TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/25 95/01/0122

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin OKoär. Mag. Unterer, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1995, Zl. 4.346.105/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist im Februar 1993 in das Bundesgebiet eingereist. In seinem schriftlichen Asylantrag vom 14. Februar 1995 brachte er vor, er sei bosnischer Staatsangehöriger und der serbischen Volksgruppe zugehörig. Er sei mit einer slowenischen Staatsbürgerin verheiratet, die kroatischer Abstammung sei. Aufgrund dieses Umstandes, seiner politischen Gesinnung und aus Gewissensgründen lehne er es ab, im Krieg in Bosnien gegen Menschen vorzugehen, die zuvor seine Nachbarn gewesen oder sogar mit ihm verwandt seien. Derzeit würden alle wehrfähigen Männer serbisch-bosnischer Herkunft sowohl in Bosnien als auch in "Restjugoslawien" unverzüglich zum Militärdienst eingezogen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat würde er aufgrund seiner Ablehnung des Waffendienstes "härtester Verfolgung bis hin zur physischen Ausmerzung" ausgesetzt sein.

Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 13. März 1995 ergänzte er dazu, daß sein Vater bereits zweimal für ihn einen Einberufungsbefehl habe zugestellt bekommen. Es sei ihm bekannt, daß "Exiljugoslawen" bei einer Abschiebung in die "jugoslawische Föderation" in die Armee rekrutiert und als erste bei etwaigen Bürgerkriegshandlungen an die Front geschickt würden. "Eigentlich" müßte er jedoch in der bosnisch-serbischen Miliz kämpfen. Dort würde er deshalb an vorderster Front eingesetzt werden, weil sein Heimatdorf im serbisch kontrollierten Teil von Bosnien-Herzegowina nur 2 km von der Front entfernt liege.

Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 13. März 1995 den Asylantrag ab und begründete dies damit, daß einerseits die Furcht vor der Einberufung zum Militärdienst für eine Bürgerkriegspartei nicht asylrelevant sei und andererseits der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in der Schweiz vor Verfolgung sicher gewesen sei.

In der dagegen gerichteten Berufung wiederholte der Beschwerdeführer zur Frage seiner Flüchtlingseigenschaft im wesentlichen das bereits in erster Instanz erstattete Vorbringen.

Mit dem Bescheid vom 5. April 1995 hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Zur Begründung führte sie dazu im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, tatsächlich bosnischer Staatsangehöriger zu sein. Durch die Aufteilung der "ehemaligen SFRJ" in neue Völkerrechtsubjekte seien auch neue Staatszugehörigkeiten entstanden. Es sei nicht ausreichend, daß eine Person behaupte, nunmehr eine bestimmte Staatsangehörigkeit zu besitzen, sondern diese müsse durch einen rechtsstaatlichen Akt verliehen werden, wobei die Staatsbürgerschaftsgesetze der einzelnen "Sezessionsstaaten" sehr wohl auch auf den Wohnsitz zu einem bestimmten Stichtag abstellten. Der Beschwerdeführer sei nach seinen eigenen Angaben seit 1976 in Slowenien und seit 1987 in der Schweiz wohnhaft gewesen. Er habe nicht dargelegt, wie er zu dem Schluß komme, bosnischer Staatsangehöriger zu sein. Er habe einen Reisepaß dieses Staates nicht vorlegen können. Mangels Glaubhaftmachung der bosnischen Staatsangehörigkeit sei es dem Beschwerdeführer auch nicht möglich, glaubhaft darzutun, im Falle der Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina einer Verfolgung ausgesetzt zu sein. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, wegen seiner politischen Gesinnung den Krieg abzulehnen und deshalb Verfolgung zu befürchten, er sei jedoch nicht in der Lage gewesen, diese Gesinnung näher zu determinieren. Zur Glaubhaftmachung des Vorbringens im Asylverfahren gehöre auch, daß der Asylwerber bemüht sei, sein Vorbringen umfassend darzulegen und "sich nicht nur in kryptischen Behauptungen zu ergehen". Den Asylausschließungsgrund der "Verfolgungssicherheit" zog die belangte Behörde nicht mehr heran.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer hat sowohl in seinem schriftlichen Asylantrag als auch bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und in der Berufung ausgeführt, bosnischer Staatsangehöriger zu sein. Auch im erstinstanzlichen Bescheid wird der Beschwerdeführer als "bosnischer Staatsangehöriger" bezeichnet.

Soweit die belangte Behörde davon abweichend die Ansicht vertrat, der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, bosnischer Staatsangehöriger zu sein, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat und der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren nach der Aktenlage weder aufgefordert wurde, seine Staatsangehörigkeit nachzuweisen, noch gefragt wurde, aus welchen Umständen er seine Ansicht, bosnischer Staatsangehöriger zu sein, ableite. Das Verfahren blieb daher in diesem Punkt mangelhaft. Am Vorliegen dieses Mangels ändert auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, er gehe davon aus, nicht Angehöriger des "derzeitigen Staates Bosnien-Herzegowina" zu sein. Er sei Angehöriger der serbischen Volksgruppe und auf dem Gebiet der früheren jugoslawischen Republik Bosnien-Herzegowina geboren. Sein Heimatdorf liege im nunmehr serbisch kontrollierten Teil von Bosnien-Herzegowina. Staatsangehöriger des "nunmehrigen Völkerrechtsubjekts Bosnien-Herzegowina, dessen Staatsgebiet sich nur auf einen Teil der vormaligen Republik Bosnien-Herzegowina beschränkt", sei er nicht. Aus diesem Vorbringen geht nämlich hervor, daß der Beschwerdeführer lediglich zum Ausdruck bringen wollte, er stamme aus dem (im hier relevanten Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) von der serbischen Volksgruppe kontrollierten Teil von Bosnien-Herzegowina, und hiezu die - allenfalls unrichtige - Ansicht vertrat, dies schließe seine bosnische Staatsangehörigkeit aus. Diese Auslegung ergibt sich auch daraus, daß die Beschwerde an anderer Stelle vorbringt, der Beschwerdeführer sei als "bosnischer Serbe" zum Kriegseinsatz in Bosnien-Herzegowina gegen Moslems und Kroaten gezwungen.

Dieser Verfahrensmangel führt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil der Beschwerde auch bei Zugrundelegung der bosnischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers keine Berechtigung zukommt. Zu seiner Verfolgung in Bosnien-Herzegowina hat der Beschwerdeführer vorgebracht, als Bewohner eines frontnahen Dorfes im dortigen Bürgerkrieg an vorderster Front kämpfen zu müssen. Die vom Beschwerdeführer behauptete Furcht stützt sich somit auf Auswirkungen der Bürgerkriegssituation in Bosnien-Herzegowina, von der naturgemäß Bewohner frontnaher Gebiete besonders stark betroffen sind. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt jedoch weder die Einberufung und die Ableistung des Militärdienstes in einer Bürgerkriegssituation (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377, Slg. Nr. 14089/A, und die dort zitierte Judikatur) noch der Bürgerkrieg als solcher (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0435, mwN) eine Verfolgungsgefahr im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 dar.

Dem Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine Verfolgung in der "Jugoslawischen Föderation" kommt schon deshalb keine Asylrelevanz zu, weil es sich bei diesem Staat nicht um die Heimat des Beschwerdeführers handelt.

Die sich daher als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010122.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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