TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/14 W137 2235890-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2020
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Entscheidungsdatum

14.12.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch


W137 2235890-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter im am 04.12.2020 amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1133716501/200505415, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Algerien in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge auch BF), ein algerischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals am 30.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 26.11.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch BFA oder Behörde genannt) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.10.2016 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien (Spruchpunkt II.) ab und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und bestimmte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Der Bescheid vom 26.11.2016 erwuchs unangefochten am 24.12.2016 in Rechtskraft.

3. Der Beschwerdeführer reiste in die Bundesrepublik Deutschland und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 15.02.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland abgelehnt.

4. Am 07.03.2017 stellte der Beschwerdeführer neuerlich in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 09.05.2017, wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers vom 07.03.2017 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine weitere Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und stellte gemäß § 55 Abs. 1a FPG fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III.)

Eine gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (in Folge auch BVwG) am 12.06.2017 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

5. Der Beschwerdeführer stellte am 10.01.2018 in den Niederlanden einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Eine Dublin Rücküberstellung scheiterte, da der Beschwerdeführer in den Niederlanden untertauchte.

6. Er stellte am 27.06.2019 in der Schweiz einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Die Schweizer Dublinbehörden ersuchten am 25.07.2019 um Verlängerung der Überstellungsfrist, da er untergetaucht war.

7. Der Beschwerdeführer wurde am 27.01.2020 aus Frankreich nach Österreich rücküberstellt und stellte am 27.01.2020 im Stande der Anhaltung in Österreich seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des BFA vom 29.01.2020 gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, gem. § 52 Abs. 2 Ziffer 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gleichzeitig gem. § 52 Abs. 9 FPG iVm § 46 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig ist. Weiters wurde ein befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen Raum auf die Dauer von 5 (fünf) Jahren erlassen und gem. § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 29.01.2020 persönlich zugestellt und erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

8. Vom Bundesamt wurde gegen den BF mit 27.01.2020 die Schubhaft angeordnet und er befand sich bis 30.03.2020 in Schubhaft. Die Entlassung aus der Schubhaft wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, aufgrund der faktischen Unmöglichkeit der Abschiebung in das Heimatland Algerien (COVID 19 Pandemie, Grenzschließungen, Flugbetriebseinstellung, Botschaftsschließung) angeordnet.

9. Am 18.06.2020 wurde der BF im Zuge einer Suchtmittelkontrolle von der Polizei angehalten und aufgrund eines Festnahmeauftrages des Bundesamtes festgenommen.

10. Mit Mandatsbescheid vom 19.06.2020 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und der Bescheid samt Verfahrensanordnung am 19.06.2020 durch persönliche Übergabe zugestellt.

11. Am 07.07.2020, 05.08.2020, 24.08.2020 sowie am 05.10.2020 wurde vom Bundesamt mittels Aktenvermerk gem. § 80 Abs. 6 FPG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft geprüft.

12. Der BF befand sich von 13.08. bis 17.08.2020 und vom 22.09.2020 bis 25.09.2020 im Hungerstreik. Am 12.08.2020 verschluckte er Rasierklingen und eine Batterie.

13. Am 09.10.2020 langte der Verfahrensakt zur ersten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Sicherungsbedarf noch immer gegeben sei, da er sich bereits mehrfach nach Erlassung negativer Entscheidung zu seinen Asylanträgen ungerechtfertigt dem Zugriff der zuständigen Behörden entzogen habe und sich in das europäische Ausland abgesetzt habe. Während des Aufenthaltes im Bundesgebiet wurde der BF wegen Körperverletzung sowie wegen Hehlerei zur Anzeige gebracht. Weiters erfolgten während seines Aufenthaltes auch Anzeigen nach § 27 SMG.

Am 18.06.2020 wurde der BF einer sicherheitspolizeilichen Kontrolle bezgl. Suchtmittel unterzogen. Der BF habe sich im Rahmen der durchgeführten Visitierung sehr aggressiv verhalten und verfügte zum Festnahmezeitpunkt lediglich über einen Bargeldbetrag von EUR 80,00. Die Algerische Botschaft habe bereits am 17.01.2018 eine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erteilt. Der BF verfügte seit seiner letzten Entlassung aus der Schubhaft, somit seit 30.03.2020 über keine aufrechte Wohnsitzmeldung im österr. Bundesgebiet, habe sich dem Zugriff der österr. Behörden mehrmals entzogen und bereits mehrfach Anträge auf internationalen Schutz in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten gestellt. Nach Übermittlung der Flugdaten im Rahmen einer 3-wöchigen Vorlauffrist kann die Behörde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Genannten von der zuständigen Botschaft Algeriens mit Sitz in Wien, erfolgen wird. Sobald Flüge nach Algerien möglich sind, werde die ho. Behörde darüber in Kenntnis gesetzt. Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer iSd § 80 FPG zeige sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) damit ohnehin deutlich länger andaure, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten seien.

14. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 16.10.2020, W278 2235890-1/10E, festgestellt, dass die für die Aufrechterhaltung der Schubhaft erforderlichen Voraussetzungen vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist.

15. Am 12.11.2020 langte der Verfahrensakt zur erneuten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme wurde im Wesentlichen ergänzend zu den Ausführungen der ersten Aktenvorlage vorgebracht, dass aktuell Flüge nach Algerien aufgrund der CoVid-Einschränkungen nur eingeschränkt möglich seien und keine Abschiebungen stattfinden würden. Eine freiwillige Rückkehr sei aber möglich, doch stelle der BF aufgrund seiner fehlenden Ausreisewilligkeit keinen derartigen Antrag. Ein konkreter Abschiebetermin bestehe sohin nicht, Fluchtgefahr sei jedoch weiterhin gegeben. Sobald wieder Flüge nach Algerien möglich seien, werde der BF für einen Flug gebucht.

16. Mit Erkenntnis vom 17.11.2020, W171 2235890-2/2E, stellte das Bundesverwaltungsgericht erneut fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist. Bezug genommen wurde dabei auch auf den maximalen Anhaltezeitraum von 18 Monaten.

17. Mit Schreiben vom 04.12.2020 übermittelte das Bundesamt den Verwaltungsakt zur gegenständlichen amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG. Ausgeführt wurde darin (ergänzend zu den bisherigen Vorlageschreiben), dass eine freiwillige Rückkehr in Absprache mit der Botschaft bereits jetzt möglich sei. Zudem werde ab Jänner wieder der Luftverkehr mit Algerien aufgenommen. Nach Flugbuchung für die begleitete Abschiebung sei mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats zu rechnen; die grundsätzliche Zustimmung liege bereits vor.

II. Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.17.)

Der unter Punkt I.1. – I.17. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der Beschwerdeführer ist volljährig, nicht österreichischer Staatsbürger und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Dokumente, die seine Identität belegen. Er wurde als algerischer Staatsangehöriger identifiziert.

2.2. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und haftfähig. Er hat im Rahmen des Polizeianhaltezentrums Zugang zu erforderlicher medizinischer Betreuung.

2.3. Der Beschwerdeführer wird seit 19.06.2020 in Schubhaft angehalten. Das Bundesamt führte die gesetzlich vorgesehenen Verhältnismäßigkeitsprüfungen nach § 80 Abs. 6 FPG durch. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft zuletzt am 17.11.2020 festgestellt.

2.4. Die Algerische Botschaft hat eine grundsätzliche Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erteilt. Nach Übermittlung der Flugdaten kann die Behörde mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF seitens der zuständigen Botschaft Algeriens binnen weniger Wochen realistisch rechnen. Die Abschiebung scheiterte bisher daran, dass aufgrund einer national verordneten Sperre der algerischen Flughäfen kein Linienflug für eine begleitete Abschiebung gebucht werden konnte.

2.5. Mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers ist innerhalb kurzer Zeit nach Flugbuchung und der (davon abhängigen) Ausstellung des Heimreisezertifikats (HRZ) zu rechnen. Die Zusammenarbeit zwischen den algerischen Vertretungsbehörden und dem Bundesamt funktioniert grundsätzlich problemlos. Der reguläre Flugverkehr mit Algerien soll Anfang Jänner 2021 wieder aufgenommen werden; erste Flüge sind bereits buchbar. Es ist daher mit einer Abschiebung des Beschwerdeführers binnen einiger Wochen beziehungsweise weniger Monate – voraussichtlich noch im Februar 2021 - zu rechnen.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Der Beschwerdeführer ist illegal nach Österreich eingereist. Nach Abschluss seines ersten Asylverfahrens tauchte der BF unter, reiste in die Bundesrepublik Deutschland und stellte dort einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 15.02.2017 wurde dieser Antrag abgelehnt.

Am 07.03.2017 stellte der Beschwerdeführer in Österreich einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 09.05.2017, wies die belangten Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.03.2017 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Eine gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht am 12.06.2017 als unbegründet abgewiesen.

