TE Bvwg Beschluss 2020/8/25 W282 2227566-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §9 Abs1 Z4

Spruch

W282 2227566-1/17E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Kosovo, vertreten durch RAST & MUSLIU Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom XXXX 2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.07.2020 beschlossen:

A)       

Die Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 1 Z 4 und § 27 iVm § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang / Feststellungen:

1. Der am XXXX geborene Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und hält sich seit Juni 2015 im Bundesgebiet auf. Der BF reiste mit einer Aufenthaltsbewilligung „Student“, die von 26.06.2015 bis 26.06.2016 gültig war ins Bundesgebiet ein, um dem Studium der deutschen Philologie nachzugehen. Die Aufenthaltsbewilligung „Student“ wurde dem BF von der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien (MA 35) im Juli 2016 bis 27.06.2017 verlängert. Am 12.09.2016 hat der BF einen Zweckänderungsantrag auf eine Aufenthaltsbewilligung „Künstler“ gestellt. Die MA35 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien (Bundesamt oder belangte Behörde) mehrmals über einen Zeitraum von zwei Jahren um eine entsprechende fremdenpolizeiliche Stellungnahme, ohne dass seitens des Bundeamtes eine Antwort erfolgte.

2. Erst Mitte 2018 teilte das Bundesamt schließlich der MA 35 mit, dass keine Bedenken bestünden. In Folge wurde von der MA 35 zuständigkeitshalber das Arbeitsmarktservice (AMS) mit dem Antrag des BF befasst. Mit Bescheid des AMS Wien von 28.09.2018 wurde der Antrag für die Aufenthaltsbewilligung „Künstler“ des BF abgewiesen. Hiergegen wurde vom BF eine Beschwerde eingebracht, die in einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung des AMS Wien vom 21.12.2018 mündete, welche in Folge über Vorlageantrag dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde. Diese Beschwerde wurde jedoch in Folge am XXXX .2019 vom damaligen Rechtsvertreter der BF (RV) zurückgezogen.

3. Gleichzeitig hat der BF beim Bundesamt - ebenfalls am XXXX .2019 - einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 AsylG 2005 gestellt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war aufgrund der Beschwerderückziehung hinsichtlich des BF kein Verfahren nach dem NAG anhängig. Ohne dass ein erkennbares Ermittlungsverfahren - mit Ausnahme eines Aktenvermerks - seitens des verfahrensführenden Referenten des Bundesamtes erfolgte, wurde der BF für XXXX .2019 zur Ausfolgung des beantragten Aufenthaltstitels geladen. Aufgrund Entdeckung erheblicher „Unregelmäßigkeiten“ in gleichartigen Verfahren dieses Referenten durch die Leitung der Regionaldirektion Wien der belangten Behörde, wurde die Ausfolgung der Aufenthaltstitelkarte an den BF gestoppt, das Verfahren besagtem Referenten entzogen, dieser strafrechtlich wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs zur Anzeige gebracht und das Verfahren einem anderen Referenten zur Verfahrensführung zugewiesen. Gegen den BF wurde zu keinem Zeitpunkt ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren in diesem Zusammenhang geführt.

4. Am 16.07.2019 wurde der BF in Anwesenheit seines zwischenzeitig gewechselten Rechtsvertreters zu seinem Antrag vor dem Bundesamt einvernommen. Mit angefochtenem Bescheid vom XXXX .2019, Zl.: XXXX , hat das Bundesamt den Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

5. Der Bescheid wurde dem (damaligen) RV des BF am XXXX .2019 zugestellt.

6. Der (damalige) RV des BF hat in dessen Vertretung am 13.01.2020 gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben. In der Beschwerde führt dieser aus, der Bescheid werde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. In Folge wird in der Beschwerde auszugsweise wie folgt weiter ausgeführt (Zitierung im Original):

„II.2

Beschwerdegründe

Der Bescheid der belangten Behörde wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

Zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit:

Ein Bescheid ist wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, wenn die dem Bescheid Inhalt zugrundeliegenden Rechtsnormen falsch angewendet wurden. Der inhaltlich rechtswidrige Bescheid beruht sohin auf einer falschen Auslegung der Verwaltungsvorschrift, die die belangte Behörde auf den von ihr angenommenen Sachverhalt zur Anwendung brachte (VwSlg 82 A/1947; VWGH 16. 11. 1978, Z12317/77)

Genau dieser Umstand liegt hier vor.

