TE Vfgh Erkenntnis 1995/10/2 V57/95

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Veröffentlicht am 02.10.1995
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

B-VG Art18 Abs2
Verordnung der Gemeinde Wagrain vom 04.04.91, mit der die sogenannte "Röckgasse" zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt wurde
Sbg LandesstraßenG 1972 §41

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Öffentlicherklärung einer Interessentenstraße mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung eines Antrags der Miteigentümer

Spruch

Die Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain vom 4. April 1991, mit der die sogenannte "Röckgasse" zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt wurde, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Am 4. April 1991 faßte die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain einstimmig den Beschluß, die sogenannte "Röckgasse" nach Maßgabe des vorliegenden Lageplanes zur öffentlichen Interessentenstraße zu erklären. Dieser Beschluß wurde am 21. Mai 1991 kundgemacht; in der Kundmachung heißt es abschließend, daß diese "Verordnung .... mit Ablauf der Kundmachungsfrist, das ist am 5. Juni 1991, rechtswirksam" wird.

2. Nachdem am 18. Dezember 1991 eine Vollversammlung der Interessentenweggenossenschaft Röckgasse stattgefunden hatte, bei der eine Satzung beschlossen wurde, erging am 10. Oktober 1992 ein Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Wagrain, in dem ausgesprochen wurde, daß gemäß §37 des Salzburger Landesstraßengesetzes 1972, LGBl. Nr. 119/1972 (künftig: Sbg LStrG 1972) die Interessentenweggenossenschaft Röckgasse gebildet wird.

Die gegen diesen Bescheid von einem der Genossenschafter eingebrachte Berufung, die sich gegen die Einbeziehung einer ihm gehörigen Liegenschaft richtete, wurde mit Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain vom 15. Jänner 1993 als unbegründet abgewiesen.

Der dagegen erhobenen Vorstellung wurde von der Salzburger Landesregierung als Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom 15. September 1993 stattgegeben, der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Wagrain zurückverwiesen.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Gemäß §37 Abs1 Landesstraßengesetz vermitteln Interessentenstraßen den öffentlichen Verkehr von Siedlungen mit den öffentlichen Straßen und erlangen diese Eigenschaft durch Verordnung der Straßenrechtsbehörde.

Gemäß §40 Abs1 leg.cit. dient eine Privatstraße dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie diesen nicht durch äußere Kennzeichen ausschließt. Dies darf dann nicht erfolgen, wenn die Straße vom Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde, oder wenn die Privatstraße in zumindest 20-jähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde.

§41 Landesstraßengesetz bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Privatstraße zu einer öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden kann. Nach Abs1 dieser Bestimmung kann der Eigentümer einer Privatstraße - und nur dieser - von der Straßenrechtsbehörde die Feststellung begehren, daß bezüglich dieser Straße ein Verkehrsbedürfnis vorliegt, das dem an einer Gemeindestraße oder an einer Interessentenstraße bestehenden entspricht. Liegt eine solche Feststellung vor, so ist die Privatstraße als Gemeindestraße zu übernehmen bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des §37 Abs1 Landesstraßengesetz - wie §41 Abs2 leg.cit. ausdrücklich anordnet - als öffentliche Interessentenstraße zu erklären.

Daraus ergibt sich nicht nur, daß die Straßenrechtsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §41 Landesstraßengesetz eine Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße zu erklären hat, sondern auch, daß nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen, d. h., wenn dies vom Eigentümer der Privatstraße verlangt wird, ein im privaten Eigentum stehender Verkehrsweg zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden darf.

Da der Vorstellungswerber als Eigentümer jenes Teiles des Grdst. 945/2 KG Schwaighof, der einen Teil der Interessentenstraße 'Röckgasse' bilden sollte, einen solchen Antrag auf Erklärung der Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße nie gestellt hat, leidet die den Bescheiden des Bürgermeisters und der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain vorangehende Verordnung an einer Rechtswidrigkeit. Ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß sich diese Entscheidung anlehnt an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4.12.1986 V4/84.

