TE Vwgh Erkenntnis 1982/5/24 81/10/0080

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Veröffentlicht am 24.05.1982
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Index

80/03 Weinrecht;

Norm

WeinG 1961 §19 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Mag. Öhler und Mag. Onder als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberrat Mag. Dr. Paschinger über die Beschwerde des M D in N, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 11. Mai 1981, Zl. V/1-8569/1-1981, wegen Versäumung der Frist gemäß § 19 Abs. 6 des Weingesetzes (Wiedereinsetzung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen und der Aktenlage ist der Beschwerdeführer u.a. Eigentümer von zwei Weingärten in der Katastralgemeinde X im Ausmaß von ca. 1 ha. Am 14. November 1980 erstattete der Beschwerdeführer hinsichtlich der in diesen Weingärten befindlichen Sorten "Welschriesling, Neuburger und Muskat-Ottonell" eine Absichtserklärung des Inhaltes, dass er beabsichtige, an diesem Tag die Lese von Trauben zur Erzeugung von Weinen besonderer Reife und Leseart durchzuführen. Diese Absichtsmeldung wurde nach der Aktenlage vom Raiffeisen-Lagerhaus Frauenkirchen am 14. November 1980 um 9.30 Uhr übernommen (wobei dem Verwaltungsakt zu entnehmen ist, dass die Durchschrift dieser Absichtsmeldung folgenden Vermerk trägt: "Storno - zu spät gemeldet - ungültig".

Am 27. November 1980 stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sowie einen Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung im Sinne des § 19 Abs. 9 Weingesetz, BGBl. Nr. 187/1961, in der Fassung BGBl. Nr. 446/1980.

Mit Bescheid vom 11. Februar 1981 wies die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der im § 19 Abs. 6 lit. a Weingesetz vorgeschriebenen Frist zur Erstattung der Absichtsmeldung gemäß § 71 Abs. 4 AVG 1950 als nicht rechtzeitig eingebracht zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 19 Abs. 6 des Weingesetzes die Erzeuger von Trauben, aus denen Wein der in Absatz 4 bezeichneten Art gewonnen werden solle, am Tag der Lese der jeweiligen Rebsorte bis spätestens 9.00 Uhr - falls landesgesetzlich ein Lesetermin für solche Trauben bestimmt werde, nicht vor diesem Termin - diese Absicht unter Angabe der Sorte, Grundstücksbezeichnung und - Größe der Gemeinde, in deren Bereich das betreffende Weingartengrundstück liege, zu melden hätten. Der Beschwerdeführer habe am 14. November 1980 um 9.30 Uhr seine Absicht, auf den Grundstücken Nr. n/1 und n/2, Ried B, die Sorten "Welschriesling, Neuburger und Muskat-Ottonell" zu lesen, bei der Filiale der Raiffeisen-Lagerhausgenossenschaft in Jois, Vorführstelle der Gemeinde Jois, gemeldet. Wie der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 26. November 1980 unter anderem ausgeführt habe, hätte seine Ehefrau am fraglichen Tag spätestens um 8.30 Uhr die erforderliche Meldung bei der Gemeinde Jois erstatten wollen. Bevor sie jedoch das Wohnhaus verlassen habe können, sei die 83- jährige Mutter des Beschwerdeführers gestürzt und hätte sich erheblich verletzt. In der Folge sei die Ehefrau des Beschwerdeführers bemüht gewesen, der Mutter des Beschwerdeführers erste Hilfe zu leisten und den Arzt herbeizurufen. Die Gattin des Beschwerdeführers habe erst nach Versorgung der Mutter des Beschwerdeführers die erforderliche Meldung bei der Gemeinde - Außenstelle Raiffeisen Lagerhaus Frauenkirchen, Filiale Jois, um ca. 9.15 Uhr erstatten können. Der Unfall der Mutter des Beschwerdeführers - so dessen Ausführungen - bilde sicherlich ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, wodurch die Absichtsmeldung eben wenige Minuten verspätet abgegeben worden sei. Der Beschwerdeführer beantrage daher, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen und die Absichtsmeldung als rechtzeitig erstattet anzuerkennen.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 sei gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleide, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

a) die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen ....

Der Antrag auf Wiedereinsetzung müsse gemäß Abs. 2 binnen einer Woche nach Aufhören des Hindernisses gestellt werden.

