TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/12 I422 2236578-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.11.2020
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Entscheidungsdatum

12.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 2236578-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Tunesien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2020, Zl. 1269390310/200947396, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. 


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgegenstand:

Verfahrensgegenstand ist die fristgerecht erhobene Beschwerde eines tunesischen Staatsangehörigen gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2020. Mit diesem wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 02.10.2020 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien (Spruchpunkt II.) ab. Einen Aufenthaltstitel erteilte sie dem Beschwerdeführer nicht (Spruchpunkt III.), erließ über ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und erklärte seine Abschiebung nach Tunesien für zulässig (Spruchpunkt V.). Die belangte Behörde räumte ihm keine Frist für seine freiwillige Ausreise ein (Spruchpunkt VI.) und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VII.).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Tunesien. Er gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Er spricht Arabisch, Französisch und Englisch. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist gesund und arbeitsfähig.

Er ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen im Alter von vier Jahren bzw. zehn Monaten, welche mit der Ehefrau des Beschwerdeführers in Tunesien leben.

Der Beschwerdeführer verließ Tunesien im Oktober 2019 und reiste zunächst mit einem für drei Monate gültigen Visum nach Frankreich. In weiterer Folge hielt er sich bei der Schwester seiner Ehefrau in Deutschland auf und reiste am 05.09.2020 mit dem Zug nach Österreich weiter. Am 02.10.2020 wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Tötung seiner Schwägerin in Deutschland als Zeuge einvernommen. Bei dieser Vernehmung wies er sich mit einem gefälschten rumänischen Personalausweis aus und stellte im Anschluss den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

In Tunesien absolvierte der Beschwerdeführer die Grund-, Mittel- und Hauptschule und besuchte nach der Matura eine Tourismushochschule. Anschließend arbeitete er sieben Jahre lang als Verkäufer für Autoersatzteile.

In Tunesien leben die Eltern, die Schwester, die Ehefrau und die Söhne des Beschwerdeführers, zu welchen derzeit kein Kontakt besteht. In Österreich lebt der Beschwerdeführer in einer Liebesbeziehung mit einer österreichischen Staatsangehörigen, welche er im August 2020 über einen Internet-Chat kennengelernt hat. Seine Partnerin gewährt dem Beschwerdeführer Unterkunft und finanzielle Unterstützung.

Im Bundesgebiet geht der Beschwerdeführer keiner Erwerbstätigkeit nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Eine Integration des Beschwerdeführers in sprachlicher, beruflicher oder sozialer Hinsicht liegt nicht vor.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wird in seinem Herkunftsland Tunesien weder aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe noch aufgrund seiner politischen Gesinnung verfolgt und ist in seinem Herkunftsstaat nicht gefährdet, aus solchen Gründen verfolgt zu werden. Insbesondere droht dem Beschwerdeführer in Tunesien keine Verfolgung von Familienmitgliedern seiner Ehefrau.

Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Tunesien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner realen Gefahr der Folter, einer unmenschlichen Bestrafung oder Behandlung, der Todesstrafe ausgesetzt sein. Im Fall seiner Rückkehr nach Tunesien droht dem Beschwerdeführer weder die Gefahr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt in seinem Herkunftsstaat in seiner körperlichen Integrität verletzt zu werden. Ihm droht im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat auch keine reale Gefahr, in seiner Existenz bedroht zu werden.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Tunesien ist ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaaten-Verordnung.

Hinsichtlich der aktuellen Lage in Tunesien sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 06.10.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien zitiert. Den Länderberichten wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten und sind im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch keine Änderungen der Lage bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Grundversorgung und Wirtschaft

Die Grundversorgung der Bevölkerung gilt als gut. Tunesien verfügt über eine moderne Wirtschaftsstruktur auf marktwirtschaftlicher Basis sowie wichtige Standortvorteile: Ein hoher Industrialisierungsgrad, gute Infrastruktur, Nähe zu Europa sowie qualifizierte Arbeitskräfte und Steuervorteile für Exportbetriebe ("Offshore-Sektor"). Den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet der Dienstleistungssektor (ca. 50% aller Erwerbstätigen), gefolgt von der Industrie (32%) und der Landwirtschaft (ca. 25%). Neben dem Bergbau, der einer der wichtigsten Sektoren der tunesischen Wirtschaft ist, spielen Landwirtschaft, Textilfabrikation und Tourismus eine wichtige Rolle für die tunesische Wirtschaft. Im Dienstleistungssektor spielen vor allem nach Tunesien ausgelagerte Callcenter französischer Firmen und IT-Unternehmen eine große Rolle. Außerdem gründen sich seit 2011 immer mehr Start-Ups. Der sogenannte Start Up Act, der im April 2018 verabschiedet wurde, soll aufstrebenden jungen Kleinunternehmen v.a. im IT-Bereich den Start erleichtern. Seine Umsetzung wird jedoch kritisiert.

