TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/8 W211 2221487-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.10.2020
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Entscheidungsdatum

08.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs3
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W211 2221487-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag.a SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben, und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr erteilt.

IV. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkte III. - VI. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 stattgegeben und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dem Beschwerdeführer kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Mit Meldung vom XXXX .2018 informierte die BPD XXXX – Bundespolizeidirektion Flughafen XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darüber, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2018 einer behördlichen Kontrolle im Zuge seiner Ankunft unterzogen worden sei. Der Beschwerdeführer sei im Besitz seines Konventionspasses – ausgestellt am XXXX 2018 – gültig bis XXXX .2023 gewesen. Aus dem Konventionspass des Beschwerdeführers habe festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2018 mit einem Flug aus Athen kommend in XXXX eingereist sei. Im Konventionspass habe sich auch ein iranisches Visum – gültig vom XXXX .2018 bis XXXX .2018 befunden. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer im Besitz eines am XXXX .2017 im Damas-Center ausgestellten, bis XXXX .2019 gültigen syrischen Reisepasses gewesen. Im Pass seien auf Seite 09 u.a. Stempelabrücke der libanesischen Behörden vom XXXX .2018 und XXXX 2018 gefunden worden. Überdies habe sich auf den Seiten 06, 08 und 10 jeweils ein Stempelabdruck aus Syrien befunden. Außerdem seien zwei Borkartenabschnitte von Flügen über Teheran nach Damaskus im Pass des Beschwerdeführers aufgefunden worden.

Am XXXX 2019 wurde der Beschwerdeführer zur Prüfung der Einleitung eines Aberkennungsverfahrens durch das Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zusammengefasst an, dass sich drei Schwestern und sein Vater in Damaskus aufhalten würden. Seine Mutter sei Ende März 2018 verstorben. Vor Kriegsausbruch sei der Vater des Beschwerdeführers ein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen. Mit seinem Vater stehe der Beschwerdeführer auch in regelmäßigem Kontakt und schicke ihm auch Geld. Die Schwestern des Beschwerdeführers würden in Damaskus studieren, eine Schwester habe ihn auch in Österreich mit einem Schengen-Visum besucht. Auf die Meldung der BPD XXXX – Bundespolizeidirektion Flughafen XXXX vom XXXX .2018 und den Umstand angesprochen, dass er bei seiner Asylantragstellung einen am XXXX .2012 im Damas-Center ausgestellten und ebendort am XXXX .2015 bis XXXX .2017 verlängerten syrischen Reisepass vorgelegt habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er nach Syrien zurückgekehrt sei, um seine damals krebskranke Mutter zu besuchen. Um aus Syrien aus- und wieder einreisen zu können, habe er Schmiergeld bezahlt. In Österreich arbeite der Beschwerdeführer saisonal in der Gastronomie als Küchenhilfe. Der Beschwerdeführer legte zum Beweis seiner Integrationsbemühungen Kopien eines Arbeitszeugnisses der Firma XXXX vom XXXX .2019, einer Bestätigung des ÖIF über Integrationsmaßnahmen vom XXXX .2017 und einer Bestätigung für Dienstnehmer der XXXX vom XXXX 2017 vor.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zugestellt am XXXX .2019, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für eine freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI).

Zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten wurde im Wesentlichen festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer seit der Gewährung des internationalen Schutzes in Österreich freiwillig und wiederholt in sein Herkunftsland Syrien begeben und bei den syrischen Behörden nach Ablauf der Gültigkeit seines Reisepasses die neuerliche Ausstellung beantragt habe. Die Voraussetzungen, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt hätten, lägen nicht mehr vor, da sich der Beschwerdeführer dem Schutz des Herkunftsstaates durch nachweisliche Ausstellung eines Reisepasses und durch Rückreise in den Herkunftsstaat unterstellt habe. Zur Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde ausgeführt, dass aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer mehrmals freiwillig nach Syrien ein- und wieder ausgereist sei, davon auszugehen sei, dass dem Beschwerdeführer in Syrien seitens des Regimes keine Gefahr drohe. Auch herrsche in Damaskus kein Kriegszustand. Weiter sei es dem Beschwerdeführer zumutbar durch eigene und notfalls auch wenig attraktive Arbeit das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige zu erwirtschaften, zumal es sich bei ihm um einen gesunden, erwachsenen und arbeitsfähigen Mann handle.

