TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/30 I404 1432591-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.2020
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Entscheidungsdatum

30.09.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §117
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs4 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z8
FPG §55 Abs2
NAG §11
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I404 1432591-2/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, vertreten durch RA Mag. Alexander FUCHS, Lüfteneggerstrasse 4, 4020 Linz, gegen Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX vom 05.01.2018, Zl. XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 07.03.2018, Zl. XXXX , und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.09.2020 zu Recht erkannt:

A)

I.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.

II.      Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. insofern stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wird.

III.    Gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der am 26.10.1980 geborene Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste laut eigenen Angaben am 25.02.2012 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein.

2.       Er stellte am 27.02.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.11.2014 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden wurde. Gleichzeitig wurde das Verfahren gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) zurückverwiesen.

3.       Der Beschwerdeführer heiratete am XXXX 2013 eine zu diesem Zeitpunkt in Österreich lebende ungarische Staatsangehörige. Aus diesem Grund stellte ihm der Magistrat XXXX am 12.02.2013 eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers aus.

4.       Am 28.01.2015 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde statt.

5.       Die Ehe des Beschwerdeführers zu der ungarischen Staatsangehörigen wurde am XXXX 2015 geschieden. Aufgrund eines Zweckänderungsantrages vom 02.09.2015 erteilte ihm der Magistrat XXXX am 02.09.2015 einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot – Karte plus, der insgesamt zwei Mal verlängert wurde, zuletzt bis zum 04.09.2018. Über einen weiteren Verlängerungsantrag vom 17.08.2018 wurde bislang noch keine rechtskräftige Entscheidung getroffen.

6.       Am 14.12.2017 wurde der Beschwerdeführer neuerlich durch das BFA niederschriftlich einvernommen.

7.       Mit E-Mail vom 05.01.2018 informierte das BFA die zuständige NAG- Behörde, dass der Verdacht des Eingehens einer Aufenthaltsehe nach § 117 FPG und damit ein Erteilungshindernis nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG vorliege. Darüberhinaus hätte ein Aufenthaltstitel auch gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht erteilt werden dürfen, weil der Beschwerdeführer laut Auskunft beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger über mehrere Monate vom Sozialsystem der Republik Österreich gelebt habe.

8.       Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 05.01.2018, Zl. XXXX , erteilte das BFA dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I., erster Spruchteil), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG (Spruchpunkt I., zweiter Spruchteil) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Ägypten gemäß § 46 FPG fest (Spruchpunkt I., dritter Spruchteil). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA- BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

9.       Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel der Beschwerde. Zusammengefasst machte er geltend, dass es sich bei seiner Ehe um keine Scheinehe gehandelt habe und beantragte zum Beweis die Einvernahme zweier näher bezeichneter Personen als Zeugen (A.A. und S.S.). Darüber hinaus sei er seit nunmehr sechs Jahren in Österreich aufhältig, aufrecht sozialversichert und seit 19.07.2017 durchgehend in aufrechten Beschäftigungsverhältnissen stehend. Sein gesamtes soziales Umfeld und sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Österreich. Daher sei die angefochtene Entscheidung rechtswidrig.

10.      Am 27.02.2018 fand eine niederschriftliche Einvernahme des vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen A.A. durch das BFA statt. Der Zeuge S.S. kam einer Ladung der belangten Behörde nicht nach. Mit Schreiben vom 27.02.2018 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Einvernahmeprotokoll und räumte dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme binnen einer Woche ein. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer fristgerecht nach.

11.      Mit Beschwerdevorentscheidung vom 07.03.2018, Zl. XXXX , erteilte das BFA dem Beschwerdeführer wiederum keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I., erster Spruchteil), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG (Spruchpunkt I., zweiter Spruchteil) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Ägypten gemäß § 46 FPG fest (Spruchpunkt I., dritter Spruchteil). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA- BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

12.      Der Beschwerdeführer stellte am 15.03.2018 durch seine Rechtsvertretung einen Vorlageantrag. Er wiederholte im Wesentlichen seine Beschwerdeausführungen und beantragte neuerlich die zeugenschaftliche Einvernahme des S.S. zum Beweis, dass es sich bei seiner damaligen Ehe nicht um eine Scheinehe gehandelt habe. Mit weiterem Schreiben vom 20.03.2018 beantragte er zusätzlich die Einvernahme des I.E. als Zeugen.

13.      Mit Teilerkenntnis vom 12.04.2018, Zl. I412 1432591-2/3E, wurde der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.

14.      Am 04.08.2020 stellte die Staatsanwaltschaft XXXX ein gegen den Beschwerdeführer im März 2018 eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Eingehen einer Scheinehe nach § 117 FPG gemäß § 190 Z 1 StPO ein.

