TE Bvwg Erkenntnis 2021/1/14 G308 2237736-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2021
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Entscheidungsdatum

14.01.2021

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77
FPG §80

Spruch


G308 2237736-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: ALGERIEN, zu BFA-Zl. XXXX zu Recht:

A)       Es wird gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der betroffene Fremde (im folgenden auch kurz BF) reiste am 25.08.2020 mit dem Zug kommend von Italien illegal nach Österreich ein und versuchte am 25.08.2020 illegal in das deutsche Bundesgebiet weiterzureisen. Ihm wurde von der deutschen Polizei die Einreise verweigert, und wurde er von der deutschen Polizei an die österreichische Polizei übergeben.

2. Am 25.08.2020 um XXXX Uhr wurde der BF von der Polizei betreffend die Prüfung einer Zurückschiebung niederschriftlich einvernommen.

3. Da eine Zurückschiebung nach Italien durch die LPD Salzburg faktisch nicht möglich war, wurde das Verfahren durch das BFA übernommen und ein Festnahmeauftrag erlassen.

4. Nach Prüfung des Sachverhaltes wurde am XXXX .08.2020 um XXXX Uhr dem BF nachweislich ein Mandatsbescheid (Schubhaft) gem. § 76 Abs 2 Z2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung zugestellt. Seit diesem Zeitpunkt befindet sich der BF im Stande der Schubhaft.

5. Am 01.09.2020 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Abschiebung nach Algerien zulässig ist, eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aberkannt.

6. Umgehend nach Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung wurde durch das BFA bei der algerischen Botschaft die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt.

7. Am 30.09.2020 erwuchs die aufenthaltsbeendende Maßnahme erstinstanzlich in Rechtskraft.

8. Am 14.09.2020, 29.09.2020, 03.12.2020 und 09.12.2020 wurde vom BFA die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der algerischen Botschaft urgiert, und wird monatlich vom BFA die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der algerischen Botschaft weiterhin urgiert.

9. Bei den Schubhaftprüfungen am 23.09.2020, 21.10.2020, 18.11.2020 und 15.12.2020 konnten keine Umstände ermittelt werden, die gegen eine Aufrechterhaltung der Schubhaft sprechen würden.

10. Am 18.11.2020 wurde der Verein Menschenrechte Österreich per E-Mail ersucht, der BF eingehend bezüglich einer freiwilligen Rückkehr zu beraten.

Am selben Tag teilte der Verein Menschenrechte Österreich mit, dass der BF bis zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Mal beraten wurde und sich bisher nicht rückkehrwillig zeigt. Der BF wolle in Europa bleiben und nicht nach Algerien zurückkehren.

11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2020, Zahl G301 2237736-1/7Z wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung, die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig war.

12. Am 11.01.2021 wurde dem Bundesverwaltungsgericht der gegenständliche Akt samt Stellungnahme zur Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 22a Abs. 4 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der BF ist glaublich algerischer Staatsangehöriger. Festgestellt wird, dass der BF seit XXXX .08.2020 durchgängig in Schubhaft angehalten wird, dass er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erwecken.

Der BF ist nicht im Besitz eines Reisedokuments und ausreiseunwillig. Er verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz. Auch familiäre und berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet liegen nicht vor.

Mit Mandatsbescheid vom XXXX .08.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX .08.2020 um XXXX Uhr persönlich ausgefolgt und damit rechtswirksam erlassen. In der niederschriftlichen Befragung des BF durch Organe der Bundespolizei am 25.08.2020 gab der BF an, dass er nach Deutschland reisen habe wollen, um dort um Asyl anzusuchen. Er wolle auch nicht nach Italien zurück und, wenn er freigelassen würde, nach Deutschland weiterreisen; in Österreich wolle er keinen Asylantrag stellen. Im Schengener Informationssystem SIS II ist eine Ausschreibung Italiens betreffend Einreise /Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet eingetragen.

Gegen den BF wurde mittlerweile eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem auf ein Jahr befristeten Einreiseverbot rechtskräftig erlassen (Bescheid des BFA vom 01.09.2020 und Erkenntnis des BVwG vom 17.09.2020, I421 2234939-1/3E).