Mit Verfahrensanordnungen gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom XXXX 2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

Gegen den oben genannten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am XXXX .2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer mit einem syrischen Reisepass nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zweimal nach Syrien gereist sei, um seine kranke Mutter zu besuchen. Zwar sei es richtig, dass der Flüchtlingsstatus erlösche, wenn ein Flüchtling einen Pass des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitze, beantrage und erhalte, im vorliegenden Fall lägen jedoch insofern besondere Gründe vor, als der Beschwerdeführer seine kranke Mutter besuchen habe wollen. Aufgrund der Umstände sei er daher einer sittlichen Pflicht folgend gezwungen gewesen, sich einen syrischen Reisepass zu besorgen. Der Antrag auf Ausstellung eines nationalen Reisepasses habe lediglich Indizwirkung für eine Unterschutzstellung, die gegenständlich jedoch widerlegt worden sei. Der vom Beschwerdeführer im Lauf des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl genannte Fluchtgrund, nämlich die Gefahr einer Zwangsrekrutierung, würde nach wie vor bestehen. Aus den Länderinformationen ergebe sich, dass das Regime in Damaskus völlig unberechenbar sei und weder die Überschreitung von Altersgrenzen, noch die Stellung als einziger Sohn der Familie zu einer Befreiung vom Wehrdienst führe. Dem Beschwerdeführer hätte somit zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen. Schließlich habe die Integration des Beschwerdeführers in Österreich ein Ausmaß erreicht, das eine Rückkehrentscheidung unzulässig mache. Der Beschwerde beigefügt war eine Vollmacht des MigrantInnenverein St. Marx vom XXXX .2019.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am XXXX .2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Mit Stellungnahme vom XXXX .2019 legte der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht Kopien eines Arbeitszeugnisses und Bestätigungen der Firma XXXX vom XXXX .2019 und XXXX .2019, eines Lohnzettels für Jänner bis März 2019 sowie mehrerer Zeugnisse über den Abschluss von IT-Kursen vor.

Mit Parteiengehör vom XXXX .2020 wurde schließlich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgefordert, dem Bundesverwaltungsgericht Kopien des nicht im Akt befindlichen syrischen Reisepasses des Beschwerdeführers samt Bordkartenabschnitten bzw. der Meldung der BPD XXXX vom XXXX .2018 vorzulegen. Innerhalb der gesetzten Frist langte dazu keine Eingabe des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, entscheidungsrelevanter Sachverhalt ad Spruchpunkt I.:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er bekennt sich zum muslimischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer stammt aus Damaskus. Dieses Gebiet befindet sich derzeit in der Hand des Regimes.

Der Vater und drei Schwestern des Beschwerdeführers leben Damaskus.

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom XXXX 2016 wurde diesem Antrag auf internationalen Schutz entsprochen und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2017 legal nach Syrien ein und ließ sich dort freiwillig einen neuen Reisepass ausstellen. Im Jahr 2018 begab sich der Beschwerdeführer abermals freiwillig nach Syrien.

1.2. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr:

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation gelangen würde.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, 13.05.2019:

Politische Lage

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Baath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016).

Es gibt weiterhin Landesteile, in denen die syrische Regierung effektiv keine Kontrolle ausübt. Diese werden entweder durch Teile der Opposition, kurdische Einheiten, ausländische Staaten oder auch durch terroristische Gruppierungen kontrolliert (AA 13.11.2018; vgl. MPG 2018).

Sicherheitslage

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Seit Mai 2018 hat sich die allgemeine Sicherheitslage in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Syriens, darunter finden sich auch die wichtigsten Städte wie Lattakia, Homs, Hama, Tartous und Damaskus, deutlich verbessert. Im Allgemeinen kam es im Vergleich mit den Zahlen vor Juli 2018 zu einem signifikanten Rückgang der militärischen Auseinandersetzungen und der sicherheitsrelevanten Vorfälle in von der Regierung kontrollierten Gebieten. Die Situation bleibt in einigen Gegenden jedoch angespannt, wie im Osten der Provinz Lattakia, im Westen der Provinz Aleppo und im Norden der Provinz Hama. In Bezug auf die Art der sicherheitsrelevanten Vorfälle gibt es Berichte von Beschuss, bewaffneten Zusammenstößen, Entführungen sowie Explosionen von Kampfmittelresten (DIS/DRC 2.2019).

Die Regierung besitzt nicht die nötigen Kapazitäten, um alle von ihr gehaltenen Gebiete auch tatsächlich zu kontrollieren. Daher greift die Regierung auf unterschiedliche Milizen zurück, um manche Gegenden und Checkpoints in Aleppo, Lattakia, Tartous, Hama, Homs und Deir ez-Zour zu kontrollieren. Es gibt auch Berichte, wonach es in einigen Gebieten zu Zusammenstößen sowohl zwischen den unterschiedlichen Pro-Regierungs-Milizen als auch zwischen diesen und Regierungstruppen gekommen ist (DIS/DRC 2.2019).