Der Förderung der Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen kommt nach der Revolution große Bedeutung zu, da die politischen Ereignisse für einen deutlichen Einbruch der Wirtschaft gesorgt haben. Die Arbeitslosigkeit bleibt eines der dringlichsten Probleme des Landes. Die tunesische Wirtschaft ist auch mehr als sieben Jahre nach dem Umbruch nicht besonders konkurrenzfähig. Das Finanzgesetz 2018 hatte zu Beginn des Jahres massive Proteste ausgelöst.

Die größten Herausforderungen liegen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigungsförderung, der Verbesserung der arbeitsmarktorientierten Aus- und Fortbildung, sowie der Erhöhung des Investitionsniveaus im privaten und öffentlichen Sektor. Die Arbeitslosigkeit bewegt sich zwischen 15 und 16%, wobei junge Menschen, Frauen, Akademiker (ca. 300.000) und die benachteiligten Regionen im Binnenland überproportional betroffen sind.

Um regionalen Ungleichheiten zu begegnen, hat Tunesien ein ambitioniertes Programm zur Regionalentwicklung vorgelegt. Die aktuelle Regierung hat zur Verbesserung der Grundversorgung der Bevölkerung in den armen Gegenden des Südens und des Landesinnern eine Umwidmung der staatlichen Ausgabenprogramme weg vom gut entwickelten Küstenstreifen hin zu den rückständigeren Regionen vorgenommen.

Der staatliche Mindestlohn wurde nach der Revolution von 225 auf 380 Dinar monatlich (umgerechnet knapp 125 Euro) angehoben. Dies genügt kaum, um den Lebensunterhalt einer Person zu decken, geschweige denn davon eine Familie zu ernähren. Laut einer aktuellen Untersuchung des Sozialministeriums leben rund 24% der Bevölkerung in Armut, d.h. sie leben von weniger als dem staatlichen Mindestlohn. Tunesien ist ein Niedriglohnland. Die durchschnittlichen Monatslöhne im produzierenden Gewerbe liegen zwischen 500 und 800 Dinar. Arbeiter im öffentlichen Sektor verdienen rund 900 Dinar, Beamte 1.000-1.600 Dinar.

Fast ein Viertel der Bevölkerung, vor allem auf dem Land, lebt in Armut. Nichtsdestotrotz verfügt das Land über eine relativ breite, weit definierte Mittelschicht aus selbständigen Kleinunternehmern, Angestellten und Beamten (deren Einkommen niedrig ist) und einer schmalen Oberschicht. Diese spaltet sich in alteingesessenes Bildungsbürgertum und ökonomische Elite.

In Tunesien gibt es ein gewisses strukturiertes Sozialsystem. Es bietet zwar keine großzügigen Leistungen, stellt aber dennoch einen gewissen Basis-Schutz für Bedürftige, Alte und Kranke dar. Der Deckungsgrad beträgt 95%. Folgende staatlichen Hilfen werden angeboten: Rente, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Sterbegeld, Witwenrente, Waisenrente, Invalidenrente, Hilfen für arme Familien, Erstattung der Sach- und Personalkosten bei Krankenbehandlung, Kredite für Familien. Eine Arbeitslosenunterstützung wird für maximal ein Jahr ausbezahlt – allerdings unter der Voraussetzung, dass man vorab sozialversichert war. Es gibt folgende Arbeitsvermittlungsinstitutionen: Nationale Arbeitsagentur (ANETI), Berufsbildungsagentur (ATFP), Zentrum für die Ausbildung der Ausbilder und die Entwicklung von Lehrplänen (CENAFFIF), Zentrum für die Weiterbildung und Förderung der beruflichen Bildung (CNFCPP).