Im gegenständlichen Falle hätte der Wiedereinsetzungsantrag binnen der Fallfrist von einer Woche nach Aufhören des Hindernisses, das sei bis 24. November 1980, gestellt werden müssen. Der Beschwerdeführer habe diesen Antrag jedoch laut Poststempel erst am 26. November 1980 aufgegeben. Der Wiedereinsetzungsantrag sei daher nicht rechtzeitig eingebracht worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er u.a. vorbrachte, dass die Zeitbestimmung gemäß § 19 Abs. 6 Weingesetz eine Frist für die Geltendmachung eines materiellrechtlichen Anspruches sei. Es sei aber davon auszugehen, dass die Absichtsmeldung von der zuständigen Gemeinde tatsächlich noch zur Kenntnis genommen und schriftlich bestätigt worden sei, sodass aus diesem Grunde auch die Überprüfung des Lesegutes frist- und ordnungsgemäß durch das zuständige Kontrollorgan erfolgt und ebenfalls entsprechend bestätigt worden sei. Damit sei eine materiellrechtliche Sanierung des ursprünglichen Versehens erfolgt und wäre demnach mit Ausstellung der beantragten Bescheinigung vorzugehen gewesen, zumal auch die Mengenmeldung frist- und ordnungsgemäß erstattet worden sei. In eventu werde noch eingewendet, dass nach Schilderung des Sachverhaltes das zuständige Organ die Absichtserklärung entgegengenommen und gefertigt habe, womit dem Wiedereinsetzungsantrag impliciter stattgegeben worden sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 19 Abs. 6 lit. a und Abs. 10 Weingesetz als unbegründet abgewiesen, jedoch den angefochtenen Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erstattung der Absichtsmeldung als unbegründet abgewiesen werde.

Zur Begründung wurde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesstellen und kurzer Darstellung des bisherigen Verwaltungsverfahrens ausgeführt, dass eine Nachsicht "zu den Folgen einer Fristversäumung" unter gewissen Voraussetzungen gemäß § 71 AVG 1950 nur bei verfahrensrechtlichen Fristen möglich sei. Verfahrensrechtliche Fristen seien nur solche, die eine Partei im Zuge eines schon anhängigen Verfahrens "zu setzen" habe. Dies folge aus § 72 Abs. 1 AVG 1950, demzufolge das Verfahren durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Lage zurücktrete, in der es sich vor Eintritt der Versäumung befunden habe. Es müsse sich also um ein bereits anhängiggemachtes Verwaltungsverfahren handeln, in dessen Verlauf die Partei eine Frist versäume, die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen oder in anderen Verwaltungsvorschriften festgesetzt sei, etwa Rechtsmittelfristen oder Fristen durch mündliche Verhandlungen. Eine solche Nachsicht von den Folgen einer Fristversäumnis sei aber nicht möglich bei Versäumung solcher Fristen, innerhalb derer ein materiellrechtlicher Anspruch oder Antrag bei sonstigem Verlust des zugrundeliegenden Rechtes geltend gemacht werden müsse.

Da es sich bei der versäumten Frist des § 19 Abs. 6 lit. a Weingesetz, wie der Beschwerdeführer richtig erkannt habe, um keine verfahrensrechtliche Frist handle (da ein Verfahren noch nicht anhängig gewesen sei), sondern um eine solche, innerhalb derer der materiell-rechtliche Anspruch auf Bescheinigung eines Weines, als Prädikatswein bei sonstigem Verlust dieses Anspruches geltend gemacht hätte werden müssen, sei die Berufung als unbegründet abzuweisen, der erstinstanzliche Bescheid jedoch spruchgemäß zu ändern gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