In den ersten Monaten des Jahres 2018 erlebte Ost-Ghouta, nahe der Hauptstadt Damaskus, die heftigste Angriffswelle der Regierung seit Beginn des Bürgerkrieges (Presse 1.4.2018). Mitte April 2018 wurde die Militäroffensive der syrischen Armee auf die Rebellenenklave von Seiten der russischen Behörden und der syrischen Streitkräfte für beendet erklärt (DS 15.4.2018; vgl. SD 12.4.2018). Ende Mai 2018 zogen sich die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter der Kontrolle der Regierung standen (DSO 21.5.2018; vgl. ISW 1.6.2018). Seitdem hat sich die Sicherheitslage in Damaskus und Damaskus-Umland (Rif Dimashq) deutlich verbessert (DIS/DRC 2.2019). Im Januar kam es zu zwei Bombenanschlägen in Damaskus Stadt. Einem in der Nähe eines Büros des Militärischen Nachrichtendienstes im Süden mit mehreren Todesopfern, und einem mittels einer Autobombe in der Nähe der russischen Botschaft mit Verletzten (DIS/DRC 2.2019; vgl. TN 20.1.2019). Einer internationalen humanitären Organisation zufolge ist es weniger wahrscheinlich, dass Angriffe dieser Art in Damaskus (im Gegensatz zu anderen großen Städten) passieren, weil die Hauptstadt durch Sicherheitskräfte schwer bewacht ist (DIS/DRC 2.2019).

Seit 2012 führte Israel dutzende Luftschläge auf syrischem Staatsgebiet durch, hauptsächlich auf Orte oder Konvois in der Nähe der libanesischen Grenze, die mit Waffenlieferungen an die Hizbollah in Verbindung stehen (CRS 2.1.2019), bzw. generell auf iranische Ziele und Ziele mit dem Iran verbündeter Milizen (AJ 5.2.2019). Es soll etwa ein bis zweimal im Monat zu Angriffen der israelischen Luftwaffe auf Ziele in der Provinz Damaskus kommen (Jane‘s 14.1.2019). Bis Ende Januar 2019 äußerte sich die israelische Armee nicht oder nur selten und erst nach einiger Zeit über Spekulationen zu Luftangriffen auf syrischem Staatsgebiet, für die die israelische Armee verantwortlich sein soll. Ende Januar berichteten die israelischen Streitkräfte beinahe zeitgleich über einen Angriff auf iranische Ziele in Syrien (DS 21.1.2019). Laut dem pensionierten Generalstabsschef der israelischen Streitkräfte Gadi Eisenkot hätte Israel sogar tausende Luftangriffe durchgeführt. Seit 2017 soll es nahezu täglich zu israelischen Angriffen kommen. Im Jahr 2018 wurden demnach 2.000 Bomben abgeworfen (TNYT 11.1.2019).

Rechtsschutz / Justizwesen

Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes

Das deutsche Auswärtige Amt beurteilte die Unabhängigkeit der syrischen Justiz bereits vor dem Aufstand als mangelhaft. Der Aufstand und der bewaffnete Konflikt in Syrien gehen mit massiver Repression, grassierender Korruption und einer Politisierung des Gerichtswesens durch die Regierung einher. Mittlerweile sind syrische Gerichte, ganz gleich ob Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit, korrupt, nicht unabhängig, und werden für politische Zwecke missbraucht. In keinem Teil Syriens gibt es Rechtssicherheit oder verlässlichen Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter (AA 13.11.2018). Generell ist die Willkür in Syrien seit dem Ausbruch des Konfliktes gestiegen (FIS 14.12.2018).