15.      Auf Grund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung I404 am 03.08.2020 neu zugewiesen.

16.      Am 28.09.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Im Rahmen der Verhandlung wurden der Beschwerdeführer sowie der Zeuge M.E. einvernommen. Die im Vorlageantrag beantragte Einvernahme S.S. musste unterbleiben, weil dieser im August 2018 verstorben ist. Der als Zeuge geladene I.E. erschien nicht zur Verhandlung. Es wurde im Rahmen der Verhandlung kein Antrag auf Vertagung der Verhandlung zur Einvernahme des Zeugen I.E. gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ägyptens. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer hält sich seit spätestens Februar 2012 durchgehend in Österreich auf. Seit seiner Ankunft in Österreich ist er lückenlos behördlich gemeldet.

Ein von ihm am 27.02.2012 gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des damaligen Bundesasylamtes vom 21.01.2013, Zl. XXXX , abgewiesen. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.11.2014 wurde dies in zweiter Instanz rechtskräftig bestätigt. Gleichzeitig wurde das Verfahren gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 20 AsylG zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Am XXXX 2013 heiratete der Beschwerdeführer vor dem Standesamt XXXX (Ungarn) die zum damaligen Zeitpunkt in Österreich lebende ungarische Staatsangehörige XXXX , auch: XXXX (in der Folge als XXXX T bezeichnet).

Der Beschwerdeführer und Frau XXXX T haben zu keinem Zeitpunkt ein tatsächliches Ehe- und Familienleben geführt.

Unter Berufung auf die Ehe mit Frau XXXX T beantragte der Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte und wurde ihm vom Magistrat XXXX am 12.02.2013 eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers mit fünfjähriger Gültigkeitsdauer ausgestellt.

Am XXXX 2015 wurde ihre Ehe in Ungarn geschieden.

Am 02.09.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Zweckänderungsantrag und gab als Grund die Scheidung an. Ihm wurde am selben Tag ein Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot- Karte plus erteilt, der insgesamt zwei Mal verlängert wurde, und zwar zuletzt am 04.09.2017 mit Gültigkeit bis zum 04.09.2018. Das Verfahren über einen weiteren Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 17.08.2018 wurde vom Magistrat XXXX gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das gegenständliche Verfahren ausgesetzt.

Der Umstand, dass es sich bei der Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX T um eine Aufenthaltsehe handelt, war dem Magistrat XXXX bis zumindest 05.01.2018 nicht bekannt.

Der Beschwerdeführer ist jung, gesund und arbeitsfähig. Er hat in Ägypten Grund- und Hauptschule, sowie eine Berufsschule besucht und anschließend in einer Hühnerfarm gearbeitet.

Seine Ehefrau und drei gemeinsame minderjährige Kinder leben in Ägypten. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie regelmäßig in telefonischem Kontakt. Außerdem halten sich in Ägypten noch ein Bruder, sowie zahlreiche Onkel und Tanten des Beschwerdeführers auf. Der Beschwerdeführer ist auch bis zumindest 2017 regelmäßig nach Ägypten zurückgekehrt und hat sich dort zwischen einer Woche und einem Monat aufgehalten.

In Österreich lebt eine Schwester des Beschwerdeführers mit ihrem Ehemann und deren Kindern. Ansonsten verfügt er über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich, es leben keine weiteren Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers im Bundesgebiet oder der europäischen Union. Seit ca. einem Jahr hat der Beschwerdeführer wieder Kontakt mit seiner Schwester und nimmt auch an Familienfeiern teil. Es besteht kein gemeinsamer Wohnsitz und keine gegenseitigen Abhängigkeiten.

Der Beschwerdeführer war in Österreich beginnend mit 2013 bei insgesamt zehn verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt. Die Zeiten seiner der Vollversicherungspflicht unterliegenden Erwerbstätigkeit betragen zusammengezählt rund vier Jahre. Zuletzt ging er von 24.07.2017 bis 02.11.2018 und am 17.12.2018 einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung als Arbeiter nach. Seit dem 03.11.2018 bezieht er beinahe durchgehend Arbeitslosengeld oder Notstands- bzw. Überbrückungshilfe. In diesem Zeitraum war er fallweise als geringfügig beschäftigter Arbeiter tätig. Er verfügt über eine Einstellungszusage einer Personalleasing-Firma vom 02.09.2020, wonach er bei guter Auftragslage wieder als Arbeiter in Vollzeitbeschäftigung aufgenommen wird.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet Freundschaften und Bekanntschaften geschlossen. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden. Er spricht in Relation zu seiner Aufenthaltsdauer nur wenig Deutsch, sodass bei der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf einen Dolmetscher zurückgegriffen werden musste. Er hat in Österreich keine Deutschkurse besucht und bislang keine Prüfung über seine Sprachkenntnisse abgelegt. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen integrationsbegründenden Organisation.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Sicherheitslage

Die terroristische Bedrohung ist auf ägyptischem Gebiet chronisch (FD 1.7.2019b). Es besteht landesweit weiterhin ein erhöhtes Risiko terroristischer Anschläge. Diese richten sich meist gegen ägyptische Sicherheitsbehörden, vereinzelt aber auch gegen ausländische Ziele und Staatsbürger (AA 1.7.2019; vgl. FD 1.7.2019a).

