TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/14 I403 2223412-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2020
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Entscheidungsdatum

14.12.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §105 Abs1
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2223412-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Algerien, vertreten durch: Diakonie- und Flüchtlingshilfe GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2019, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.12.2020 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer, ein algerischer Staatsangehöriger, hält sich seit August 2013 im Bundesgebiet auf, wobei der Aufenthalt aufgrund der mit einer slowakischen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe und der deshalb erteilten Aufenthaltsbewilligung (Angehörige eines EWR-Bürgers) rechtmäßig war.

2.       Mit Schreiben des Landesgerichtes XXXX vom 31.12.2018 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: belangte Behörde) von der Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschwerdeführer verständigt.

3.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 05.03.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 15 StGB sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

4.       Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.04.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG, des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Strafe von zehn Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

5.       Am 12.06.2019 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen und dabei zu seinen Straftaten, seinen Lebensumständen in Österreich und seinen Anknüpfungspunkten in Algerien befragt.

6.       Mit Schreiben der belangten Behörde vom 21.06.2019 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn beabsichtigt sei und ihm die Möglichkeit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer erstattete die entsprechende Stellungnahme am 09.07.2019 und verwies darin im Wesentlichen auf sein im Bundesgebiet bestehendes Familienleben mit seiner Ehefrau, seiner Tochter und seinem Stiefsohn.

7.        Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 07.08.2019 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.) und erteilte einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung (Spruchpunkt II.). Begründend wurde ausgeführt, dass zwar zweifelsohne ein Familienleben im Bundesgebiet bestehe, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund der vom Beschwerdeführer ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit jedoch geboten sei.

8.       Mit Schriftsatz vom 04.09.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Behörde nur unzureichend mit der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit auseinandergesetzt, dessen Privat- und Familienleben nicht ausreichend berücksichtigt sowie das erlassene Aufenthaltsverbot unverhältnismäßig hoch bemessen habe.

9.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Verwaltungsakt am 13.09.2019 vor. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die gegenständliche Rechtssache am 01.10.2020 der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin zugewiesen.

10.      Am 10.12.2020 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers eine Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, bei der auch seine Ehefrau als Zeugin befragt wurde. Die belangte Behörde verzichtete auf die Entsendung eines Vertreters.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Algeriens und aufgrund seiner Ehe mit einer slowakischen Staatsbürgerin begünstigter Drittstaatsangehöriger. Er war von 2007 bis 2010 im Bundesgebiet, verbrachte dann zwei Jahre in Algerien, ehe er wieder nach Österreich zurückkehrte. Am XXXX 2013 heiratete er seine jetzige Ehefrau, am XXXX 2016 kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt.

Seit November 2013 ist der Beschwerdeführer aufgrund seiner Ehe in Österreich aufenthaltsberechtigt.

Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig. Er war zunächst bei einer Gesellschaft zur Förderung der Integration beschäftigt, ehe er dann von 07.04.2016 bis 16.01.2018 im Bereich Konfektionierung bei einem Pharmaunternehmen beschäftigt war. Danach arbeitete er als Uber-Fahrer, war aber nur geringfügig beschäftigt. Am 30.12.2018 wurde er in Untersuchungshaft genommen, am 03.05.2019 aus der Haft entlassen. In der Folge war er wieder geringfügig als Fahrer beschäftigt. Von 01.06.2020 bis 04.06.2020 und vom 29.06.2020 bis 21.07.2020 war er bei der XXXX Beteiligungs- und DienstleistungsgmbH angestellt.

Seit 22.09.2020 ist der Beschwerdeführer bei der XXXX ArbeitskräfteüberlassungsgmbH angestellt und arbeitet er bei einem Logistikunternehmen im Lager. Allerdings war die Beschäftigung vom 07.10.2020 bis 22.10.2020 aufgrund von Covid-19-Maßnahmen unterbrochen und bezog der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum Notstandshilfe. Aktuell bezieht er ein Netto-Monatsgehalt von rund 1700 Euro.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehefrau, der gemeinsamen vierjährigen Tochter und dem zwölfjährigen Sohn seiner Ehefrau (aus einer früheren Beziehung) zusammen. Es besteht eine enge Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und beiden Kindern. Die Familie lebt in einer 76,43 qm großen Gemeindewohnung in XXXX .

