TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/5 W195 2210638-1

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Veröffentlicht am 05.11.2020
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Entscheidungsdatum

05.11.2020

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W195 2210638-1/53E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX in XXXX , XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.10.2018, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.06.2019 und am 09.10.2020 zu Recht erkannt:

A)

Hinsichtlich Spruchpunkt II. wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch zuerkannt.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in der Dauer von einem Jahr ab Rechtskraft dieser Entscheidung erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, ist am 22.11.2016 mittels Visum (gültig vom 10.11.2016 bis 09.03.2017) in das Bundesgebiet eingereist und stellte am 23.08.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Befragung am 23.08.2018 gab der BF an, er sei ursprünglich nach Österreich gekommen, weil er Informatik studieren habe wollen. Dafür habe er ein Visum der Kategorie D erhalten. Kurz vor seinem Abflug nach Österreich sei er schwer erkrankt. Er hätte hohes Fieber gehabt und habe nichts mehr essen können. Währens seines Spitalaufenthaltes habe er Tabletten bekommen. Da er jedoch ein Loch in der Speiseröhre gehabt habe, sei er quasi innerlich vergiftet worden. Die Ärzte in Bangladesch hätten ihm nicht mehr helfen können. Es sei sein Onkel, welcher in Österreich lebt, gekommen und hätte ihn nach Österreich gebracht. Im Landeskrankenhaus XXXX habe man ihn operiert und dadurch überlebte er.

Nach seiner Genesung hätte er von April bis Juni 2017 die Universität in XXXX besucht. Auf Grund eines schlechter werdenden Gesundheitszustandes sei er wieder nach XXXX gegangen, wo er nochmals operiert worden sei. Da er ansteckend gewesen sei, sei er in einem Isolierzimmer gelegen.

Aufgrund seines Gesundheitszustandes hätte er nicht mehr studieren können. Er möchte jedoch unbedingt in Österreich bleiben, denn nur da könne ihm medizinisch geholfen werden.

Weiters gab der BF an, dass wegen der korrupten Regierung in Bangladesch viele Leute ohne Ausbildung Berufe ausüben würden. Über Facebook habe er konkret über einen Verkehrsunfall erfahren, verursacht von einem Taxifahrer ohne Berechtigung, und über eine regierungskritische Demonstration, welche aus diesem Anlassfall abgehalten wurde. Daraufhin habe er über Facebook seine kritische Meinung kundgetan. Er habe danach Morddrohungen erhalten und es sei ihm gesagt worden, er solle nie mehr nach Bangladesch zurückkehren, weil man ihn gleich in das Gefängnis stecken würde.

Befragt, was er befürchte, wenn er nach Bangladesch zurückkehren würde, gab der BF an, dass er auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes sterben würde. Dies habe ihm der bengalische Arzt gesagt, der ihn behandelt habe. Sein Onkel, der ihn danach vom Spital in Bangladesch 2016 nach Österreich gebracht hat, könne dies bestätigen.

Am 19.10.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme erzählte der BF, er habe ganz normal in Bangladesch bei seiner Familie, seinen Eltern und einer Schwester, gelebt. Sein Vater sei Geschäftsmann, mit seiner Mutter habe er derzeit regelmäßig Kontakt. Er selbst sei seinerzeit Student in Bangladesch gewesen, habe nebenbei Nachhilfeunterricht gegeben und habe einen Bachelor in Informatik abgeschlossen. Danach habe er um ein Masterstudium in Österreich angesucht und ein Visum in der österreichischen Botschaft in Delhi erhalten.

Da er während seiner Studentenzeit immer wieder kritische Fragen an „die Mitglieder von der jetzigen Partei, welche in der Regierung sind“ gestellt habe, sei er öfters bedroht worden; danach hätten sie ihn im August 2016 gekidnappt, geschlagen, etwas in sein Essen gegeben und ihn gezwungen, dieses zu essen. Danach sei er bewusstlos gewesen; aufgewacht sei er im Krankenhaus. Er könne nicht mehr sagen, wer ihn gekidnappt habe, weil seine Augen verbunden waren. Direkt vom Krankenhaus, wo er sich bis November aufgehalten habe, sei er in das Flugzeug gestiegen. Er sei ca. drei Monate im Krankenhaus gewesen.

Befragt, wann er damit begonnen habe, sich über die Regierung aufzuregen, gab der BF an, dass dies 2015, 2016 gewesen sei. Die Frage, ob er selbst politisch tätig gewesen sei, wurde verneint.

2018, also zu einem Zeitpunkt, als er bereits in Österreich gewesen sei, habe er erfahren, dass bei einem Unfall zwei Schüler in Bangladesch gestorben seien. Dieser Unfall sei mit einem Bus passiert. Der Lenker habe keine Berechtigung gehabt diesen Bus zu lenken. Darüber habe er sich im August und September 2018 sechs bis sieben kritische Einträge auf Facebook gemacht, worauf hin er über Facebook bedroht worden sei. Er fürchte, dass die Personen der politischen Partei ihn wieder verfolgen könnten, wenn er nach Bangladesch zurückkehre. Zugleich wollte der BF jedoch keine Gründe geltend machen, die gegen eine Rückkehrentscheidung sprechen würden. Er habe in Österreich zwar zwei Onkel und eine Tante, aber er sei nicht abhängig von diesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.10.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, der BF habe eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Es seien auch keine Anhaltspunkte, die für die Gewährung subsidiären Schutzes sprechen würden, hervorgekommen. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