Das Risiko besteht auch bei politischen Kundgebungen, Demonstrationen und religiösen Veranstaltungen in Ballungsräumen. Insbesondere bei christlich-orthodoxen Feiertagen ist in der Umgebung von christlichen Einrichtungen erhöhte Vorsicht geboten (BMEIA 1.7.2019). Nach der Zündung eines Sprengkörpers am 19.5.2019 in Gizeh wird empfohlen wachsam zu sein und stark frequentierte Bereiche zu meiden (FD 1.7.2019a). In den letzten Jahren wurden mehrere Terroranschläge verübt. Nach einer Reihe von Anschlägen wurde im April 2017 für drei Monate der landesweite Ausnahmezustand ausgerufen. Dieser wird seitdem regelmäßig alle drei Monate verlängert (AA 1.7.2019; AI 26.2.2019; vgl. FD 1.7.2019). Die Maßnahme geht mit erhöhten Eingriffsbefugnissen für Sicherheitskräfte und Militär einher. Es kommt vor allem nachts zu verstärkten Kontrollen durch Sicherheitskräfte (AA 1.7.2019). Zu Demonstrationen kommt es seit der Wahl von Staatspräsident Al-Sisi im Mai 2014 kaum noch (AA 1.7.2019).

Es kam auch zu einem erneuten religiös motivierten Angriff, auf einen koptischen Pilgerbus in Minya, bei dem 29 Menschen getötet wurden (FD 1.7.2019). Seit 2016 ist es wiederholt zu Anschlägen auf koptische Christen und koptische Kirchen gekommen. Dabei gab es zahlreiche Tote und Verletzte (AA 1.7.2019). Am 28.12.2018 wurden bei der Aktivierung eines Sprengsatzes in der Nähe der Pyramiden von Gizeh vier Menschen getötet. Am 15.2.2019 versuchten die Sicherheitskräfte, drei in Kairo gefundene Sprengsätze zu entschärfen, von denen einer explodierte. Am 18.2.2019 tötete eine Person mit einem Sprengstoffgürtel drei Menschen (FD 1.7.2019b).

Vor Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet wird gewarnt (AA 1.7.2019). Am 9.2.2019 begann die ägyptische Armee ihre umfassende Operation „Sinai 2018" gegen militante Islamisten auf der Sinai Halbinsel (AA 24.6.2019a; AI 26.2.2019). Es kam zu Angriffen auf Touristen am Strand und in Hotels. Ein besonders schwerer terroristischer Anschlag nach dem Freitagsgebet in einer Moschee im November 2017 im Dorf Bir el Abed im Nord-Sinai forderte mehr als 300 Menschenleben (AA 1.7.2019; vgl. AA 24.6.2019a; FD 1.7.2019b) und zahlreiche weitere verletzt (AA 1.7.2019). Bereits im August 2013 wurde im Gouvernorat Nordsinai der Ausnahmezustand verhängt und seitdem immer wieder verlängert. Es gilt auch eine nächtliche Ausgangssperre (AA 1.7.2019). Bereits Im April 2017 wurden in Folge von Anschlägen auf zwei Kirchen in Alexandria und Tanta 45 Menschen getötet und über 100 verletzt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat" hat sich zu den Anschlägen bekannt. Staatspräsident Al-Sisi verhängte einen Tag später den Ausnahmezustand, der seitdem alle drei Monate verlängert wurde. Die Politik der Härte und des permanenten Ausnahmezustands hat die Terrorgefahr jedoch nicht beseitigen können (AA 24.6.2019a). Das Österreichische Außenministerium ruft für den Nordsinai ein partielles Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 5) aus wie auch für die Saharagebiete an den Grenzen zu Libyen (einschließlich Mittelmeergebiet) und zum Sudan (BMEIA 1.7.2019). Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) besteht in den restlichen Gebieten der Sinai-Halbinsel, inklusive der Ostküste im Bereich von Nuweiba bis Taba sowie auch für das Innere des Südsinai (BMEIA 1.7.2019). Es kommt auch weiterhin zu terroristischen Anschlägen, zuletzt am 2.11.2018 in der ägyptischen Provinz Minya, wo sieben koptische Pilger starben, und am 28.12.2018 sowie am 19.5.2019 in der Nähe der Pyramiden von Gizeh, wo ausländische Touristen zu Tode kamen oder verletzt wurden (AA 24.6.2019a). Am 24.6.2019 kam es auf dem Sinai zu einem Gefecht zwischen der Armee und Kämpfern des Islamischen Staates (IS). Laut Auskunft des Innenministeriums seien dabei sieben Polizisten und vier Kämpfer des IS getötet worden (BAMF 1.7.2019).