Es existiert ein an ein sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis geknüpftes Kranken- und Rentenversicherungssystem. Nahezu alle Bürger finden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Regelungen der Familienmitversicherung sind großzügig und umfassen sowohl Ehepartner, als auch Kinder und sogar Eltern der Versicherten. Allerdings gibt es keine allgemeine Grundversorgung oder Sozialhilfe. Die mit Arbeitslosigkeit verbundenen Lasten müssen überwiegend durch den traditionellen Verband der Großfamilie aufgefangen werden, deren Zusammenhalt allerdings schwindet.

Rückkehr

Es gibt keine speziellen Hilfsangebote für Rückkehrer. Soweit bekannt, werden zurückgeführte tunesische Staatsangehörige nach Übernahme durch die tunesische Grenzpolizei einzeln befragt und es erfolgt ein Abgleich mit den örtlichen erkennungsdienstlichen Registern. Sofern keine innerstaatlichen strafrechtlich relevanten Erkenntnisse vorliegen, erfolgt anschließend eine reguläre Einreise. Hinweise darauf, dass, wie früher üblich, den Rückgeführten nach Einreise der Pass entzogen und erst nach langer Wartezeit wieder ausgehändigt wird, liegen nicht vor. An der zugrundeliegenden Gesetzeslage für die strafrechtliche Behandlung von Rückkehrern hat sich indes nichts geändert. Sollte ein zurückgeführter tunesischer Staatsangehöriger sein Land illegal verlassen haben, ist mit einer Anwendung der Strafbestimmung in §35 des Gesetzes Nr. 40 vom 14.5.1975 zu rechnen: „Jeder Tunesier, der beabsichtigt, ohne offizielles Reisedokument das tunesische Territorium zu verlassen oder zu betreten, wird mit einer Gefängnisstrafe zwischen 15 Tagen und sechs Monaten sowie einer Geldstrafe zwischen 30 und 120 DT (ca. 15 bzw. 60 Euro) oder zu einer der beiden Strafarten verurteilt. Bei Wiederholung der Tat (Rückfälligkeit) kann sich das im vorhergehenden Absatz aufgeführte Strafmaß für den Täter verdoppeln.“ Soweit bekannt, wurden im Jahr 2019 ausschließlich Geldstrafen verhängt. Die im Gesetz aufgeführten Strafen kommen nicht zur Anwendung bei Personen, die das tunesische Territorium aufgrund höherer Gewalt oder besonderer Umstände ohne Reisedokument betreten.

Eine „Bescheinigung des Genusses der Generalamnestie“ wird auf Antrag vom Justizministerium ausgestellt und gilt als Nachweis, dass die in dieser Bescheinigung ausdrücklich aufgeführten Verurteilungen - kraft Gesetz - erloschen sind. Eventuelle andere, nicht aufgeführte zivil- oder strafrechtliche Verurteilungen bleiben unberührt. Um zweifelsfrei festzustellen, ob gegen eine Person weitere Strafverfahren oder Verurteilungen vorliegen, kann ein Führungszeugnis (das sog. „Bulletin Numéro 3“) beantragt werden.

Seit der Revolution 2011 sind tausende Tunesier illegal emigriert. Vor allem junge Tunesier haben nach der Revolution das Land verlassen, kehren nun teilweise zurück und finden so gut wie keine staatliche Unterstützung zur Reintegration. Eine kontinuierliche Quelle der Spannung ist die Diskrepanz zwischen starkem Migrationsdruck und limitierten legalen Migrationskanälen. Die Reintegration tunesischer Migranten wird durch eine Reihe von Projekten von IOM unterstützt. Sowohl IOM als auch UNHCR übernehmen die Registrierung, Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in Tunesien. Finanzielle Hilfe dafür kommt hauptsächlich von der EU, sowie aus humanitären Programmen der Schweiz und Norwegens. Die Schweiz ist dabei einer der größten Geber und verfügt über zwei Entwicklungshilfebüros vor Ort. Wesentlich für eine erfolgreiche Reintegration ist es, rückkehrenden Migranten zu ermöglichen, eine Lebensgrundlage aufzubauen. Rückkehrprojekte umfassen z.B. Unterstützung beim Aufbau von Mikrobetrieben, oder im Bereich der Landwirtschaft. Als zweite Institution ist das ICMPD [International Centre for Migration Policy Development] seit 2015 offizieller Partner in Tunesien im Rahmen des sog. „Dialog Süd“ – Programms (EUROMED Migrationsprogramm).