Mit dem den konkreten Beschwerdefall kaum berührenden Schriftsatz vom 30.11.2018 wurde der Bescheid des BFA vom 30.10.2018 seitens des – durch die XXXX XXXX vertretenen – BF wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften in vollem Umfang angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, das BFA habe zusätzliche Länderfeststellungen zu treffen und die neu zu bewerten gehabt. Das BFA hätte die in der Beschwerde angeführten Berichte zu berücksichtigen gehabt, um zu dem Schluss zu kommen, dass das Vorbringen des BF mit den aktuellen Länderberichten im Einklang stünde und eine asylrelevante Verfolgung bzw. eine aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage zu erwartende Verletzung der Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK drohe.

Darüber hinaus würde das BFA (auf der S 33 des Bescheides) dem BF „vorwerfen“, dass sein Vorbringen unglaubhaft sei, weil er in der Erstbefragung keine Verfolgung oder Bedrohung in Bangladesch erwähnt hätte. Dies würde jedoch nicht den Tatsachen entsprechen, hätte doch der BF ein „stringentes und nachvollziehbares Fluchtvorbringen“ (Beschwerde Seite 33/42) erstattet. Detailliert wird ein Bericht aus Wikipedia hinsichtlich Schüler- und Studentenproteste wiedergegeben, welche in Folge eines „Wettrennens“ zwischen zwei Bussen auf einer Ausfallstrasse vom Stadtzentrum zum Flughafen stattgefunden habe und zu einem Verkehrsunfall mit toten und verletzten Schülern und Studenten geführt habe.

Hinsichtlich der Prüfung einer innerstaatliche Fluchtalternative habe das BFA nicht die gebotene Einzelfallprüfung durchgeführt. Im Weiteren rügt die Beschwerde mit näherer Begründung eine Mangelhaftigkeit der Beweiswürdigung. Der Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, alle Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen, den angefochtenen Bescheid – allenfalls nach Verfahrensergänzung – zu beheben und dem BF Asyl zu gewähren, in eventu, Spruchpunkt II. zu beheben und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu, Spruchpunkte III. und IV. aufzugeben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt werde und dem BF ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde, in eventu den Bescheid im angefochtenen Umfang „ersatzlos“ zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung das BFA zurückzuverweisen.

Darüber hinaus wurde auf Seite 36/42 der Beschwerde der Beweisantrag gestellt, „das erkennende Gericht möge eine medizinisch-sachverständige Person damit beauftragen, festzustellen, ob die Verletzungen des BF in dessen Bauchraum von einer giftigen/toxischen Substanz herrühren könnten“. Der Beschwerde selbst wurden aktuelle medizinische Befunde des LKH XXXX vom 26.11.2018 angeschlossen.

Weiters wurden der Beschwerde Dokumente beigelegt, welche belegen sollten, dass der BF in Bangladesch wegen Straftaten gesucht werde; diese Dokumente seien teilweise ins Englische übersetzt vorgelegt worden.

Am 11.06.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familien- und Lebensverhältnissen in Österreich und zu seiner Gesundheit befragt wurde.

Im Zuge der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.06.2019 legte der BF u.a. drei weitere Befunde des LKH XXXX vor, der letzte datiert mit 31.05.2019. Neben dem Befund eines rezidiv-Abzesses intraabdominell, fraglich fistulierend vom Colon (Proteus mirabilis 3 MRGN [09.01.2019]) wird darin die dreifache CT-gezielte Drainage (samt zusätzlicher medikamentöser Begleitung) als Behandlungsmethode (zwischen 12/2016 bis 01/2019) beschrieben und die „regelmäßige Vorstellung bzw. Kontrollen an Infektionsambulanz, twl. geplant, tlw. akut“ in Aussicht genommen.

Ansonsten wiederholte der BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsbericht das bisherige (Flucht-)Vorbringen. Er verwies Weiters auf seine Eingabe vom 23.05.2019 und die darin enthaltene Kopie des Bescheides des AMS vom 23. Mai 2019, XXXX , dem zu Folge der BF eine befristete Beschäftigungsbewilligung bis 22.11.2019 gem § 5 AusländerbeschäftigungsG erhalten hat.

Im Zuge der Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde auch der Onkel des BF als Zeuge, vom BF nominiert, einvernommen. Der Onkel des BF lebe seit fast 30 Jahren rechtmäßig in Österreich. Dieser bestätigte im Wesentlichen die Aussage, dass er den BF direkt aus dem Krankenhaus in Bangladesch abgeholt habe, und mit ihm in das Flugzeug nach Österreich eingestiegen sei. Er habe von der schweren Erkrankung seines Neffen erfahren und davon, dass die Ärzte dort, d.h. in Bangladesch, gesagt haben, dass er ein hoffnungsloser Fall und voller Krebs sei. Der BF habe, als er in Bangladesch im Krankenhaus war, „am Sterbebett das Studentenvisum von der österreichischen Botschaft New Delhi bekommen“. Deshalb sei der Onkel sofort innerhalb von zehn Tagen von Österreich nach Bangladesch geflogen, um seinen Neffen nach Österreich zu holen und habe er hier eine entsprechende medizinische Behandlung erhalten. Er sei nie richtig gesund, er bekomme immer wieder Fieber und müsse ins Spital. Er müsse regelmäßig Blut abnehmen und es komme immer wieder eine Infektion.