Betreffend den BF liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung verbunden mit einem 1-jährigen Einreiseverbot vor.

Faktischer Abschiebeschutz besteht nicht.

Flüge nach Algerien sind derzeit nach Auskunft des BFA alle wöchentlich buchbar und könnten HRZ kurzfristig ausgestellt werden. Eine Abschiebung nach Erlangung des HRZ ist jedenfalls realistisch und faktisch möglich.

Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten. Die Fortsetzung der Schubhaft ist somit auch unter Berücksichtigung der in § 80 FPG vorgesehenen Regelungen über die Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zulässig.

2. Beweiswürdigung:

Den Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts.

Aufgrund der eigenen Angaben des BF sowie des Akteninhalts steht fest, dass er nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren möchte und nicht gewillt ist, sich der Rechtsordnung entsprechend zu verhalten. Er weigert sich nach dem rechtskräftig negativ abgeschlossenen Verfahren Österreich freiwillig zu verlassen und in seinen Heimatstaat zurückzukehren.

Die Angaben des BF in der Verhandlung am 21.12.2020 wonach er gar nicht in einen Zug steigen und nach Deutschland fahren wollen, waren in einer Gesamtschau seiner bisherigen Angaben völlig unglaubwürdig, zumal diese gänzlich im Widerspruch zu den von ihm vor der Polizei am 25.08.2020 getätigten Angaben standen, wobei keine Anhaltspunkte vorliegen, um an den in der Niederschrift festgehaltenen Angaben zu zweifeln.

Die Behörde ist zutreffend von einer hohen Fluchtgefahr des BF ausgegangen, was die Verhängung der Schubhaft und das Absehen eines gelinderen Mittels rechtfertigte. Bei seiner Befragung erklärte BF ausdrücklich, nicht in seinen Heimatstaat zurückkehren und in Deutschland leben zu wollen.

Die belangte Behörde hat sowohl glaubhaft dargelegt, dass weiterhin sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Fluchtgefahr besteht. Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF als begründet. Der BF wurde am 25.08.2020 beim Versuch, mit dem Zug illegal in Deutschland einzureisen, von der deutschen Bundespolizei festgenommen und nach Österreich zurückgeschoben. In Österreich wurde der BF daraufhin wegen unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen.

Die Feststellungen zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats und zur mangelnden sozialen Verankerung in Österreich ergeben sich aus dem vorliegenden Behördenakt und den Angaben des BF vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der vorangegangenen Schubhaftüberprüfung.

Die Anhaltung ist weiterhin verhältnismäßig, da der BF haftfähig ist und das Verfahren vom BFA effizient geführt wurde. Insbesondere besteht eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Die Ausstellung eines HRZ sowie die auch zeitnah durchführbare Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ sind weiterhin sehr wahrscheinlich und auch tatsächlich möglich, insbesondere da der Flugbetrieb nach Algerien aufrecht ist.

Im Hinblick auf das bereits eingeleitete HRZ Verfahren ist begründet zu erwarten, dass die Abschiebung jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Anhaltefrist erfolgen wird. Die belangte Behörde hat das Verfahren zeitgerecht eingeleitet, ist mit dem betroffenen Staat laufend in Kontakt und wird nach einer positiven Identifizierung zeitnah eine Abschiebung am Flugwege erfolgen können.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 lauten:

„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(…)

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(…)

§ 80 (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(…)“

3.2. Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom BVwG zu überprüfen. Mit der Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das BVwG hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH vom 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH vom 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH vom 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).

Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (VwGH vom 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542 und vom 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (VwGH vom 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde (VwGH vom 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.3. Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft im konkreten Fall:

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit 26.08.2020 andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens von Fluchtgefahr weiterhin als notwendig und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf seine persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Das BFA hat im Sinne der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen zu Recht die Schubhaft wegen Fluchtgefahr angeordnet, weil aus den Angaben des BF, der sowohl erklärtermaßen als auch durch Handlungen untermauert nicht mehr in den Herkunftsstaat zurückwill, mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass er seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern bzw. zu behindern beabsichtigt. Zudem hat er durch sein Verhalten wiederholt mangelnde Bereitschaft gezeigt, mit der Behörde zusammenarbeiten zu wollen. Im Hinblick auf sein bisheriges Verhalten und seine unzureichende Verankerung im Bundesgebiet hat das BFA zu Recht das Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr sowie einen akuten Sicherungsbedarf angenommen.