COVID-19

Auch hinsichtlich der globalen COVID-19 Pandemie ergeben sich in Bezug auf den Herkunftsstaat keinerlei Bedenken: Wie sich aus den Informationen des tunesischen Gesundheitsministeriums (https://covid-19.tn/fr/accueil-2/) ergibt, setzte Tunesien einerseits ebenfalls auf eine strenge Eingrenzung des öffentlichen Lebens und andererseits auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung im Kampf um die Eindämmung der Pandemie (https://covid-19.tn/fr/mesures-preventives/). Die gegenwärtige Entwicklung in Tunesien spiegeln den europäischen Trend wider. Die Zahl der Neuinfektionen steigt erneut an, wobei keine wesentlich schlechtere Lage als in Österreich erkennbar ist. Mit Stand 04.11.2020 gab es in Tunesien insgesamt 66.334 positiv getesteten Personen (nombre total de cas) bei 1.577 nachweislich an COVID-19 verstorbenen (nombre de décès) [https://covid-19.tn/fr/tableau-de-bord/].

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.10.2020 und vor der belangten Behörde am selben Tag und ergänzend am 06.10.2020, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems über die Grundversorgung (GVS), der Sozialversicherung (AJ-WEB) und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Volljährigkeit, zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben im Administrativverfahren. In Ermangelung der Vorlage eines (unverfälschten) identitätszeugenden Dokumentes steht seine Identität nicht fest.

Auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 02.10.2020 gründen die Feststellungen zu seiner Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Gesundheit und Arbeitsfähigkeit. Aus dem plausiblen Vorbringen des Beschwerdeführers in derselben Einvernahme gründen die Feststellungen zu seinen Familienmitgliedern in Tunesien. In der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, dass derzeit kein Kontakt zu seiner Kernfamilie besteht, da ihn seine Frau und deren Eltern für den Tod seiner Schwägerin verantwortlich machen.

Die Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers über Frankreich und Deutschland und zur Einreise nach Österreich gründen auf dem diesbezüglich ebenfalls plausiblen Vorbringen des Beschwerdeführers im Administrativverfahren.

Die zeugenschaftliche Einvernahme des Beschwerdeführers zur Tötung seiner Schwägerin am 02.10.2020 ist durch das im Akt einliegende Vernehmungsprotokoll belegt. Dass sich der Beschwerdeführer dabei durch einen gefälschten rumänischen Personalausweis auswies, ist durch die anschließende Beschuldigtenvernehmung zum Verdacht der Fälschung besonders geschützter Urkunden gegen den Beschwerdeführer zweifelsfrei belegt. Dabei gab der Beschwerdeführer explizit an, sich den Personalausweis besorgt zu haben, um am europäischen Arbeitsmarkt teilzunehmen und Geld verdienen zu können.

Aus der Einsichtnahme in das GVS ist belegt, dass der Beschwerdeführer in Österreich gegenwärtig keiner Beschäftigung nachgeht und er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht.

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 02.10.2020 gründen die Feststellungen zur Liebesbeziehung des Beschwerdeführers in Österreich.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, kultureller oder beruflicher Hinsicht aufweist, resultiert aus dem Umstand, dass er bislang keinerlei integrationsbezeugende Unterlagen in Vorlage brachte sowie aus seinem erst rund zwei Monate andauernden Aufenthalt in Österreich.

Dass der Beschwerdeführer unbescholten ist, ergibt sich aus einer Einsichtnahme ins das Strafregister.