Der Beschwerdeführer erfüllt sämtliche Voraussetzungen gem. § 55 Abs. 1 Asylgesetz. Die Behörde verkennt die außerordentlich tiefe Integration des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer beherrscht die deutsche Sprache auf einem hohen Niveau, er ist familiär fest in Österreich eingebunden, sein Lebensmittelpunkt und seine Bindung an das Bundesgebiet sind evident und dokumentiert. Er sollte deswegen schon von der Behörde in einem 1. Rechtszug den Aufenthaltstitel unter Berücksichtigung des des Artikels 8 Abs. 2 EMRK erhalten, die Behörde hat jedoch aus internen Gründen ein Neues Verfahren angeordnet und die differierende Entscheidung wurde nicht aus sachlichen Gründen getroffen sondern hält einer Überprüfung anhand des Willkürverbots nicht stand.

Es gibt keine direkte Familie des Beschwerdeführers im Kosovo mehr, zu der er einen nahen Bezug hat. Vielmehr sind sämtliche nahen Angehörigen mittlerweile in Österreich. Die Mutter des Beschwerdeführers ist mittlerweile im Kosovo verstorben. Die Schwester des Beschwerdeführers lebt seit dem Jahr 2011 in Wien, es besteht ein starker Zusammenhalt auch hinsichtlich der Kinder der Schwester. (Anlage 1, schriftliche Erklärung der Schwester)

Der Beschwerdeführer ist mittlerweile wiederum zu Vorstudien an der Universität Wien eingeschrieben (Anlage 2).

Er ist für den Studiengang Philologie immatrikuliert, auch dies dokumentiert seine geistige Nähe zur Sprache des Aufenthaltslandes. Er beherrscht die deutsche Sprache auf dem Niveau Zertifikat B2 (Anlage 3).

Dass er sich bemüht hat als Künstler eine Niederlassungsbewilligungen zu erhalten, ist keinesfalls als Umgehung des NAG zu werten. Vielmehr dokumentierte dies sein Bestreben, sich in Österreich eine Existenz aufzubauen, da er aufgrund der familiären Bindung keine andere Wahl hatte. Zudem ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer neben der beruflichen Tätigkeit sein Studium immer weiter betreiben wollte. Hierbei ist hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer eine Ausbildung als Pianist im Kosovo absolviert hat und eine künstlerische Berufsausübung in Ost reich Existenzsicherung jederzeit möglich ist. Diese kann auch der Begleitung und Finanzierung seines Studiums dienen. ihn zur

Soziale Integration in Österreich:

Der Beschwerdeführer Ist in Österreich tief integriert und pflegt innige Beziehung im Freundeskreis, der seit geraumer Zeit besteht. Zudem pflegt er ebenfalls wie bereits erwähnt eine enge familiäre Beziehung zu nahen Verwandten.:

Zeugen

[..]

Alle diese Umstände hatte Behörde nicht ausreichend bei der Abwägung einfließen lassen, damit belastet sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit. Hätte sie das berechtigte Individualinteressen des Beschwerdeführers aufgrund seiner sozialen und familiären Verankerung entsprechend gewichtet, während sie mit Sicherheit zu einem anderen Bescheid gekommen.“

Mit folgendem Wortlaut werden im Anschluss die Beschwerdeanträge ausgeführt:

„Aus den dargelegten Gründen stelle ich bezüglich des angefochtenen Bescheides die

Anträge,

das Bundesverwaltungsgericht möge

1. Eine öffentlich-mündliche Verhandlung unter Ladung der genannten Zeugen, deren Vernehmung zum Beweis der sozialen Integration und des von dem Beschwerdeführer geführten privaten Familienlebens ausdrücklich beantragt wird, durchführen,

2.den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, eventu

3. den angefochtenen Bescheid zu beheben und das Verfahren zur neuerlichen Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen

Wien, den 13. 1. 2020

Beilagen: [..]“

7. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.01.2020 vom Bundesamt vorgelegt. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G 307 abgenommen und der Gerichtabteilung W 282 neu zugewiesen.