Vor Reisen in entlegene Gebiete der Sahara einschließlich der Grenzgebiete zu Libyen und Sudan wird gewarnt (AA 1.7.2019). Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 1.7.2019). Minenfelder sind häufig unzureichend gekennzeichnet, insbesondere auf dem Sinai, in einigen nicht erschlossenen Küstenbereichen des Roten Meeres, am nicht erschlossenen Mittelmeerküstenstreifen westlich von El Alamein und in Grenzregionen zu Sudan und Libyen (AA 1.7.2019).

Die Kriminalitätsrate ist in Ägypten vergleichsweise niedrig. Kleinkriminalität wie Taschendiebstähle und auch vereinzelte Übergriffe speziell auf Frauen haben etwas zugenommen (AA 1.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (1.7.2019): Ägypten - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegvptensicherheit/212622. Zugriff 1.7.3019

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Deutschland (1.7.2019): Briefing Notes 1 Juli 2019, Zugriff 1.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019a): Ägypten - Innenpolitik. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/-/212652. Zugriff 1.7.2019

-        AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/en/file/local/2003690/MDE1299162019ENGLISH.pdf. Zugriff 1.7.2019

-        BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (1.7.2019): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit & Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019a): Egypte - Derniere minute, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/. Zugriff 1.7.2019

-        FD - France diplomatique (1.7.2019b): Egypte - Securite, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 1.7.2019

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 13.3.2019).

Die Behörden verlangten sporadisch von Bürgern im Alter von 18 bis 40 Jahren, eine Erlaubnis des Innenministeriums, um in bestimmte Länder zu reisen, um so den Beitritt zu terroristischen Gruppen zu erschweren und die Flucht von Kriminellen zu verhindern (USDOS 13.3.2019).

Die Regierung verhängte zunehmend Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Weiters gibt es kein von der Regierung auferlegtes Exil, und die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-        USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004258.html. Zugriff 9.7.2019

Grundversorgung

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System (AA 22.2.2019). Im Rahmen des mit dem IWF verhandelten Reformprogramms versucht die Regierung, den notwendigen Strukturwandel in die Wege zu leiten. Das Wirtschaftswachstum lag 2017 bei 4,2 % und 2018 bei 5,3 %. Subventionen für Benzin, Diesel und Elektrizität werden von der Regierung sukzessive reduziert. Bis Juni 2021 ist eine vollständige Eliminierung aller Energiesubventionen vorgesehen (AA 24.6.2019c).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 22.2.2019).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 22.2.2019).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen (AA 22.2.2019).

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Subventionsabbau droht - trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern. Bisher hat sich der latent in der Bevölkerung vorhandene Unmut nur punktuell manifestiert. Viel wird davon abhängen, wie schnell eine wirtschaftliche Erholung auch diese Schichten erfasst. Daneben zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren (AA 22.2.2019).

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Die Landwirtschaft spielt eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30-40 % des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund 2,5 Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28 % angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potenzielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund 4 % der Gesamtfläche des Landes aus (AA 24.6.2019c).

Der Dienstleistungssektor absorbiert einen erheblichen Teil der Erwerbstätigen und erwirtschaftet große Teile des Bruttoinlandsproduktes. Einen maßgeblichen Beitrag leistet hierbei der Tourismusbereich (AA 24.6.2019c). Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor (GIZ 9.2018c). Er bietet rund 50 % der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49 % etwa die Hälfte zum BIP bei (GIZ 9.2018c). Ein schwer zu erfassender und vermutlich erheblicher Teil des Dienstleistungsbereichs arbeitet informell (AA 24.6.2019c).

Nach einer Studie der staatlichen Statistikbehörde CAPMAS gibt eine ägyptische Durchschnittsfamilie rund 40 % ihres Einkommens nur für Nahrungsmittel aus, Familien aus ärmeren Schichten bis zu 63 %. Die Einkommensverteilung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten immer stärker zuungunsten der unteren Einkommensschichten entwickelt. Die meisten Ägypter verdienen jedoch wesentlich weniger als die Durchschnittslöhne und nur 60 % aller Lohnabhängigen haben überhaupt geregeltes Einkommen. Die dramatischen Preiserhöhungen für Grundlebensmittel in den letzten Jahren verschärften den Kaufkraftverlust und trafen vor allem die unteren Einkommensschichten, die nach Angaben von CAPMAS mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben (GIZ 9.2018).

Die staatlichen Maßnahmen zur Armutsbekämpfung werden heute weithin als unzulänglich kritisiert. Sie bestehen im Wesentlichen aus nicht zielgruppenorientierten Subventionen für Grundnahrungsmittel und Energie, extrem niedrigen Sozialhilfe- und Pensionszahlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen sowie Kredit-, und Entwicklungsprogrammen des Sozialfonds für Entwicklung (SfD), die jedoch weit hinter dem Bedarf zurückbleiben (GIZ 9.2018).