Der BF tauchte abermals unter und stellte am 10.01.2018 in den Niederlanden einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Eine Dublin Rücküberstellung scheiterte, da der BF auch in den Niederlanden untertauchte um am 27.06.2019 in der Schweiz einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und daraufhin auch in der Schweiz unterzutauchen. Der Beschwerdeführer wurde am 27.01.2020 von Frankreich nach Österreich rücküberstellt und stellte am 27.01.2020 im Stande der Anhaltung einen in Österreich dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Er hat in Österreich insgesamt drei unbegründete Anträge auf internationalen Schutz, sowie in Deutschland, der Schweiz und in den Niederlanden jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er war weder für die schweizer-, noch für die niederländischen Behörden für eine Rücküberstellung greifbar, da er untertauchte und sich diesen Verfahren entzog. In Österreich tauchte der BF jeweils nach Abschluss seiner beiden ersten Asylverfahren unter und reiste ins europäische Ausland. Auch nach der Entlassung aus der Schubhaft am 13.03.2020 war der BF für die Behörden nicht greifbar und wurde am 18.06.2020 im Rahmen einer Suchtmittelkontrolle durch die Polizei angehalten.

3.2. Es besteht gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Er verfügte von 31.10.2016 bis 05.12.2016 und vom 22.05.2017 bis 29.01.2018 über behördliche Meldungen im Bundesgebiet. Seit 29.01.2018 verfügte der BF ausschließlich über Meldungen in Polizeianhaltezentren und über keinen gesicherten Wohnsitz (rezente ZMR Anfrage). Auch nach seiner letzten Entlassung aus der Schubhaft am 13.03.2020 meldete der BF keinen Wohnsitz im Bundesgebiet.

3.3. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig. Er stellte in Europa insgesamt sechs unbegründete Anträge auf internationalen Schutz und verhinderte mehrmals die Abschiebung bzw. seine Rücküberstellung in dem er sich den Verfahren durch Untertauchen entzogen hat. Der BF hat versucht seine Haftunfähigkeit durch wiederholten Hungerstreik von 13.08. bis 17.08.2020, von 22.09. bis 25.09.2020, von 18.11.2020 bis 22.11.2020 (unmittelbar nach der letzten Fortsetzungsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts) sowie zuletzt ab 29.11.2020 herbeizuführen. Dieser Hungerstreik wurde am 06.12.2020 – nach zuvor ergangener Zustimmung zur Heilbehandlung am 02.12.2020 – erneut freiwillig beendet. Zudem versuchte er seine Freilassung im Juni und August 2020 durch (Androhung von) Selbstverletzungen zu erzwingen.

3.4. Der Beschwerdeführer ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht kaum Deutsch und verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Er ist ledig und hat keine Kinder. Er geht im Bundesgebiet keiner legalen Beschäftigung nach. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und ist mittellos.

3.5. Eine (relevante) Änderung der Umstände für die Anordnung der Schubhaft und des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes bzw. der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft hat sich seit der letzten gerichtlichen Überprüfung nicht ergeben. Der Beschwerdeführer ist (weiterhin) in besonders ausgeprägter Form nicht vertrauenswürdig.

4. Zum staatlich garantierten Rechtsschutz und dem bevollmächtigten Vertreter

4.1. Dem Beschwerdeführer wurde mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes nach Anordnung der Schubhaft ein Rechtsberater amtswegig beigegeben. Diese Beigabe bezieht sich auf den gesamten Anhaltezeitraum in Schubhaft und inkludiert auch jenen Zeitraum, in dem das Gesetz eine regelmäßige engmaschige Verhältnismäßigkeitsprüfung der weiteren Anhaltung vorsieht. Zu den Aufgaben des Rechtsberaters gehört auch die Information über das gesetzlich vorgesehene Rechtsschutzsystem im Zusammenhang mit der Anhaltung in Schubhaft – insbesondere auch über das System der amtswegigen „Haftprüfung“ durch das Bundesamt und das Bundesverwaltungsgericht.

Der Beschwerdeführer erhielt von der „ARGE Rechtsberatung“ am 26.06.2020, 29.06.2020, 02.07.2020, 16.07.2020, 19.10.2020 und am 03.11.2020 jeweils eine „Rechtsberatung FPG“. Dazwischen erfolgte regelmäßig „Schubhaftbetreuung“. Er war jedenfalls ab 19.10.2020 vom Regime der gesetzlich vorgesehenen gerichtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfungen (§22a Abs. 4 BFA-VG) und der möglichen Anhaltedauer in Schubhaft (§ 80 FPG) in Kenntnis.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem vorliegenden Gerichtsakt sowie den Akten des Bundesamtes und des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren sowie das Schubhaftverfahren des BF betreffend.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer über keine Personal- und Reisedokumente verfügt. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Unstrittig ist, dass er weder asylberechtigt noch subsidiär schutzberechtigt ist.