Sicherheitsbehörden und regierungstreue Milizen

Die Regierung hat zwar die effektive Kontrolle über die uniformierten Polizei-, Militär- und Staatssicherheitskräfte, nicht jedoch über ausländische und einheimische militärische oder paramilitärische Einheiten, z.B. russische Streitkräfte, Hisbollah, Islamische Revolutionsgarden und nicht uniformierte Milizen wie die National Defense Forces (NDF) (USDOS 13.3.2019). Der Präsident stützt seine Herrschaft auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Geheimdienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von Verwandten oder engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen (AA 13.11.2018). Straflosigkeit unter den Sicherheitsbehörden bleibt ein weit verbreitetes Problem. Das Generalkommando der Armee und der Streitkräfte kann im Fall von Verbrechen von Militäroffizieren, Mitgliedern der internen Sicherheitskräfte oder Zollpolizeioffizieren im Rahmen ihrer beruflichen Pflichten, einen Haftbefehl ausstellen. Solche Fälle müssen vor einem Militärgericht verhandelt werden. In der Praxis sind keine Fälle von Strafverfolgung oder Verurteilung von Polizei- und Sicherheitskräften hinsichtlich Misshandlung und Korruption bekannt. Die Sicherheitskräfte operieren unabhängig und im Allgemeinen außerhalb der Kontrolle des Justizwesens. Es gibt auch keine Berichte von Maßnahmen der Regierung, um die Einhaltung der Menschenrechte durch die Sicherheitskräfte zu verbessern (USDOS 13.3.2019).

Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt („incommunicado“) an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019).

In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines „Freilassungsabkommens“ auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).

Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen. Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung. Der IS bestrafte häufig Opfer in der Öffentlichkeit und zwang Bewohner, darunter auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen. Es gibt Berichte zu Steinigungen und Misshandlungen von Frauen. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) werden systematische Misshandlungen von Gefangenen der Freien Syrischen Armee (FSA) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vorgeworfen. Berichtet werden auch Folter und Tötungen von Gefangenen durch den IS (USDOS 13.3.2019).

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein „Herausfiltern“ von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen „terroristische“ Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte „externe Desertion“), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von „high profile“-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den „versöhnten Gebieten“ sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)

Die Rekrutierung zu regierungsfreundlichen Milizen geschieht im Allgemeinen auf freiwilliger Basis. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018; vgl. DRC/DIS 8.2017). Der soziale Druck sich diesen Gruppierungen anzuschließen ist jedoch stark. In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft. Ein weiterer Hauptgrund für das Eintreten in diese Gruppierungen ist, dass damit der Wehrdienst in der Armee umgangen werden kann. Die Mitglieder können so in ihren oder in der Nähe ihrer lokalen Gemeinden ihren Einsatz verrichten und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen. Die syrische Armee hat jedoch begonnen, diese Milizen in die Strukturen der syrischen Armee zu integrieren, wodurch es möglicherweise nicht mehr möglich ist, durch den Dienst in einer lokalen Miliz die Rekrutierung durch die Armee oder den Einsatz an einer weit entfernten Front zu vermeiden. Regierungstreue Milizen haben sich außerdem an Zwangsrekrutierungen von gesuchten Wehrdienstverweigerern beteiligt (FIS 14.12.2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Schätzungen besagen, dass etwa eine halbe Million Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet wurden (BS 2018).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret von 2011 erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit ihr verbündet sind. Parteien wie das Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet um Hunderte Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften. Es gibt auch zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, „Verschwindenlassen“ und Folter (USDOS 13.3.2019).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt (UNHCR 11.2015).

Bewegungsfreiheit innerhalb Syriens

Die Fortbewegung in der Stadt Damaskus hat sich Berichten zufolge seit Mai 2018 und der damaligen Wiedereroberung von oppositionellen Gebieten durch die Regierung verbessert, da z.B. seither weniger Checkpoints in der Stadt betrieben werden. Die Checkpoints werden von den unterschiedlichen Sicherheitsbehörden bemannt. Personen können beim Passieren von Checkpoints genaueren Kontrollen unterliegen, wenn sie aus oppositionell-kontrollierten Gebieten stammen oder dort wohnen, oder auch wenn sie Verbindungen zu oppositionellen Gruppierungen haben. Männer im wehrfähigen Alter werden auch hinsichtlich des Status ihres Wehrdienstes gesondert überprüft. Auch eine Namensgleichheit mit einer gesuchten Person kann zu Problemen an Checkpoints führen (DIS/DRC 2.2019). Die Behandlung von Personen an einem Checkpoint kann recht willkürlich sein. Die fehlende Rechtssicherheit und die in Syrien im Verlauf des Konfliktes generell gestiegene Willkür verursacht auch Probleme an Checkpoints (FIS 14.12.2018).

Rückkehr

Eine Reihe von Vierteln in Damaskus bleiben teilweise oder vollständig geschlossen, selbst für Zivilisten, die die Wohnviertel nur kurz aufsuchen wollen, um nach ihren ehemaligen Häusern zu sehen (SD 19.11.2018).