Die Armutsquote (2016/17) ist auf 27 % gestiegen (die höchste seit 2000). Über 10 Millionen Menschen in Ägypten haben weniger als 1 $ am Tag zur Verfügung. Rund 12,5 % der Bevölkerung sind arbeitslos und ca. 17 % der Familien werden von Frauenarbeit (im informellen Sektor) unterstützt (GIZ 9.2018).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (24.6.2019c): Ägypten: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/wirtschaft-/212624, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (9.2018): Ägypten - Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/. Zugriff 9.7.2019

Medizinische Versorgung

In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 9.7.2019). Es kommt zu gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal (GIZ 2.2018). Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 22.2.2019). Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt (GIZ 2.2018). Aktuell soll ein neuer Gesetzesentwurf das Problem angehen und eine adäquate Krankenversicherung schrittweise auf alle Bevölkerungsgruppen ausdehnen (GIZ 2.2018). Ein Gesetz über umfassende Gesundheitsvorsorge wurde im Herbst 2017 verabschiedet, aber dessen Finanzierung ist noch nicht abschließend geregelt. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Uni-Kliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert (AA 22.2.2019). Im September 2017 kam es zum ersten Ausbruch von Dengue-Fieber am Roten Meer (Alquaseer) seit mehreren Jahren. Inzwischen wurden auch Fälle aus Hurghada gemeldet (AA 9.7.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (9.7.2019): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 9.7.2019

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueberdie-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf, Zugriff 9.7.2019

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2018): Liportal, Ägypten – Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/, Zugriff 9.7.2019

Rückkehr

Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt (AA 22.2.2019).

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt Deutschland (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand Januar 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/1458483/4598_1551702084_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-aegypten-stand-januar-2019-22-02-2019.pdf. Zugriff 9.7.2019

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Ägypten für den Beschwerdeführer eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Eine nach Ägypten zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

Im Verfahren sind keine Umstände hervorgekommen, die einer Rückkehr und einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten entgegenstehen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der vorliegenden Kopie seines ägyptischen Reisepasses Nr. XXXX , ausgestellt am 06.07.2013, fest (AS 665).

Die Feststellung zur Einreise und zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, sowie zu seinem Asylverfahren ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt und dem Akt des BVwG. Aus einer eingeholten zmr-Auskunft ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer durchgehend im Bundesgebiet gemeldet war.

Dass der Beschwerdeführer bis zumindest 2017 regelmäßig nach Ägypten gefahren und sich dort bis zu einem Monat aufgehalten hat, basiert auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem BFA am 14.12.2017 und in der mündlichen Verhandlung.

Aus der Heiratsurkunde des Standesamtes XXXX vom XXXX 2013, Nr. XXXX (AS 639) sowie dem Beschluss des zentralen Bezirksgerichtes XXXX (Ungarn) vom XXXX 2015, GZ. XXXX gehen die Feststellungen zur mittlerweile geschiedenen Ehe des Beschwerdeführers mit einer ungarischen Staatsangehörigen hervor.

Die wesentliche Feststellung, dass der Beschwerdeführer und seine Exehefrau XXXX T nie ein tatsächliches Ehe- und Familienleben geführt haben, basiert auf folgenden Überlegungen:

Auffällig war, dass der Beschwerdeführer gegenüber den verschiedenen Instanzen gänzlich unterschiedliche Angaben zu dem Namen seiner ungarischen Exfrau getätigt hat. Gegenüber dem Bundesasylamt behauptete er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 17.12.2012, eine Freundin namens „ XXXX zu haben, die aus Ungarn komme und seit drei Monaten bei ihm lebe, mehr würde er über sie nicht wissen (AS 243). Am 28.01.2015 gab er gegenüber dem BFA zu Protokoll, seine Ehefrau heiße „ XXXX (AS 562). Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 14.12.2017 machte er hingegen geltend, seine Frau habe „ XXXX “ geheißen, im Dokument könne auch ein anderer Name stehen. Einen Nachnamen konnte er nicht nennen (AS 634). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er hingegen, seine Exfrau immer „ XXXX genannt zu haben, während sein als Zeuge einvernommener Freund M.E. sagte, der Beschwerdeführer habe sie „ XXXX oder „Schatzi“ genannt.

Auch die Angaben des Beschwerdeführers zu den Interessen und Lebensumständen seiner Frau gestalteten sich äußerst vage und sehr widersprüchlich. Er konnte dem Bundesverwaltungsgericht außer Sport und Spazieren gehen, keinerlei Hobbies seiner Exfrau (der Zeuge M.E. nannte als einziges Hobby von XXXX T das Reisen) nennen, dies obwohl er mit ihr laut eigenen Angaben rund zweieinhalb Jahre zusammengewohnt habe. Besonders gefallen habe ihm an ihr, dass sie hübsch gewesen sei und allgemein ein guter Mensch.