Bezogen auf das Vorstellungsverfahren bedeute dies, daß - mangels eines gesetzeskonformen Verordnungsverfahrens 'Interessentenstraße Röckgasse' - die bescheidmäßige Bildung der Genossenschaft und die Bezeichnung der Mitglieder gemäß §37 Abs3 des Landesstraßengesetzes rechtswidrig war.

Da die Gemeindevertretung als Berufungsbehörde diesen Mangel des Bescheides des Bürgermeisters nicht erkannt hat, wurden die Vorstellungswerber in ihren Rechten im Sinne des §63 Abs4 der Gemeindeordnung verletzt. Der bekämpte Bescheid vom 15.1.1993 war daher aufzuheben.

Im nunmehr fortzusetzenden Verfahren wird die Gemeindevertretung den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Wagrain im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage und die zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aufheben müssen.

Abschließend wird unter Hinweis auf §37 Abs1 und §4 Abs1 Landestraßengesetz darauf hingewiesen, daß Interessentenstraßen ihre Eigenschaft als solche durch Verordnung der Straßenrechtsbehörde, und das ist in diesem Fall der Bürgermeister (§37 Gemeindeordnung 1976) erlangen. Insoferne leidet das Verordnungsverfahren (vergleiche Beschluß der Gemeindevertretung vom 4.4.1991) auch noch am Fehler, daß statt des Bürgermeisters (richtig) die Gemeindevertretung (falsch) als verordnungserlassende Behörde tätig geworden ist."

3. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1902/93 eine auf Art119a Abs9 iVm Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Marktgemeinde Wagrain gegen diesen Bescheid anhängig.

4. Bei der Beratung über diese Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Wagrain vom 4. April 1991, mit der die sogenannte "Röckgasse" zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt wurde, entstanden. Der Gerichtshof hat daher am 2. März 1995 beschlossen, die Gesetzmäßigkeit dieser Verordnung von Amts wegen zu prüfen. Dabei ging er von der Annahme aus, daß die Beschwerde zulässig ist und er die Verordnung vom 4. April 1991 als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides heranzuziehen hätte.

5.1. Die Salzburger Landesregierung hat im Verordnungsprüfungsverfahren eine Äußerung erstattet, in der sie im wesentlichen ausführt:

"Was die Beurteilung in rechtlicher Hinsicht betrifft, darf - um Wiederholungen zu vermeiden - auf den Bescheid vom 15.9.1993, Zahl: 1/04-33.450/1-1993 (dort Seite 9 ff), aufliegend im hiemit vorgelegten Akt, verwiesen werden.

Abschließend wird bemerkt, daß im Hinblick auf die Anhängigkeit des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof von einer (nachträglichen) Aufhebung der gegenständlichen Verordnung durch die Landesregierung abgesehen worden ist. Der rechtlichen Beurteilung durch den Verfassungsgerichtshof zur Frage der Zuständigkeit für die Verordnungserlassung (Bürgermeister oder Gemeindevertretung) hinsichtlich öffentlicher Interessenten-Straßen sowie zu der im Beschluß vom 2.3.1995 angesprochenen Rechtsfrage, auf welche im bekämpften Vorstellungsbescheid vom 15.9.1993 eingegangen worden ist, wird mit Interesse entgegen gesehen."

5.2. Die Berufungswerber des gemeindebehördlichen Verfahrens haben als mitbeteiligte Parteien ebenfalls eine Äußerung erstattet und darin im wesentlichen ausgeführt:

"Auf Seite 11 des genannten Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 2.3.1995, V57/95-1 ist ausgeführt, daß die mitbeteiligten Parteien ein Begehren auf Erklärung der in ihrem Eigentum stehenden Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße nicht gestellt haben dürften.

Die mitbeteiligten Parteien bestätigen hiemit ausdrücklich, daß sie ein derartiges Begehren auch tatsächlich nie gestellt haben. Sie haben vielmehr auch in ihrer Äußerung vom 25.1.1994 an den Verfassungsgerichtshof (B1902/93-1 bzw. V85/93-2) angegeben und zum Ausdruck gebracht, daß der Verlauf des Interessentenweges über die Parzelle 945/2 KG Schwaighof nicht in ihrem Interesse liegt und dieser Wegverlauf ausdrücklich deren Interessen widerspricht."

6. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

6.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Sbg LStrG 1972 für die Erklärung einer bestehenden Straße zur öffentlichen Interessenstraße sind im VII. Abschnitt 'Von den öffentlichen Interessentenstraßen' und im VIII. Abschnitt 'Von den dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraßen' enthalten. Sie lauten wie folgt:

"§37

(1) Die Interessentenstraßen vermitteln den öffentlichen Verkehr von Siedlungen mit den öffentlichen Straßen und erlangen und verlieren ihre Eigenschaft als öffentliche Interessentenstraßen durch Verordnung der Straßenrechtsbehörde.

(2) Der Bau einer Interessentenstraße oder die Übernahme einer bestehenden Straße als Interessentenstraße und die Erhaltung der Straße kommt einer Weggenossenschaft derjenigen zu, in deren Interesse die Straße errichtet wird oder besteht.

(3) Die Bildung und Auflassung der Genossenschaft und die Bezeichnung ihrer Mitglieder ist mit Bescheid der Straßenrechtsbehörde zu bewirken."

"§40

(1) Eine Privatstraße dient dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie nicht durch äußere Kennzeichen (Abschrankungen, ausdrückliches Benützungsverbot usw.) diesen Verkehr ausschließt. Eine solche Ausschließung darf soweit nicht erfolgen, als

a) die Privatstraße durch den Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde,

b) die Privatstraße in zumindest zwanzigjähriger Übung auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses

allgemein und ungehindert benutzt wurde.

(2) Über die Zulässigkeit und den Umfang des Ausschlusses des Verkehrs entscheidet über Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde nach einer mündlichen Verhandlung, die durch Anschlag in der Gemeinde kundzumachen ist. Ein solcher Antrag kann vom Eigentümer der Privatstraße und von jedem die Privatstraße auf Grund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses Benützenden gestellt werden. Partei im Verfahren ist außer dem Antragsteller nur der Eigentümer der Privatstraße."

Der durch die Novelle LGBl. für Salzburg Nr. 70/1973 eingefügte Abs3 des §40 enthält Vorschriften für Vorhaben, die wichtigen allgemeinen Verkehrsinteressen oder ebensolchen überörtlichen Interessen des Fremdenverkehrs dienen und kann hier außer Betracht bleiben.

"§41

(1) Der Eigentümer einer Privatstraße kann von der Straßenrechtsbehörde die Feststellung begehren, daß bezüglich dieser Straße ein Verkehrsbedürfnis vorliegt, das dem an einer Gemeindestraße oder an einer Interessentenstraße bestehenden entspricht. Partei in einem solchen Verfahren ist außer dem Antragsteller die Gemeinde.

(2) Liegt eine solche Feststellung vor, so ist die Privatstraße als Gemeindestraße zu übernehmen bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des §37 Abs1 als Interessentenstraße zu erklären."

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich folgende Rechtslage:

Gemäß §37 Abs1 Sbg LStrG 1972 vermitteln Interessentenstraßen den öffentlichen Verkehr von Siedlungen mit den öffentlichen Straßen und erlangen und verlieren diese Eigenschaft als öffentliche Interessentenstraße durch Verordnung der Straßenrechtsbehörde. Eine Privatstraße dient gemäß §40 Abs1 leg.cit. dann dem öffentlichen Verkehr, wenn sie diesen nicht durch äußere Kennzeichen ausschließt; letzteres darf nicht geschehen, wenn die Straße vom Grundeigentümer für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde oder wenn die Privatstraße in zumindest zwanzigjähriger Übung aufgrund eines dringenden Verkehrsbedürfnisses für den allgemeinen Verkehr dauernd gewidmet wurde. Nach §40 Abs2 Sbg LStrG 1972 hat über die Zulässigkeit und den Umfang des Ausschlusses des Verkehrs über Antrag oder von Amts wegen die Straßenrechtsbehörde zu entscheiden. Darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Privatstraße zu einer öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden kann, findet sich näheres (nur) in §41 Sbg LStrG 1972. Nach Abs1 dieser Bestimmung kann der Eigentümer einer Privatstraße - und nur dieser - von der Straßenrechtsbehörde die Feststellung begehren, daß bezüglich dieser Straße ein Verkehrsbedürfnis vorliegt, das dem an einer Gemeindestraße oder an einer Interessentenstraße bestehenden entspricht. Liegt eine solche Feststellung vor, so ist die Privatstraße als Gemeindestraße zu übernehmen bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des §37 Abs1 Sbg LStrG 1972 - wie §41 Abs2 leg.cit. ausdrücklich anordnet - als öffentliche Interessentenstraße zu erklären.