Die syrische Regierung führt Listen mit Namen von Personen, die als in irgendeiner Form regierungsfeindlich angesehen werden. Die Aufnahme in diese Listen kann aus sehr unterschiedlichen Gründen erfolgen und sogar vollkommen willkürlich sein. Zum Beispiel kann die Behandlung einer Person an einer Kontrollstelle wie einem Checkpoint von unterschiedlichen Faktoren abhängen, darunter die Willkür des Checkpoint-Personals oder praktische Probleme, wie die Namensgleichheit mit einer von der Regierung gesuchten Person. Personen, die als regierungsfeindlich angesehen werden, können unterschiedliche Konsequenzen von Regierungsseite, wie Festnahme und im Zuge dessen auch Folter, riskieren. Zu als oppositionell oder regierungsfeindlich angesehenen Personen gehören einigen Quellen zufolge unter anderem medizinisches Personal, insbesondere wenn die Person diese Tätigkeit in einem von der Regierung belagerten oppositionellen Gebiet ausgeführt hat, Aktivisten und Journalisten, die sich mit ihrer Arbeit gegen die Regierung engagieren und diese offen kritisieren, oder Informationen oder Fotos von Geschehnissen in Syrien wie Angriffe der Regierung verbreitet haben sowie allgemein Personen, die offene Kritik an der Regierung üben. Einer Quelle zufolge kann es sein, dass die Regierung eine Person, deren Vergehen als nicht so schwerwiegend gesehen wird, nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit festnimmt (FIS 14.12.2018).

Ein weiterer Faktor, der die Behandlung an einem Checkpoint beeinflussen kann, ist das Herkunftsgebiet oder der Wohnort einer Person. In einem Ort, der von der Opposition kontrolliert wird oder wurde, zu wohnen oder von dort zu stammen kann den Verdacht des Kontrollpersonals wecken (FIS 14.12.2018).

Es wird regelmäßig von Verhaftungen von und Anklagen gegen Rückkehrer gemäß der Anti-Terror-Gesetzgebung berichtet, wenn diesen Regimegegnerschaft unterstellt wird. Diese Berichte erscheinen laut deutschem Auswärtigem Amt glaubwürdig, können im Einzelfall aber nicht verifiziert werden (AA 13.11.2018).

Es muss davon ausgegangen werden, dass syrische Sicherheitsdienste in der Lage sind, exilpolitische Tätigkeiten auszuspähen und darüber zu berichten. Es gibt Berichte, dass syrische Sicherheitsdienste mit Drohungen gegenüber noch in Syrien lebenden Familienmitgliedern Druck auf in Deutschland lebende Verwandte ausüben (AA 13.11.2018). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017).

Es gibt Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegenüber Personen, die nach Syrien zurückgekehrt waren. Laut einem Anwalt, seien drei Männer weniger als drei Monate nach ihrer Rückkehr von Europa nach Syrien inhaftiert worden und sind im Gefängnis verstorben, laut Totenscheinen an Herzproblemen. Ein Rückkehrer berichtet, am Flughafen Damaskus festgenommen, in einmonatiger Haft unter Gewalt befragt, und danach zum Wehrdienst eingezogen worden zu sein. Weitere Rückkehrer berichteten, dass ihre Reisepässe konfisziert wurden, damit sie das Land nicht mehr verlassen können. Ein ehemaliges Mitglied der Opposition wurde trotz dessen „Versöhnung“ mit der syrischen Regierung nach mehreren Monaten zum ersten Mal und danach zwei weitere Male für insgesamt 18 Monate inhaftiert (IT 17.3.2018).

Laut UNHCR ist unter den in Syrien herrschenden Bedingungen eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde derzeit nicht möglich und UNHCR fördert oder unterstützt die Rückkehr von Flüchtlingen nach Syrien weiterhin nicht (UNHCR 18.3.2019).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt ad Spruchpunkt I.:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit und zum Religionsbekenntnis gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers. Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Die Feststellungen zu in Syrien aufhältigen Verwandten des Beschwerdeführers ergeben sich ebenfalls aus seinen glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Die Feststellung, dass sich Damaskus derzeit in der Hand des syrischen Regimes befindet, ergibt sich aus den zuvor angeführten Länderinformationen.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers basieren auf den seinen glaubhaften Angaben im Laufe des Verfahrens.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers fußt auf einem im Akt befindlichen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zur Einreise des Beschwerdeführers nach Syrien und zur dortigen Reisepassausstellung im Jahr 2017 sowie die abermalige Einreise des Beschwerdeführers nach Syrien, um seine kranke Mutter zu besuchen, ergeben sich aus der im angefochtenen Bescheid inhaltlich wiedergegebenen Meldung der BPD XXXX – Bundespolizeidirektion Flughafen XXXX vom XXXX .2018, wonach der Beschwerdeführer am XXXX 2018 einer behördlichen Kontrolle im Zuge seiner Ankunft unterzogen wurde und bei ihm neben einem bis XXXX .2023 gültigen Konventionspass mit iranischem Visum, aus dem sich ergibt, dass der Beschwerdeführer am XXXX 2018 mit einem Flug aus Athen kommend in XXXX eingereist ist, auch ein am XXXX .2017 im Damas-Center ausgestellter, bis XXXX .2019 gültiger syrischer Reisepass mit Stempelabrücken libanesischer und syrischer Grenzbehörden, sowie Bordkartenabschnitte von Flügen von Teheran nach Damaskus gefunden wurden.

