TE Vwgh Erkenntnis 1996/12/17 95/01/0435

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Veröffentlicht am 17.12.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. August 1995, Zl. 4.343.766/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Liberias und reiste am 19. November 1993 in das Bundesgebiet ein. Am 3. Dezember 1993 stellte er einen schriftlichen Asylantrag, den er damit begründete, er gehöre zum Stamm der Gbanga, spräche diese Sprache sowie englisch. Nach dem Tod seiner Eltern, die bei einem Unfall ums Leben gekommen seien, als er drei Jahre alt gewesen sei, seien seine beiden Brüder und er von der Großmutter aufgezogen worden. Nach deren Tod habe er die Schule abbrechen und Elektriker lernen müssen. Als die politischen Probleme in seinem Land größer geworden seien, sei es zu Massentötungen gekommen. Er sei in keiner Weise an politischen Aktivitäten beteiligt gewesen. Seine Brüder und er seien jedoch von den Truppen des Charles Taylor am 21. Juni 1992 gefangen genommen und gezwungen worden, gegen die Truppen des Prince Johnson zu kämpfen. Um dem zu entsprechen, seien sie beim Militärtraining gefoltert, mit Stöcken und harten Stiefeln geschlagen und getreten worden. Er könne auch jetzt nicht mehr sitzen und leide an einer Wirbelsäulenverletzung. Beide Brüder seien am 18. Oktober 1998 (?) getötet worden. Als der Krieg immer ärger geworden sei, sei es ihm selbst und weiteren sechs seiner Landsleute gelungen, bei einem Patrouillengang an der Grenze von Sierra Leone nach dort zu entkommen. Im März (offensichtlich 1993) seien die Truppen des Charles Taylor jedoch auch nach Sierra Leone gekommen, um nach Geflüchteten zu suchen. Um nicht getötet zu werden, habe er daher nach Europa weiterflüchten müssen. Per Schiff sei er nach Europa gereist und habe nach Deutschland gewollt, sei jedoch an der Grenze zurückgewiesen und der BH Schärding überstellt worden. Im übrigen begründete er die Unzulässigkeit seiner Abschiebung mit der ihm in seinem Heimatland drohenden Todesstrafe, Folter und unmenschlicher Behandlung und bezog sich dabei auf Zitate aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Magdeburg sowie auf Amnesty International-Berichte 1991 und 1992, die er in Kopie anfügte.

Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt am 6. Dezember 1993 führte er zu seinen Fluchtgründen lediglich aus, im Juni 1992 von den Truppen des Charles Taylor entführt und von diesen zum Infanteriesoldaten ausgebildet worden zu sein. Er habe gegen die Truppen von Prince Johnson kämpfen sollen, da in Liberia Bürgerkrieg herrsche. Im Oktober 1992 sei er zur Aufklärung mit sieben anderen Personen an die Grenze zu Sierra Leone geschickt worden, von wo er dann nach Sierra Leone geflüchtet sei. Müsse er nach Liberia zurückkehren, würde er von den Truppen des Charles Taylor vermutlich getötet werden, da er aus der Truppe geflohen sei. Im übrigen wolle er in keiner Weise gegen andere Personen mit Gewalt vorgehen. In Bulgarien und Ungarn (den Ländern seiner Durchreise) habe er nicht um Schutz vor Verfolgung angesucht, da er nicht gewußt habe, daß er sich an die jeweiligen Behörden hätte wenden können. Eine Verfolgung durch die jeweiligen Behörden (gemeint offensichtlich: dieser Drittstaaten) habe er nicht erlitten.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom selben Tag (6. Dezember 1993) wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers im wesentlichen infolge Verneinung seiner Flüchtlingseigenschaft und infolge Annahme der Verfolgungssicherheit in den Ländern seiner Durchreise (Bulgarien und Ungarn) abgewiesen.

In der dagegen gerichteten Berufung wiederholte der Beschwerdeführer - streckenweise wörtlich - seine Ausführungen zur Begründung seines Asylantrages und ergänzte, entgegen der Beurteilung der Erstbehörde stehe die ihm drohende Verfolgung unmittelbar im Zusammenhang mit politischen Umständen. Es sei zu bedenken, daß in Liberia Bürgerkrieg herrsche und die politischen Machtverhältnisse unklar seien. Der Annahme der Erstbehörde, es sei vom Beschwerdeführer keine vom Staat ausgehende Verfolgung behauptet worden, hielt der Beschwerdeführer in der Berufung lediglich entgegen, "ein Ausländer dürfe in ein Land nicht ABGESCHOBEN werden, in dem wegen der Natur des Regimes und einer besonderen dortigen Situation fundamentale Menschenrechte entweder kraß verletzt oder ganz unterdrückt" würden, und wiederholte im übrigen die bereits im schriftlichen Asylantrag enthaltenen Urkundenzitate.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. Dezember 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers lediglich auf Grund der Annahme der Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 in den Staaten seiner Durchreise abgewiesen.

Mit hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/19/0914, wurde auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der bekämpfte Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94), aufgehoben, sodaß das Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurde.

Mit Bescheid vom 11. August 1995 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie übernahm dabei sowohl die Sachverhaltsdarstellung als auch die rechtliche Beurteilung der Behörde erster Instanz und ergänzte zur Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers lediglich in Beantwortung der in der Berufung enthaltenen Argumentation, die den Beschwerdeführer widerfahrenen Ereignisse bildeten ein geradezu typisches Bürgerkriegsrisiko, welchem die gesamte (zumindest männliche) Bevölkerung in der Heimat des Beschwerdeführers in gleicher Weise ausgesetzt sei. Zwar habe jeder Bürgerkrieg politische Hintergründe, doch sei damit die Flüchtlingseigenschaft der von den Auswirkungen des Krieges betroffenen Bevölkerung noch nicht zu begründen, da nur derjenige im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 Flüchtling sei, der auf Grund SEINER politischen Gesinnung Verfolgung zu befürchten habe. Ein bloß mehr oder weniger enger Zusammenhang mit nicht näher bezeichneten politischen Umständen reiche hiefür nicht aus, der Beschwerdeführer habe auch eine konkrete Verfolgung seiner Person auf Grund seiner politischen Gesinnung nicht behauptet. Im übrigen nahm auch die belangte Behörde den Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 als gegeben an, da auch hinsichtlich nicht europäischer Asylwerber durch den UNHCR und die zuständigen ungarischen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden sei, der zufolge faktisch lückenloser Abschiebungsschutz gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 AsylG 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat des Asylwerbers. Zutreffend ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Furcht in seinem Heimatland sich lediglich auf die Bürgerkriegssituation stützt. In dem Umstand, daß im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt aber für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verfolgungsgefahr im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (vgl. auch hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982, und vom 26. März 1996, Zl. 95/19/0026). Die belangte Behörde hat auch zutreffend erkannt, daß der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, daß er konkrete Verfolgung von seiten staatlicher Behörden oder diesen zurechenbar auf Grund einer ihm persönlich unterstellten politischen Gesinnung zu befürchten gehabt hätte.

Verweist der Beschwerdeführer sowohl in seiner Berufung als auch in seiner Beschwerde auf die Unzulässigkeit einer Ab- bzw. Rückschiebung, so verkennt er das Wesen des Asylrechtes. Inwieweit er von einem Ab- bzw. Rückschiebeverbot betroffen wäre, ist im entsprechenden fremdengesetzlichen Verfahren zu prüfen.

Bereits aus diesem Grunde erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch, auf den weiteren, von der Behörde herangezogenen Abweisungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 und die dagegen erstatteten Beschwerdeausführungen einzugehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995010435.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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