Zur Integration des BF gab sein Onkel an, dass dieser seine eigene Wohnung in XXXX habe, von ihm unterstützt werde und sich bestens mit seinen beiden Kindern, die ins XXXX in XXXX zur Schule gehen, verstünde. Der Kontakt zu seiner Familie sei eng. Der BF habe eine Beschäftigungsbewilligung und versuche sich zu integrieren, etwa im Rahmen eines Badminton-Klubs und beim Basketball-Spielen. Der Onkel, als Logistiker beschäftigt, und seine Frau, welche Volksschullehrerin sei, würden ihm helfen und hätten mittlerweile schon über € 20.000,– für ihn bezahlt. Sie würden „immer alles für ihn übernehmen“ und es wäre dies kein Problem.

Mit hg. Erkenntnis vom 05.07.2020, XXXX , wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des Bescheides vom 30.10.2018 als unbegründet abgewiesen, die Spruchpunkte III.?VI. dahingehend abgeändert, dass dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 bis zum 30.11.2019 erteilt wurde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ab 01.12.2019 erlassen wurde, festgestellt wurde, dass gem. § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung des BF nach Bangladesch gem. § 46 FPG ab 01.12.2019 zulässig sei und gem. § 66 Abs. 1?3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab 01.12.2019 betrage.

Eine dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) mit Beschluss vom 30.10.2019, XXXX , zurück.

Die Behandlung einer gegen das hg Erkenntnis vom 05.07.2020 erhobene Erkenntnisbeschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof (im Folgenden: VfGH) mit Erkenntnis vom 05.03.2020 XXXX , hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, stellte unter einem fest, dass der BF durch das hg. Erkenntnis insoweit, als die Beschwerde hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, der Rückkehrentscheidung, der Zulässigkeit der Abschiebung und die 14tägige Ausreisefrist abgewiesen wurde, in dem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander verletzt worden sei und hob das hg. Erkenntnis insoweit auf.

Das Bundesverwaltungsgericht setzte am 09.10.2020 die Beschwerdeverhandlung hinsichtlich der somit offenen Beschwerdepunkte fort. Dabei wurde zunächst der behandelnde Arzt zum Gesundheitszustand des BF zeugenschaftlich – mit Zustimmung des BF - befragt. Dieser gab an, nach Erstkontakt zum BF im Dezember 2016 eine antibiotische Therapie für eine komplexe Entzündung erstellt zu haben. Weiters sei die Entleerung eines großen Abszesses im Bauchraum erfolgt. Monate später sei es neuerlich zu einem Abszess im Bauchraum gekommen, welches chirurgisch und antibiotisch behandelt worden sei. Nach Ausheilung sei es im Jänner 2019 neuerlich zu einem Abszess im Bauchraum gekommen. Seither komme der BF regelmäßig zu Kontrollen. Derzeit liege keine Abszess-Formation vor. Mit der Vorgeschichte des BF könne eine Abszess-Formation jederzeit neuerlich, welche allenfalls innerhalb von wenigen Stunden oder Tagen behandelt werden sollte, auftreten. Ob eine Behandlung in Bangladesch möglich sei wisse der Zeuge nicht, es könne jedoch nicht ausschließen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland in eine lebensbedrohende Lage geraten könne.

Ebenso wurde der BF einvernommen. Dieser gab soweit wesentlich zu Protokoll, eine Tante, zwei Onkel sowie sechs Cousins in Österreich zu haben. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter befinde sich in Bangladesch. Eine Konversation mit dem BF in deutscher Sprache war begrenzt möglich. Der BF sei ledig und habe keine Kinder. In Österreich würde er gerne „Computerwissenschaften“ studieren. In Österreich habe der BF viele Freunde, die er bei der Arbeit kennengelernt habe. Der BF bringe als Zeitungszusteller € 600,? ins Verdienen, das betreibe er neben seiner Tätigkeit als Küchenhilfe. Als Küchenhilfe arbeite er 40 Wochenstunden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch, der Volksgruppe der Bengalen zugehörig und Moslem. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in Erstbefragung AS 5 sowie bei Einvernahme vom 19.10. 2018 beim BFA AS 83 ff.; BVwG-VS 11.06.2019).

Der BF ist im Ort XXXX geboren (AS 5) und hat in ebendort gelebt (AS 7). Er hat in seinem Heimatland für zwölf Jahre die Schule, danach vier Jahre das EDV-Studium in Bangladesch absolviert (AS 5).

Der BF ist ledig und hat keine Kinder (AS 5). Seine Eltern und seine Schwester halten sich in Bangladesch auf (AS 6; AS 85ff), wobei der BF behauptet, mit seiner Mutter Kontakt zu haben (AS 85, BVwG-VS 11.06.2019). Eine Tante, zwei Onkel sowie deren Kinder leben in XXXX (BVwG-VS 11.06.2019).

Der BF ist mit Studentenvisum am 22.11.2016 legal in Österreich eingereist. Am 23.08.2018 hat er Asyl beantragt (BVwG-VS 11.06.2019).