2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Tunesien weder aufgrund seiner politischen oder religiösen Einstellung, noch aufgrund seiner sozialen Herkunft, seiner Rasse, seiner Nationalität oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe und insbesondere nicht im Zusammenhang mit der Tötung seiner Schwägerin von deren Familie verfolgt wird, ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung seiner Aussagen vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie vor der belangten Behörde.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.10.2020 gab er auf die Frage nach seinem Fluchtgrund zunächst an, Tunesien verlassen zu haben um seinen Lebensstandard zu verbessern. Da jedoch seine Schwägerin in Deutschland ermordet worden sei, befürchte er, dass ihm deren Familie bei einer Rückkehr etwas antun könnte.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am selben Tag führte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt weiter aus, dass er die Schwester seiner Ehefrau mit einem guten Freund von ihm bekannt gemacht habe. Kurz darauf hätten die beiden geheiratet. Nun habe sein Freund seine Schwägerin totgeschlagen und die Familie seiner Ehefrau würde dem Beschwerdeführer dafür die Schuld geben. Sie hätten gedroht, dass der Beschwerdeführer seine Kinder nie wiedersehen könne und er fürchte auch, dass die Familie seiner Ehefrau im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien Rache nehmen könnte. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass er zwei bis drei Tage nach der Tötung seiner Schwägerin telefonisch von deren Vater und Bruder bedroht worden sei.

Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass die belangte Behörde völlig zu Recht ausführt, dass es sich hierbei um keine asylrelevante Verfolgung handelt, da es dem Beschwerdeführer offensteht, sich wegen der behaupteten Privatverfolgung an die tunesischen Sicherheitsbehörden zu wenden.

Sieht man sich das Einvernahmeprotokoll vom 02.10.2020 an, erweisen sich seine darin getätigten Angaben in Bezug auf seine Furcht vor einer drohenden Verfolgung durch die Familie seiner Frau zudem als unglaubhaft.

Im Hinblick auf das Fluchtvorbringen und die Glaubhaftigkeit eines solchen hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass dem Vorbringen des Asylwerbers zentrale Bedeutung zukommt. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervor, wonach das BFA und das BVwG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 30.07.2020, Ra 2019/14/0608; Ra 2020/19/0221).

Ebenso muss das Vorbringen des Asylwerbers, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 12.03.2020, Ra 2019/01/0472).

Die Behörde muss Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen muss, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert (vgl. VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314; 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Eben jenen Anforderungen der höchstgerichtlichen Judikatur wurden die Ausführungen des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Bedrohung und Verfolgung nicht gerecht. Es ist der belangten Behörde zunächst dahingehend beizupflichten, dass der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen vor dieser nur wenig spezifiziert und allgemein gehalten schilderte. Sein Fluchtmotiv legt der Beschwerdeführer im Rahmen seiner freien Erzählung abschließend in rund zehn Sätzen dar und erschöpfen sich seine Ausführungen zur Bedrohung selbst in drei äußerst allgemein gehaltenen Sätzen („Die Familie von meiner Frau wirft mir vor, dass ich der Grund bin, dass H[...] gestorben ist. Weil sie können M[...] nicht erreichen in DE, aber mir haben sie gedroht, dass ich meine Kinder nie wiedersehen kann. Und sollte ich nach Tunesien kommen, dann können sie bei mir Rache holen, mich umbringen.“). Zeitliche Details oder konkretere Inhalte in Bezug auf die Bedrohung bleiben im Rahmen der freien Schilderung des Beschwerdeführers vollkommen ausgespart. Selbst auf explizites und mehrfaches Nachfragen des einvernehmenden Beamten blieb der Beschwerdeführer bei seinem äußerst vagen und oberflächlichen Vorbringen. So nannte er keine Daten oder Namen der Personen, welche ihn bedrohen würden, schilderte die gesamte Situation völlig emotionslos und beschränkte er sich bei der freien Erzählung lediglich auf bruchstückhafte und abschließende Sätze.

Zudem ist der belangten Behörde dahingehend beizupflichten, dass die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers durch den Umstand, dass er nicht unmittelbar nach seiner Einreise bzw. nach der erfolgten Bedrohung einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, maßgeblich belastet ist. Auf die dahingehende Nachfrage in der niederschriftlichen Einvernahme gab der Beschwerdeführer an, sich nicht früher getraut zu haben und unter Schock gestanden zu sein. Dies ist nicht nachvollziehbar zumal davon auszugehen ist, dass sich ein Schutzsuchender unmittelbar um entsprechende behördliche Unterstützung bemühen würde.

In diesem Zusammenhang leidet seine persönliche Glaubwürdigkeit aber auch maßgeblich durch die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer zunächst mit einem gefälschten rumänischen Personalausweis auszuweisen und die österreichischen Behörden somit von seiner wahren Identität zu täuschen versuchte (vgl. VwGH 21.11.2002, 99/20/0549).