Seine Ehefrau verfügt über eine Anmeldebescheinigung. Sie kam 2012 nach Österreich, um hier einer Beschäftigung nachzugehen. Nach der Geburt ihrer Tochter bezog sie zunächst Kinderbetreuungsgeld und seit September 2019 Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Aktuell besucht sie einen Umschulungskurs des AMS in der Dauer von neun Monaten. Daneben sucht sie eine geringfügige Beschäftigung.

Der Beschwerdeführer spricht sehr gut Deutsch. Er hat Freunde in Österreich, unter anderem einen österreichischen Staatsbürger, der aufgrund seiner Gehbehinderung auf die Unterstützung des Beschwerdeführers angewiesen ist.

Eine Fortsetzung des gemeinsamen Familienlebens ist in Algerien nicht, in der Slowakei nur schwer möglich.

1.2. Zu den vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 05.03.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 15 StGB sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der Beschwerdeführer hatte drei Jungen aus der Nachbarschaft (geboren 2006, 2007 und 2009) verletzt bzw. zu verletzen versucht. Laut Urteil versetzte er einem Jungen einen Fußtritt gegen den linken Oberschenkel und eine Ohrfeige auf die rechte Wange, wobei es zu keinen Verletzungsfolgen kam; einem anderen versetzte er Fußtritte gegen das Becken und zwei Ohrfeigen, wobei es ebenfalls zu keinen Verletzungsfolgen kam; dem dritten versetzte er einen Fußtritt und eine Ohrfeige, wodurch dieser ein Hämatom am Rücken erlitt. Zudem wurde er der Nötigung für schuldig befunden, weil er die drei Jungen an der Jacke packte und vor sich her stieß, um sie zu nötigen, zu ihrer Wohnadresse zu gehen. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von sechs Vergehen, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und dass es teilweise beim Versuch geblieben war, gewertet.

Zu dem Vorfall war es gekommen, weil die drei Nachbarskinder wiederholt an der Tür des Beschwerdeführers geklingelt hatten; dieser nützte zu dem Zeitpunkt als in der Nacht beschäftigter Taxifahrer den Tag zur Erholung und zum Schlaf, entdeckte die drei Kinder und brachte sie zu ihnen nach Hause, um ihre Mutter zur Rede zu stellen. Der Beschwerdeführer bestreitet die Vorwürfe, die aber durch das rechtskräftige Urteil festgestellt wurden.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.04.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG, des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Strafe von zehn Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Erschwerend wurde das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, mildernd das reumütige Geständnis gewertet.

Der Beschwerdeführer hatte von Anfang November 2018 bis 05.12.2018 einem anderen in drei Angriffen insgesamt 300 Gramm Cannabisharz und einem anderen in vier Angriffen insgesamt 25 Gramm Cannabisharz und 3 Gramm Kokain überlassen; zudem hatte er gemeinsam mit einem Mittäter über 400 Gramm Marihuana, das zum Weiterverkauf gedacht war, besessen und von Anfang 2018 bis 27.12.2018 Marihuana zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Zudem wurde der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 140 Euro verurteilt, weil er am 11.10.2019 die Geschwindigkeit überschritten und seine Tochter im Kindersitz nicht ausreichend gesichert hatte (Strafverfügung der LPD vom 15.11.2019, XXXX

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang und zur Person des Beschwerdeführers:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Zudem wurden Auszüge aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Sozialversicherungsdatenbankauszug und dem Strafregister eingeholt und Einsicht in die Strafurteile genommen. Insbesondere wurden die Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung berücksichtigt.

Seine Identität steht aufgrund des algerischen Reisepasses mit der Nr. XXXX fest.

Die Anmietung einer Wohnung ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag.

Die Eheschließung mit einer slowakischen Staatsbürgerin ergibt sich aus der vorgelegten Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX . Für seine Ehefrau und deren beide Kinder wurden Anmeldebescheinigungen vorgelegt, für die gemeinsame Tochter die Geburtsurkunde. Die Feststellung zur Beziehung zu seinen Kindern ergibt sich aus seinen Aussagen und den Aussagen seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung. Dass der Beschwerdeführer in Österreich aufenthaltsberechtigt ist, ergibt sich aus der Dokumentation seines Aufenthaltsrechtes als Angehöriger eines EWR-Bürgers, ausgestellt vom Magistrat der Stadt Wien am 08.11.2018, welche im Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR) aufscheint.