Diese Angaben decken sich auch mit der im Akt befindlichen Kopie des am XXXX 2018 ausgestellten und bis XXXX .2023 gültigen Konventionspasses des Beschwerdeführers, in dem ein vom XXXX .2018 bis XXXX .2018 gültiges iranisches Visum sowie mehrere Ein- und Ausreisestempel griechischer Grenzbehörden aufscheinen.

Dabei wird nicht übersehen, dass es das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ohne jede Erklärung unterlassen hat, trotz Parteiengehör vom XXXX .2020 Kopien des syrischen Reisepasses des Beschwerdeführers samt Bordkartenabschnitten bzw. der Meldung der BPD XXXX vom XXXX .2018 vorzulegen. Die mangelnde Mitwirkung der belangten Behörde bei der Vervollständigung des Verwaltungsaktes wird kritisch angemerkt.

Allerdings kann nicht verkannt werde, dass der Beschwerdeführer selbst in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2019 die entsprechenden Angaben bestätigte. Hierbei gab er Folgendes zu Wort: „Ich gebe nun die Wahrheit an. Was soll ich sagen, sie haben alles. Sie haben die Kopien meines Reisepasses und die Stempel. Ich möchte mich entschuldigen, dass ich heute gelogen habe. Meine Mutter war krebskrank und ich bin nach Syrien gereist um meine Mutter zu besuchen. […] Ich habe ein bisschen Schmiergeld bezahlt um ein- und ausreisen zu können. […]“ (siehe Seite 4f des Einvernahmeprotokolls vom XXXX 2019).

Weiter wurde auch in der Beschwerde die zweimalige Rückkehr des Beschwerdeführers nach Syrien nach Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum Zweck des Besuchs seiner kranken Mutter ausdrücklich anerkannt. Vor diesem Hintergrund konnten die Feststellungen zur im Jahr 2017 erfolgten legalen Einreise nach Syrien und zur Reisepassausstellung sowie zur abermaligen Einreise nach Syrien Im Jahr 2018 erfolgen.

Dass die Ausstellung des Reisepasses in Syrien im Jahr 2017 freiwillig erfolgte, ergibt sich insbesondere aus den vom Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am XXXX 2019 gemachten Angaben. Zur Veranschaulichung wird auf folgende Passage aus der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hingewiesen, die die Freiwilligkeit des Antrages und der Ausstellung des syrischen Reisepasses zum Zwecks des Besuchs der kranken Mutter unterstreicht:

„F: […] In Ihrem Fall liegt aufgrund der freiwilligen Unterschutzstellung und tatsächlichen Gewährung staatlichen Schutzes Ihres Heimatlandes keine Notwendigkeit von staatlichem Schutz mehr vor. Wollen Sie dazu etwas angeben?

A: Es tut mir echt leid, ich habe nicht daran gedacht. Wollte meine Mutter besuchen und habe nicht an mich gedacht. Ich hatte eine sehr gute Beziehung zu meiner Mutter und wollte unbedingt zu ihr. […]“

Es liegen daher keine Hinweise dahingehend vor, dass die Ausstellung des Reisepasses für den Beschwerdeführer im Jahr 2017 nicht freiwillig erfolgte. Der Beschwerdeführer wurde weder gezwungen noch bedroht, um sich einen neuen Reisepass ausstellen zu lassen.

2.2. Zu den Feststellungen zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass sich Syrien nach wie vor im Bürgerkrieg befindet. Der im März 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen ist, die grundsätzlich alle Städte und Regionen betrifft.

Aus den angeführten Länderinformationen ergibt sich weiter, dass die Lage in ganz Syrien nach wie vor angespannt ist. Der Aufstand und der bewaffnete Konflikt in Syrien gehen mit massiver Repression, grassierender Korruption und einer Politisierung des Gerichtswesens durch die Regierung einher. Mittlerweile sind syrische Gerichte, ganz gleich ob Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit, korrupt, nicht unabhängig, und werden für politische Zwecke missbraucht. In keinem Teil Syriens gibt es Rechtssicherheit oder verlässlichen Schutz vor politischer Verfolgung, willkürlicher Verhaftung und Folter. Generell ist die Willkür in Syrien seit dem Ausbruch des Konfliktes gestiegen. Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet.