In einer Gesamtbetrachtung konnte der Beschwerdeführer die Gefahr einer aktuellen, gegen ihn gerichteten Verfolgung durch die Familie seiner Ehefrau nicht glaubhaft machen.

Aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde vom 02.10.2020, wonach ihn die schwierige wirtschaftliche Situation zur Ausreise bewogen habe sowie in der Beschuldigtenvernehmung vom 02.10.2020, wonach er sich den rumänischen Personalausweis besorgt habe, um am europäischen Arbeitsmarkt teilzunehmen, ist belegt, dass der Beschwerdeführer Tunesien ausschließlich aus wirtschaftlichen Überlegungen verlassen hat.

2.4. Zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien (Stand 30.06.2020) samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Der Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie beispielsweise dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen. Ergänzend wurde in die Webseite des tunesischen Gesundheitsministeriums betreffend COVID-19 (https://covid-19.tn/fr/accueil-2/) Einsicht genommen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu den Länderberichten binnen zwei Wochen eingeräumt. Dies lehnte der Beschwerdeführer explizit ab.

Auf den Hinweis des Beamten der belangten Behörde, dass Tunesien ein sicherer Herkunftsstaat sei, gab der Beschwerdeführer wörtlich an: „Das ist lächerlich. Was sollen sie machen, sollen sie für mich einen Leibwächter besorgen? Auf dem Papier kann man viel schreiben.“

In der Beschwerde wurde die Länderberichten ebenfalls nicht moniert.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland somit weder in der niederschriftlichen Einvernahme noch im Beschwerdeschriftsatz substantiiert entgegen.

Tunesien ist gemäß § 1 Z 11 der Herkunftsstaaten-Verordnung BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019, zudem ein sicherer Herkunftsstaat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. bereits dargelegt, vermochte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft zu machen.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl nicht gegeben sind, war die Beschwerde gemäß Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - „real risk“ einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (vgl. VwGH 29.08.2019, Ra 2019/19/0143).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend. Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie umseits bereits dargelegt wurde, droht dem Beschwerdeführer in Tunesien keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Tunesien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer hat in Tunesien eine mehrjährige Schulbildung und eine Tourismushochschule absolviert und kann eine siebenjährige Berufserfahrung als Verkäufer von Autoersatzteilen vorweisen. Er ist gesund und arbeitsfähig, es ist daher davon auszugehen, dass er durch die (Wieder)Aufnahme einer Beschäftigung (erneut) in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Darüber hinaus leben seine Eltern und seine Schwester, mit welchen der Beschwerdeführer in regelmäßigem Kontakt steht, nach wie vor in Tunesien und ist der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr daher auch nicht auf sich allein gestellt.

Durchaus lässt das erkennende Gericht nicht außer Acht, dass der Beschwerdeführer die eigene wirtschaftliche Situation – insbesondere nach der Geburt seiner drei Kinder – als schwierig bezeichnete und er sich nicht zum Verdienst seines Lebensunterhaltes imstande sah. Allerdings reicht nach der ständigen Judikatur des VwGH eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 MRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 01.10.2020, Ra 2020/19/0196).

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Tunesien nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Tunesien bessergestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Tunesien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem ist Tunesien ein sicherer Herkunftsstaat. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Tunesien, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage:

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) unter anderem von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

3.3.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.

Einer etwaigen Ladung als Zeuge zu einem Strafprozess in Deutschland wird der Beschwerdeführer auch von Tunesien aus Folge leisten können und ergibt sich aus der gesetzlichen Bestimmung des § 57 AsylG keine Verpflichtung, einen Aufenthaltstitel in Österreich zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen in anderen EU-Staaten zu gewähren. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1. Rechtslage:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Dabei hat das Bundesamt gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Auf Grundlage des § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG - wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird - zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Nachdem der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen war, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt.

Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu Punkt 3.3.2. ergaben sich auch keine Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht hat, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre.