Die Feststellung über die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers ergibt sich aus der mündlichen Verhandlung; der Beschwerdeführer war in der Lage, große Teile der Verhandlung selbständig ohne Dolmetscher zu bestreiten.

Die Feststellung über die beruflichen Tätigkeiten des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus dem AJ- WEB Auskunftsverfahren vom 03.12.2020, seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung und vorgelegten Lohnzetteln. Die aktuelle Beschäftigung bei der XXXX ArbeitskräfteüberlassungsgmbH ergibt sich zudem aus einer Arbeitsbestätigung vom 24.09.2020. Sein aktueller Monatsbezug ergibt sich aus einer vorgelegten Gehaltsabrechnung für November 2020. Dass er im Oktober 2020 für zwei Wochen Notstandshilfe bezog, ergibt sich aus einer vorgelegten Bestätigung des AMS.

In der Beschwerde wurde die zeugenschaftliche Einvernahme eines Freundes des Beschwerdeführers beantragt; nach Erhalt der Ladung ersuchte dieser aufgrund gesundheitlicher Probleme, von seiner Ladung abzusehen und erstattete er eine schriftliche Stellungnahme, aus der sich ergibt, dass der Beschwerdeführer ihm in Haus und Garten eine große Hilfe ist. In der Verhandlung wurde von Seiten der Rechtsvertretung auf eine Ladung des Freundes als Zeuge verzichtet.

Die belangte Behörde argumentierte im angefochtenen Bescheid damit, dass es den Angehörigen des Beschwerdeführers als slowakische Staatsbürger möglich sei, in der Slowakei zu leben und dass dem Beschwerdeführer dort ebenfalls ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme. Eine Übersiedelung der ganzen Familie in die Slowakei wurde von der Ehefrau des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, da sie dort über keinen Wohnraum verfügen würden. Zudem ist festzuhalten, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht, indem sie in Österreich arbeitete und aktuell auf Arbeitssuche ist, wobei die reale Aussicht besteht, dass sie wieder eine Anstellung findet. Sie hat zudem aufgrund ihres mehr als fünfjährigen und rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ein Daueraufenthaltsrecht für Österreich erworben. Der Stiefsohn des Beschwerdeführers lebt ebenfalls seit acht Jahren im Bundesgebiet; zu seinem in der Slowakei lebenden Vater besteht kein Kontakt. Er ist aktuell 12 Jahre alt und hat daher die prägenden Jahre seines Lebens in Österreich verbracht. Von der Möglichkeit einer Fortsetzung des Familienlebens mit dem Beschwerdeführer in der Slowakei auszugehen wäre daher einerseits unter dem Aspekt des Kindeswohls problematisch, andererseits würde es die die Möglichkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers, von ihrer Freizügigkeit in Österreich, wo sie ein Daueraufenthaltsrecht erworben hat, Gebrauch zu machen, behindern und ihr damit den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihr der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehren. Die Fortsetzung des Familienlebens in der Slowakei ist daher nicht bzw. nur schwer möglich.

Eine Übersiedelung der ganzen Familie nach Algerien wurde von der Ehefrau des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen. Auch hier gilt das oben Gesagte, allerdings wären die Ehefrau, die Tochter und der Stiefsohn des Beschwerdeführers als Unionsbürger sogar gezwungen, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen und bestehen zudem sprachliche Hindernisse. Die Fortsetzung des Familienlebens in Algerien ist daher nicht möglich und wurde dies auch von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid nicht behauptet.

2.3. Zu den vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten:

Die seinen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten ergeben sich aus den Strafurteilen.

Dass der Beschwerdeführer bestreitet, die seiner ersten Verurteilung zugrundeliegenden Taten begangen zu haben, ergibt sich aus seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung, hat aber aufgrund der Bindungswirkung von Strafurteilen ohnehin keine Relevanz für das Verfahren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht für das Verwaltungsgericht eine Bindungswirkung eines rechtskräftigen inländischen Strafurteils VwGH vom 24.10.2019, Ra 2019/21/0288). Danach besteht im Falle einer verurteilenden Entscheidung durch ein Strafgericht eine Bindung der Verwaltungsbehörde und eines Verwaltungsgerichtes in der Frage, dass dadurch (vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens) mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass die schuldig gesprochene Person die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des Strafurteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. etwa VwGH 10.12.2014, Ro 2014/09/0056, mit weiteren Judikaturnachweisen, z.B. betreffend ein Aufenthaltsverbot VwGH 18.12.2000, 2000/18/0133, Punkt 2.1. der Entscheidungsgründe; siehe an das zuletzt genannte Erkenntnis anknüpfend auch noch VwGH 17.6.2003, 2003/21/0048).

