TE OGH 2020/12/21 1Ob220/20i

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Veröffentlicht am 21.12.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F***** und 2. R*****, beide *****, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch die Stenitzer & Stenitzer Rechtsanwälte OG, Leibnitz, wegen Feststellung des Bestehens einer Dienstbarkeit, Einwilligung zur grundbücherlichen Einverleibung sowie Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 20. August 2020, GZ 3 R 80/20m-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Leibnitz vom 15. Jänner 2020, GZ 10 C 15/19z-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]            1. Das Berufungsgericht stellte die Grundsätze der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Entstehen einer (dinglichen) Dienstbarkeit auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Auseinanderfallen des Eigentums an bisher einem Eigentümer gehörigen Liegenschaften zutreffend dar. Diese können dahin zusammengefasst werden, dass bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von welchen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne Verbücherung – unmittelbar durch den Übertragungsakt – eine Dienstbarkeit entsteht (vgl RIS-Justiz RS0011618; siehe auch RS0131628; RS0011643 [T2]). Offenkundigkeit ist anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung die Inanspruchnahme der einen Liegenschaft zum Nutzen der anderen durch offenkundige Vorgänge oder ersichtliche Anlagen bzw Einrichtungen erkennbar ist (vgl RS0011547; RS0011633) oder der Erwerber davon positive Kenntnis hat (vgl RS0011618 [T10]). Die Vertragsparteien können zwar ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes vereinbaren und so das Entstehen einer Grunddienstbarkeit vertraglich ausschließen (vgl RS0011643 [T4]; RS0011618 [T18]), im Zweifel ist dies aber nicht anzunehmen (vgl RS0011618 [T2]). Die zur Entstehung einer Grunddienstbarkeit durch das Auseinanderfallen des Eigentums an zwei Grundstücken, von denen eines offenkundig dem anderen dient, entwickelten Grundsätze gelten auch für den – hier zu beurteilenden – Fall der Teilung eines bisher einheitlichen Grundstücks und Übertragung eines (dann herrschenden oder dienenden) Grundstücksteils an einen Dritten (vgl 6 Ob 79/98f; 1 Ob 76/05s; 4 Ob 74/07x; 1 Ob 217/10h).

[2]            2. Die Revisionswerberin zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht diese von ihm zugrundegelegte Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall unrichtig angewandt hätte. Sie argumentiert im Wesentlichen, dass sie ihrem Schwager den Wasserbezug aus ihrem Brunnen „nach den erstinstanzlichen Feststellungen“ nur aufgrund des verwandtschaftlichen Verhältnisses gestattet und ihm daher bloß eine persönliche Dienstbarkeit eingeräumt habe. Entgegen dieser Darstellung in der Revision traf das Erstgericht jedoch keineswegs die „Feststellung“, dass die Beklagte ihrem Schwager (bzw ihrer Schwester) das Recht zum Wasserbezug „ausschließlich aufgrund ihres Verwandtschaftsverhältnisses“ einräumte, sondern es schloss aus diesem Naheverhältnisses nur in seiner rechtlichen Beurteilung auf die Vereinbarung eines bloß persönlichen Nutzungsrechts. Das Berufungsgericht leitete die von den Klägern behauptete Realservitut aber ohnehin nicht aus dieser „vor etwa 20 Jahren“ getroffenen Vereinbarung ab, sondern aus der Teilung des ursprünglich einheitlichen Grundstücks der Beklagten in ein ihrem Schwager übertragenes Grundstück mit dem von ihm und seiner Frau errichteten Haus und ein bei ihr verbliebenes Grundstück mit dem Brunnen.

[3]            3. Dass anlässlich der „ursprünglichen“ Gestattung des Wasserbezugs für das von der Schwester der Beklagten und deren Mann errichtete Haus („vor etwa 20 Jahren“) das Entstehen einer Dienstbarkeit für den Fall eines späteren (letztlich 2016 erfolgten) Auseinanderfallens des Eigentums am Grundstück mit diesem Haus sowie dem Brunnen ausgeschlossen werden sollte, findet weder im festgestellten Sachverhalt noch im Vorbringen der Beklagten eine Grundlage. Ob ein (konkludenter) Ausschluss des Entstehens einer Grunddienstbarkeit aus dem zwischen der Beklagten und ihrem Schwager 2016 abgeschlossenen Schenkungsvertrag (über jenen Teil des Grundstücks der Beklagten, auf dem ihr Schwager mit seiner Frau das Haus errichtet und für dieses Wasser aus dem Brunnen in Anspruch genommen hatte) abgeleitet werden kann, begründet als Frage des konkreten Einzelfalls (vgl 6 Ob 212/05b) keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das diese Frage verneinte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Dass es nicht schon daraus, dass die Beklagte ihrem Schwager im Schenkungsvertrag ausdrücklich zwar ein Recht zur Verlegung und zum Betrieb einer Gasleitung sowie ein damit zusammenhängendes Geh- und Fahrrecht einräumte, wohingegen das Wasserbezugsrecht in diesem Vertrag keine Erwähnung fand, auf einen übereinstimmend beabsichtigten Ausschluss des Entstehens einer solchen Grunddienstbarkeit durch die Grundstücksteilung und -übertragung schloss, begegnet keinen Bedenken.

[4]            4. Ein Abweichen des Berufungsgerichts von höchstgerichtlicher Judikatur, lassen die im Rechtsmittel angeführten Entscheidungen nicht erkennen. Dass zu einer konkreten Sachverhaltskonstellation noch keine höchstgerichtliche Entscheidung besteht, begründet keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0102181 [T12, T14]).

[5]            5. Soweit sich die Revisionswerberin auf den Rechtsmittelgrund des § 503 Z 3 ZPO – also eine dem Berufungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit – stützt, legt sie eine solche nicht nachvollziehbar dar. In Wahrheit bekämpft sie auch damit die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts mit den bereits genannten Argumenten.

[6]       6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E130507

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00220.20I.1221.000

Im RIS seit

03.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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