Zwar hat sich seit Mai 2018 die allgemeine Sicherheitslage in den von der Regierung kontrollierten Gebieten Syriens, darunter auch Damaskus, woher der Beschwerdeführer stammt und wo auch seine Familie lebt, deutlich verbessert, jedoch gibt es immer noch Berichte von Beschuss, bewaffneten Zusammenstößen, Entführungen sowie Explosionen von Kampfmittelresten. Im Januar 2019 kam es zu zwei Bombenanschlägen in Damaskus Stadt. Außerdem soll es etwa ein bis zweimal im Monat zu Angriffen der israelischen Luftwaffe auf Ziele in der Provinz Damaskus kommen.

Außerdem deutet die Berichtslage zur Situation von Rückkehrern nach Syrien auf ein großes Maß an Willkür in der Behandlung durch das Regime hin.

Wenngleich es dem Beschwerdeführer möglich war zweimal für kurze Zeit unbehelligt nach Syrien ein- bzw. wieder auszureisen, darf nicht übersehen werden, dass die syrischen Behörden eben grundsätzlich äußerst willkürlich handeln. Es gibt Berichte von Personen, die am Flughafen Damaskus festgenommen, in einmonatiger Haft unter Gewalt befragt, und danach zum Wehrdienst eingezogen worden sind. Weitere Rückkehrer berichteten, dass ihre Reisepässe konfisziert wurden, damit sie das Land nicht mehr verlassen können. Laut UNHCR ist unter den in Syrien herrschenden Bedingungen eine freiwillige Rückkehr in Sicherheit und Würde derzeit nicht möglich

Die Sicherheitslage in Syrien im Allgemeinen und Damaskus im Besonderen kann daher in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht als mittel- oder gar längerfristig ausreichend stabil bezeichnet werden.

2.3. Die Feststellungen zu 1.3. fußen auf dem Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 13.05.2019, das bereits die Grundlage für den angefochtenen Bescheid war, und beruhen auf den folgenden Detailquellen:

-        AA – Deutsches Auswärtiges Amt (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 10.12.2018

-        AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/2018 – The State of the Wolrd’s Human Rights – Syria, https://www.ecoi.net/en/document/1425112.html, Zugriff 12.12.2018

-        AJ - Al Jazeera (5.2.2019): Iran warns Israel of ‚firm‘ response to air raids in Syria, https://www.aljazeera.com/news/2019/02/iran-warns-israel-firm-response-air-strikes-syria-190205133522150.html, Zugriff 13.3.2019

-        BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jord anien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf , Zugriff 13.12.2018

-        BS – Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report – Syria, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427445/488327_en.pdf, Zugriff 20.2.2019

-        CIA - Central Intelligence Agency (3.4.2019): The World Factbook: Syria - Military and Security, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 6.4.2019

-        CRS - Congressional Research Service (2.1.2019): Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, https://fas.org/sgp/crs/mideast/RL33487.pdf, Zugriff 7.3.2019

-        DIS/DRC – Danish Immigration Service / Danish Refugee Council (2.2019): Security Situation in Damascus Province and Issues Regarding Return to Syria, https://nyidanmark.dk/-/media/Files/US/Landerapporter/Syrien_FFM_rapport_2019_Final_31012019.pdf?la=da&hash=A4D0089B4FB64FC6E812AF6240757FC0097849AC, Zugriff 27.2.2019

-        DP - Die Presse (1.4.2018): Ost-Ghouta: Rebellen und Russen einigen sich über Abzug der Zivilisten, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5398698/OstGhouta_Rebellen-und-Russen-einigen-sich-ueber-Abzug-der-Zivilisten, Zugriff 7.3.2019

-        DRC/DIS - Danish Refugee Council/ The Danish Immigration Service (8.2017): Syria, Recruitment Practices in Government-controlled Areas and in Areas under Opposition Control, Involvement of Public Servants and Civilians in the Armed Conflict and Issues Related to Exiting Syria, https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/7AF66D4A-5407-4B98-9750-7B16318EF188/0/SyrienFFMrapportaugust2017.pdf, Zugriff 1.2.2019

-        DS - Der Standard (21.1.2019): Israels fliegende Warnung an den Iran, https://derstandard.at/2000096712048/Israel-gab-Luftangriffe-auf-iranische-Ziele-in-Syrien-bekannt, Zugriff 13.3.2019