Er geht in Österreich einer Beschäftigung nach dem AusländerbeschäftigungsG (Bescheid des AMS) nach (BVwG-VS 11.06.2019). Er lebt in keiner Lebensgemeinschaft, hat aber im Bundesgebiet schon Freunde gefunden; Verwandte von ihm (zwei Onkel, eine Tante, samt deren Familien) stehen im regelmäßigen und intensiven Kontakt. Er betreibt in Österreich (Mannschafts-)Sport (Badminton, Basketball), hat bereits einen Deutschkurs besucht und lernt zuhause Deutsch, er hat noch kein Deutschzertifikat erworben (AS 67 f.). Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse. Auf Grund des begrenzten Sprachwortschatzes erfolgt die Antwort nicht in vollen Sätzen, jedoch kann diesen inhaltlich gefolgt werden (BVwG-VS 11.06.2019). Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Im Dezember 2016 war der BF stationär im LKH XXXX wo eine antibiotische Therapie für eine sehr komplexe Infektion erstellt wurde. Weiters war der BF damals auf der Universitätsklinik für Chirurgie stationär, wo die Entleerung eines großen Abszesses im Bauchraum erfolgte. Die Kombination von antibiotischer Behandlung und Entleerung führte zu einer deutlichen Besserung des Gesundheitszustandes. Zum damaligen Zeitpunkt gingen die behandelnden Ärzte davon aus, dass die Erkrankung ausgeheilt sei. Überraschenderweise kam es Monate später zu einem neuerlichen Abszess im Bauchraum. Auch dieses wurde wiederum chirurgisch und antibiotisch behandelt. Aufgrund der zugrundeliegenden Keimsituation, des Resistenzverhaltens, war eine recht komplizierte antibiotische Therapie erforderlich. Wiederum kam es zur Besserung bzw. aus damaliger Sicht mutmaßlichen Ausheilung der Erkrankung. Im Jänner 2019 kam es wieder überraschend zu einem neuerlichen Abszess im Bauchraum, welches wieder wie die letzten beiden Male behandelt wurde. Seither muss der BF immer wieder Kontrollen an der infektiologischen Ambulanz wahrnehmen, um etwaige neuerliche Abszesse frühzeitig erkennen zu können. Basierend auf der letzten körperlichen Untersuchung und Laboruntersuchung und CT-Untersuchung liegt derzeit keine Abszess-Formation vor. Eine Möglichkeit für diese immer wiederkehrenden Infektionen stellt eine bis dahin nicht erkannte Fistel (Öffnung) im Darm dar, welche mittels einer Darmspiegelung, die inzwischen terminiert ist, noch weiter abzuklären ist. Im Rahmen einer Koloskopie in der Vergangenheit konnte keine Fistel festgestellt werden, wobei diese Fisteln manchmal sehr klein sind und häufig nicht bei Routinekoloskopien entdeckt werden. Zusammenfassend könnte aufgrund der Vorgeschichte eine solche Abszess-Formation wieder auftreten, weil diese Erkrankung üblicherweise nur einmal auftritt und beim BF bereits drei Mal aufgetreten ist. Im Falle eines neuerlichen Auftretens eines Abszesses müsste der BF je nach Abwehrlage und Aggressivität des Keims zwischen Stunden und wenigen Tagen ärztlicher Behandlung bedürfen.

II.1.2. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Grundversorgung:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 21.6.2020). Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 11,3 % der Bevölkerung (circa 20 Millionen) unterhalb der extremen Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar. Unter- sowie Fehlernährung bleiben weit verbreitete Phänomene (DB 1.10.2019).

Bangladeschs Wirtschaft ist seit 2005 jährlich um rund 6 % gewachsen, trotz politischer Instabilität, schlechter Infrastruktur, Korruption, unzureichender Stromversorgung und langsamer Umsetzung der Wirtschaftsreformen (CIA 13.3.2020). Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung. Die Landwirtschaft wird vom Reisanbau dominiert (GIZ 3.2020b; vgl. CIA 13.3.2020). Die Verarbeitung von Produkten der Landwirtschaft und die Textilindustrie sind die wichtigsten Zweige des industriellen Sektors (GIZ 3.2020b), auf den 2017 geschätzt 29,3 % des BIP gefallen sind. Der Export von Kleidungsstücken macht ca. 80 % aller Exporte aus. Der Dienstleistungssektor erwirtschaftete 2017 mehr als die Hälfte des BIP (CIA 13.3.2020).

Über 10 % Anteil an der bangladeschischen gesamtwirtschaftlichen Leistung haben Geldüberweisungen von Arbeitsmigranten nach Bangladesch (GIZ 12.2018b), die im Finanzjahr 2016/17 ca. 13 Milliarden US-Dollar ausmachten (CIA 13.3.2020). Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt und wird von der Regierung gefördert. Etwa 10 Millionen bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland. Die Migration wird durch das „Bureau of Manpower, Employment and Training“ (BMET) gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen (z.B. „BRAC“, „Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees“, „Bangladesh Migrant Centre“, „Bangladesh Women Migrants Association“). Dachverband ist das „Bangladesh Migration Development Forum“ (BMDF). Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 21.6.2020).