Obwohl der Beschwerdeführer vor dem BFA am 14.12.2017 noch ausgesagt hatte, die Schwiegereltern nicht zu kennen und nicht zu wissen, wo diese wohnen (AS 634), sagte er in der Beschwerdeverhandlung, dass die Eltern seiner Exfrau schon verstorben seien, als diese noch klein gewesen sei. Seine Exfrau habe ihm dies vor der Hochzeit erzählt.

Ebenso war der Beschwerdeführer noch nicht einmal in der Lage, gleichbleibend anzugeben, wo er XXXX T kennengelernt hat. In seiner Einvernahme vor dem BFA am 28.01.2015 erzählte er, seine Frau zu kennen, weil ihr Bruder mit ihm in derselben Firma gearbeitet habe (AS 562). Im Zuge seiner Einvernahme durch die LPD XXXX am 10.02.2018 sagte er, seine Exfrau sei mit der Frau seines Freundes M.E. befreundet gewesen und gegen Ende des Jahres 2012 dort zu Gast gewesen. Bei seinem Freund hätten sie sich kennengelernt und angefreundet. Gearbeitet habe seine Exfrau in Österreich nicht. Sie habe lediglich Silvester in Österreich feiern wollen (AS 987). Dazu neuerlich in völligem Widerspruch schilderte der Beschwerdeführer das Kennenlernen gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht folgendermaßen: „Ich habe sie bei der Arbeit kennengelernt (…) Ich kann mich nicht genau erinnern, wie die Firma hieß, wir haben aber Papier gestapelt. Sie war selber ledig und ich auch und dadurch sind wir zusammengekommen und haben geheiratet. Wir haben auch in der zweiten Firma zusammengearbeitet, „ XXXX “, und der Herr, der heut als Zeuge mit ist, von dem die damalige Freundin kannte meine damalige Frau auch. Dadurch sind wir noch näher zueinandergekommen.“ (Protokoll Seite 8)

Der als Zeuge befragte M.E. erklärte hingegen, der Beschwerdeführer habe seine Exfrau über seine damalige Freundin kennengelernt. Der Beschwerdeführer habe ihn oft zu Hause besucht, genauso wie die Exfrau damals die Freundin des Zeugen öfter besucht habe. Kurz vor Silvester habe der Beschwerdeführer seine Exfrau zum ersten Mal gesehen, und zwar beim Zeugen zu Hause.

Der Beschwerdeführer und der Zeuge widersprachen sich auch in anderen wesentlichen Details erheblich. So wichen etwa die Schilderungen des Beschwerdeführers und des (damals angeblich als Trauzeuge anwesenden) Zeugen M.E. zum Ablauf der Hochzeit in Ungarn stark voneinander ab. Der Beschwerdeführer behauptete, im Anschluss an die Hochzeit seien sie nicht in ein Restaurant gegangen und hätten stattdessen selbst zu Hause gekocht, um Kosten zu sparen. Der Zeuge hingegen erklärte, sie seien nach der standesamtlichen Trauung in ein Restaurant in Budapest gegangen, hätten gegessen und getrunken und seien am Ende des Abends nach Hause gegangen. Der Beschwerdeführer habe die Kosten von diesem Essen übernommen. Auch zur Regelmäßigkeit der gemeinsamen Treffen machten sie sehr unterschiedliche Angaben. Der Beschwerdeführer sagte, sie haben sich ungefähr zweimal im Monat zu viert getroffen. Ab und zu habe ihn der Zeuge mit dem Auto abgeholt, ansonsten sei es aufgrund der großen Distanz zwischen ihren Wohnungen schwierig gewesen. Der Zeuge hingegen sprach von ungefähr drei bis vier gemeinsamen Treffen pro Woche.

Gegen die Annahme, die Eheleute hätten ein tatsächliches Ehe- und Familienleben entfaltet, spricht auch der Umstand, dass es weder Fotos, Filmaufnahmen noch Belege zu gemeinsamen Unternehmungen oder zu einer gemeinsamen Freizeitgestaltung gibt. Der Beschwerdeführer erklärte dazu wenig glaubwürdig, es sei nicht einfach Bilder zu behalten, wenn man jedes Jahr das Handy verliere oder es kaputtgehe.

Aufgrund der zahlreichen Widersprüchlichkeiten war daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer und XXXX T, welche nur wenige Wochen nach der negativen Entscheidung über seinen Asylantrag durch die belangte Behörde und wenige Monate nach dem angegebenen ersten Kennenlernen heirateten, zu keinem Zeitpunkt ein tatsächliches Ehe- und Familienleben führten und diese Ehe nur geschlossen wurde, damit dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel erteilt werde.

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass er aufgrund der Ehe eine Aufenthaltskarte beim Magistrat beantragt hat, welche ihm auch ausgestellt wurde.

Die Feststellung zu der dem Beschwerdeführer ausgestellten Aufenthaltskarte für Familienangehörige und dem ihm erteilten und mehrmals verlängerten Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot- Karte plus ergibt sich aus einem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister, sowie den zusätzlich eingeholten Akten der NAG-Behörde.