-        DSO – Der Spiegel Online (21.5.2018): IS-Terroristen offenbar aus Großraum Damaskus abgezogen, http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-letzte-is-terroristen-offenbar-aus-grossraum-damaskus-abgezogen-a-1208822.html, Zugriff 7.3.2019

-        FIS – Finnish Immigration Service (14.12.2018): Syria: Fact-Finding Mission to Beirut and Damascus, April 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Syria_Fact-finding+mission+to+Beirut+and+Damascus%2C+April+2018.pdf, Zugriff 1.2.2019

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-        ISW – Institute for the Study of War (1.6.2018): Syria Situation Report: May 2-29, 2018, http://iswresearch.blogspot.com/2018/06/syria-situation-report-may-2-29-2018.html, Zugriff 7.3.2019

-        IT – Irish Times (17.3.2018): Arrests and torture of Syrian refugees returning home reported, https://www.irishtimes.com/news/world/middle-east/arrests-and-torture-of-syrian-refugees-returning-home-reported-1.3429762, Zugriff 19.3.2019

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-        Landinfo (3.1.2018): Syria: Reactions against deserters and draft evaders, https://www.ecoi.net/en/file/local/1441219/1226_1534943446_landinfo-report-syria-reactions-against-deserters-and-draft-evaders.pdf, Zugriff 20.2.2019

-        MPG – Max-Planck-Gesellschaft (2018): Familienrecht im Nahen Osten – Zum gegenwärtigen Stand der Rechtsordnung und des Familienrechts in Syrien [Stand Herbst 2018], https://www.familienrecht-in-nahost.de/11318/Syrien-Rechtslage, Zugriff 22.2.2019

-        MRG – Minority Rights Group International (5.2018): Syria – Current Issues, https://minorityrights.org/country/syria/, Zugriff 20.2.2019

-        PAR - Webseite des Parlaments der Arabischen Republik Syrien (15.11.2017): / ???????? ??? / 35/???? 2017 ?????? ?????? ????? ???? ????? ?????? ???????? ???????? ??? / 30 / ???? / 2007/http://parliament.gov.sy/arabic/index.php?node=201&nid=18681&RID=-1&Last=10262&First=0&CurrentPage=0&Vld=-1&Mode=&Service=-1&Loc1=&Key1=&SDate=&EDate=&Year=&Country=&Num=&Dep=-1&, Zugriff 7.12.2017

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-        SD - Syria Direct (30.7.2018): Auskunft, Interview von 2 Mitarbeitern von Syria Direct via Skype

-        SD - Syria Direct (19.11.2018): A new Syria’: Law 10 reconstruction projects to commence in Damascus, backed by arsenal of demolition, expropriation legislation, https://syriadirect.org/news/%E2%80%98a-new-syria%E2%80%99- law-10-reconstruction- projects-to-commence-in-damascus-backed-by-arsenal-of-demolition-expropriation-legislation/, Zugriff 7.3.2019

-        SHRC - Syrian Human Rights Committee (24.1.2019): The 17th Annual Report on Human Rights in Syria 2018, http://www.shrc.org/en/wp-content/uploads/2019/01/English_Web.pdf, Zugriff 31.1.2019

-        SLJ - Syrian Law Journal [Twitter] (10.11.2017): Kurznachricht vom 10.11.2017 08:37, https://twitter.com/syrian_law/status/929025146429624320, Zugriff 15.1.2019

-        TIMEP – The Tahrir Institute for Middle East Policy (6.12.2018): TIMEP Brief: Legislative Decree No. 18: Military Service Amnesty, https://timep.org/wp-content/uploads/2018/12/LegislativeDecree18SyriaLawBrief2018-FINAL12-6-18a.pdf, Zugriff 19.2.2019

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-        TWP – The Washington Post (23.12.2018): Syria’s once teeming prison cells being emptied by mass murder, https://www.washingtonpost.com/graphics/2018/world/syria-bodies/?noredirect=on&utm_term=.6a8815bb3721, Zugriff 14.2.2019

-        UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (11.2015): International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic Update IV, http://www.refworld.org/pdfid/5641ef894.pdf, Zugriff 27.3.2019

-        UNHRC – United Nations Human Rights Council (31.1.2019): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic [A/HRC/40/70], https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A_HRC_40_70.pdf, Zugriff 11.3.2019

-        UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees (18.3.2019): Auskunft, per E-Mail

-        USDOS – United States Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 – Syria, h t tps://www.ecoi.net/en/document/2004226.htm l , Zugriff 19.3.2019

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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