TE OGH 2021/1/26 33R2/21p

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Veröffentlicht am 26.01.2021
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag.a Janschitz und den Richter Dr. Stiefsohn in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch die Anwaltssocietät Sattlegger Dorninger Steiner & Partner in Linz, wider die beklagten Parteien *****, beide vertreten durch die Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen zuletzt EUR 2.032 sA über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 3.11.2020, 43 Cg 48/19k-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung

Text

Der Kläger ist Fotograf [...] und Urheber der Lichtbilder [...].

Die Erstbeklagte ist die Medieninhaberin [...]. Die Zweitbeklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten. Die Erstbeklagte nutzte die beiden Lichtbilder des Klägers in mehreren Veröffentlichungen auf [...].

Mit Teilurteil vom 3.8.2020, 33 R 63/20g, wurden die Beklagten rechtskräftig schuldig erkannt, es zu unterlassen, Lichtbilder, an denen dem Kläger das ausschließliche Verwertungsrecht zukommt, ohne seine Zustimmung öffentlich zu vervielfältigen und/oder zur Verfügung zu stellen, und dem Kläger EUR 1.188 sA zu zahlen, darin EUR 648 angemessenes Entgelt (§ 86 Abs 1 UrhG) und EUR 540 pauschalierter Schadenersatz (§ 87 Abs 3 UrhG). Das auf Zahlung von EUR 800 sA immateriellem Schadenersatz (§ 87 Abs 2 UrhG) sowie auf Urteilsveröffentlichung gerichtete Mehrbegehren des Klägers wurde rechtskräftig abgewiesen.

Der Kläger begehrte von den Beklagten zuletzt die Zahlung von weiteren EUR 2.032 sA, darin EUR 636 angemessenes Entgelt und EUR 530 pauschalierter Schadenersatz pro Lichtbild abzüglich EUR 300 Teilzahlung der Beklagten.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und entgegnen im Wesentlichen, das Zahlungsbegehren sei überhöht.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestellte das Erstgericht ***** zum Sachverständigen und trug ihm auf, binnen acht Wochen nach Einlangen des weiteren Kostenvorschusses und Übermittlung des Gerichtsakts Befund und Gutachten darüber zu erstatten, wie hoch das Entgelt für die vom Kläger geltend gemachten Nutzungen der beiden Lichtbilder [...], jeweils unter Berücksichtigung der von den Beklagten beanspruchten Nutzungsdauer, im Rahmen der marktgerechten, im Geschäftsverkehr für vergleichbare Nutzungen üblichen Lizenzgebühren ist (Spruchpunkt I.). Weiters trug es dem Kläger auf, binnen 14 Tagen einen weiteren Kostenvorschuss von EUR 4.800 zu erlegen (Spruchpunkt II.). Begründend verwies es darauf, dass der Sachverständige bereits einschlägige Gutachten erstattet und kürzlich angegeben habe, sich der Ermittlung des Entgelts über den Akteninhalt, offene Quellen sowie eine Befundaufnahme nähern zu können. Dies sollte mit zwölf bis 16 Stunden Mühewaltung möglich sein, was (zu einem vergünstigten Satz) Gebühren von EUR 4.400 bis EUR 5.800 entspreche. Sollte eine Markterhebung notwendig sein, müsse man die weitere Vorgangsweise noch abstimmen und mit den Parteien erörtern. Da der Kläger erst EUR 1.000 Kostenvorschuss erlegt habe, sei ihm ein weiterer Kostenvorschuss entsprechend der Schätzung des Sachverständigen aufzutragen.

Gegen den Spruchpunkt II. dieses Beschlusses (Auftrag zum Erlag eines weiteren Kostenvorschusses) richtet sich der Rekurs des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss insofern aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

1. Dem angefochtenen Beschluss liegt keine Entscheidung über die Gebühren eines Sachverständigen oder Dolmetschers zu Grunde, sondern ein Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses, sodass über den Rekurs nicht nach § 8a JN durch einen Einzelrichter, sondern in Senatsbesetzung zu entscheiden ist (OLG Wien 2 R 217/13s = SV 2014/2, 111; 1 R 107/16m = SV 2016/4, 234; 13 R 184/17z = SV 2018/2, 116; Krammer in Fasching/Konecny3 § 365 ZPO Rz 31).

2. Da der Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses eine prozessleitende Verfügung im engeren Sinn ist, ist das Rekursverfahren einseitig (OLG Wien 16 R 203/02v = WR 954; 1 R 16/18g = RW000918; Krammer, aaO; Sloboda in Fasching/Konecny3 § 521a ZPO Rz 9-11).

3. Übersteigt der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert nicht den Betrag von EUR 2.700, so kann gemäß § 517 Abs 1 ZPO nur gegen die folgende Beschlüsse erster Instanz Rekurs ergriffen werden: [...] 5. wenn über die Prozesskosten entschieden worden ist [...].