Aus den Akten der NAG-Behörde geht auch hervor, dass diese erst mit Schreiben des BFA vom 05.01.2018 vom Verdacht des Bestehens einer Aufenthaltsehe informiert wurde und ihr dieser Umstand zuvor nicht bekannt war. Gegenteiliges wurde auch nicht behauptet.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand, zur Schulbildung und zur Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen glaubhaften Aussagen vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht.

Zu seinen in Ägypten lebenden Familienmitgliedern und insbesondere zur Frage, ob die Ehe zu seiner Frau in Ägypten noch aufrecht sei, machte der Beschwerdeführer im Laufe des Verfahrens sehr unterschiedliche Angaben. Zunächst erklärte er in seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 14.12.2017, er sei seit 2008 mit seiner ägyptischen Frau verheiratet. Auf seine Ehe mit der ungarischen Staatsbürgerin angesprochen änderte er seine Aussage dahingehend ab, dass er sich damals von seiner ägyptischen Frau scheiden habe lassen und sie später wieder geheiratet habe, wann genau wisse er nicht, vielleicht 2016. Außerdem gab er an, seiner Familie Geld zu schicken und täglich in Kontakt mit ihnen zu stehen (AS 632 und 635). In der Beschwerdeverhandlung machte er hingegen geltend, sich 2013 von seiner Frau geschieden und sie nicht noch einmal geheiratet zu haben. Seitdem bestehe kein Kontakt mehr, er zahle lediglich die Alimente. Nachdem diese Widersprüche dem Beschwerdeführer vorgehalten wurden und er sie nicht aufklären konnte, ist davon auszugehen, dass seine Ehe in Ägypten weiterhin besteht. Zudem legte er keinerlei Dokumente vor, die geeignet wären, das Gegenteil zu beweisen.

Dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet abgesehen von einer Schwester und deren Familie über keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben, sowie dem Akt.

Die detaillierten Zeiten der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers und der Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe gehen aus einem aktuellen Auszug des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger hervor und wurden von ihm in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen Freundeskreis hat, ergibt sich aus seinen Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer hat keine Deutschkurs- Bestätigungen vorgelegt und bisher auch keine Sprachprüfung positiv absolviert. Aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer lediglich über geringe Deutschkenntnisse verfügt. Unterlagen zu sonstigen allfälligen Integrationsschritten hat der Beschwerdeführer nicht vorgelegt.

Aus einem Strafregisterauszug vom 28.09.2020 ergibt sich die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Ägypten samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich insgesamt, dass in Ägypten für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, wird eine nach Ägypten abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt.

Soweit die Länderberichte aktualisiert wurden, hatte der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren nicht entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

Zu A) I.

3.1.    Zur Nicht-Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt I., erster Spruchteil):

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs. 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen. Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs. 1 Z 1 oder Z 1a FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., erster Spruchteil als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I., zweiter Spruchteil):

3.2.1 Rechtslage

3.2.1.1  Gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind.

Gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Satz NAG ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, nach Stellung eines Verlängerungsantrages bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

3.2.1.2  Gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, zu erlassen, wenn nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.

Nach § 11 Abs. 1 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist.

3.2.1.3  Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Gemäß § 9 Abs. 5 BFA-VG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

3.2.2.1. Der Beschwerdeführer ist als ägyptischer Staatsangehöriger Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er verfügte bis zum 04.09.2018 über den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte-plus". Aufgrund seines am 17.08.2018 gestellten Antrages auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels hält er sich gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Satz NAG gegenwärtig weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Daher hat das BFA die Rückkehrentscheidung zu Recht nach § 52 Abs. 4 FPG geprüft.

3.2.2.2. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen gemäß § 52 Abs. 4 Z 1 FPG setzt voraus, dass nachträglich ein Versagungsgrund iSd § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung zunächst auf das Vorliegen einer Aufenthaltsehe gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 iVm § 30 Abs. 1 NAG.

Der Tatbestand des § 30 Abs. 1 NAG ist u.a. dann erfüllt, wenn sich der Ehegatte zur Erteilung eines Aufenthaltstitels auf eine Ehe beruft, obwohl kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt wird. Dabei erfordert § 30 Abs. 1 NAG nicht, dass die Ehe - quasi in Missbrauchsabsicht - zu dem Zweck geschlossen wurde, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, sondern dass zum Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde oder des Verwaltungsgerichtes kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK (mehr) geführt wird. Beantragt ein Fremder die Erteilung eines Erstaufenthaltstitels zum Zweck der Familienzusammenführung mit seinem Ehegatten, ist seine Absicht entscheidend, wie der angestrebte Titel genutzt werden solle. Ein formales Band der Ehe reicht nicht aus, um aufenthaltsrechtliche Wirkungen zugunsten des ausländischen Ehegatten abzuleiten (VwGH 27.4.2017, Ro 2016/22/0014 mwN).

