TE Bvwg Beschluss 2020/6/23 L525 2006138-3

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L525 1417640-6/6E

L525 1417639-6/10E

L525 1417641-6/5E

L525 2006138-3/5E

L525 2227148-2/5E

L525 2195964-3/5E

BESCHLUSS

1.) In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die als Erledigung intendierte vorgelegte Niederschrift vom 12.06.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 820076308/200471391, und die dort verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs.2 AsylG betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Johannes Zöchling, beschlossen:

A) Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die als Erledigung intendierte vorgelegte Niederschrift vom 12.06.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 820075910/200471456, und die dort verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs.2 AsylG betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Johannes Zöchling, beschlossen:

A) Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die als Erledigung intendierte vorgelegte Niederschrift vom 12.06.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 820076003/200471499, und die dort verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs.2 AsylG betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Johannes Zöchling, beschlossen:

A) Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die als Erledigung intendierte vorgelegte Niederschrift vom 12.06.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 821584301/200471515, und die dort verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs.2 AsylG betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Johannes Zöchling, beschlossen:

A) Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5.) In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die als Erledigung intendierte vorgelegte Niederschrift vom 12.06.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 1023497802/200471537, und die dort verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs.2 AsylG betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Johannes Zöchling, beschlossen:

A) Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6.) In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die als Erledigung intendierte vorgelegte Niederschrift vom 12.06.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Zl. 1163220708/200471561, und die dort verfügte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. § 12a Abs.2 AsylG betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Johannes Zöchling, beschlossen:

A) Die als Bescheid intendierte Beschwerdevorlage wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführer (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als „Erstbeschwerdeführer“ bis „Sechstbeschwerdeführerin“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten die Erst- Zweit- und Drittbeschwerdeführer nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 23.07.2010 Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer sind die Eltern der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer haben noch ein weiteres, minderjähriges Kind; dieses stellte allerdings keinen Folgeantrag.

Als Begründung führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass er in Armenien Oberstsergeant beim Militär gewesen sei und Probleme mit dem Neffen des Generals, welcher Soldat war, bekommen hätte. Dieser hätte ihn aufgrund seines jezidischen Glaubens verspottet und hätte in betrunkenem Zustand versucht, dem Erstbeschwerdeführer die Waffe zu entreißen. Ein von ihm abgefeuerter Warnschuss hätte den Neffen unabsichtlich ins Bein getroffen und hätte der Erstbeschwerdeführer aufgrund dieses Vorfalls Probleme mit dem General bekommen, da der Neffe ihm mit dessen Rache gedroht habe.

Die Anträge der Erst- Zweit- und Drittbeschwerdeführer auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden vom 19.01.2011 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG die Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen.

Der dagegen eingebrachten Beschwerde wurde keine Folge gegeben und mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.03.2011 als unbegründet abgewiesen.

Am 17.05.2011 brachten die Erst- Zweit- und Drittbeschwerdeführer neuerliche Anträge auf internationalen Schutz ein und wurden diese mit Bescheiden vom 27.05.2011 gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen und gegen die Beschwerdeführer neuerlich eine Ausweisung erlassen; die dagegen eingebrachten Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.06.2011 abgewiesen, diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

Am 17.01.2012 stellten die Erst- Zweit- und Drittbeschwerdeführer neuerliche Anträge auf internationalen Schutz und wurden diese mit Bescheiden vom 16.02.2012 abermals zurückgewiesen und die Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und auch die dagegen eingebrachten Beschwerden wurden erneut mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 07.03.2012 abgewiesen. Auch diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

Am XXXX wurde der Viertbeschwerdeführer geboren. Der durch den Vater eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz des Viertbeschwerdeführers wurde mit Bescheid vom 17.10.2013 gem. §§ 3 und 8 AsylG (Spruchpunkte I. und II) abgewiesen und gegen den Viertbeschwerdeführer eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG erlassen (Spruchpunkt III). Dagegen erhob der Viertbeschwerdeführer Beschwerde. Die Spruchpunkte I und II wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.02.2014 bestätigt, hinsichtlich der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung jedoch zur Prüfung an das nun zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Mit Bescheid vom 25.02.2014 wurde gegen den Viertbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Armenien zulässig sei. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.09.2014 abgewiesen und erwuchs die Entscheidung in Rechtskraft.