4. Die Anwendbarkeit des § 517 ZPO ist im Zivilprozess nach dem Streitwert in erster Instanz zu beurteilen. Maßgebend ist der Streitwert im Zeitpunkt der Beschlussfassung. Wurde ein Teil des Klagebegehrens rechtskräftig durch Teilurteil erledigt und übersteigt der Reststreitwert nicht mehr die Wertgrenze von EUR 2.700, so unterliegt das weitere Verfahren den Rekursbeschränkungen des § 517 ZPO (Sloboda in Fasching/Konecny3 § 517 ZPO Rz 1, 3). Dasselbe ist für die Anwendbarkeit der Rechtsmittelbeschränkungen des § 501 ZPO anerkannt: Maßgeblich ist der Streitwert bei der Urteilsfällung in erster Instanz. Sinkt der Streitwert infolge rechtskräftiger Teilurteile unter die Bagatellgrenze, kommt es nur mehr auf den noch offenen Streitwert an (RS0040950; Pimmer in Fasching/Konecny3 § 501 ZPO Rz 6). Im vorliegenden Fall betrug der Streitwert im Zeitpunkt der Beschlussfassung in erster Instanz nach dem rechtskräftigen Teilurteil zu 33 R 63/20g nur mehr EUR 2.032, sodass die Rekursbeschränkungen des § 517 ZPO anzuwenden sind.

5. Der Kläger will sich gegen einen Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses wenden (Spruchpunkt II. des angefochtenen Beschlusses). Der Rekurs dagegen wäre im Lichte des Streitwerts nur zulässig, wenn der Beschluss unter einen der Ausnahmetatbestände des § 517 Abs 1 ZPO fallen würde. Das ist aber nicht der Fall; es ist insbesondere auch keine Entscheidung „über die Prozesskosten“ (Z 5) zu beurteilen: M. Bydlinski hat sich zum inhaltlich deckungsgleichen Ausschluss des Revisionsrekurses nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO („über den Kostenpunkt“) ausführlich mit der Absicht des historischen Gesetzgebers auseinandergesetzt und nachgewiesen, dass der Gesetzgeber ausschließlich „echte“ Kostenentscheidungen im Auge hatte, also solche Beschlüsse, mit denen im Sinne des § 40 Abs 2 ZPO über die im jeweiligen Verfahren aufgelaufenen Prozesskosten abgesprochen wird und die grundsätzlich mit „Kostenrekurs“ iSd § 55 ZPO zu bekämpfen sind (M. Bydlinski, Zur Reichweite der Rechtsmittelschranke im „Kostenpunkt“, in König [Hrsg], FS Sprung [2001], 25 ff). Das Berufungsgericht teilt diese Ansicht auch für § 517 Abs 1 Z 5 ZPO: Entscheidungen „über die Prozesskosten“ sind demnach nur solche, mit denen in irgendeiner Form dem Grunde oder der Höhe nach über die Kostenersatzpflicht erkannt wurde (ebenso Fasching, Lehrbuch2 Rz 1975; Sloboda, aaO Rz 24). Der Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses ist keine Entscheidung „über die Prozesskosten“, weil damit nicht über die Kostenersatzpflicht, weder dem Grunde noch der Höhe nach, abgesprochen wird. Der Rechtsprechung des OGH, wonach der Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses eine „Kostenentscheidung“ sei und der Revisionsrekurs daher nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO unzulässig sei (zB RS0044179; nach einer anderen Rechtsprechungslinie des OGH soll der Kostenvorschussauftrag ein Beschluss „über die Gebühren der Sachverständigen“ iSd § 528 Abs 2 Z 5 ZPO sein, zB 3 Ob 62/78; 5 Ob 149/97s; 1 Ob 18/04k; 5 Ob 128/13d; offenlassend zB 3 Ob 153/93; 6 Ob 236/17z), schließt sich das Rekursgericht für § 517 ZPO aufgrund der überzeugenden Argumente der Lehre nicht an. Der Rekurs ist damit zurückzuweisen.

6. Auch aus § 332 Abs 2 Satz 2 iVm § 365 Satz 2 ZPO ist für den Kläger nichts zu gewinnen: Nach diesen Bestimmungen ist der Beschluss, mit dem der Erlag eines Kostenvorschusses für Sachverständigengebühren aufgetragen wird, nur hinsichtlich seiner Höhe und nur dann anfechtbar, wenn der Gesamtbetrag der einer Partei aufgetragenen Vorschüsse EUR 4.000 übersteigt. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine weitere Beschränkung der Anfechtung von Aufträgen zum Erlag eines Kostenvorschusses (vergleichbar mit § 517 Abs 3 ZPO, der den Kostenrekurs nur bei einem EUR 50 übersteigenden Interesse für zulässig erklärt) und nicht um eine Ausnahmebestimmung zu § 517 ZPO. Mit anderen Worten: Übersteigt der Streitwert in erster Instanz nicht EUR 2.700, sind Kostenvorschussaufträge nicht anfechtbar. Übersteigt der Streitwert dagegen EUR 2.700, sind sie hinsichtlich ihrer Höhe anfechtbar, wenn der Gesamtbetrag der einer Partei aufgetragenen Vorschüsse EUR 4.000 übersteigt. Der Rekurs der Kläger scheitert schon an der ersten Zulässigkeitshürde, jener des § 517 ZPO.

7. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 1 ZPO.

Schlagworte

Prozessrecht; Kostenvorschuss; Sachverständigengebühr; Rekurszulässigkeit; Senatsentscheidung,

Textnummer

EW0001080

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2021:03300R00002.21P.0126.000

Im RIS seit

10.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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