Die aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks für die erkennende Richterin glaubhaften Umstände der Tatbegehung (in Hinblick auf seine erste Verurteilung) ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers und jenen seiner Ehefrau in der mündlichen Verhandlung.
3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Rechtslage

Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa, wenn der EWR-Bürger zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs. 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art. 8 Abs. 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, zu berücksichtigen.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 9 BFA-VG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Nach § 9 Abs 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Algerien und mit einer slowakischen Staatsangehörigen verheiratet, die von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat. Einem Fremden, der mit einem in Österreich lebenden, sein unionsrechtliches Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmenden EU-Bürger aufrecht verheiratet ist, kommt die Rechtsposition als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 zu (vgl. VwGH, 07.04.2011, 2011/22/0005).

Der Beschwerdeführer fällt daher in den persönlichen Anwendungsbereich der §§ 66 und 67 FPG. Nach § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 Abs. 1 FPG generell zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet tatsächlich, gegenwärtig und erheblich gefährdet wäre. Entsprechend hatte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet „eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ darstellt.

Zu prüfen ist auch, ob vom Beschwerdeführer die Voraussetzung eines rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet seit fünf Jahren erfüllt ist, womit für diesen der Prüfungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Satz FPG zur Anwendung käme: Demnach ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach dem Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts nur möglich, wenn ein Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Der Beschwerdeführer ist seit seiner Eheschließung im November 2013 unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt und somit seit diesem Zeitpunkt rechtmäßig im Bundesgebiet. Allerdings verkaufte er ab Oktober 2018 Suchtgift und beging somit das Verbrechen des Suchtgifthandels. Eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG durch diese Straftat steht dem Fortbestehen des Aufenthaltsrechts gemäß § 51 Abs. 1 NAG für den Beschwerdeführer und somit auch dem Erlangen eines Daueraufenthaltsrechtes nach § 53a NAG entgegen (vgl. VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0049, Rn. 16 f). Von einer Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gemäß § 55 Abs. 3 NAG ist im Sinn des Art. 27 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) dann auszugehen, wenn das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, Rn. 15). Der Verkauf von Suchtgift im Oktober 2018 muss als solch eine Gefahr angesehen werden und wurde daher ab diesem Zeitpunkt sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht unterbrochen. Daher liegt kein rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet seit fünf Jahren vor, hat der Beschwerdeführer kein Daueraufenthaltsrecht erworben und ist auch nicht der erhöhte Gefährdungsmaßstab anzuwenden.

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich zweimal verurteilt:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 05.03.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 15 StGB sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der Beschwerdeführer hatte drei Jungen aus der Nachbarschaft (geboren 2006, 2007 und 2009) verletzt bzw. zu verletzen versucht. Laut Urteil versetzte er einem einen Fußtritt gegen den linken Oberschenkel und eine Ohrfeige auf die rechte Wange, wobei es zu keinen Verletzungsfolgen kam; einem anderen versetzte er Fußtritte gegen das Becken und zwei Ohrfeigen, wobei es ebenfalls zu keinen Verletzungsfolgen kam; dem dritten versetzte er einen Fußtritt und eine Ohrfeige, wodurch dieser ein Hämatom am Rücken erlitt. Zudem wurde er der Nötigung für schuldig befunden, weil er die drei Jungen an der Jacke packte und vor sich her stieß, um sie zu nötigen, zu ihrer Wohnadresse zu gehen. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von sechs Vergehen, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und dass es teilweise beim Versuch geblieben war, gewertet.

Zu dem Vorfall war es gekommen, weil die drei Nachbarskindern wiederholt an der Tür des Beschwerdeführers geklingelt hatten; dieser nützte zu dem Zeitpunkt als in der Nacht beschäftigter Taxifahrer den Tag zur Erholung und zum Schlaf, entdeckte die drei Kinder und brachte sie zu ihnen nach Hause, um ihre Mutter zur Rede zu stellen. Der Beschwerdeführer bestreitet die Vorwürfe, die aber durch das rechtskräftige Urteil festgestellt wurden.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 10.04.2019, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG, des Vergehens der Vorbereitung des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 SMG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Strafe von zehn Monaten unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Erschwerend wurde das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, mildernd das reumütige Geständnis gewertet.