Der BF hat im bisherigen Verfahren keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde, die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände auch verhältnismäßig.

Es besteht nicht nur ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts, es besteht auch ein erhebliches öffentliches Interesse, Fremde, die sich ohne Rechtsgrundlage in Österreich aufhalten, außer Landes zu bringen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft entgegenstehen, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen.

Der BF verfügt über kein Reisedokument. Gegen den BF wurde eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen. Der BF hat im Bundesgebiet weder familiäre, noch soziale, noch berufliche, noch sprachliche noch sonstige Bindungen geltend gemacht. Angesichts seines Gesamtverhaltens kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass er (in Freiheit) an seiner Abschiebung mitwirken wird sondern muss jedenfalls von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und der Bereitschaft unterzutauchen ausgegangen werden, wobei er bereits mehrmals ausdrücklich erklärte, nicht in seinen Heimatstaat zurück zu wollen.

Voraussetzung für die Fortsetzung der Schubhaft ist, dass nach wie vor die Aussicht besteht, dass für ihn ein Heimreisezertifikat erlangt werden kann (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ra 2016/21/0144).

Das Verfahren hinsichtlich einer HRZ-Ausstellung für BF wird seitens des BFA effizient und nachhaltig geführt. Es haben sich keine Umstände ergeben, dass die Durchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der gesetzlichen Schubhafthöchstdauer nicht möglich wäre, somit ist die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Anhaltung zum Entscheidungszeitpunkt nach wie vorgegeben.

Das Verfahren wird seitens des BFA aufgrund der angeordneten Schubhaft prioritär betrieben. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates wurde bis dato regelmäßig urgiert. Ein Vorführtermin zur Identifizierung wurde von Seiten der algerischen Botschaft bis dato noch nicht bekanntgegeben. Der BF ist jedoch für den nächstmöglichen Termin vorgemerkt. Es ist davon auszugehen, dass der BF im Zuge des Vorführtermins bzw. nach weiterer Überprüfung in Algerien identifiziert und ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird. Das Verfahren zur Feststellung der Identität bzw. zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats bei der Botschaft Algeriens ist bereits im Laufen. Wenngleich bislang mehrere Urgenz-Schreiben des BFA bei der Botschaft ohne Rückmeldung blieben, ist aus derzeitiger Sicht nicht davon auszugehen, dass ein Verfahren zur Ausstellung eines HRZ gänzlich unwahrscheinlich oder völlig aussichtlos wäre, zumal in anderen Fällen sehr wohl Vorführungen vor eine Botschaftsdelegation erfolgten.

In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgte zeitnah, die belangte Behörde ist mit dem betreffenden Staat in laufenden Kontakt und ist nach positiver Identifizierung zeitnah mit einer Abschiebung auf dem Flugweg zu rechnen.

Das erkennende Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand innerhalb der höchst zulässigen Schubhaftdauer auch erfolgen könnte.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt.

Angesichts der Tatsache, dass der BF versuchte nach Deutschland zu reisen, der Ausreiseverpflichtung nach Algerien nicht nachkam und der BF beim Verein Menschenrechte klar angab in Europa bleiben und nicht nach Algerien zurückkehren zu wollen, ist von einer erheblichen Ausreiseunwilligkeit und daher von einer hohen Wahrscheinlichkeit des Untertauchens bzw. einer Verfahrensentziehung auszugehen. Auch stellte der BF bisher keinen Antrag zur freiwilligen Rückkehr. Im Zuge der Niederschrift am 25.08.2020 gab der BF mehrfach an nach Deutschland Weiterreisen zu wollen. Aufgrund der Angaben beim VMÖ ist davon auszugehen, dass die Erreichung des deutschen Bundesgebiets nach wie vor das Ziel der VP ist und ist daher - im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft - mit der sofortigen illegalen Weiterreise nach Deutschland zu rechnen. Der Zweck der Schubhaft, nämlich die Durchführung der Abschiebung und die Herstellung des rechtskonformen Zustandes, wäre dann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr erreichbar.