6.2. Der Verfassungsgerichtshof hat zunächst erwogen, ob die Annahme des Einleitungsbeschlusses, daß der in Prüfung gezogenen Regelung Präjudizialität im Sinne des Art139 Abs1 B-VG zukommt, tatsächlich zutrifft.

Im Einleitungsbeschluß wurde hiezu folgendes ausgeführt:

"Die Gemeinde stützt ihre Beschwerdelegitimation auf Art119 a Abs9 B-VG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechtes der Gemeinde im Sinne der zitierten Verfassungsbestimmung nur dann und insoweit vor, als eine staatliche Behörde eine Maßnahme trifft, insbesondere einen Bescheid erläßt, womit das Recht der Gemeinde auf Besorgung einer bestimmten Angelegenheit im eigenen Wirkungsbereich schlechthin verneint wird. Dies trifft beispielsweise dann zu, wenn die Aufsichtsbehörde einen gemeindebehördlichen Bescheid aufgrund einer Vorstellung zu Unrecht mit der Begründung aufhebt, die Angelegenheit falle nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde, oder im Vorstellungsverfahren einen Bescheid erläßt, mit dem nach Art einer Berufungsentscheidung in der Verwaltungssache selbst entschieden wird (vgl. VfSlg. 7459/1974).

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, die Gemeindevertretung als Berufungsbehörde habe nicht erkannt, daß die Bildung der Genossenschaft und die Bezeichnung ihrer Mitglieder mit Bescheid vom 10. Oktober 1992 schon deshalb rechtswidrig war, weil sie auf einer gesetzwidrigen Verordnung beruhte. Im fortgesetzten Verfahren werde die Gemeinde die Verordnung aufzuheben haben. Der Verfassungsgerichtshof ist vorläufig der Ansicht, daß die Bindungswirkung eines Vorstellungsbescheides geeignet ist, einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde zu bewirken, wenn sie - wie hier - darauf hinausläuft, daß eine Gemeinde eine von ihr erlassene Verordnung aufzuheben habe; dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Gemeinde tatsächlich verpflichtet wäre, die in Rede stehende Verordnung aufzuheben. Die belangte Behörde hat bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Verordnung vom 4. April 1991 auch insoferne angewendet, als die Aufhebung des bei ihr mit Vorstellung angefochtenen Bescheides der Gemeindevertretung darauf gestützt wird, daß die vermeintliche Gesetzwidrigkeit der Verordnung vom 4. April 1991 von der Gemeindevertretung als Berufungsbehörde nicht erkannt worden sei, was die Vorstellungswerber in ihren Rechten im Sinne des §63 Abs4 der Gemeindeordnung verletze.

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß auch er bereits bei der Beurteilung dieser Fragen die Verordnung vom 4. April 1991 als Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides heranzuziehen hätte."