Der Beschwerdeführer hatte von Anfang November 2018 bis 05.12.2018 einem anderen in drei Angriffen insgesamt 300 Gramm Cannabisharz und einem anderen in vier Angriffen insgesamt 25 Gramm Cannabisharz und 3 Gramm Kokain überlassen; zudem hatte er gemeinsam mit einem Mittäter über 400 Gramm Marihuana, das zum Weiterverkauf gedacht war, besessen und von Anfang 2018 bis 27.12.2018 Marihuana zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Zudem wurde der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 140 Euro verurteilt, weil er am 11.10.2019 die Geschwindigkeit überschritten und seine Tochter im Kindersitz nicht ausreichend gesichert hatte (Strafverfügung der LPD vom 15.11.2019, XXXX

Aus Sicht der erkennenden Richterin rechtfertigt weder die erste Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten noch die Verwaltungsstrafe wegen der falschen Fixierung des Kindersitzes und erhöhter Geschwindigkeit die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer als begünstigten Drittstaatsangehörigen.

Allerdings wurde der Beschwerdeführer auch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels rechtskräftig verurteilt. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH, 10.09.2018, Ra 2018/19/0169; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249). Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen, dass bei schweren Verbrechen im Zusammenhang mit Suchtmitteln weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einer Außerlandesbringung entgegenstehen (vgl. VwGH, 24.10.2019, Ra 2019/21/0207 mwN).

Selbst bei Vorliegen eines Daueraufenthaltsrechts kann durch das Verbrechen des Suchtgifthandels der in § 66 Abs. 1 FPG normierte Gefährdungsmaßstab erfüllt sein. Entsprechend sah der Verwaltungsgerichtshof in einem anderen Fall durch die Verübung des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und fünfter Fall sowie Abs. 2 Z 3 SMG (Einfuhr und Überlassen von Suchtgift jeweils in einer großen Menge im Zeitraum über mehr als zwei Jahre), was zur Verhängung einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren führte, ihrer Art und Schwere nach auch den erhöhten Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Satz FPG als erfüllt an (VwGH, 15.09.2016, Ra 2016/21/0262).

Gegenständlich ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zu einer geringeren Freiheitsstrafe (12 Monate, davon 10 Monate bedingt nachgesehen) verurteilt wurde und sich der Tatzeitraum des Suchtgifthandels auf die Monate Oktober bis Dezember 2018, also auf einen geringeren Zeitraum, erstreckte. Bei einem möglichen Strafausmaß von bis zu 5 Jahren wegen einer Verurteilung nach § 28a Abs. 1 SMG ging das Strafgericht davon aus, dass mit der verhältnismäßig geringen Strafe von 12 Monaten, davon 10 Monate bedingt nachgesehen, das Auslangen zu finden ist.

Zudem machte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung durchaus glaubhaft, dass er sein Leben ändern wolle und gelang es ihm, wieder eine Anstellung zu finden und ein festes Einkommen zu erzielen. Es erscheint für das Gericht offensichtlich, dass der Beschwerdeführer sich 2018 nach dem Verlust seiner Anstellung in einer Krise befunden hatte, die auch dazu geführt hatte, dass er kurz vor seiner Inhaftierung gewalttätig gegenüber Kindern geworden war. Auch wenn dies sein Verhalten keineswegs entschuldigt, scheint sich die Situation doch inzwischen stabilisiert zu haben. Der Beschwerdeführer zeigte in der mündlichen Verhandlung Reue, was seine zweite Verurteilung betraf. In der Verhandlung entstand der Eindruck, dass er aus dem erfahrenen Haftübel und der drohenden Möglichkeit, das Bundesgebiet und damit seine Familie verlassen zu müssen, Lehren gezogen hat und sich seiner Verantwortung für seine Familie bewusst ist.

Im angefochtenen Bescheid war von der belangten Behörde argumentiert worden, dass sich „die Finanzen“ des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt genauso schlecht darstellen würden wie zum Zeitpunkt der Begehung der Straftaten. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer seit einigen Monaten über eine Arbeitskräfteüberlassungsgesellschaft angestellt ist und wieder ein regelmäßiges Einkommen erzielt. Die Situation der Familie hat sich stabilisiert und befindet sich die Ehefrau des Beschwerdeführers in einer Umschulungsmaßnahme und sucht nebenbei eine geringfügige Tätigkeit.