Der BF könnte jederzeit bei der Botschaft ein Reisedokument beantragen und würde dies auch von der Behörde bzw. dem VMÖ unterstützt werden. Gemäß Erhebungen durch die Behörde ist die algerische Botschaft trotz derzeitiger Lage betreffend COVID-19 regelmäßig für den Parteienverkehr geöffnet und ist die Beantragung eines Reisedokuments möglich. Weiters konnte von der Behörde erhoben werden, dass Air Algerie derzeit einmal wöchentlich einen Flug von Wien nach Algerien durchgeführt. Diesbezüglich ist ein Ausdruck (Beispiel Flugdatum 03.02.2021) dem Akt beigefügt. Aufgrund dessen steht fest, dass eine freiwillige Rückkehr nach Algerien jedenfalls möglich gewesen wäre und auch weiterhin möglich ist.

Der BF hat aber bis dato - trotz zehnmaliger Beratung durch den VMÖ - keinen Rückkehrwillen gezeigt und auch keinen Antrag auf eine freiwillige Rückkehr gestellt. Auch von der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und der damit verbundenen Entscheidung ließ sich der BF offenbar nicht beeindrucken und verharrt weiterhin in der Schubhaft und zeigt keinerlei Willen das Bundesgebiet zu verlassen. Offensichtlich versucht der BF die Schubhaft „auszusitzen" um nach einer etwaigen Entlassung umgehend nach Deutschland weiterreisen zu können.

Es haben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte ergeben, wonach eine Abschiebung des BF in den Herkunftsstaat Algerien von vornherein nicht möglich wäre und – selbst bei Vorliegen eines HRZ – allenfalls nicht zeitnah durchgeführt werden könnte.

Im Zusammenhang mit den weltweit zur Bekämpfung und Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen, wie insbesondere Einschränkungen im (Flug)Reiseverkehr, ist die weitere Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft zu berücksichtigen, weil die Schubhaft ihren Zweck nur dann erfüllen kann, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich auch in eine Abschiebung münden kann (VwGH 01.04.2020, Ra 2020/21/0116). Im vorliegenden Fall hat sich aber jedenfalls nicht ergeben, dass – zumindest in diesem Stadium – eine Ausstellung eines Heimreisezertifikates völlig unwahrscheinlich bzw. auch die Durchführung einer Abschiebung in den Herkunftsstaat tatsächlich unmöglich wäre, etwa weil die derzeitigen Reisebeschränkungen nicht bloß vorübergehender Natur wären, sondern längerfristig in Geltung stehen würden. Aufgrund mittlerweile bereits in zahlreichen Staaten getroffener Erleichterungen im Reiseverkehr und angekündigter weiterer Schritte zur Lockerung oder Beseitigung der derzeit geltenden Reisebeschränkungen erscheint die Annahme der belangten Behörde durchaus begründet, dass auch zeitnah erfolgende Abschiebungen auf dem Luftweg weiterhin als nicht völlig ausgeschlossen gelten.

In einem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium – im vorliegenden Fall liegt eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vor und ist ein Verfahren zur Erteilung eines HRZ bei der Botschaft Algeriens im Laufen – reichen weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier in typisierender Betrachtungsweise die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (vgl. VwGH 20.02.2014, Zl. 2013/21/0178; 19.03.2014, Zl. 2013/21/0138).

Ein Sicherungsbedarf zur Durchführung einer Rückführung in den Herkunftsstaat ist somit weiterhin gegeben.

Ein gelinderes Mittel gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr, zur Erreichung des Sicherungszwecks nicht geeignet.

Die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr erweist sich vor diesem Hintergrund zur Erreichung des Sicherungszwecks als verhältnismäßig.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit XXXX .08.2020 andauernden Anhaltung in Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.

Die andauernde Schubhaft kann daher fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.

4.Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Zu Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zulässig.

Schlagworte

Abschiebung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Heimreisezertifikat illegale Ausreise Kooperation Mandatsbescheid Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Ultima Ratio Untertauchen Vereitelung Verhältnismäßigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G308.2237736.2.00

Im RIS seit

23.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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