TE OGH 2021/1/7 5Ob218/20z

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Veröffentlicht am 07.01.2021
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. G***** T*****, 2. Dkfm. G***** T*****, 3. L***** S*****, alle vertreten durch die Doschek Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei C***** E*****, vertreten durch Dr. Johannes Stieldorf, Rechtsanwalt in Wien, sowie die Nebenintervenientinnen auf Seite der beklagten Partei 1. W***** GmbH, *****, vertreten durch die BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, 2. J***** B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Kogler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die Revisionen der beklagten Partei und der Erstnebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2020, GZ 40 R 25/20b-99, womit das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 6. November 2019, GZ 7 C 533/15i-93, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Das Klagebegehren,

1. die beklagte Partei sei schuldig, sämtlichen Miteigentümern des Hauses *****, und zwar Dkfm. G***** T*****, Dr. G***** T*****, Dr. E***** T*****, Dr. G***** T***** und der W***** mbH, zu Handen der für dieses Haus bestellten Hausverwaltung, der a***** GmbH, *****, das Bestandobjekt Top 24a im Hause *****, im Ausmaß von ca 248,90 m2 geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben;

2. in eventu,

die beklagte Partei sei schuldig, sämtlichen Miteigentümern des Hauses *****, und zwar Dkfm. G***** T*****, Dr. G***** T*****, Dr. E***** T*****, Dr. G***** T***** und L***** S***** zu Handen der für dieses Haus bestellten Hausverwaltung, der a***** GmbH, *****, das Bestandobjekt Top 24a im Hause *****, im Ausmaß von ca 248,90 m2 geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben;

3. in eventu,

die beklagte Partei sei zur ungeteilten Hand schuldig, den Klägern zu Handen der für dieses Haus bestellten Hausverwaltung, der a***** GmbH, *****, das Bestandobjekt Top 24a im Hause *****, im Ausmaß von ca 248,90 m2 geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben,

wird abgewiesen.“

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, binnen 14 Tagen der beklagten Partei die mit 8.479,29 EUR (darin 1.334,16 EUR USt und 474,30 EUR Barauslagen), der Erstnebenintervenientin die mit 7.379,89 EUR (darin 1.135,34 EUR USt und 567,84 EUR Barauslagen) und der Zweitnebenintervenientin die mit 3.409,02 EUR (darin 564,50 EUR USt und 22 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der Erst- und der Zweitkläger sind zu jeweils 19/128 Anteilen schlichte Miteigentümer der Liegenschaft *****; die Drittklägerin war im Zeitpunkt der Klageeinbringung Fruchtgenussberechtigte eines 1/8 Anteils dieser Liegenschaft.

[2]            Die Liegenschaft und das darauf errichtete Mietzinshaus wurde viele Jahre von M***** W*****, ab 2005 von der Erstnebenintervenientin verwaltet. Die Beklagte schloss am 20. 3. 2003 über Vermittlung der Zweitnebenintervenientin einen Hauptmietvertrag über das in diesem Haus gelegene Objekt Top 24a ab.

[3]       Die Kläger begehrten die geräumte Rückstellung des Bestandobjekts. Die Hausverwaltung habe im Einvernehmen mit einem anderen Miteigentümer zahlreiche Mietverträge zu völlig unüblichen Konditionen, insbesondere zu extrem niedrigen Mietzinsen, abgeschlossen, die schlichtweg untragbar und unverständlich seien. Konkret habe die Beklagte das Objekt Top 24a mit einer Nutzfläche von ca 248,90 m2 zu Wohnzwecken angemietet. Der Mietvertrag sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Der vereinbarte Mietzins mache nicht einmal 25 % dessen aus, was zum Zeitpunkt der Anmietung für vergleichbare Objekte üblich und erzielbar gewesen sei. Darüber hinaus sei im Mietvertrag ohne weitere Gegenleistung das Verbot der Untervermietung ausgeschlossen und der Beklagten auf zehn Jahre ein Weitergaberecht eingeräumt worden. Ein solcher Mietvertrag verstoße gegen die nicht nur den Mehrheitseigentümern, sondern auch dem Mieter bekannten Interessen der Minderheitseigentümer. Dieser sei daher eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme, die die Einstimmigkeit der Eigentümer voraussetze. Da die Beklagte aufgrund der Umstände, die sie gekannt habe, jedenfalls aber hätte kennen müssen, nicht schutzwürdig sei, seien die Kläger an den Mietvertrag mit der Beklagten nicht gebunden. Die Beklagte verwende ihr Objekt daher titellos.

