TE Vwgh Beschluss 2020/8/20 Ra 2020/22/0186

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Veröffentlicht am 20.08.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §39 Abs2 Z1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/22/0187

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision 1. des D A (protokolliert zu hg. Ra 2020/22/0186), und 2. der E A (protokolliert zu hg. Ra 2020/22/0187), beide in G und beide vertreten durch Mag. Manuel Dietrich, Rechtsanwalt in 6971 Hard, In der Wirke 3/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. März 2020, Zlen. L529 1418847-4/10E und L529 1418848-4/9E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Nebenaussprüche (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Oktober 2019 wurden die Anträge der revisionswerbenden Parteien, beide türkische Staatsangehörige und miteinander verheiratet, vom 13. März 2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen. Unter einem wurde gegen die revisionswerbenden Parteien gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei, gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 3 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von vier Jahren erlassen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. März 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wurden und das Einreiseverbot auch auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt wurde. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt.

Soweit für das vorliegende Revisionsverfahren von Relevanz traf das BVwG - auf das Wesentlichste zusammengefasst - folgende Feststellungen: Die revisionswerbenden Parteien seien nach den beiden - jeweils negativ abgeschlossenen - asylrechtlichen Entscheidungen unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Der neun Jahre und vier Monate dauernde Inlandsaufenthalt sei daher zum großen Teil unrechtmäßig. Dass die revisionswerbenden Parteien im Fall einer Abschiebung in die Türkei in ihrem Recht auf Leben gefährdet oder bedroht wären oder dass schwere, im Herkunftsstaat nicht behandelbare Erkrankungen eine Rückkehr in die Türkei unzulässig machen würden, habe nicht festgestellt werden können. Die seitens der revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführten Krankheiten seien in der Türkei behandelbar. Die festgestellten integrationsbegründenden Merkmale ergäben keine Änderung der relevanten Umstände seit der letzten (Rückkehr)Entscheidung; zulasten der revisionswerbenden Parteien sei hinzugekommen, dass diese an der Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht mitgewirkt hätten. Weiters traf das BVwG umfangreiche Länderfeststellungen.

In seinen rechtlichen Erwägungen legte das BVwG mit näherer Begründung dar, dass von keiner wesentlichen Sachverhaltsänderung auszugehen und der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels daher zurückzuweisen gewesen sei, zumal die lange Aufenthaltsdauer (durch die zweifache Asylantragstellung und den langen unrechtmäßigen Aufenthalt) relativiert werde. Es sei - so das BVwG mit näherer Begründung - auch auf Basis der Länderfeststellungen nicht erkennbar, dass die Rückkehr der revisionswerbenden Parteien in die Türkei eine Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK mit sich brächte oder ihnen dadurch die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Es bestehe in der Türkei keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder Rückkehrer einer derartigen Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch dem Beschwerdevorbringen sei eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung im Fall einer Rückkehr in die Türkei nicht zu entnehmen und es seien keine dahingehenden Beweise vorgelegt worden. In diesem Zusammenhang verwies das BVwG auch auf die Erwerbsfähigkeit der revisionswerbenden Parteien, das Beherrschen der türkischen Sprache sowie das Bestehen anhaltender Bindungen zum Herkunftsstaat. Abschließend erfolgten Ausführungen zum Einreiseverbot.

3        Die revisionswerbenden Parteien erhoben gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 1214-1215/2020, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.

4        In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        Die revisionswerbenden Parteien verweisen in ihrem Zulässigkeitsvorbringen auf Art. 3 EMRK sowie die dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und halten dem BVwG insoweit eine unzureichende Sachverhaltsermittlung vor. Es bedürfe in diesem Zusammenhang einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren im Rahmen einer Einzelfallprüfung. Das BVwG habe es unterlassen, eigene Recherchen zur Gefahrenlage anzustellen und es habe sich mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien sowie mit den für sie günstigen Sachverhaltselementen nicht (nachvollziehbar) auseinandergesetzt. Gerügt wird weiters, dass die angeführten Länderfeststellungen nicht mehr aktuell seien. Schließlich sei auch die Covid-19-Pandemie nicht berücksichtigt worden.

7        Die revisionswerbenden Parteien machen mit ihrem Vorbringen Verfahrensmängel geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es jedoch nicht aus, in der Revision die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. etwa VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0099, Rn. 10, mwN).

8        Eine derartige Relevanzdarstellung lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen nicht entnehmen (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung in den Zulässigkeitsgründen etwa VwGH 14.5.2020, Ra 2020/22/0037, Rn. 6). Insbesondere wird weder dargelegt, welches Vorbringen der revisionswerbenden Parteien im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt geblieben wäre, noch, welche weiteren Feststellungen zu treffen gewesen wären, die zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Sachverhaltsgrundlage geführt hätten. Vor dem Hintergrund der unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG zur Erwerbsfähigkeit und zum Gesundheitszustand der revisionswerbenden Parteien vermag die Revision mit ihren Ausführungen nicht darzulegen, dass im Fall einer Abschiebung in die Türkei eine Situation vorläge, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte darstellen würde. Auch hinsichtlich des nicht näher ausgeführten Vorbringens betreffend die unterbliebene Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie wird eine Relevanz des damit behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt (vgl. dazu etwa VwGH 29.6.2020, Ra 2020/01/0182).

9        In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

10       Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

11       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

12       Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigt sich vor dem Hintergrund der gegenständlichen Entscheidung.

Wien, am 13. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220186.L00

Im RIS seit

09.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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