Aus den Feststellungen geht hervor, dass der Beschwerdeführer und Frau XXXX T zu keinem Zeitpunkt ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt haben. Weiters steht auch fest, dass sich der Beschwerdeführer bei seiner Aufenthaltserteilung im Februar 2013 auf diese Ehe berufen hat. Die Ehe ist daher als Aufenthaltsehe im Sinne des § 30 NAG zu qualifizieren.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das gegen ihn geführte strafgerichtliche Verfahren wegen § 117 Fremdenpolizeigesetz (FPG) 2005 eingestellt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Annahme des Vorliegens einer Aufenthaltsehe iSd § 30 Abs. 1 NAG 2005 nicht voraussetzt, dass der Ehepartner gemäß § 117 FrPolG 2005 bestraft oder eine Anzeige gemäß § 117 FrPolG 2005 erstattet worden ist. Es steht einer derartigen Annahme auch nicht entgegen, dass ein Strafverfahren nach § 117 FrPolG 2005 nicht mit einer Verurteilung endete (vgl. bsp. VwGH am 27.02.2020, zu Ra 2019/22/0203 und vom 08.11.2018, Ra 2018/22/0041).

Insofern steht daher die Einstellung des Strafverfahrens nicht der Beurteilung der Ehe des Beschwerdeführers mit Frau XXXX T als Aufenthaltsehe entgegen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Bestimmung des § 11 Abs. 1 Z 4 NAG jedoch nur während des Bestehens einer Aufenthaltsehe anwendbar (VwGH 26.2.2013, 2009/22/0081) und kommt daher gegenständlich aufgrund der am XXXX 2015 erfolgten Scheidung nicht in Betracht.

Allerdings darf die Behörde bei Vorliegen einer Aufenthaltsehe nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf schließen, dass der künftige Aufenthalt des Fremden eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt. Diese Gefährdung der öffentlichen Ordnung stellt nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG einen Grund dar, die Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen (vgl. etwa VwGH 17.6.2019, Ra 2019/22/0096; 24.11.2009, 2007/21/0011; 19.6.2008, 2007/18/0041; 19.6.2008, 2007/18/0149).

Somit wird durch das Eingehen einer Aufenthaltsehe – so auch im vorliegenden Fall – grundsätzlich der Tatbestand des § 11 Abs. 2 Z 1 NAG verwirklicht.

3.2.2.3. In diesem Verfahren ist weiter zu prüfen, ob nachträglich der Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 und 2 NAG eingetreten oder bekanntgeworden ist, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre.

Der letzte Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot- Karte plus) wurde dem Beschwerdeführer am 04.09.2017 erteilt. Das Vorliegen einer Aufenthaltsehe war dem Magistrat XXXX bis zumindest 05.01.2018 nicht bekannt.

Daher hat die belangte Behörde die Rückkehrentscheidung zu Recht auf § 52 Abs. 4 Z 1 FPG gestützt, auch wenn nach Ansicht der erkennenden Richterin der Tatbestand des § 11 Abs. 2 Z. 1 anstatt § 11 Abs. 1 Z. 4 NAG anzuwenden ist.

3.2.2.4. In weiterer Folge ist daher eine Prüfung gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmen.

Vorauszuschicken ist, dass § 9 Abs. 5 BFA-VG nicht anzuwenden ist, da der Beschwerdeführer nicht bereits fünf Jahre vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes – der Eheschließung im Jahr 2013 – rechtmäßig in Österreich aufhältig war.

Bei der Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120, mwN).

Der Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B8986/80, EuGRZ 1982, 311), zwischen Eltern und erwachsenen Kindern und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1).

Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in keiner Lebensgemeinschaft und führt - wie er selbst vorbringt - in Österreich keine Beziehung. Vielmehr lebt seine Ehefrau mit den drei gemeinsamen Kindern in Ägypten.

Es lebt jedoch die Schwester des Beschwerdeführers und deren Familie in Österreich.

Auch wenn das Bundesverwaltungsgericht das zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Schwester sowie deren Familie bestehende verwandtschaftliche Naheverhältnis nicht verkennt, so kann doch auf eine erhebliche Intensität der Beziehung nicht geschlossen werden; so wurde weder eine besondere gegenseitige Abhängigkeit noch ein Zusammenleben behauptet. Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (VwGH 17.11.2009, 2007/20/0955). In Bezug auf seine Schwester sowie deren Familie ist von einem tatsächlichen Bestehen eines Familienlebens des Beschwerdeführers im Sinn des Art. 8 EMRK daher nicht auszugehen. Die Beziehung ist aber unter dem Aspekt des Privatlebens des Beschwerdeführers mit zu berücksichtigten.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Im Lichte des Art. 8 EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit der im Februar 2012 erfolgten Einreise nunmehr rund achteinhalb Jahre gedauert hat. Diese Zeitdauer allein führt noch nicht zum Vorliegen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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