[4]       Die Beklagte wandte (ua) ein, die vereinbarten Konditionen des Mietvertrags seien nicht ungewöhnlich. Das Bestandobjekt sei ursprünglich Teil eines unsanierten ehemaligen Gewerbebetriebs gewesen; es habe sich in einem desolaten und unbrauchbaren Zustand befunden. Die Sanierung sei vereinbarungsgemäß auf Kosten der Beklagten erfolgt. Aus diesem Grund sei ein entsprechend günstiger Mietzins vereinbart worden.

[5]       Das Erstgericht gab der Klage im zweiten Rechtsgang statt. Es traf dabei folgende für das Revisionsverfahren relevante Feststellungen:

[6]       Das Bestandobjekt Top 24a bildete vor 2003 eine Einheit mit dem angrenzenden Bestandobjekt Top 22 und wurde ursprünglich zu gewerblichen Zwecken, nämlich als Filmentwicklungsstudio genutzt. Der seinerzeitige Mieter kündigte das Mietverhältnis und stellte das etwa 482 m² große Objekt (Top 22 + Top 24a) zurück. Die Bestandflächen befanden sich nach Abbau der Maschinen, Entfernung der Dunkelkammern, etc in einem desolaten, in jeder Hinsicht (Wände, Decken, Böden, Elektrik, Sanitärinstallationen, Heizung) sanierungsbedürftigen Zustand. Die neuerliche Vermietung des Objekts erwies sich aufgrund der Größe und des Zustands des Objekts als sehr schwierig. Das Objekt stand bereits längere Zeit (zumindest ein Jahr) leer, weil kein Mieter (Mietinteressent) gefunden werden konnte.

[7]       Ansprechpartner des damaligen Hausverwalters war ausschließlich der nicht am Verfahren beteiligte Miteigentümer Dr. R***** T*****. Zu den übrigen Miteigentümern hatte er keinen Kontakt. Finanzielle Mittel für eine Sanierung der ehemals gewerblich genutzten Räumlichkeiten (Top 22 + Top 24a) standen hausseitig nicht zur Verfügung. Dr. R***** T***** stellte klar, dass eine Sanierung (Adaptierung) des Objekts nicht auf Kosten der Liegenschaftseigentümer durchgeführt werde, sondern ein Mieter gefunden werden sollte, der das Mietobjekt unsaniert anmietet und in der Folge auf eigene Kosten saniert. Aufgrund der Größe des Objekts stimmte Dr. R***** T***** auch einer Teilung in zwei Objekte zu.

[8]       Das Objekt Top 24a ist ca 248,90 m² groß und war (zum Zeitpunkt der späteren Vermietung an die Beklagte am 20. 3. 2003) vom Nachbarobjekt Top 22 noch nicht baulich abgetrennt. Das Objekt bestand im Wesentlichen aus einem großen Raum, die Kaminmauer in dessen Mitte war vierfach durchbrochen, die Zwischenwände waren großteils abgerissen und nicht oder nur als Mauerstümpfe vorhanden. Überall im Objekt lagen Berge von Schutt (Reste der abgebrochenen Zwischenwände) und Müll. Es gab keinen Küchenraum und keine Kücheninstallationen, kein Badezimmer und keine Sanitärinstallationen. Im vorhandenen WC gab es abgesehen von der WC-Spülung keine Wasserentnahmestelle und keine Fliesen, die WC-Schüssel war kaputt. In einem Heizraum gab es einen Wasserhahn, wo man Wasser entnehmen konnte, um damit die Therme nachzufüllen. Im übrigen Objekt gab es sonst keine weitere Wasserentnahmestelle, keine Wasserzu- und -ableitungen, kein Waschbecken etc. Der Boden war insgesamt ein (aufgrund des Abbruchs von Zwischenwänden) aufgebrochener, teilweise löchriger und unebener Industrieboden; es waren Sockel vorhanden (auf welchen während des Gewerbebetriebs Maschinen gestanden hatten). Die Wände wiesen Verputzschäden (Löcher) auf. Abgesehen von der Eingangstür, der WC-Türe und der Tür zum „Lager“ (heute „Küche“) gab es im Objekt keine Türen. Die Elektroleitungen waren zum Teil auf Putz verlegt, elektrische Leitungen hingen zum Teil herunter, es gab kaum Steckdosen, der Stromverteilerkasten war auf ein Industrieobjekt ausgelegt und dementsprechend groß. Für die Verwendung des Objekts zu Wohnzwecken war eine komplette Neuinstallation der elektrischen Leitungen notwendig. An der Decke waren nur teilweise montierte und defekte Industrieleuchten (Neonröhren) vorhanden. Es gab einen alten „Gas-Kessel“ mit alten, verschiedenen Radiatoren und auf Putz verlegten Zirkulationsleitungen. Die Heizung war sowohl für die Top 22 als auch für die Top 24a konzipiert. Die Fenster waren teilweise desolat, teilweise waren es alte Eisenfenster.

