TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/11 L510 2180442-3

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Veröffentlicht am 11.08.2020
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Entscheidungsdatum

11.08.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §57

Spruch

L510 2180442-3/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Irak, vertreten durch RAe Dr. Peter LECHENAUER – Dr. Margit SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.07.2020, Zl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei (bP) reiste zu einem nicht erwiesenen Zeitpunkt schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein

Sie stellte am 14.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Am selben Tag fand vor einem Organ der Bundespolizei ihre niederschriftliche Erstbefragung statt.

Am 28.07.2017 wurde sie vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheid, Zahl: XXXX , des Bundesamtes für Fremdwesen und Asyl vom 15.11.2017 wurde ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs 1 iVm. § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ihr nicht erteilt, gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG gegen die bP erlassen, gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist sowie gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen festgelegt.

Mit am 14.12.2017 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob sie durch ihre Rechtsvertretung Beschwerde gegen den genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Am 16.10.2018 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt.

Mit Erkenntnis, GZ.: G306 2180442-1/12E, des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2019 wurde ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Am 16.04.2019 erwuchs die Entscheidung in Rechtskraft. Ihr wurde eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise bis zum 30.04.2019 gewährt.

Die bP erhob gegen das Erkenntnis des BVwG eine außerordentliche Revision. Mit Beschluss, E 2029/2019-5, des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) vom 11.06.2019 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

2. Am 03.09.2019 stellte sie einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Absatz 1 AsylG.

Am 10.12.2019 wurden sie vor dem BFA hinsichtlich ihrem eingebrachten Antrag zum humanitären Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG sowie auch hinsichtlich der Durchsetzung und Effektuierung ihrer Ausreise niederschriftlich einvernommen und ihr die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben sowie Unterlagen in Vorlage zu bringen. Im Rahmen letzterer Einvernahme wurde sie über ihre Verpflichtung zur Ausreise nachweislich informiert und belehrt sowie zur Ausreise aufgefordert. Ihr wurde zudem die Wahrnehmung eines Rückkehrberatungsgesprächs aufgetragen. Die bP gab in der Einvernahme an, dass sie nicht freiwillig ausreisen werde und in Österreich bleiben wolle.

Mit Bescheid des BFA vom 20.02.2020, Zl. XXXX , wurde ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG abgewiesen. Gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihre Person eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig ist. Gemäß § 55 Abs 4 FPG wurde ihr keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, sondern einer Beschwerde gegen ihre Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 FPG wurde ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot gegen sie erlassen.

Mit am 23.03.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob sie durch ihre Rechtsvertretung Beschwerde gegen den genannten Bescheid an das BVwG.

Mit Erkenntnis, GZ.: L524 2180442-2/6E, des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2020 wurde ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs am 14.04.2020 in Rechtskraft. Ein diesbezüglicher Verfahrenshilfeantrag beim VfGH wurde mit 03.08.2020 abgewiesen.

3. Die bP hat das aufgetragene Rückkehrberatungsgespräch nicht wahrgenommen.

Gegen sie wurde mit Mandatsbescheid vom 05.06.2020 eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs 1 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG erlassen.

Dieser Mandatsbescheid wurde ordnungsgemäß zugestellt. Die Wohnsitzauflage ist seither durchsetzbar.

Die bP hat am 15.06.2020 fristgerecht das Rechtsmittel der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid erhoben, welche jedoch keine aufschiebende Wirkung hatte. Es wurde umgehend das Ermittlungsverfahren durch das BFA eingeleitet.

Am 23.06.2020 wurde das BFA davon in Kenntnis gesetzt, dass die bP sich bisweilen nicht in der XXXX eingefunden habe.

An sie und an ihre Rechtsvertretung wurde eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt, in welcher ihr mitgeteilt wurde, dass das BFA die Erlassung einer Wohnsitzauflage mittels ordentlichen Bescheid beabsichtigt. Sie erhielt eine Frist von 7 Tagen zur Abgabe einer Stellungnahme.

Die Wohnsitzauflage war weiterhin aufrecht und die bP zu deren Erfüllung verpflichtet. Das Ermittlungsverfahren wurde binnen 2 Wochen ab Vorstellung eingeleitet, wodurch der Mandatsbescheid nicht außer Kraft trat.

Die bP gab am 06.07.2020 über ihre Rechtsvertretung eine Stellungnahme dazu ab.

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 08.07.2020 wurde der bP gemäß § 57 Abs 1 FPG aufgetragen, bis zu ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung XXXX , zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe sie unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 13 Abs 2 VwGVG wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde ihr ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

4. Der Verfahrensakt langte am 07.08.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität der bP steht fest. Sie führt den im Spruch genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum. Die bP ist Staatsangehöriger des IRAK. Die bP ist gesund. Sie hat in Österreich keine Familienangehörigen. Sie ist ledig und hat keine Kinder. Sie hat in Österreich eine Freundin. Sie bezieht Leistungen aus der Grundversorgung.