Die offizielle Arbeitslosenrate liegt 2018 geschätzt bei 4-6 %, jedoch mit verdeckter weit verbreiteter massiver Unterbeschäftigung. Vor allem in der Landwirtschaft ist Subsistenzwirtschaft ausgeprägt. Formelle und organisierte Beschäftigung gibt es lediglich im staatlichen Bereich, sowie bei größeren Unternehmen. 85 % der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Einen staatlichen Mindestlohn gibt es nicht. Die Durchsetzung von arbeitsrechtlichen Standards erfolgt lediglich sporadisch (ÖB 8.2019).

Die Bevölkerung Bangladeschs erfährt seit einigen Jahren einen erhöhten Verteilungs- und Chancenkonflikt, aufgrund des Bevölkerungswachstums bei gleichzeitig abnehmenden Landressourcen und fehlenden Alternativen zur Landarbeit, sowie erhöhtem Druck durch Extremwetterereignisse und anderen Konsequenzen des Klimawandels. Die Slums der Städte wachsen, wenn auch im Vergleich zu anderen Ländern mit ähnlichen Bedingungen etwas langsamer. Ebenso konkurriert die Bevölkerung mit einem höheren Bildungsabschluss um Universitätsplätze und besser bezahlte Arbeitsplätze. Die Lebenshaltungskosten in den Städten steigen und die Versorgung mit Wasser und Elektrizität in den ländlichen Gebieten und kleineren Städten ist oft lückenhaft bzw. ist ein Anschluss an öffentliche Versorgungsnetzwerke noch nicht vollzogen. Die Strukturen werden zusätzlich temporär belastet, wenn Saisonarbeiter für einige Zeit in die Städte ziehen und dort Arbeitsplätze und Unterkünfte suchen. Die nötige Infrastruktur wird in vielen Gebieten ausgebaut, allerdings kann das Tempo dieses Ausbaus noch nicht mit der Bevölkerungsdynamik mithalten. Aktuell sind ungefähr 60 % aller Haushalte an das staatliche Stromnetz angeschlossen (GIZ 3.2020b).

Die Preissteigerungen bei Lebensmittel von bis zu 70 % treffen besonders den armen Teil der Bevölkerung. Die Regierungen versuchen, mit staatlichen Nahrungsmittel-, Düngemittel- und Treibstoffsubventionen gegenzusteuern, fördern damit aber hauptsächlich Ineffizienz. Allerdings verfügt Bangladesch über ein hervorragendes Netz an Mikrokreditinstitutionen, welche Millionen Bangladeschis effektiv bei ihrem Weg aus der Armut unterstützen (ÖB 8.2019).

Mikrokreditinstitute bieten Gruppen und Individuen ohne Zugang zum herkömmlichen Finanzsystem die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen (GIZ 3.2020b). Das bekannteste davon ist die Grameen Bank, die 1976 in Bangladesch durch den späteren Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus gegründet wurde. Die Grameen Bank, deren Konzept von zahlreichen weiteren Institutionen aufgegriffen und auch in anderen Ländern umgesetzt wurde, gewährt Kredite ohne die banküblichen materiellen Sicherheiten und setzt stattdessen vor allem auf die soziale Komponente, um die Rückzahlung zu gewährleisten. Die Kreditnehmerinnen, die kaum unternehmerische Erfahrung und zumeist einen sehr niedrigen Bildungsstand haben, sollen auch langfristig beraten und unterstützt werden, um ein realistisches Konzept entwickeln und erfolgreich umsetzen zu können – so zumindest ist es vorgesehen. Bei seriösen Programmen sind auch Schulungen über Grundlagen der Unternehmensführung enthalten („finanzielle Alphabetisierung“) (IP 6.3.2018).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        CIA – Central Intelligence Agency (13.3.2020): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/bg.html, Zugriff 1.4.2020

?        DB – Deutsche Botschaft Dhaka (1.10.2019): Die bangladeschische Wirtschaft, https://dhaka.diplo.de/bd-de/themen/wirtschaft/-/2251288, Zugriff 5.8.2020

?        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Bangladesch – Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/bangladesch/wirtschaft-entwicklung, Zugriff 24.3.2020

?        IP – Idealism Prevails (6.3.2018): Mikrokredite: Kann Armut durch Unternehmertum überwunden werden?, https://www.idealismprevails.at/mikrokredite-kann-armut-durch-unternehmertum-ueberwunden-werden, Zugriff 27.2.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Sozialbeihilfen:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht (AA 21.6.2020). Aufgrund des Fehlens eines staatlichen Sozialversicherungssystems muss allgemein auf Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für die Absicherung alter und behinderter Menschen (ÖB 8.2019). Nicht staatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs findet statt (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 8.2019), kann aber in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 21.6.2020).