[9]       Die Beklagte wurde über ein von der Zweitnebenintervenientin geschaltetes Zeitungsinserat auf das Objekt aufmerksam. Die darin genannte Höhe des Mietzinses („EUR 750,-- inkl. Hauptmiete“) und die Einräumung eines Weitergabe- und Untervermietrechts waren mit dem Hausverwalter und Dr. R***** T***** abgesprochen und das Ergebnis ihrer Überlegungen, zu welchen Bedingungen und welchem Mietzins das Objekt Top 24a angeboten werden könne, um angesichts des Zustands des Objekts einen Mieter zu finden.

[10]     Die Beklagte hatte keine Erfahrung mit Mietvertragsabschlüssen. Wie sich der Mietzins grundsätzlich nach dem Gesetz errechnete, welcher Mietzins für ein vergleichbares Objekt am Wohnungsmarkt erzielbar bzw gesetzlich zulässig war, war ihr nicht bekannt. Die Beklagte ging davon aus, dass es sich bei dem verlangten Mietzins um einen angesichts des Zustands des Objekts marktkonformen Betrag handelte; sie hielt auch die Einräumung des Untervermiet- und befristeten Weitergaberechts angesichts des hohen Sanierungsbedarfs für nicht ungewöhnlich. Nach wiederholter Besichtigung, Durchrechnung der voraussichtlichen Sanierungskosten und Beratung mit einem Anwalt entschloss sich die Beklagte zur Anmietung des Objekts. Am 20. 3. 2003 schloss sie einen Mietvertrag samt Zusatzvereinbarung ab und bezahlte an einen in die Vermittlung eingebundenen Baumeister die mit diesem vereinbarte Ablöse in Höhe von 38.000 EUR. Der Anwalt der Beklagten hatte ihr erklärt, dass eine Ablösezahlung für die Einräumung eines Untervermietrechts zulässig sei. Von dieser Ablösevereinbarung erlangten weder der Hausverwalter noch die Hauseigentümer Kenntnis. Sie erhielten von der Ablösesumme nichts.

[11]           Der Mietvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen, der vereinbarte Nettohauptmietzins beträgt 380,82 EUR. Der Mietvertrag enthält einen Verzicht auf die Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs 2 Z 4, 6, 8 und 12 (MRG). Dieser ist jedoch auf zehn Jahre befristet. Mit einer Zusatzvereinbarung wurde der Beklagten ein unbefristetes Untervermietrecht (zu Wohnzwecken gänzlich, für Bürozwecke teilweise) und ein Weitergaberecht für zehn Jahre eingeräumt, wobei der Vermieter den Nachmieter aus objektiven Gründen ablehnen konnte.

[12]     Nach dem Mietvertragsabschluss wurden auf Kosten der Hauseigentümer eine (nicht verputzte) Trennwand zum Objekt Top 22 errichtet und das Heizsystem und die Stromkreise getrennt. Zudem wurden an einer Seite drei Verbund-Fenster in Standardausführung eingebaut, der Abfallstrang hinter dem kleinen Badezimmer erneuert und der Kamin geschliffen. Im Auftrag und auf Kosten der Beklagten wurde die Elektroinstallation komplett erneuert, die Wasserinstallationen für Bäder, Küche, WC und zugehörige Abflussleitungen hergestellt, die Zwischenwände aufgestellt, Wände verputzt und gemalt, ein Laminatboden verlegt, Boden und Wände verfliest, Fenster/Fensterstöcke sowie Türen/Türstöcke geschliffen und lackiert. Auf Anraten des Professionisten ließ die Beklagte auch die Heizung auf eigene Kosten neu installieren, das aber ohne die Hausverwaltung oder Hauseigentümer damit noch einmal zu befassen. Der Sanierungsaufwand der Beklagten belief sich (ohne Bewertung der Eigenleistungen von ca 500 Arbeitsstunden, aber inkl.der Kücheneinrichtung und vereinzelter zusätzlich angeschaffter Möbelstücke) auf etwa 200.000 EUR.