Ihr Privat- und Familienleben wurde im Verfahren hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 Absatz 1 AsylG überprüft. Dabei stellte das BVwG mit Erkenntnis vom 14.04.2020 fest, dass kein schützenwertes Privat- und Familienleben im Bundesgebiet vorliegt. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft. Wesentliche Änderungen in Bezug auf das Privat- und Familienleben seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung sind nicht gegeben.

1.2. Zum Aufenthalt in Österreich:

Gegen die bP wurden bereits zwei rechtskräftige Rückkehrentscheidungen in den Irak erlassen. So stellte bisher einen Asylantrag, welcher rechtskräftig abgewiesen wurde. Zuletzt wurde gegen sie erneut eine Rückkehrentscheidung, dieses Mal in Verbindung mit einem 18-monatigen Einreiseverbot, erlassen. Diese Entscheidung erwuchs am 14.04.2020 in Rechtskraft. Ein diesbezüglicher Verfahrenshilfeantrag beim VfGH wurde mit 03.08.2020 abgewiesen. Seit der Durchsetzbarkeit der Entscheidung ist die bP zur Ausreise verpflichtet, dieser Verpflichtung ist sie bis dato nicht nachgekommen. Sie hält sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und ist nicht gewillt, ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Seitens der LPD Wien scheint in Bezug auf die bP das Straferkenntnis unter der Zahl: XXXX auf, wonach gegen die bP eine Geldstrafe von Euro 600, -- gemäß § 120 Abs 1b FPG verhängt wurde, da sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist.

Die bP hat das nachweislich angebotene Rückkehrberatungsgespräch nicht in Anspruch genommen. Die bP hat sich geweigert, Formblätter zur Erlangung eines Heimreisezertifikates auszufüllen.

2. Beweiswürdigung

2.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus dem Akteninhalt dieses Verfahrens, sowie aus dem Akteninhalt des Verfahrens vor dem BVwG gemäß § 55 Absatz 1 AsylG, welches mit Erkenntnis vom 14.04.2020 rechtskräftig abgeschlossen wurde. Zudem wurden diese Feststellungen gegenständlich nicht bestritten.

2.2. Zum Aufenthalt in Österreich:

Die Feststellungen zu 1.1.2. in Bezug auf die bisherigen Verfahren ergeben sich aus dem Akteninhalt und wurden im Verfahren nicht bestritten. Die Feststellung zur Abweisung des Antrages auf Verfahrenshilfe beim VfGH ergibt sich aus der diesbezüglichen Auskunft des VfGH gegenüber dem BVwG vom 10.08.2020.

Dass die bP nicht gewillt ist das Bundesgebiet zu verlassen, ergibt sich aus den mit ihr beim BFA durchgeführten Niederschriften am 14.06.2019 und am 10.12.2019. Aus der Niederschrift vom 14.06.2020 ergibt sich, dass die bP sich weigerte, Formblätter für die Erlangung eines Heimreisezertifikates auszufüllen. Aus der Niederschrift vom 10.12.2019 (08:50 Uhr) ergibt sich, dass sich die bP auch hier weigerte die Formblätter auszufüllen und darlegte, dass sie auch im Falle einer negativen Entscheidung in Bezug auf ihren beantragten Aufenthaltstitel nicht freiwillig ausreisen würde.

Dass die bP kein nachweislich angebotenes Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch genommen hat, ergibt sich aus der im Akt aufliegenden Niederschrift mit der bP vom 10.12.2019 (10:20 Uhr), worin dieser ein Rückkehrgespräch aufgetragen wurde und der im Akt befindlichen Auskunft der Caritas Wien an das BFA vom 28.05.2020, dass die bP tatsächlich kein Rückkehrgespräch in Anspruch genommen hat.

Die Feststellung zum Straferkenntnis der zuständigen LPD ergeben sich aus den verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen der LPD.

3. Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

A)

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 57 Abs 1 FPG kann einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs 1 Z 2 vorliegen, ist gemäß § 57 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

Gegenständlich ergibt sich, dass in Bezug auf die bP durch die Entscheidung des BVwG, rechtskräftig mit 14.04.2020, eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht geduldet. Die Frist zur freiwilligen Ausreise ist mit Ende des 28.04.2020 abgelaufen.

Die Annahme, dass die bP ihrer Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, stützte die belangte Behörde darauf, dass die bP ein nachweisliche angebotenes Rückkehrgespräch nicht in Anspruch genommen hat, was gegenständlich aktenkundig ist und auch im Verfahren nicht bestritten wurde.

Weiter habe die bP an den zur Erlangung einer Bewilligung notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs 2 und 2a nicht mitgewirkt und auch erklärt, ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen. Dazu ist festzustellen, dass sich dies aus den mit der bP beim BFA durchgeführten Niederschriften am 14.06.2019 und am 10.12.2019 ergibt, wie in der Beweiswürdigung dargelegt. Aus der Niederschrift vom 14.06.2020 ergibt sich, dass die bP sich weigerte, Formblätter für die Erlangung eines Heimreisezertifikates auszufüllen. Aus der Niederschrift vom 10.12.2019 (08:50 Uhr) ergibt sich, dass sich die bP auch hier weigerte die Formblätter auszufüllen und darlegte, dass sie auch im Falle einer negativen Entscheidung in Bezug auf ihren beantragten Aufenthaltstitel nicht freiwillig ausreisen würde.

