer der mit Erkenntnis vom 13.04.2005 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.) Weiters erkannte es dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation fest (Spruchpunkt V.), legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest(Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

Am 23.07.2020 brachte der nunmehr bevollmächtigte Vertreter mittels Email die Beschwerde des Beschwerdeführers beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Am 03.08.2020 langte die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.09.2020, mit ERV-Versand zugestellt am 25.09.2020, wurde der Vertretung des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass angesichts der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 26.06.2020 (Freitag) die zweiwöchige Rechtsmittelfrist bereits mit Ablauf des 10.07.2020 (Freitag) geendet habe und die am 23.07.2020 per E-Mail an das BFA übermittelte Beschwerde sohin verspätet sei. Diesbezüglich wurde eine Frist zur Stellungnahme von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens gewährt (Fristende: 09.10.2020).

Mit Schriftsatz vom 09.10.2020 wurde eine Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt sowie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht sowie die Beschwerde ergänzend nachgereicht.

Mit Beschluss des BVwG vom 25.11.2020, W272 2233642-1/5E und W272 2233642-2/5E wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung vom 09.10.2020 gemäß § 33 Abs. 1 und 4 VwGVG als unbegründet abgewiesen und die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2020 als verspätet zurückgewiesen.

Mit gegenständlichen Bescheid vom 14.10.2020, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2020 gem. § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen (Spruchpunkt I). Gem. § 71 Abs. 6 wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2020 die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II). Die Behörde begründete ihre Zuständigkeit damit, dass gem. § 71 Abs. 4 zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung jene Behörde berufen ist, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat. Da der BF kein unabwendbares Ereignis glaubhaft gemacht habe, sei die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 17.06.2020 rechtzeitig einzubringen, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung abzuweisen sei. Der Bescheid wurde am 19.10.2020 zugestellt.

Dagegen brachte der BF mit Schreiben vom 12.11.2020, eingelangt beim BFA am 12.11.2020, rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde ein. Die Beschwerde langte am 25.11.2020 beim BVwG ein.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Verspätung ergibt sich aus dem Sendungsprotokoll des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Schriftstücke (Verspätungsvorhalt) am 25.09.2020 um 13.38 Uhr im elektronischen Rechtsverkehr erfolgreich hinterlegt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (VwGH 28.09.2016, Ra 2016/16/0013). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (siehe etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086).

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist im Fall des § 33 Abs. 1 VwGVG bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 33 Abs. 3 VwGVG). Nach § 33 Abs. 4 VwGVG hat bis zur Vorlage die Behörde über den Antrag mit Bescheid, ab Vorlage der Beschwerde das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden nach § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Bei der Aufhebung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG handelt es sich um eine materielle Erledigung der Rechtssache in Form eines Erkenntnisses. Diese Form der negativen Sachentscheidung ist von der Formalerledigung des Verfahrens durch Aufhebung und Zurückverweisung mit Beschluss nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand wird bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein kann (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 28 VwGVG Anm. 17).

In bestimmten Fällen hat die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts auch in einer bloßen Kassation ("ersatzlosen Behebung") des angefochtenen Bescheides zu bestehen; die Aufhebung stellt sich in diesem Fall selbst als negative Sachentscheidung gemäß § 28 Abs. 2 iVm Abs. 5 VwGVG dar: Dies dann, wenn nach der materiell-rechtlichen Situation die Erlassung eines Bescheides überhaupt unzulässig war oder während des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht unzulässig geworden ist und allein die Kassation eines solchen Bescheides den von der Rechtsordnung gewünschten Zustand herstellen kann (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, Rz 833).

Eine ersatzlose Behebung hat zu erfolgen, wenn die Verwaltungsbehörde unzuständig war; die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörde ist auch dann vom Verwaltungsgericht von Amts wegen aufzugreifen, wenn sie weder im Verfahren eingewendet noch in der Beschwerde releviert wurde. Weiters hat eine ersatzlose Behebung dann zu erfolgen, wenn der dem Verfahren zugrunde liegende Antrag, der durch den angefochtenen Bescheid der Unterinstanz erledigt wurde, zurückgezogen wird (vgl. – zur Berufungsentscheidung – VwGH 03.07.1984, 82/07/0020; 23.1.1995, 92/06/0084;Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht, 10. Auflage, Rz 845).

Der Bescheid der Aberkennung des Status als Asylberechtigter und die Beschwerde wurden am 03.08.2020 dem BVwG vorgelegt. Ab diesem Zeitpunkt war das BVwG über die Entscheidung über die Beschwerde bzw. den Antrag auf Wiedereinsetzung zuständig. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wurde mit einlangendem Schreiben am 09.10.2020 direkt beim BFA aber auch beim BVwG, nach dem Verspätungsvorhalt des BVwG vom 25.09.2020 eingebracht.

Da wie bereits dargelegt die Behörde nicht zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 09.10.2020 nicht zuständig war, ist der gegenständliche Bescheid vom 14.10.2020 ersatzlos wegen Unzuständigkeit der Behörde zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unzuständigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Fristversäumung unabwendbares Ereignis unzuständige Behörde verspätete Beschwerde Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.2233642.3.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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