[13]     Dr. R***** T***** und der Hausverwalter gingen bei Vertragsabschluss davon aus, dass die vereinbarten Mietbedingungen angesichts des Ausstattungszustands bestmöglich waren. Der Erstkläger ist Arzt, der Zweitkläger ist mit einem abgeschlossenen Wirtschaftsstudium selbständig, die Drittklägerin ist Hausfrau. In der Immobilienbranche sind alle drei unerfahren. Bis zum Jahr 2012 interessierten sich die Erst- und Zweitkläger (die Drittklägerin bis zum Sommer 2015) nicht für die Verwaltung der Liegenschaft. Sie vertrauten darauf, dass die Liegenschaft von der Hausverwaltung in Zusammenarbeit mit Dr. R***** T***** ordnungsgemäß verwaltet würde. Vor Abschluss von Mietverträgen wurden sie nicht informiert oder um Zustimmung gefragt; insbesondere auch vor dem Mietvertragsabschluss mit der Beklagten nicht.

[14]           Diesen Sachverhalt beurteilte das Erstgericht rechtlich dahin, dass ein gegen die nicht nur den Mehrheitseigentümern, sondern auch dem daher nicht schutzwürdigen Mieter bekannten Interessen des Minderheitseigentümers verstoßender Abschluss eines Mietvertrags eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme sei. Diese bedürfte der Zustimmung aller Miteigentümer. Das Bestandobjekt sei zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses nicht ohne größeren Aufwand zum sofortigen Bewohnen geeignet gewesen. Aufgrund des Ausstattungszustands „Kategorie D unbrauchbar“ sei für das Bestandobjekt gemäß § 16 Abs 5 MRG ein monatlicher Nettohauptmietzins von maximal 0,66 EUR pro m2, sohin 158,60 EUR zulässig. Die Vereinbarung eines Nettohauptmietzinses von 380,82 EUR entspreche nahezu dem Zweieinhalbfachen des gesetzlich zulässigen Mietzinses und sei somit für die übrigen Minderheitseigentümer keinesfalls nachteilig. Zwar sei der Beklagten ein Untervermietrecht eingeräumt worden, die Untervermietung sei jedoch nicht auch gegen unverhältnismäßig hohes Entgelt gestattet. Der Verzicht auf einzelne Kündigungsgründe sei auf zehn Jahre befristet und auch das einmalige Weitergaberecht sei lediglich für die Dauer von zehn Jahren eingeräumt. Gleichwohl sei das Erstgericht an die im Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts überbundene Rechtsansicht gebunden, wonach die Unwirtschaftlichkeit des Mietvertrags im Hinblick auf das geringe Entgelt, die seitens der Vermieter unentgeltlich eingeräumten Rechte der unbefristeten Untervermietung, des auf zehn Jahre befristeten Weitergaberechts sowie des zeitlich befristeten Verzichts auf mehrere Kündigungsgründe unter gleichzeitiger rechtsgrundloser Bezahlung eines Betrags von 38.000 EUR an einen außenstehenden Dritten evident sei und daher eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme vorliege.

[15]     Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Berufungsgericht sei selbst an seine im ersten Rechtsgang dem Erstgericht überbundene Rechtsansicht gebunden. Eine neuerliche und allenfalls abweichende rechtliche Beurteilung der Sachverhaltsgrundlage wäre nur dann und nur insoweit zulässig, als im zweiten Rechtsgang ein geänderter Sachverhalt zugrunde läge. Das Erstgericht habe aber denselben Sachverhalt wie bereits im Ersturteil festgestellt und lediglich um Feststellungen zum Kenntnisstand der Kläger über die gegenständliche Vermietung ergänzt. Das bedeute, dass die Beurteilung, dass eine für die Beklagte erkennbare außerordentliche Verwaltungsmaßnahme vorgelegen sei, die gegenüber den Klägern nicht wirksam gewesen sei, mit den Berufungen nicht mehr bekämpft werden könne.