Eine Alterspension in der Höhe von monatlich 500 Taka [5,5 Euro] wird an Männer über 65 und Frauen über 62 Jahren mit Wohnsitz in Bangladesch ausgezahlt, wobei nur ein Familienmitglied eine Pension beziehen kann. Eine Behindertenpension beträgt monatlich 700 Taka, wobei die Bezugsberechtigung durch eine Kommission festgestellt wird. Im Falle einer Krankheit wird das Gehalt zu 100 % für insgesamt 14 Tage jährlich ausbezahlt. Mütter erhalten den Durchschnitt ihres Gehalts der letzten drei Monate vor der Ankündigung der Schwangerschaft für den Zeitraum von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, für insgesamt zwei Lebendgeburten, ausbezahlt; ab der dritten Geburt ist keine Unterstützung vorgesehen. Bei temporärer Behinderung nach einem Arbeitsunfall werden 100 % des Gehaltes für zwei Monate, danach 2/3 für die nächsten zwei Monate, danach die Hälfte des Gehaltes bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren bezahlt. Bei permanenter Behinderung in Folge eines Arbeitsunfalles wird ein Fixbetrag von 125.000 Taka bezahlt. Es gibt keine staatliche Arbeitslosenunterstützung, Unternehmen müssen eine Kündigungsabfindung in der Höhe von 30 Tagesgehältern pro Jahr Firmenzugehörigkeit bezahlen (USSSA 3.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        USSSA – U.S. Social Security Administration (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018 – Bangladesh, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/bangladesh.pdf, Zugriff 17.9.2019

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

Medizinische Versorgung:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Bereitstellung der Gesundheitsfürsorge liegt im Verantwortungsbereich der Regierung (DFAT 22.8.2019). Die medizinische Versorgung in Bangladesch entspricht nicht europäischen Standards und ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch nicht mit westlichen Standards vergleichbar. Die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ist ungenügend (AA 28.7.2020; vgl. DFAT 22.8.2019, AA 21.6.2020). Wegen des Mangels an Ärzten und Rettungsfahrzeugen kann bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden (AA 28.7.2020). Medizinische Einrichtungen in Bangladesch sind äußerst selten und von schlechter Qualität (ÖB 8.2019; vgl. DFAT 22.8.2019). Die Krankenhäuser verfügen insgesamt nur über 1.169 Intensivstationsbetten. Auf 10.000 Einwohner entfallen insgesamt acht Krankenhausbetten (WKO 25.4.2020). Es herrscht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Doktoren, Krankenschwestern und Spitalsbetten. Schätzungsweise lediglich 12 % aller schweren Krankheitsfälle erreichen das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 8.2019). In der Praxis stellen der Privatsektor und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) einen erheblichen Teil der Gesundheitsdienste zur Verfügung (DFAT 22.8.2019).

In Dhaka bestehen wenige moderne kommerzielle Großkliniken, die Behandlungen nach internationalem Ausstattungsstand und eine gesicherte medizinische Versorgung anbieten. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 8.2019). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden. Wohlhabende Bangladeschis und westliche Ausländer ziehen bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vor (AA 21.6.2020). Lokale Kliniken gibt es auf Gemeinde- oder Dorfebene. Diese Einrichtungen unterstützen größere Distrikt- oder Zentralkrankenhäuser (DFAT 22.8.2019). Obwohl eine rudimentäre, kostenlose medizinische Versorgung durch staatliche Gesundheitsstationen verfügbar sein soll (AA 21.6.2020; vgl. ÖB 8.2019), berichten Patienten, dass sie im Allgemeinen für einen Zugang zu medizinischen Leistungen zahlen müssen. Die Beratungsgebühren sind oft exorbitant und für die Armen unerschwinglich. Ärzte neigen Berichten zufolge auch dazu, ihre Kunden „übermäßig zu behandeln“ und unnötige Tests anzuordnen, um ihr Einkommen zu erhöhen (DFAT 22.8.2019). So ist der Großteil der armen Landbevölkerung auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 8.2019). Es werden eine Reihe medizinischer Hilfsprojekten von NGOs angeboten (ÖB 8.2019).

Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient. Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 21.6.2020).

Ärztlichen Auskünften zufolge sind, im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen, längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten. Nach Erfahrungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind diese Behandlungen sehr teuer. In ländlichen Gebieten sind sie nicht möglich (AA 21.6.2020). Vor allem NGOs und Entwicklungshilfeinstitutionen sind um Verbesserungen der medizinischen Versorgung bemüht, z.B. durch Impfprogramme für Kinder gegen weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose. Bangladesch hat nur eine niedrige Rate an HIV/Aids-Infizierten, gilt aber als potenziell stark gefährdetes Land (ÖB 8.2019).

Ein staatliches Sozial- und Krankenversicherungssystem existiert, bis auf geringe Beihilfen zum Existenzminimum an Senioren, nicht (AA 21.6.2020). Das Arbeitsrecht 2006 sieht vor, dass Firmen mit mindestens 300 Arbeitnehmern vor Ort medizinische Einrichtungen bereitstellen sollten. Der Arbeitnehmer zahlt keine Prämie, die gesamten Kosten werden vom Arbeitgeber getragen (USSSA 3.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (28.7.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 5.8.2020

?        DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (22.8.2019): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2016264/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 6.4.2020

?        USSSA – U.S. Social Security Administration (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018 – Bangladesh, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/bangladesh.pdf, Zugriff 17.9.2019

?        WKO – Wirtschaftskammer Österreich (25.4.2020): Coronavirus: Situation in Bangladesch, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-info-bangladesch.html, Zugriff 8.5.2020

Rückkehr:

Letzte Änderung: 19.8.2020

Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen (AA 21.6.2020) und es ist bisher nicht bekannt geworden, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrages staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen (AA 21.6.2020). Sofern es sich um Opfer von Schlepperei handelt, können sie allerdings auch nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Problematisch ist, dass „erfolglose Rückkehrer“ von ihren Familien und lokalen Gemeinschaften als Schandfleck betrachtet werden. Soweit Kritiker der Regierung oder rivalisierender politischer Parteien in Bangladesch selbst gefährdet waren, gilt dies auch für ihre eventuelle Rückkehr (ÖB 8.2019).

Staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel) sind nicht bekannt. Der „International Organization for Migration“ (IOM) ist kein Fall bekannt, in dem eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem sogenannten „General Diary“ gebeten. Nach IOM-Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist. Besondere Vorkommnisse sind anlässlich der Durchführung der Einreisekontrollen nicht bekannt geworden (AA 21.6.2020).

IOM betreut nur Personen, die freiwillig zurückkehren und ist am Flughafen Dhaka mit einem Büro und Mitarbeitern präsent und kann im Rahmen von Betreuungs- und Integrationsvereinbarungen die Betreuung vor Ort übernehmen. Diese Hilfe umfasst die Betreuung und Begleitung anlässlich der Ankunft, soweit erforderlich die Vermittlung von Kontakten zur Familie des Rückkehrers und die Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen, die weiterführende Hilfe leisten können. Ferner leistet IOM praktische Reintegrationsbetreuung und -begleitung. IOM bestätigt, dass in Bangladesch familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung letztendlich für die Rückkehrer maßgeblich sind und dem Rückkehrer als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase dienen. Rückkehrer sind, auch ohne die oben genannten Institutionen, aufgrund der großen Familien, enger, weit verzweigter Verwandtschaftsverhältnisse und noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen in der Regel nicht auf sich allein gestellt (AA 21.6.2020).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (21.6.2020): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Mai 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2033573/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2020%29%2C_21.06.2020.pdf, Zugriff 5.8.2020

?        ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch

II.2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des BF, seinen Lebensumständen in Österreich und Bangladesch, seiner Schul- und Universitätsbildung lassen sich seinen Angaben entnehmen sowie aktenkundigen Unterlagen. Die Einreise des BF ist aktenkundig.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF lassen sich en Angaben des Arztes des Universitätsklinikums XXXX entnehmen, welcher in der Beschwerdeverhandlung zeugenschaftlich befragt wurde. Darüber hinaus liegen zahlreiche medizinische Unterlagen im Akt, weshalb feststeht, dass die oben angeführte Erkrankung des BF besteht.

Die allgemeine Lage im Herkunftsland des BF ergibt sich aus dem bereits vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – das dem BF im Beschwerdeverfahren in der aktuellsten Fassung erneut zu Stellungnahme übermittelt wurde – und den darin angeführten Quellen. Darin wird eine Vielzahl von Berichten verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen zusammengefasst, die ein ausgewogenes Bild betreffend die allgemeine Situation in Bangladesch zeigen. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA. Somit ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

II.3.1 Zu A:

II.3.1.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

II.3.1.2. § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 verwies auf § 57 Fremdengesetz (im Folgenden: FrG) wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FrG – welche in wesentlichen Teilen auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 übertragen werden kann – ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, dass eine konkrete, den Berufungswerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (zB. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028).

Unter Gefahr in diesem Sinne ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH jeweils vom 31.03.2005, 2002/20/0582, 2005/20/0095).

Die Anerkennung des Vorliegens einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person, die als Zivilperson die Gewährung von subsidiärem Schutz beantragt, setzt nicht voraus, dass sie beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Eine solche Bedrohung liegt auch dann vor, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH 17.02.2009, Elgafaji, C-465/07, Slg. 2009, I-0000, Rn 45).

II.3.1.3. Der allgemeinen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zufolge ist eine Überstellung eines Fremden in den Herkunftsstaat auch dann nicht zulässig, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte.

Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat auch – aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK – im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist nach dieser Judikaturlinie unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (siehe VfSlg. 18.407/2008; nach diesen Kriterien hat auch der Verwaltungsgerichtshof wiederholt beurteilt, ob die Abschiebung eines Kranken zulässig ist – vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 10.12.2009, 2008/19/0809 bis 0812, und vom 28.04.2010, 2008/19/0139 bis 0143).

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (EGMR 22.06.2010, Al-Zawatia, Appl. 50068/08; EGMR 27.05.2008, N./Vereinigtes Königreich, Appl. 26565/05, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, Goncharova & Alekseytsev, Appl. 31246/06; EGMR 07.11.2006, Ayegh, Appl. 4701/05; EGMR 04.07.2006, Karim, Appl. 24171/05; EGMR 10.11.2005, Paramsothy, Appl. 14492/03).

II.3.1.4. Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Es konnte keine allgemein lebensbedrohliche Situation bzw. landesweite (Bürger-)Kriegslage in Bangladesch, dem Herkunftsstaat des BF, festgestellt werden. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist in der Bangladesch zudem gewährleistet. Der BF tätigte in diesem Zusammenhang auch kein anderslautendes Vorbringen, weshalb eine Gewährung subsidiären Schutzes aufgrund der allgemeinen Sicherheits- bzw. Versorgungslage in seinem Herkunftsstaat nicht in Betracht kommt.

Beim BF traten wiederholt Abszesse auf und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in Zukunft wieder zu solchen Abszessbidungen kommt, weswegen sich der BF regelmäßigen Kontrollen unterziehen muss. Vor dem Hintergrund, dass in Bangladesch mangels medizinischer Einrichtungen in adäquater Anzahl kaum Behandlungsmöglichkeiten bestehen, ist davon auszugehen, dass der BF in seinem Herkunftsland keinen Zugang zu einer medizinischen Behandlung hätte, welche innerhalb von Stunden oder Tagen zu einer adäquaten Behandlung führen kann.