Am XXXX wurde der Fünftbeschwerdeführer geboren. Der durch die Mutter eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz des Fünftbeschwerdeführers wurde mit Bescheid vom 04.04.2018 gem. §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und gegen den Fünftbeschwerdeführer gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien zulässig sei. Dagegen wurde Beschwerde eingebracht und mit Beschluss vom 30.05.2018 hob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid auf und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück. Mit Bescheid vom 31.01.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und gegen den Fünftbeschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2019 als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.

Am XXXX wurde die Sechstbeschwerdeführerin geboren. Der durch die Eltern eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid vom 04.04.2018 gem. §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und gegen die Sechstbeschwerdeführerin gem. § 52 Abs. 2 Z 2 eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien zulässig sei. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.06.2018 als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.

Die Beschwerdeführer verblieben auch nach rechtskräftiger negativer Entscheidungen bezüglich ihrer Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

Mit Bescheid vom 29.11.2019 wurde den Beschwerdeführern aufgetragen, gem. § 57 Abs. 1 FPG bis zur Ausreise durchgängig in der im Spruch genannten Betreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.01.2020 als unbegründet abgewiesen.

Am 27.02.2020 stellten die Beschwerdeführer die gegenständlichen Folgeanträge auf internationalen Schutz und fand am selbigen Tag die Erstbefragung der Beschwerdeführer statt.

Mit Schreiben vom 03.03.2020 lud die belangte Behörde die Beschwerdeführer zur niederschriftlichen Einvernahme vor der zuständigen Behörde. Diese Ladung wurde von den Beschwerdeführern am 04.03.2020 nachweislich übernommen und zugestellt. Am 06.03.2020 fand die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer statt.

Mit Schreiben vom 03.06.2020 wurden die Beschwerdeführer zur neuerlichen Einvernahme am 12.06.2020 vor der zuständigen Behörde geladen. Die Beschwerdeführer verweigerten allerdings am 04.06.2020 die Unterschrift auf der Übernahmebestätigung dieser Ladung.

Am 12.06.2020 führte die belangte Behörde eine Einvernahme in Abwesenheiten sämtlicher Beschwerdeführer durch, welche nicht erschienen waren, eine Rechtsberaterin war anwesend. Diese führte aus, dass die Beschwerdeführer die Annahme der Ladung verweigert hätten, da sich auf dieser ein falscher Name befände und daher nicht an sie adressiert wäre (Anm. nämlich jene Namen, unter denen die Beschwerdeführer identifiziert wurden). Die Einvernahme wurde gänzlich in Abwesenheit der Beschwerdeführer durchgeführt. Ebenfalls am 12.06.2020 wurde in Abwesenheit der Beschwerdeführer der mündliche Bescheid gem. § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG verkündet und diese Verkündung niederschriftlich beurkundet. Der Spruch lautet auf die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG.

Die Niederschrift und die in ihr enthaltene Beurkundung des mündlich verkündeten Bescheides wurden den Beschwerdeführern übersendet. Diese verweigerten am 12.06.2020 neuerlich mit der Begründung der falschen Namen die Übernahme.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde vor und wurde durch das Bundesverwaltungsgericht am 22.06.2020 darüber informiert, dass die das Verfahren betreffenden Akten in der zuständigen Gerichtsabteilung L525 eingelangt sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die relevanten Feststellungen ergeben sich aus dem bereits beschriebenen Verfahrenshergang.

Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer sind zur Einvernahme trotz rechtmäßiger Ladung am 12.06.2020 nicht erschienen und sprach die belangte Behörde in dieser Einvernahme aus, dass sämtlichen Beschwerdeführern der faktische Abschiebeschutz aberkannt werde.

Da die Zweitbeschwerdeführerin als die gesetzliche Vertretung der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer nicht anwesend war, waren diese und auch ihre Vertreterin nicht anwesend als die Behörde dies aussprach.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Zur Rechtswidrigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

§ 12a Asylgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 84/2017 lautet:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist (§ 58 Abs. 2 FPG) und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden."

§ 22 AsylG, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet auszugsweise:

„Entscheidungen“

§ 22. (10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Das BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, idgF lautet auszugsweise:

„Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes“

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Das Allgemeine Verwaltungsverfahren, BGBl. Nr. 51/1991 (WV), idgF lautet auszugsweise:

III. Teil: Bescheide

Erlassung von Bescheiden

§ 56. Der Erlassung eines Bescheides hat, wenn es sich nicht um eine Ladung (§ 19) oder einen Bescheid nach § 57 handelt, die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, nach den §§ 37 und 39 voranzugehen.