2.2. Die grundsätzliche Gesundheit uns Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ist aus der Aktenlage ersichtlich. Für eine Haftunfähigkeit gibt es keinen Hinweis. Vielmehr bewirken die laufenden Hungerstreiks des Beschwerdeführers eine intensivierte Beobachtung des Gesundheitszustandes. Auch der letzte Hungerstreik (bis 06.12.2020) hat keine Haftunfähigkeit herbeigeführt.

2.3. Dass der BF seit 19.06.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei und dem Zentralen Melderegister. Aus der Aktenlage ergeben sich die Termine der amtswegigen Haftprüfungen.

2.4. Die Feststellungen zum HRZ-Verfahren ergeben sich aus der Aktenlage. Die Vorgangsweise Algeriens bei der (konkreten) HRZ-Ausstellung ergibt sich aus einer allgemeinen Auskunft der HRZ-Abteilung des BFA betreffend Algerien. Gleiches gilt für die geplante Wiederaufnahme des Flugbetriebs im Jänner.

2.5. Vor dem Hintergrund der bisher problemlosen Zusammenarbeit mit Algerien und der aktuell geplanten Wiederaufnahme des Flugbetriebs ist ist von einer Abschiebung in (spätestens) wenigen Monaten – voraussichtlich noch im Februar - auszugehen. Hierbei sind die Vorlaufzeiten einer begleiteten Abschiebung sowie die Ausdünnung beziehungsweise zweitweise Einschränkung des zivilen Luftverkehrs zu berücksichtigen.

3. Zum Sicherungsbedarf, zur Fluchtgefahr und zur Verhältnismäßigkeit:

3.1. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers ist aus der Aktenlage ersichtlich und im Übrigen auch nicht strittig.

3.2. Die Feststellungen zur rechtskräftigen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus der Aktenlage. Gleiches gilt für die Feststellungen betreffend seine Meldeadressen (beziehungsweise das Fehlen derselben).

3.3. Die geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass der BF bereits seches unbegründete Anträge auf internationalen Schutz in vier europäischen Staaten stellte, mehrmals untertauchte und dadurch die Verfahren für die Abschiebung bzw. seine Rücküberstellungen zum Teil verzögerte oder verhinderte. Dass der BF mehrmals versuchte seine Haftunfähigkeit durch Hungerstreik zu erreichen und sich selbst verletzte sowie einen Suizidversuch ankündigte, ergibt sich aus den Eintragungen in der Anhaltedatei.

3.4. Die Feststellungen, wonach der BF über keine familiären, beruflichen oder sonstigen sozialen Kontakte in Österreich verfügt und mittellos ist, ergeben sich aus der Aktenlage.

3.5. Vor dem dargestellten Hintergrund sind Änderungen im Zusammenhang mit den Kriterien, die für das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen nicht hervorgekommen. Gleiches gilt für die entscheidungsrelevanten Umstände im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung. Aus den dargestellten Umständen ergibt sich auch die in besonderem Maß geminderte Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers.

4. Zum staatlich garantierten Rechtsschutz und dem bevollmächtigten Vertreter

4.1. Die Beigabe eines Rechtsberaters ist im Verwaltungsakt belegt. Aus der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung (§ 52 Abs. 2 BFA-VG) „Rechtsberater unterstützen und beraten Fremde oder Asylwerber jedenfalls beim Einbringen einer Beschwerde und im Beschwerdeverfahren gemäß Abs. 1 vor dem Bundesverwaltungsgericht, sowie bei der Beischaffung eines Dolmetschers. Rechtsberater haben den Beratenen die Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde darzulegen. Auf deren Ersuchen haben sie die betreffenden Fremden oder Asylwerber auch im Verfahren, einschließlich einer mündlichen Verhandlung, zu vertreten.“ ergibt sich zweifelsfrei, dass die Beigabe nicht während einer Anhaltung hinfällig wird oder erlischt. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer eine Schubhaftbeschwerde auch Monate nach der Inschubhaftnahme oder sogar noch nach Entlassung aus der Schubhaft einbringen kann – und für eben diese Beschwerde der Rechtsberater bei Anordnung der Schubhaft beigegeben worden ist. Dass der Rechtsberater auch das staatliche Rechtsschutzsystem zu erläutern hat, ergibt sich vor diesem Hintergrund zwingend.