Bei schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen (zB. HIV, Knochentuberkulose) im Zusammenhang mit einer möglichen Verletzung von Art. 3 EMRK durch Rückführung in den Herkunftsstaat des erkrankten Fremden „ist laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch zu prüfen, mit welcher Wahrscheinlichkeit beim Unterbleiben einer weiteren Therapie mit einem Wiederanstieg der Erkrankung zu rechnen sei und welche Auswirkungen auf den Gesundheitszustand als reale Gefahr (im Sinne eines ‚real risk‘) ? die bloße Möglichkeit genügt nicht ? damit verbunden wären“; dabei ist auch zu prüfen, „ob der Zugang zu notwendigen medizinischen Behandlungen nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Organisationen möglich wäre“ (vgl. VwGH 28.08.2008, 2008/22/0043; 15.03.2005, 2002/21/0056; 23.09.2004, 2001/21/0137). In diesem Sinne fordert auch der VfGH eine dementsprechende individuelle Prüfung der konkreten ? auch finanziellen ? Zugangsmöglichkeiten zu einer Behandlung im Einzelfall (vgl. VfGH 24.11.2016, E 1085-1088/2016; VfGH 16.09.2013, U 496/2013).

Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte präzisierte jüngst in seiner Entscheidung EGMR 13.12.2016, Paposhvili/Belgien, Appl. 41738/10, seine unter anderem in der bereits genannten Entscheidung EGMR 27.05.2008, N./Vereinigtes Königreich, Appl. 26565/05, eigezogene restriktive Rechtsprechung betreffend die Maßgeblichkeit schwerwiegender körperlicher Erkrankungen bzw. der Zugangsmöglichkeiten zu entsprechenden Behandlungen im Zielstaat in Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Art. 3 EMRK dahingehend, dass der die erkrankte Person abschiebende Staat im Einzelfall festzustellen hat, ob die generell im Zielstaat vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten ausreichend und für die Behandlung der Erkrankung des Abzuschiebenden in dem Sinn angemessen sind, um ihn vor einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK zu bewahren (Rn. 189). Darüber hinaus ist zu beurteilen, inwieweit der Abzuschiebende im Zielstaat tatsächlich Zugang zu diesen Behandlungsmöglichkeiten und den entsprechenden Einrichtungen haben würde. In diesem Zusammenhang sind die Behandlungs- und Medikamentenkosten, das Vorliegen eines sozialen bzw. familiären Netzwerks sowie die räumliche Entfernung zu Behandlungseinrichtungen zu berücksichtigen (Rn. 190).

Aufgrund der Tatsache, dass die medizinische Versorgung in Bangladesch nicht europäischen Standards entspricht und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch nicht mit westlichen Standards vergleichbar ist, die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ungenügend ist, wegen des Mangels an Ärzten und Rettungsfahrzeugen bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden kann, medizinische Einrichtungen in Bangladesch äußerst selten und von schlechter Qualität sind, die Krankenhäuser insgesamt nur über 1.169 Intensivstationsbetten verfügen, auf 10.000 Einwohner insgesamt acht Krankenhausbetten entfallen, ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Doktoren Krankenschwestern und Spitalsbetten herrscht und Schätzungsweise lediglich 12 % aller schweren Krankheitsfälle das staatliche Gesundheitssystem erreichen, kann – derzeit - in Bangladesch eine adäquate Behandlung der Erkrankung des BF nicht gewährleistet werden und es muss im Fall eines Rezidivs von zeitnahen, lebensbedrohlichen Folgen der Erkrankung ausgegangen werden. Solange nicht ausgeschlossen werden kann, dass beim BF Abszesse wieder auftreten, besteht für ihn die reale Gefahr einer rapiden, lebensgefährlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch.

Dem BF ist sohin im konkreten Einzelfall gelungen, im Entscheidungszeitpunkt ein „real risk“ einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK im Falle einer Rückführung in seinem Herkunftsstaat Bangladesch aufzuzeigen.

Es wird jedoch im Zuge der weiteren Behandlungen und Untersuchungen festzustellen sein, ob die Ursache der Erkrankung nicht doch genau lokalisiert werden kann und damit sich weitere oder geänderte Behandlungsmethoden ergeben könnten, welche zukünftig eine adäquate Behandlungsmethode in Bangladesch zulassen.

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG 2005) und der BF andererseits unbescholten ist (Z 3 leg.cit.).

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 stattzugeben.

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt dem BF mit vorliegendem Erkenntnis den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung in der Dauer von einem Jahr, beginnend mit der rechtskräftigen Zustellung dieses Erkenntnisses, zu erteilen ist. Innerhalb dieser Dauer sollten die weiteren erforderlichen medizinischen Abklärungen durchgeführt werden können.

II.3.2. Zu B ? Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides ausführlich wiedergegeben.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Behandlungsmöglichkeiten gesundheitliche Beeinträchtigung medizinische Versorgung Sicherheitslage subsidiärer Schutz Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W195.2210638.1.00

Im RIS seit

15.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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