[16]     Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Berufungsgericht habe im Aufhebungsbeschluss zwar im Einklang mit der Judikatur festgehalten, dass es bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme der ordentlichen oder außerordentlichen Verwaltung vorliege, auf den Empfängerhorizont ankomme, sich mit dieser Frage aber in der Folge nicht weiter auseinandergesetzt. In dem Aufhebungsbeschluss sei nicht ausreichend darauf Bedacht genommen worden, dass aus objektiver Sicht vom Empfängerhorizont der Beklagten aus weder der vereinbarte günstige Mietzins im Hinblick auf das umfangreiche Sanierungserfordernis noch die – nach den ihr von ihrem Anwalt erteilten Informationen zulässige – Ablösezahlung für das Untervermietrecht als ungewöhnliche Vertragsbedingung zu Lasten allfälliger Minderheitseigentümer erkannt werden habe müssen. Da bei einem hohen Investitionsaufwand des Mieters auch ein Weitergaberecht und der Verzicht auf mehrere Kündigungsgründe – was beides hier nur befristet eingeräumt worden sei – keine besonders ungewöhnlichen Vereinbarungen seien, erscheine die Beurteilung im Aufhebungsbeschluss, dass der Abschluss des Mietvertrags eine für die Beklagten erkennbare außerordentliche Verwaltungsmaßnahme gewesen sei, die von der Hausverwaltungsvollmacht nicht gedeckt und daher für die Kläger nicht wirksam gewesen sei, allenfalls korrekturbedürftig.

[17]     Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[18]            1. Der Abschluss eines Mietvertrags mit einem Dritten ist eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung (RIS-Justiz RS0013564), sofern er auf ortsübliche Zeit und zu ortsüblichen Bedingungen erfolgt (RS0013564 [T9]). Die ordentliche Verwaltung des gemeinschaftlichen Objekts durch die Mehrheit hat aber auch die Interessen der überstimmten Minderheit einzubeziehen (RS0013561). Der Abschluss eines Mietvertrags, der gegen die nicht nur den Mehrheitseigentümern, sondern auch dem daher nicht schutzwürdigen Mieter bekannten Interessen des Minderheitseigentümers verstößt, ist daher eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme im Sinn einer wichtigen Veränderung nach § 834 ABGB (RS0013589; vgl auch RS0013584). Dieser – nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmenden (RS0013564 [T11]) – Abgrenzung zwischen ordentlicher und außerordentlicher Verwaltung sind wirtschaftliche Gesichtspunkte zugrundezulegen (1 Ob 242/98i mwN).

[19]            2. Wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB können gegen den Willen der Minderheitseigentümer nur nach Einhaltung der Vorschriften des § 835 ABGB vorgenommen werden. Das betrifft auch Verträge mit dritten Personen (RS0013692). Wenn eine wichtige Veränderung vorliegt und den Miteigentümern das gebührende Gehör verweigert wurde, liegt kein wirksamer Beschluss der Mehrheit vor. Das führt dazu, dass bis zu einer Genehmigung durch den Außerstreitrichter der Mehrheitsbeschluss nicht durchgeführt werden darf. Diese Unwirksamkeit wirkt auch gegenüber dem Dritten und macht den mit ihm geschlossenen Vertrag ungültig (RS0013692 [T7, T8]).

[20]            3.1. Der hier zu beurteilende Mietvertrag bewirkt keine wichtige Veränderung iSd § 834 ABGB, weil die getroffene Vereinbarung den Rahmen üblicher Bedingungen nicht sprengt und auch nicht erkennbar die Interessen der klagenden Minderheitseigentümer verletzt.

[21]           3.2. In der Entscheidung 1 Ob 242/98i ergab sich für den Obersten Gerichtshof die Einstufung des dort zu beurteilenden Mietvertrags als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung bereits daraus, dass den beiden dort beklagten Familienangehörigen das Unter-vermietungsrecht in Verbindung mit dem Verzicht auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG und der Erstbeklagten ein Weitergaberecht – jeweils ohne zusätzliches Entgelt – eingeräumt wurde. Aus diesem Grund war in dieser Entscheidung nicht mehr auf die Frage einzugehen, ob die beiden Wohnungen infolge schadhafter Elektroinstallationen zum Zeitpunkt des Mietvertrags-abschlusses tatsächlich unbrauchbar waren und die Mietzinsbildung daher nach Kategorie D gerechtfertigt war.