Die Termine, an denen der BF während der Anhaltung in Schubhaft Rechtsberatung erhalten hat ergeben sich aus der Anhaltedatei. Es ist auszuschließen, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls bei den Terminen am 19.10.2020 und 03.11.2020 nicht die angeführten Normen erläutert worden sind, zumal das Bundesverwaltungsgericht am 16.10.2020 auf deren Basis seine Entscheidung getroffen hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Spruchteil A)

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 19.06.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f)         wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 80 FPG:

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2.

sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.

eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3.

der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.3. Zulässige Anhaltedauer

Im gegenständlichen Fall liegt die für die Einreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates – das konkrete Heimreisezertifikat - noch nicht vor. Das Bundesamt kann auch erst ab der gesicherten Möglichkeit von geeigneten Flügen für eine begleitete Abschiebung die entsprechenden Schritte einleiten.

Darüber hinaus hat sich der Beschwerdeführer bereits wiederholt geplanten Abschiebungen (auch durch ein illegales absetzen ins Ausland) entzogen.

Nach Art. 15 Abs. 6 der Rückführungs-RL ermöglicht „mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen“ die Verlängerung des Anhaltezeitraum. Das Entziehen vor einem behördlichen Zugriff angesichts einer bevorstehenden Abschiebung ist als eine solche zu werten. Auch ist das Heimreisezertifikat – dessen Erfordernis vom Beschwerdeführer selbst zu verantworten ist – als „erforderliche Unterlage“ für eine Rückführung zu werten. Zudem spricht die Richtlinie ausdrücklich davon, dass eine Abschiebemaßnahme „wahrscheinlich länger dauern wird“ - womit offenkundig eine schlüssige Wahrscheinlichkeitsprognose zur Verlängerung des Anhaltezeitraumes bereits hinreichend ist.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher in der gegenständlichen Entscheidung von einem unzweifelhaften Bestehen der Voraussetzungen des § 80 Abs. 4 Z 2 und Z 4 FPG und (weiterhin) von einer zulässigen maximalen Anhaltedauer von 18 Monaten aus.

3.4. Fortsetzungsausspruch

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete sowie das Bundesverwaltungsgericht diese fortsetzte (Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG), haben sich seither nicht geändert und sind – hinsichtlich der Ziffern 1 (Entziehung aus dem Verfahren, Aufenthalt im Verborgenen) und 3 (rechtskräftige Rückkehrentscheidung, Verfahrensentziehung) - auch zweifelsfrei belegt.

Für entscheidungsrelevante Änderungen im Zusammenhang mit der Ziffer 9 gibt es keine Anhaltspunkte. Diese wurden im Schubhaftbescheid des Bundesamtes ausgeführt und blieben unbestritten. Für eine Änderung in den letzten vier Wochen gibt es keinen Hinweis.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Verzögerungen im Zusammenhang mit der Abschiebung, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen. Festzuhalten ist dabei auch, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig erst knapp sechs Monate in Schubhaft angehalten wird, womit noch nicht einmal ein Drittel der gesetzlich zulässigen Anhaltedauer ausgeschöpft worden ist. Eine (derzeit als realistisch anzusehende) Abschiebung in wenigen Monaten (also etwa bis inklusive Februar) würde eine Anhaltedauer von insgesamt rund acht Monaten bedingen. In diesem Fall wäre noch nicht einmal die Hälfte des zulässigen Anhaltezeitraumes ausgenutzt.

Er war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin. Für eine gegenteilige Annahme bestehen derzeit keine Anhaltspunkte.

Aus diesen Gründen war festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist.

3.5. Mündliche Verhandlung

Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt sich als hinreichend geklärt erweist. Dass die gegenwärtige Pandemiesituation Planungen beeinträchtigt und kurzfristige Verschiebungen und Planungsänderungen bedingt, ist ohnehin unstrittig. Gleiches gilt für die Verlängerung der bisher üblichen Zeiten für Identitätsfeststellungen.

Für sonstige Änderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts, die allfällig eine Verifizierung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erfordern würden, gab es im gegenständlichen Verfahren keine Hinweise.

Spruchteil B) Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Soweit im Verfahren zur Zahl 2235890-1 bereits eine außerordentliche Revision anhängig gemacht wurde, ändert das schon deshalb nichts, weil diese Revision von der – sowohl rechtlich nicht nachvollziehbaren wie faktisch widerlegten – Annahme eines Wegfalls der Beigabe des Rechtsberaters während einer längeren Anhaltung in Schubhaft ausgeht. Überdies gibt es angesichts der absehbaren Wiederaufnahme des Luftverkehrs nunmehr jedenfalls auch eine klare Perspektive hinsichtlich der Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft illegale Ausreise öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2235890.3.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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