§ 62. (1) Wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

(2) Der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides ist, wenn die Verkündung bei einer mündlichen Verhandlung erfolgt, am Schluß der Verhandlungsschrift, in anderen Fällen in einer besonderen Niederschrift zu beurkunden.

(3) Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren.

(4) Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden kann die Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigen."

§ 22 Abs. 10 AsylG schreibt dem BFA verpflichtend vor, dass Bescheide über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG in mündlicher Form zu erlassen sind. Die Behörde führte am 12.06.2020 die Einvernahme der Beschwerdeführer in deren Abwesenheit durch und sprach anschließend mündlich aus, dass der faktische Abschiebeschutz aberkannt werde; damit wählte sie grundsätzlich die für die Erlassung von Bescheiden nach § 12a Abs. 2 AsylG zulässige Form. Die belangte Behörde ging in weiterer Folge offensichtlich davon aus, dass sie den faktischen Abschiebeschutz mit mündlichem Bescheid aberkannt habe.

In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, ob eine mündliche Bescheiderlassung in Abwesenheit der Parteien im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden zulässig ist.

Die mündliche Erlassung von Bescheiden ist ein Formalakt, der den Parteien als solcher zu Bewusstsein kommen muss. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Bescheid mündlich verkündet worden ist, ist davon auszugehen, dass von einer mündlichen Verkündung nur dann gesprochen werden kann, wenn der Verwaltungsakt von dem behördlichen Organ, das zur Erlassung solcher Bescheide formell berufen ist, in formeller Hinsicht, dh in einer solchen Weise gesetzt worden ist, dass der Partei sein formeller Charakter zum Bewusstsein kommen musste (vgl dazu bereits die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, § 62 AVG, E 84 und E82 angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die mündliche Erlassung von Bescheiden hat durch förmliche Verkündung ihres Inhalts gegenüber den anwesenden Parteien bzw ihren – gesetzlichen oder dazu bevollmächtigten – Vertretern zu erfolgen. Sofern nichts anderes bestimmt ist, kann die mündliche Verkündung nicht an eine (dh nicht mit Wirksamkeit) bei der Verkündung nicht anwesende Partei erfolgen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 62, Rz 20 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Jeder Bescheid ist grundsätzlich allen Parteien des Verfahrens mitzuteilen. Da eine mündliche Verkündung an eine nicht anwesende Partei nicht möglich ist, muss die Mitteilung an sie notwendig durch Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung erfolgen (Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, § 62 AVG, Anm 7 bzw. im Ergebnis auch das Erk. des VwGH vom 22.10.1991, Zl. 90/07/0173, in welchem der Gerichtshof zwar klarstellte, dass die Verkündung eines Bescheides gegenüber Abwesenden zwar möglich sei, jedoch im Anschluss auf jeden Fall eine schriftliche Bescheidausfertigung zuzustellen sei und handelte es sich im Ausgangsfall um ein Mehrparteienverfahren). Diese Überlegungen treffen nur in einem Mehrparteienverfahren zu. Zwar wird in Mehrparteienverfahren einerseits die Erlassung des Bescheides gegenüber den anwesenden Parteien – und damit seine Existenz – durch die Abwesenheit einer oder mehrerer Parteien nicht beeinträchtigt und erfolgt andererseits durch die Zustellung gem § 62 Abs 3 AVG eine wirksame Bescheiderlassung gegenüber Abwesenden. Ist aber keine Partei anwesend (vertreten), so kann der Bescheid auch nicht iSd § 62 Abs 2 AVG "verkündet" (oder gar die Verkündung niederschriftlich beurkundet) werden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 62, Rz 20 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Für diese Annahme spricht auch der Umstand, dass der mit 01.01.2014 weggefallene § 67g AVG wie folgt lautete: „Der Bescheid und seine wesentliche Begründung sind auf Grund der Verhandlung, und zwar wenn möglich, sogleich nach deren Schluß zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Die Verkündung des Bescheides ist von der Anwesenheit der Parteien unabhängig.“, und wurde mit dieser Norm die Möglichkeit einer mündlichen Verkündung des Bescheides in Abwesenheit der Partei bzw. aller Parteien ursprünglich vom Gesetzgeber explizit verankert, dies allerdings nur im Verfahren vor den bis 31.12.2013 existierenden Unabhängigen Verwaltungssenaten. Da sich der Gesetzgeber offenbar bewusst dazu entschied, diesen Paragraphen außer Kraft zu setzten und keine ähnliche Regelung für Verwaltungsbehörden einführte, kann davon ausgegangen werden, dass die Absicht des Gesetzgebers darin bestand, dass es den Verwaltungsbehörden weiterhin nicht möglich sein soll, einen Bescheid mündlich in Abwesenheit der einzigen Partei oder sämtlicher Parteien zu erlassen (vgl. dazu aber den Beschluss des VwGH vom 14.9.2016, Zl. Fr 2016/18/0015, wonach die bisherige zum § 67g AVG erarbeitete Rechtsprechung auch auf die Verwaltungsgerichte übertragen werden kann).

