TE Bvwg Beschluss 2020/11/17 W189 1302336-6

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Veröffentlicht am 17.11.2020
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Entscheidungsdatum

17.11.2020

Norm

BFA-VG §16 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §7 Abs4

Spruch


W189 1302336-6/6E

BESCHLUSS


Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX geb.am XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Dr. Wolf-Georg Schärf gegen die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2020, Zahl 351253405/200433147, beschlossen:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG iVm. § 16 Abs. 1 BFA-VG als verspätet z u r ü c k g e w i e s e n.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Zahl 351253405/200433147, vom 03.07.2020, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich zugestellt am 07.07.2020, wurde sein (vierter) Antrag auf internationalen Schutz vom 27.05.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. sprach die belangte Behörde aus, dass dieser Antrag auf internationalen Schutz auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen werde.

2. Dieser Bescheid wurde dem BF am 07.07.2020 durch einen Polizeibeamten in der Polizeiinspektion Wien Zohmanngasse 10 zugestellt und die Übernahme dieses durch den BF mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt.

3. Der BF war im Zeitraum vom 22.07.2020 bis 02.09.2020 im Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände in Haft. Am 12.09.2020 wurde dem BF eine Kopie des Bescheides vom 03.07.2020 mit dem Vermerk, wonach es sich dabei um keine Zustellung handle, ausgefolgt.

4. Mit per Post am 12.10.2020 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den unter I.1. genannten Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden BVwG).

Darin wurden die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Stattgebung der Beschwerde beantragt. Hinsichtlich der -deutlich – verspäteten Beschwerdeerstattung berief sich der BF auf eine Haftbestätigung des Polizeianhaltezentrum Roßauer für den Zeitraum vom 22.07.2020 bis 02.09.2020, weshalb ihm ein Bescheid an seiner Meldeadresse nicht habe zugestellt werden können.

5. Mit Bescheid des BFA vom 15.10.2020, Zahl 351253405/200433147, dem RV des BF zugestellt am 19.10.2020, wurde die Beschwerde des BF gemäß § 14 Abs.1 iVm § 7 Abs.4 Z 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.

Darin wurde seitens des BFA festgestellt, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid vom 03.07.2020 dem BF durch einen Polizeibeamten in der Polizeiinspektion Wien Zohmanngasse 10 zugestellt worden sei und die Übernahme dieses durch den BF mit eigenhändiger Unterschrift am 07.07.2020 bestätigt worden sei.

Die belangte Behörde stellte fest, dass gegen den unter I.3. angeführten Bescheid keine Beschwerde erhoben worden und dieser daher mit Ablauf des 22.07.2020 in Rechtskraft erwachsen sei.

6. Mit der oben im Spruch genannten Beschwerdevorentscheidung des BFA vom 15.10.2020, dem RV des BF zugestellt am 19.10.2020, wurde die Beschwerde des BF vom 12.10.2020, eingelangt beim BFA am 14.10.2020 als verspätet zurückgewiesen.

7. Mit per Email am 27.10.2020 beim BFA durch den RV des BF eingebrachtem Schriftsatz (Vorlageantrag), welcher keine Unterschrift aufwies, beantragte der BF, unter Bezugnahme auf die im Spruch genannte Beschwerdevorentscheidung des BFA, die Vorlage der Beschwerde an das BVwG.

8. Die gegenständliche Beschwerde samt Vorlageantrag und der zugehörige Verwaltungsakt wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, wo sie am 29.10.2020 einlangte.

9. Mit Verfahrensanordnung vom 04.11.2020 wurde dem BF aufgetragen den eingebrachten Vorlageantrag innerhalb einer Frist von drei Tagen zu unterfertigen. Mit Email vom 04.11.2020 langte beim BVwG der nunmehr berichtigte Vorlageantrag ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird, dass der unter I.1. genannte Bescheid des BFA an den BF durch einen Polizeibeamten in der Polizeiinspektion Wien Zohmanngasse 10 zugestellt und die Übernahme dieses durch den BF mit eigenhändiger Unterschrift am 07.07.2020 bestätigt wurde.

Festgestellt wird, dass der BF im Zeitraum vom 22.07.2020 bis 02.09.2020 in Haft war und diesem die Kopie des Bescheides vom 03.07.2020 mit dem Vermerk, wonach es sich dabei um keine Zustellung handle, ausgefolgt wurde.

Festgestellt wird die per Post am 12.10.2020 beim BFA eingebrachte Beschwerde gegen den unter I.1. genannten Bescheid.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des Beschwerdevorbringens.