Es steht völlig außer Zweifel, dass das vom Beschwerdeführer gezeigte Verhalten ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten sowie Interessen und Rechten andere erkennen lässt und eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt. Soweit allerdings im angefochtenen Bescheid die Rede davon ist, dass das Motiv des Beschwerdeführers zur Begehung des Suchtgifthandels „besonders verwerflich“ gewesen sei, weil er dies zur „Aufbesserung seiner Finanzen“ begangen habe „anstatt sich eine dauerhafte und ordentlich bezahlte Anstellung zu suchen“, stellt sich erstens die Frage, welches Motiv zur Begehung von Suchtgifthandel als weniger verwerflich anzusehen wäre und ist zudem nachvollziehbar, dass sich die Familie nach dem Verlust der Anstellung des Beschwerdeführers im Jänner 2018, dem Umzug der Familie in eine teurere Wohnung und der vergeblichen Arbeitssuche des Beschwerdeführers in einer finanziellen Krise befand. Dass der Beschwerdeführer versuchte, eine Anstellung zu finden, ergibt sich aus dem Umstand, dass er versuchte, als Taxifahrer Fuß zu fassen und dass in der Stellungnahme des befreundeten österreichischen Staatsbürgers die Rede davon ist, dass er dem Beschwerdeführer beim Verfassen von elf Bewerbungen geholfen habe, jedoch immer nur Absagen gekommen seien. Dass das Verhalten des Beschwerdeführers und der Verkauf von Drogen vollkommen inakzeptabel sind, steht außer Frage, doch kann das Motiv, die finanzielle Not der Familie lindern zu wollen, weil ein Unterkommen am Arbeitsmarkt nicht möglich war, von der erkennenden Richterin nicht als „besonders verwerflich“ erkannt werden.

Trotz zu attestierender schwerwiegender Gefährdung öffentlicher Interessen durch sein Verhalten hat der Beschwerdeführer weder ein Delikt iSd. § 53 Abs. 3 Z 6,7 und 8 FPG verwirklicht, noch war der Beschwerdeführer etwa in einen grenzüberschreitenden bandenmäßigen Suchtmittelhandel eingebunden. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass insbesondere Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz schwer wiegen. Jedoch kommt es nicht nur auf die Tatsache der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen der besagten Straftaten an. Vielmehr ist auch das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten maßgeblich zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer beging die Suchmitteldelikte nicht in einer kriminellen Vereinigung oder als Mitglied einer Bande. Darüber hinaus zeigte sich der Beschwerdeführer geständig und beteuerte seine Reue in der Verhandlung. Des weiteren muss der Umstand, dass der Beschwerdeführer erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßen musste, Berücksichtigung finden.

Auch im Lichte der in § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen ist zu berücksichtigen, dass er sich seit Mitte 2013 und damit seit mehr als sieben Jahren durchgehend in Österreich aufhielt, berufstätig ist, sehr gut Deutsch spricht und er ein Familienleben mit seiner in Österreich wohnhaften slowakischen Ehefrau, der gemeinsamen Tochter im Alter von vier Jahren und dem Stiefsohn im Alter von 12 Jahren führt. Seine Familie hat ihren Lebensmittelpunkt in Österreich; aus Sicht des Kindeswohls wäre eine Trennung der Tochter und des Stiefsohns vom Beschwerdeführer problematisch. Es wird nicht verkannt, dass in Fällen massiver und wiederholter Suchtmitteldelinquenz auch eine Trennung von Familienmitgliedern in Kauf genommen werden muss. Im gegenständlichen Fall war der Beschwerdeführer während der ersten fünf Jahre seines Aufenthaltes in Österreich aber unbescholten und hielt sich der Tatbegehungszeitraum in Grenzen.

Somit erweist sich die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer auf Basis des § 67 Abs 1 erster und zweiter Satz FPG entgegen der Ansicht des BFA nicht als zulässig, sodass der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde ersatzlos zu beheben ist. Dies bedingt auch die Gegenstandslosigkeit des dem Beschwerdeführer gewährten Durchsetzungsaufschubes.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass eine weitere Straffälligkeit des Beschwerdeführers eine neuerliche Überprüfung seines Aufenthaltsrechtes bzw. die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendig machen würde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen und das BVwG orientierte sich bei der vorliegenden Entscheidung an den oben zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2223412.1.00

Im RIS seit

12.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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