Wie bereits festgestellt wurde, waren alle Parteien des gegenständlichen Verfahrens bei der Einvernahme und mündlichen Verkündung des Bescheides nicht anwesend und auch nicht vertreten. Die Rechtsberaterin kann nicht als Vertretung der Parteien angesehen werden, da ihr gegenüber kein aufrechtes Vertretungsverhältnis bestand. Es war der belangten Behörde daher nicht möglich, rechtswirksam einen die Beschwerdeführer betreffenden Bescheid mündlich zu erlassen und entfaltete dieser „Bescheid“ auch keine Außenwirkung und folglich auch keine Bescheidwirkung.

Zum Zustellversuch, mit welchem die belangte Behörde den Beschwerdeführern die Niederschrift vom 12.06.2020 und den darin beurkundeten mündlich erlassenen „Bescheid“ zu übersenden versuchte, ist festzuhalten, dass gem. § 22 Abs. 10 AsylG die Behörde einen Bescheid gemäß § 12a Abs. 2 AsylG mündlich zu erlassen hat und eine schriftliche Erlassung somit nicht in Frage kommen kann. Da im Rahmen der mündlichen Verkündung in Abwesenheit sämtlicher Parteien kein Bescheid wirksam erlassen werden kann, ist der Bescheid daher nicht existent geworden und kann folglich auch nicht – wie es im Mehrparteienverfahren, wenn bei der Verkündung zumindest eine Partei anwesend ist, möglich ist – den abwesenden Parteien eine schriftliche Bescheidausfertigung zugestellt werden, da eine schriftliche Bescheidausfertigung eines nicht existierenden mündlich verkündeten Bescheides ebenso keine Rechtswirkung entfalten kann. Eine grundsätzlich schriftliche Bescheiderlassung kommt, wie bereits ausgeführt wurde, im gegenständlichen Fall nicht in Frage, weshalb die Prüfung, ob den Beschwerdeführern wirksam eine schriftliche Bescheidausfertigung zugestellt worden ist, unterbleiben konnte. Sieht das Gesetz nämlich eine bestimmte Form der Bescheiderlassung vor, so führt ein Abweichen von dieser Formvorschrift ebenso zu Rechtsunwirksamkeit (vgl. abermals Hengstschläger/Leeb, AVG § 62, Rz 16). Auch in den im Rahmen der Covid19 - Epidemie erlassenen Rechtsvorschriften findet sich kein Hinweis, dass die belangte Behörde den Bescheid mündlich in Abwesenheit der Parteien verkünden hätte können bzw. dies überhaupt erst aufgrund der Gefahr einer Covid19 – Ansteckung getan hätte. Vielmehr wurden die Beschwerdeführer geladen und war deren Anwesenheit daher von der belangten Behörde gewollt und findet sich kein Hinweis, warum § 22 Abs. 10 AsylG nicht zur Anwendung kommen sollte.

Da die belangte Behörde den Bescheid nicht rechtswirksam erlassen hat, liegt kein Bescheid vor. Dementsprechend ist es dem erkennenden Gericht auch nicht möglich, diesen „Bescheid“ im Rahmen der Beschwerde zu überprüfen und konnte eine Überprüfung der Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005 daher unterbleiben. Die Beschwerde war daher mangels wirksamen Bescheides zurückzuweisen.

Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Abwesenheit faktischer Abschiebeschutz Folgeantrag mündliche Verkündung Nichtbescheid Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L525.2006138.3.00

Im RIS seit

15.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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