Die erfolgte Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides des BFA beruht auf einer im Akt einliegenden Zustellbestätigung, welcher entnommen werden kann, dass die Übernahme des verfahrensgegenständlichen Bescheides am 07.07.2020 mit Unterschrift des BF bestätigt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Rechtliches:

3.1.1. Der mit „Beschwerdevorentscheidung“ betitelte § 14 VwGVG lautet:

„§ 14. (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 5 Z 11, BGBl. I Nr. 138/2017)“

Der mit „Vorlageantrag“ betitelte § 15 VwGVG lautet:

„§ 15. (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.“

3.1.2. Die Beschwerdevorentscheidung derogiert den Ausgangsbescheid, das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrags die Beschwerde; der Vorlageantrag richtet sich nämlich (nur) darauf, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorgelegt wird (vgl. VwGH 09.09.2019, Ro 2016/08/0009).

Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt dieser auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die – außer in Fällen einer Zurückweisung der Beschwerde – an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 09.09.2019, Ro 2016/08/0009).

Gegenstand der Prüfung, ob der Vorlageantragsteller in seinen Rechten verletzt wurde, ist nicht der ursprüngliche Bescheid, sondern die Beschwerdevorentscheidung (vgl. VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026 und VwGH 27.02.2019, Ra 2018/10/0052).

„Ist die Beschwerde nicht zulässig, so ist sie vom Verwaltungsgericht zurückzuweisen, wobei der Beschluss des VwG an die Stelle der Beschwerdevorentscheidung tritt (vgl. zB VwGH 26.6.2014, Ro 2014/10/0068 zum insofern vergleichbaren Vorlageantrag nach § 30b VwGG.)“; siehe auch: Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11 (2019) Rn 774 Ziffer 4.

3.1.3. Dem RV des BF wurde die gegenständliche Beschwerdevorentscheidung am 19.10.2020 zugestellt und der gegenständliche Vorlageantrag am 27.10.2020 sohin rechtszeitig beim BFA eingebracht.

3.2. Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung:

3.2.1. Gemäß § 16 Abs.1 BFA-VG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesamtes in den Fällen des Abs. 2 und des § 7 Abs. 2 AsylG 2005, sofern der Status des Asylberechtigten aberkannt und die Aberkennung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde, abweichend von § 7 Abs. 4 erster Satz des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, zwei Wochen.

 

Absatz 2 der leg.cit. nennt dabei - auch - zurückgewiesene Anträge auf internationalen Schutz, die mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden sind.

§ 22 Abs.1 ZustellG normiert, dass die Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden ist. Gemäß Abs. 2 hat der Übernehmer des Dokuments die Übernahme auf dem Zustellnachweis durch seine Unterschrift unter Beifügung des Datums und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Naheverhältnisses zu diesem zu bestätigen. Verweigert er die Bestätigung, so hat der Zusteller die Tatsache der Verweigerung, das Datum und gegebenenfalls das Naheverhältnis des Übernehmers zum Empfänger auf dem Zustellnachweis zu vermerken. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden.

§ 32 Abs.2 AVG normiert, dass Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sind, am Tag des fristauslösenden Ereignisses zu laufen beginnen.

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Zunächst ist festzuhalten, dass die erfolgte Zustellung des unter I.1. genannten rechtkräftigem Bescheides des BFA an den BF am Dienstag, den 07.07.2020 festgestellt wurde. Da es sich damit um eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 16 Abs.1 und Abs. 2 BFA-VG handelt, beträgt die Beschwerdefrist zwei Wochen.

Ausgehend davon, dass der, den Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 BFA-VG entsprechende, Bescheid eine korrekte Rechtsmittelbelehrung enthält, hat gemäß. § 32 Abs.2 AVG im gegenständlichen Fall der Lauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist sohin am Dienstag den 07.07.2020 begonnen und mit Ablauf des Dienstag, des 21.07.2020 geendet.

Durch die einwandfreie Klärung der persönlichen Zustellung des Bescheides an den BF und dessen uneingeschränkte Möglichkeiten (vor Haftbeginn) rechtzeitig Rechtsmittel einzubringen, was die seitens des BF vorgelegte Haftbestätigung auch nachzuweisen vermochte, war die gegenständliche, am 12.10.2020 und somit nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebrachte Beschwerde, als verspätet zu werten.

In der konkreten Rechtsache kommt es im Unterschied zu einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht darauf an, ob der BF oder seinem rechtlichen Vertreter ein Verschulden an der Versäumung trifft. Vielmehr hat das erkennende Gericht anhand der Aktenlage ausschließlich über die Frage der Verspätung des Rechtsmittels zu entscheiden und im Fall der Bejahung dieses zurückzuweisen (vgl. VwGH 05.06.1996, 96/20/0334; 23.05.2002, 2002/03/0029).

3.2.3.Aufgrund der Einbringung der Beschwerde nach Ablauf der Rechtsmittelfrist war die Beschwerde gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG iVm. § 16 Abs. 1 BFA-VG als verspätet zurückzuweisen.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da die gegenständliche Beschwerde wegen ihrer Verspätung zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1. VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Rechtsmittelfrist Verspätung Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W189.1302336.6.00

Im RIS seit

02.02.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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