Zu prüfen ist daher, ob eine Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner illegalen Einreise (spätestens) am 05.09.2020 rund zwei Monate in Österreich aufhältig, wobei der Aufenthalt erst mit der Stellung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz am 02.10.2020 (vorrübergehend) rechtmäßig wurde. Die Aufenthaltsdauer für sich stellt zunächst lediglich eines von mehreren im Zuge der Interessensabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0289). Zudem beruhte der Aufenthalt des Beschwerdeführers auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durften, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Der Beschwerdeführer lebt in Österreich seit seiner Einreise in einer Liebesbeziehung. Deren Gewicht wird allerdings dadurch entscheidend gemindert, dass sich der Beschwerdeführer und seine Partnerin erst einen Monat vor seiner Einreise kennenlernten und die Beziehung nunmehr erst seit rund zwei Monaten besteht. Zwar gewährt ihm seine Partnerin finanzielle Unterstützung und Unterkunft, ob der kurzen Dauer ist dennoch nicht von einer maßgeblichen Intensität auszugehen. Es wird dem Beschwerdeführer und seiner Partnerin jedenfalls auch möglich sein, den Kontakt telefonisch bzw. elektronisch sowie über Besuche in Tunesien aufrechtzuerhalten.

Nennenswerte integrative Merkmale in sprachlicher, beruflicher oder kultureller Hinsicht liegen - schon ob der geringen Dauer des Aufenthaltes von rund zwei Monaten - nicht vor (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191). Demgegenüber verfügt der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, über sprachliche und kulturelle Verbindungen sowie auch über familiäre Anknüpfungspunkte.

Es sind bei einer Rückkehrentscheidung in weiterer Folge aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0076). Im gegenständlichen Fall ist dahingehend keine besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers hervorgekommen. Er wird bei einer Rückkehr durch seine Schul- und Berufsausbildung sowie seine jahrelange Erwerbstätigkeit in der Lage sein, sich ein ausreichendes Einkommen zur Sicherung seiner Existenz zu erwirtschaften.

Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vermag seine Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet nicht entscheidend zu verstärken.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Ihm steht einerseits das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. In Anbetracht der Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer mit der Beschaffung eines gefälschten rumänischen Personalausweises auch den Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt erschleichen wollte, stehen seinen privaten Interessen andererseits auch das öffentliche Interesse an der Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen gegenüber (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282; 26.05.2020, Ra 2020/21/0127). Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt schwerer, als die nur schwach ausgeprägten privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra 2018/21/0034; 05.11.2019, Ro 2019/01/0008).

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher - nach Abwägung der privaten mit den öffentlichen Interessen - nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

3.5.1. Rechtslage:

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0399).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Betreffend der derzeitigen COVID-19 Pandemie ist auszuführen, dass für den Beschwerdeführer keine besondere Gefährdung ersichtlich ist. Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört keiner Risikogruppe an, weshalb auch die derzeitige Situation in Zusammenhang mit der COVID Pandemie einer Abschiebung nach Tunesien nicht entgegensteht.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien erfolgte daher zu Recht und war die Beschwerde auch hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.6. Zur Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht unter anderem eine Frist für die freiwillige Ausreise dann nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 06.10.2020 die aufschiebende Wirkung - wie nachstehend zu Punkt 3.7. ausgeführt werden wird - zu Recht aberkannt.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Wie bereits umseits ausgeführt, besteht bei der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tunesien keine Gefahr, dass diesem die Todesstrafe, die Folter, eine unmenschliche Behandlung oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes drohen. Ein von Art 8 EMRK geschützter Eingriff in sein Privat- und Familienleben ist, wie oben bereits näher erläutert, ebenfalls nicht zu befürchten. Die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchzuführende Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt, wie umseits bereits ausgeführt, einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheides. Damit waren keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG gegeben.

Somit hat die belangte Behörde zu Recht § 55 Abs. 1a FPG zur Anwendung gebracht. Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

3.7. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19 BFA-VG) stammt (§ 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG). Sichere Herkunftsstaaten sind ua. die Herkunftsstaaten, die mit Verordnung der Bundesregierung als sichere Herkunftsstaaten festgestellt wurden (§ 19 Abs. 5 Z 2 BFA-VG).

Nach § 1 Z 11 Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019 gilt Tunesien als sicherer Herkunftsstaat.

Die belangte Behörde hat der vorliegenden Beschwerde sohin zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannt. Es lag für die belangte Behörde auch kein Grund vor, im Rahmen der Ermessensübung von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VII. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen war.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen.

Daher konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG und § 24 VwGVG aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Beweiswürdigung von Fluchtvorbringen, zur Relevanz des Privat- und Familienlebens bei Rückkehrentscheidungen oder den Voraussetzungen der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2236578.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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