In Ausführung dieser Beschwerde bringt der Beschwerdeführer u. a. vor, dass davon auszugehen sei, dass es sich bei der Frist des § 19 Abs. 6 Weingesetz um eine Verfahrensfrist handle, gegen welche eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich sei. Ein derartiger Antrag auf Wiedereinsetzung sei spätestens zwischen 9.15 Uhr und 9.30 Uhr am 14. November 1980 mündlich von der Gattin des Beschwerdeführers dadurch abgegeben worden, dass die Absichtsmeldung übernommen und auf dem weißen Einreichschein mit Stampiglie und Unterschrift bestätigt worden sei. In diesem Zusammenhange habe auch die Gattin des Beschwerdeführers die Wiedereinsetzungsgründe vorgetragen. Durch die Übernahme der Absichtsmeldung seitens des hiefür zuständigen Organs (wenn auch um 15 bis 30 Minuten verspätet) sei ein allfälliger Mangel der Einhaltung der Frist für die Behörde verbindlich saniert worden. Auch sei kein Beweisverfahren durchgeführt worden, warum die Ehefrau des Beschwerdeführers die Erklärung verspätet abgegeben habe.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG 1965 i.d.F. BGBl. Nr. 203/1982 zusammengesetzten Senat erwoen:

Die Bestimmung des § 19 Weingesetz, welche mit "Qualitätsweine" überschrieben ist, sieht in ihrem Absatz 4 vor, dass unter den in den lit. a bis f dieses Absatzes angeführten besonderen Bezeichnungen, auch in Verbindung mit einer der Bezeichnungen "Qualitätswein besonderer Reife und Leseart" oder "Prädikatswein" ein Wein in Verkehr gesetzt werden darf, wenn die nachstehend näher beschriebenen Voraussetzungen zutreffen:

a)

"Spätlese" oder Spätlesewein" ...;

b)

"Auslese" oder "Auslesewein" ...;

c)

"Beerenauslese" oder "Beerenauslesewein" ...;

d)

"Ausbruch" oder "Ausbruchwein" ...;

e)

"Trockenbeerenauslese" ...;

f)

"Eiswein" ... .

Absatz 6 des § 19 des Weingesetzes sieht vor, dass der Erzeuger von Trauben, aus denen Wein der im Absatz 4 bezeichneten Art gewonnen werden soll,

              a)              am Tag der Lese der jeweiligen Rebsorte bis spätestens 9.00 Uhr - falls landesgesetzlich ein Lesetermin für solche Trauben bestimmt wird, nicht vor diesem Termin - diese Absicht unter Angabe der Sorte, der Grundstückbezeichnung und -größe ... der Gemeinde, in deren Bereich das betreffende Weingartengrundstück liegt, zu melden hat. Die Gemeinde hat die Meldungen umgehend an den Bundeskellereiinspektor und an die Bezirksverwaltungsbehörde weiterzuleiten.

Absatz 10 des § 19 leg, cit. sieht vor, dass Prädikatswein nicht unter einer der im Absatz 4 angegebenen Bezeichnung in Verkehr gesetzt werden darf, wenn

              a)              die gemäß Absatz 6 vorgeschriebenen Meldungen nicht oder nicht innerhalb der darin vorgesehenen Frist erstattet ... werden.

Gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

              a)              die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen, ... .

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt somit einen Rechtsbehelf der Partei dar, um die Rechtsfolgen einer unverschuldeten Säumnis zu beseitigen. Nach Lehre und Rechtsprechung muss die versäumte Frist eine verfahrensrechtliche Frist sein, deren Ablauf die Möglichkeit, eine Verfahrenshandlung zu setzen - z.B. Berufung zu erheben, einen Antrag zu verbessern - beendet, wobei eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung einer (verfahrensrechtlichen) Wiedereinsetzungsfrist selbst jedoch ausdrücklich (§ 71 Abs. 5 AVG 1950) ausgeschlossen ist (vgl. in diesem Zusammenhang, Walter--Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, Seite 184, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und Literatur). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der im § 19 Abs. 6 Weingesetz normierten Frist um keine verfahrensrechtliche Frist, sondern um eine Frist, die materiellrechtlichen Charakter hat, wobei es dem Weinbautreibenden freisteht den Tag der Lese eines Qualitätsweines - bedingt durch die von der Natur vorgegebenen Umstände - nach Maßgabe des § 13 Abs. 6 lit. a leg. cit. festzusetzen.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn sich die belangte Behörde mit dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund nicht weiter auseinander gesetzt hat, zumal ja auch der Beschwerdeführer selbst in seiner Berufung zutreffend davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Frist des § 19 Abs. 6 Weingesetz um eine materiell-rechtliche Frist handelt.

Dem Beschwerdeführer ist es sohin nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Die Beschwerde war daher auf Grund des § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 24. Mai 1982

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1981100080.X00

Im RIS seit

23.04.2004

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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