Gegenständlich sind die Ziffern 1, 3 und 4 und somit der Tatbestand des § 57 Abs 2 FPG erfüllt, weshalb im gegenständlichen Fall die Annahme gerechtfertigt ist, dass die bP ihrer Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, womit die vom BFA erlassene Wohnsitzauflage rechtens ist.

Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Dem öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anderes kann bezüglich der Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zu § 57 FPG (EB zum FRÄG 2017, GP XXV IA 2285/A) ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen.

Erst in der rechtskräftig ergangenen Entscheidung des BVwG vom 14.04.2020 in Bezug auf das Privat- und Familienleben der bP in Österreich hinsichtlich Art 8 EMRK wurde festgestellt, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie eines geordneten Vollzugs des Fremdenwesens jedenfalls gegenüber den persönlichen Interessen der bP an einem weiteren Verbleib in Österreich überwiegt, weshalb der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben als verhältnismäßig und die Abschiebung in den Irak für zulässig erklärt wurde.

Im gegenständlichen Verfahren wurde lediglich über eine Wohnsitzauflage entschieden, was gegenüber einer Abschiebung in den Irak einen wesentlich geringfügigeren Eingriff auf das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, auch wenn die bP laut ihrer Stellungnahme lieber in Schwechat untergebracht werden würde. Wenn darauf hingewiesen wird, dass die bP für ein Studium inskribiert ist, so ist festzuhalten, dass etwaige Studienerfolge nicht belegt wurden, weshalb auch hieraus kein unrechtmäßiger Eingriff gesehen werden kann. Selbst aus der Tatsache von COVID 19 lässt sich derartiges nicht ableiten, da durch entsprechende Hausordnungen gegensteuernde Maßnahmen ergriffen werden müssen. Zudem kam nicht hervor, dass die bP einer Risikogruppe angehört und wäre die Situation in Schwechat nicht anders.

Eine wesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens der bP seit der letzten Entscheidung des BVwG ist zudem nicht ersichtlich. In der Beschwerde wird zwar dargelegt, dass das Privat- und Familienleben noch intensiviert worden sei, inwiefern diese angebliche Intensivierung jedoch in den etwa nur 4 Monaten erfolgt sein soll, legte selbst die Beschwerde nicht dar. Wenn dargelegt wird, dass eine Zeugeneinvernahme der Freundin ein deutlicheres Bild hätte vermitteln können, so wird auch nicht dargelegt, was die Freundin hätte vorbringen können, weshalb es an einer Relevanzdarstellung diesbezüglich mangelt und musste diesem Beweisantrag somit auch nicht gefolgt werden. Überdies musste der bP auch bewusst sein, dass sie etwaige weitere Anknüpfungspunkte im Stadium des ungewissen Aufenthaltes begründet hätte. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch festzustellen, dass die bP immer noch Leistungen aus der Grundversorgung erhält, was sich aus den GVS-Datenauszügen unbestrittener Weise ergibt und was gegenständlich in Bezug auf die Wohnsitzauflage gegen einen Eingriff in Art 8 EMRK spricht, da die bP auch weiterhin in der Lage sein wird, Grundversorgung auch an einem anderen Ort zu beziehen.

In Abwägung der Bindung der bP an ihren Wohnort sind in Relation zu dem dargestellten öffentlichen Interesse allfällige Unannehmlichkeiten durch die Aufgabe ihres aktuellen Wohnsitzes sowie eine Einschränkung ihrer sozialen Kontakte nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen würden. Zudem ist auch beachtlich, dass die Freundin die bP besuchen und auf diese Weise die Beziehung aufrecht halten kann. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass die bP überdies verpflichtet ist, Österreich zu verlassen.

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben und die Wohnung der bP verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens der bP auch dringend geboten.

Zu Spruchpunkt II.

Der mit "Aufschiebende Wirkung" überschriebene § 13 VwGVG lautet:

"§ 13 (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen."

Der mit "Aufschiebende Wirkung" überschriebene § 22 VwGVG lautet:

"§ 22 (1) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben."

Anhaltspunkte dahingehend, dass im gegenständlichen Fall konkret zu berücksichtigende private- oder familiäre Interessen vorliegen würden, die das öffentliche Interesse an einer raschen Durchsetzung der Wohnsitzauflage allenfalls überwiegen würden, sind nicht hervorgekommen.

Da die gegenständliche Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war, war auf die Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs 2 bzw. § 22 Abs 3 VwGVG vorlagen, nicht weiter einzugehen und konnte ein Ausspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für eine etwaige Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte. Das Bundesamt hat die, die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt und hat das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung geteilt.

In der Beschwerde wurde jedoch kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet.

Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist und eine Verhandlung entfallen konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung Ausreiseverpflichtung illegaler Aufenthalt Interessenabwägung Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Rückkehrberatung Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L510.2180442.3.00

Im RIS seit

19.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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