[22]           3.3. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den detaillierten Feststellungen des Erstgerichts, dass das Bestandobjekt zum maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags unbrauchbar war. Das Bestandobjekt befand sich in einem desolaten Zustand und musste erst durch erhebliche Sanierungsmaßnahmen brauchbar gemacht werden. Der vereinbarte Nettohauptmietzins lag damit nahezu beim Zweieinhalbfachen des zulässigen Mietzinses für eine Wohnung der Kategorie D unbrauchbar. Schon aus dieser Erwägung heraus war der Abschluss des gegenständlichen Mietvertrags für die übrigen Minderheitseigentümer keineswegs nachteilig.

[23]            3.4. Die Einräumung des Rechts zur Untervermietung ist für sich allein noch keine Maßnahme der außergewöhnlichen Verwaltung (1 Ob 242/98i). Anders als in dem der Entscheidung 1 Ob 242/98i zugrundeliegenden Sachverhalt wurde hier zwar ein Untervermietrecht eingeräumt, jedoch nicht die Untervermietung auch gegen unverhältnismäßig hohes Entgelt gestattet. Der Mietvertrag enthält zwar einen Verzicht auf die Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs 2 Z 4, 6, 8 und 12 MRG. Dieser Verzicht wurde jedoch auf fünf Jahre befristet. Das Weitergaberecht wurde jeweils nur einmal und lediglich befristet auf die Dauer von zehn Jahren eingeräumt. Auch darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem der Entscheidung 1 Ob 242/98i zugrundeliegenden Sachverhalt.

[24]            3.5. Zusammenfassend sind die Konditionen des gegenständlichen Mietvertrags daher als durchaus üblich zu qualifizieren, sodass der Abschluss des Mietvertrags als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung einzustufen ist (6 Ob 232/20s).

[25]            4. Damit verfügt die Beklagte über einen aufrechten Titel zur Benützung des Bestandobjekts, sodass in Stattgebung der Revision das Räumungsbegehren abzuweisen war.

[26]            5.1. Aufgrund der Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Berufungsverfahrens neu zu fassen. Diese sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründen sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte sowie die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten haben zur Gänze obsiegt und daher Anspruch auf Ersatz ihrer gesamten Verfahrenskosten gegenüber den Klägern, die als materielle Streitgenossen solidarisch haften (vgl 3 Ob 176/18f; RS0125635).

[27]            5.2. Die Bemessungsgrundlage beträgt gemäß § 10 Z 2 lit a RATG 2.000 EUR. Während der Verfahrensverbindung beträgt die Bemessungsgrundlage 4.000 EUR, wobei die Hälfte der Kosten dem vorliegenden Verfahren zuzuordnen ist. Soweit die Erstnebenintervenientin auch Kosten des Verfahrens AZ 7 C 534/15m des Erstgerichts vor der Verfahrensverbindung verzeichnet, waren diese Kosten im vorliegenden Verfahren nicht zuzuerkennen. Ein Streitgenossenzuschlag steht nur zu, wenn der Rechtsanwalt mehrere Parteien vertritt oder mehreren Parteien gegenübersteht (§ 15 RATG). Daher haben die Beklagte und die Nebenintervenientinnen auch in den Rechtsmittelverfahren lediglich Anspruch auf 15 % Streitgenossenzuschlag.

[28]            5.3. Die weiteren Einwendungen der Kläger gegen die Kostenverzeichnisse der Beklagten und der Erstnebenintervenientin sind nur insoweit berechtigt, als die von der Beklagten verzeichnete Zeugenbekanntgabe vom 28. 4. 2016 und der Schriftsatz vom 27. 4. 2017 nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren und daher nicht zu honorieren sind. Für die von der Erstnebenintervenientin verzeichneten Kosten für die Einwendungen gegen das Kostenverzeichnis gebührt ebenfalls kein Ersatz. Die Pauschalgebühr für die Revision beträgt – entgegen dem Kostenverzeichnis der Vertreterin der Erstnebenintervenientin (nur) – 267,50 EUR.

Textnummer

E130604

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00218.20Z.0107.000

Im RIS seit

11.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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