Dieser vorläufigen Annahme des Einleitungsbeschlusses wurde von keiner Seite entgegengetreten. Im Verfahren ist auch sonst nichts hervorgekommen, was gegen die im Prüfungsbeschluß vorläufig angenommene Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnung spricht. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

6.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Einleitungsbeschluß seine Bedenken wie folgt dargelegt:

"... Mit der vorliegenden Verordnung wurde eine bereits bestehende Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt. In diese öffentliche Interessentenstraße wurde auch ein Teil der GP. 945/2 KG Schwaighof, die sich im Eigentum der mitbeteiligten Parteien befindet, einbezogen. Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß eine Feststellung im Sinne des §41 Sbg LStrG 1972, daß 'bezüglich dieser Straße ein Verkehrsbedürfnis vorliegt, das dem an einer Gemeindestraße oder an einer Interessentenstraße bestehenden entspricht', von den mitbeteiligten Parteien nie begehrt wurde und daß diese auch einer Benützung der in ihrem Eigentum stehenden GP. 945/2 KG Schwaighof für die Zwecke der Interessentenstraße Röckgasse nie zugestimmt haben.

Durch die Erklärung einer Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße wurde nach §3 Abs1 Sbg LStrG 1972 der Gemeingebrauch an der Straße gestattet und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese schon vorher nach §40 Abs1 leg.cit. dem öffentlichen Verkehr gedient hat.

Aus der Rechtslage scheint sich nicht nur zu ergeben, daß die Straßenrechtsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §41 Sbg LStrG 1972 eine Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße zu erklären hat, sondern auch, daß nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen - das heißt, wenn dies der Eigentümer der Privatstraße verlangt - ein im privaten Eigentum stehender Verkehrsweg zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden darf.

Die mitbeteiligten Parteien dürften ein Begehren auf Erklärung der in ihrem Miteigentum stehenden Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße nie gestellt haben. Auch sonst dürfte sich keine Rechtsgrundlage dafür finden, daß die 'Röckgasse' zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden durfte. Die vorliegende Verordnung scheint daher mit Gesetzwidrigkeit belastet zu sein."

6.3.2. Die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes haben sich als zutreffend erwiesen.

Die Voraussetzungen, unter denen eine Privatstraße zu einer öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden kann, sind - wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 11162/1986 ausgeführt hat - in §41 Sbg LStrG 1972 abschließend geregelt. Der Gerichtshof führte in diesem Erkenntnis - von dem abzugehen er sich nicht veranlaßt sieht - aus:

"Nach Abs1 (des §37 LStrG) ... kann der Eigentümer einer Privatstraße - und nur dieser - von der Straßenrechtsbehörde die Feststellung begehren, daß bezüglich dieser Straße ein Verkehrsbedürfnis vorliegt, das dem an einer Gemeindestraße oder an einer Interessentenstraße bestehenden entspricht. Liegt eine solche Feststellung vor, so ist die Privatstraße als Gemeindestraße zu übernehmen bzw. bei Vorliegen der Voraussetzungen des §37 Abs1 LStG - wie §41 Abs2 leg.cit. ausdrücklich anordnet - als öffentliche Interessentenstraße zu erklären. Hieraus ergibt sich nicht nur, daß die Straßenrechtsbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §41 LStG eine Privatstraße zur öffentlichen Interessentenstraße zu erklären hat, sondern auch, daß nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen - dh., wenn dies vom Eigentümer der Privatstraße verlangt wird - ein im privaten Eigentum stehender Verkehrsweg zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt werden darf."

Die vom Verfassungsgerichtshof im Einleitungsbeschluß geäußerte vorläufige Annahme, wonach die mitbeteiligten Parteien ein Begehren auf Erklärung der in ihrem Miteigentum stehenden Privatstraßen zu öffentlichen Interessentenstraßen nie gestellt haben dürften, wurde von diesen Parteien in ihrer Äußerung im Verordnungsprüfungsverfahren ausdrücklich bestätigt. Daraus ergibt sich, daß die "Röckgasse" ohne Vorliegen einer Voraussetzung des §41 Sbg LStrG 1972 zur öffentlichen Interessentenstraße erklärt wurde. Die in Prüfung gezogene Verordnung war daher als gesetzwidrig aufzuheben.

Ob die Voraussetzungen für eine Enteignung gemäß den §§12 ff. leg.cit. vorliegen, ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung.

7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VerfGG.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Widmung (einer Straße), Verordnungserlassung, Öffentlicherklärung (einer Straße)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:V57.1995

Dokumentnummer

JFT_10048998_95V00057_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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