TE Bvwg Beschluss 2020/7/6 W170 2222486-1

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Entscheidungsdatum

06.07.2020

Norm

ÄrzteG 1998 §59
B-VG Art133 Abs4
VwGG §30 Abs2
VwGG §30a Abs1
VwGG §30a Abs3
VwGG §30a Abs9
VwGG §46 Abs4

Spruch

W170 2222486-1/37E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über den Antrag auf (I.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision und (II.) der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen von XXXX , vertreten durch XXXX , vom 02.07.2020, gegen das

Erkenntnis

des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2020, Zl. W170 2222486-1/26E, beschlossen:

A)       I. Der Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß §§ 30a Abs. 1 iVm Abs. 9, 46 Abs. 4 VwGG als unzulässig zurückgewiesen.

II. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der außerordentlichen Revision wird gemäß §§ 30 Abs. 2, 30a Abs. 3 VwGG nicht stattgegeben.

B)       Die Revision ist nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.05.2020, Zl. W170 2222486-1/26E, wurde die Beschwerde und der Vorlageantrag mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Berechtigung des XXXX (in Folge: Revisionswerber) zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr besteht und er aus der Ärzteliste zu streichen ist. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz für nicht zulässig erklärt. Dieses Erkenntnis langte am 19.05.2020 in den elektronischen Verfügungsbereich des Vertreters ein.

2. Die außerordentliche Revision wurde, verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, am 02.07.2020, um 00:19 Uhr, mittels elektronischen Rechtsverkehres beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht und wurde daher dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung– weil diese Ausfertigung keinen Hinweis darauf enthielt, dass diese auch postalisch eingebracht wurde – mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.07.2020 auf Grund der (vermeintlich) verspäteten Einbringung der Revision nicht zuerkannt.

3. Mit Schreiben vom 02.07.2020 (eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht mittels elektronischem Rechtsverkehr um 16:29:31 Uhr) übermittelt der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem verbunden mit einem neuerlichen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision.

4. Am 06.06.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Gleichschrift der Revision ein, die am 01.07.2020, um 23.20.45 Uhr, beim Postamt 1006 Wien zur Post gegeben worden war; auch diese Revision war mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden.

Dieser Antrag war wie folgt begründet:

„Gemäß § 30 Abs 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch den angefochtenen Beschluss eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der angefochtene Beschluss ist im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG durch Streichung aus der Ärzteliste mit Datum des angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides und Einzug des Ärzteausweises ‚vollzugstauglich‘.

Zwingende öffentliche Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im vorliegenden Fall entgegenstünden, sind nicht erkennbar.

Mit der Ausübung der eingeräumten Berechtigung durch die belangte Behörde ist jedoch für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG verbunden:

Der Revisionswerber hat bereits im Verfahren vorgebracht und hat sich während des Verfahrens durch rechtskräftigen Abschluss des gegen den Revisionswerber geführten gerichtlichen Strafverfahren herausgestellt, dass die für die ärztliche Berufsausübung erforderliche Vertrauenswürdigkeit bei ihm im Sinne des § 4 Abs 2 Z 3 ÄrzteG 1998 gegeben ist. Er ist mit der Ausübung der eingeräumten Berechtigung den aufgezeigten Verhinderungen in seiner Berufsausübung sowie unzumutbaren Belästigungen schon seit nahezu mehr als 6 Jahren ausgesetzt.

In dem die aufschiebende Wirkung der Revision betreffenden Verfahren ist zwar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen und daher in diesem Provisorialverfahren in der Regel zunächst vom Zutreffen der für die Beurteilung im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG relevanten Annahmen des Verwaltungsgerichtes auszugehen. Hat dieses jedoch– wie im vorliegenden Fall – seine Auffassung auf eine unvollständige Beurteilung gestützt, welche von vornherein als unschlüssig und rechtswidrig zu erkennen ist oder das (aufgezeigte) rechtliche Gehör überhaupt unterlassen, so kann nicht vom Zutreffen der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Annahmen des Bundesverwaltungsgerichtes ausgegangen werden.

Das bedeutet, dass die Frage der allgemeinen Erfordernisse für die Erfüllung der Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit im bisherigen Verfahren nicht geklärt wurde.

Der Revisionswerber wäre durch die Untersagung der Berufsausübung weiterhin unzumutbaren Verhinderungen seiner Berechtigung zur Berufsausübung und Belästigungen ausgesetzt. Die mit der Ausübung der eingeräumten Berechtigung verbundene Untersagung der Berufsausübung hat gegenüber den Interessen des Revisionswerbers an der Berufsausübung durch den vorliegenden aufgezeigten Sachverhalt kein höheres Gewicht, sodass ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG vorliegt.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sind daher gegeben.“

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere dem ERV Folgeeingabeprotokoll, dem Sendungsprotokoll, dem Verbindungsprotokoll, sowie der Kopie des Postaufgabenachweises.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zum Antrag über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Spruchpunkt I.):

Gemäß § 30a Abs. 9 2. Fall VwGG ist auf Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter anderem § 30a Abs. 1 VwGG sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 30a Abs.1 und 9 VwGG sind Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist oder wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, sind ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen, gemäß § 30a Abs.2 und 9 VwGG

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn diese durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis – so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat – eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 46 Abs. 3 1. Satz VwGG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung unter anderem in den Fällen des § 46 Abs. 1 VwGG bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Gemäß § 46 Abs. 4 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden, ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden.

Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 VwGG in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionserwerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung.

Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sind, mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Gemäß § 33 Abs. 3 AVG werden die Tage von der Übergabe an einen Zustelldienst im Sinne des § 2 Z. 7 des Zustellgesetzes zur Übermittlung an die Behörde bis zum Einlangen bei dieser (Postenlauf) in die Frist nicht eingerechnet.

Bei den Antragsfristen handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, deren Berechnung nach den §§ 32ff AVG zu erfolgen hat. Gegen die Versäumung von verfahrensrechtlichen Fristen steht grundsätzlich das Rechtsinstrument der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand offen.

Die antragstellende Partei bringt im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, dass die außerordentliche Revision am 01.07.2020 um 23.20.45 Uhr und somit rechtzeitig physisch mittels Brief an das Bundesverwaltungsgericht aufgegeben wurde. Daher liegt kein Fall des § 46 Abs. 1 VwGG vor, weil die Revision – auch wenn dies vor Zugang der per Post aufgegebenen Gleichschrift so schien – sich somit nicht als verspätet erweist. Dies ist für das Verwaltungsgericht seit Vorlage der per Post aufgegebenen Gleichschrift erkennbar.

Damit wird allerdings kein Grund für eine Wiedereinsetzung genannt. Eine Wiedereinsetzung ist ein Rechtsbehelf gegen die Versäumung einer Frist (vgl VwGH 29.07.2004, 2004/16/0130; VwGH 24.05.1982, 81/10/0080; 5.7.2000, 2000/03/0045; 8.9.2000, 98/19/0167). Das Vorbringen, wonach die außerordentliche Revision am letzten Tag der 6wöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, zielt darauf ab, dass keine Frist versäumt wurde. Somit kommt eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht in Betracht.

Mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen war der Antrag daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zum neuerlichen Antrag über Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision (Spruchpunkt II.):

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision jedoch der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet auch ein Beschluss über einen Antrag nach § 30 Abs. 2 VwGG die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung. Bei unveränderter Sach- und Rechtslage darf (abgesehen von der Möglichkeit des Verwaltungsgerichtshofes, einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes nach § 30 Abs. 3 VwGG aufzuheben oder abzuändern) daher nicht neuerlich in derselben Sache entschieden werden (vgl. den Beschluss vom 10. November 2014, Ra 2014/15/0023). Im Fall eines Antrages nach § 30 Abs. 3 VwGG ist – wenn eine wesentliche Änderung der für die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung maßgeblichen Voraussetzungen nicht behauptet wird – grundsätzlich nur die Begründung des ursprünglichen Antrages maßgeblich. Das Verfahren nach § 30 Abs. 3 VwGG dient nicht dazu, dem Antragsteller eine weitere "Nachbegründung" seines Antrages zu erlauben; vielmehr sollen einerseits eine Überprüfung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf Basis der bereits diesem vorgelegenen Entscheidungsgrundlagen und andererseits die Berücksichtigung von wesentlichen Änderungen, die auch die Stellung eines neuen Antrages rechtfertigen würden, ermöglicht werden (vgl. den Beschluss des VwGH vom 09.08.2016, Ra 2016/16/0057).

Der Revisionswerber begehrt die Abänderung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.07.2020, Zl. W170 2222486-1/30E, da sich die maßgeblichen Voraussetzungen für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung wesentlich geändert haben. Dem ist beizupflichten, es ist über den Antrag daher nochmals zu entscheiden.

Ebenso ist dem Revisionswerber beizupflichten, dass das Erkenntnis dem Vollzug zugänglich ist; nicht beizupflichten ist dem Revisionswerber hingegen diesbezüglich, dass keine öffentlichen Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen. Wie das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung bereits dargetan hat, kommt dem Revisionswerber die für die ärztliche Tätigkeit notwendige Vertrauenswürdigkeit nicht mehr zu. Die Verhinderung der Behandlung von Kranken und Gesunden durch einen nicht vertrauenswürdigen Arzt ist als schwerwiegendes öffentliches Interesse zu werten. Dieses Interesse wiegt schwerer als das alleinige Interesse des Revisionswerbers einer ärztlichen Tätigkeit nachzugehen; dem Antrag ist nicht zu entnehmen, dass diese Tätigkeit für die Erwirtschaftung der Lebenshaltungskosten unbedingt erforderlich ist, zumal der Revisionswerber die letzten sechs Jahre seinen Lebensunterhalt bereits anders erwirtschaftet hat.

Daher ist dem Antrag wegen Überwiegens der öffentlichen Interessen nicht stattzugeben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß § 25a Abs. 2 VwGG nicht zulässig.

Schlagworte

Arzt Ärzteliste aufschiebende Wirkung - Entfall außerordentliche Revision Berufsausübung Fristenwahrung Interessenabwägung öffentliche Interessen Rechtskraftwirkung Revisionsfrist Untersagung Vertrauensverlust Vertrauenswürdigkeit Verwaltungsgerichtshof wesentliche Änderung Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2222486.1.01

Im RIS seit

11.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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