8. Am 29.07.2020 konnte über Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts in Erfahrung gebracht werden, dass der BF zwischenzeitig erneut seinen Rechtsvertreter gewechselt und nunmehr von der im Spruchkopf angegebenen Rechtsanwaltskanzlei vertreten wird; dies wurde durch eine Vollmachtsbekanntgabe des neuen RV am selben Tag bestätigt.

9. Am 30.07.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesveraltungsgericht statt, in deren Rahmen mit dem Bundesamt, dem BF sowie seinem nunmehrigen RV insbesondere die Frage etwaig noch offener Anträge nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bei der MA 35 und die Rechtslage im Hinblick auf die gestellten Beschwerdeanträge (kein Antrag auf Sachentscheidung) im Hinblick auf die Entscheidung des VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/11/0044 erörtert wurde. In Hinblick auf letzteren Umstand brachte der RV mit 13.08.2020 eine Stellungnahme ein, in der sinngemäß ausgeführt wird, auch bei einer Bindung des Verwaltungsgerichts an die gestellten Beschwerdeanträge sei aus dem Zusammenhalt mit dem Antrag auf eine mündliche Verhandlung ein Begehren auf Sachenscheidung abzuleiten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifel- und widerspruchsfrei aus dem ggst. Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, insbesondere der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2020 (OZ 14) sowie aus dem vorgelegten Verwaltungsakt des Bundesamtes. Darüber hinaus wurden Auszüge aus dem Zentralen Fremdenregister, Zentralen Melderegister und aus dem Strafregister eingeholt.

Die Feststellungen zum Beschwerdeführer selbst und zum Verfahrensgang bzw. zu den dem BF erteilten Aufenthaltstitel basieren auf Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister, dem Verwaltungsakt des Bundesamtes, dort hinsichtlich des Aufenthaltstitels „Künstler“ auf dem abweisenden Bescheid des AMS (AS 99f), sowie auf der diesbezüglichen Beschwerdezurückziehung vom XXXX .2019 (AS 76). Die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung kein Verfahren nach dem NAG mehr anhängig war, ergibt sich sinngemäß aus der Mitteilung der MA 35 (OZ 15), die auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert und verlesen wurde. Die Feststellungen zu den Umständen des Wechsels des verfahrensführenden Referenten des Bundesamtes basieren auf dem diesbezüglichen Begleitschreiben zur Aktenvorlage des Bundesamtes vom 14.01.2020. Dass gegen den BF kein Ermittlungsverfahren in diesen Zusammenhang geführt wurde, ergibt sich aus der entsprechenden Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wien (OZ 6).

Der (auszugsweise) festgestellte Inhalt der Beschwerdegründe samt den gestellten Beschwerdeanträgen ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz des (damaligen) RV des BF vom 13.01.2020 (AS 181f).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen der Verwaltungsgerichte durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

3.1 Zur Zulässigkeit der Antragstellung des BF vor dem Bundesamt

§ 58 Abs. 9 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist.“

Aufgrund der erheblichen „Unregelmäßigkeiten“ die das Verfahren vor dem Bundesamt im Hinblick auf jenen Referenten, der den Antrag des BF entgegenkommen hat und das Verfahren bis Anfang April 2019 geführt hat, erfahren hat, war insbesondere zu prüfen, ob sich der BF zum Zeitpunkt der ggst. Antragstellung nicht noch in einem Verfahren nach dem NAG befunden hat. Diesfalls wäre der Antrag von der belangten Behörde gemäß § 58 Abs. 9 AsylG 2005 zurückzuweisen gewesen.

Noch während der mündlichen Verhandlung am 30.07.2020 langte eine Mitteilung der MA 35 ein (OZ 15), die einen – letztlich missverständlichen – Eintrag in das Zentrale Fremdenregister hinsichtlich des BF aufklärte. Der BF hatte sich im Hinblick auf seinen Zweckänderungsantrag vom September 2016, der erst im Herbst 2018 vom AMS Wien unter Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung abgewiesen wurde, wobei gegen diese Abweisung Beschwerde (Vorlageantrag) an das Bundesverwaltungsgericht erhoben wurde, bei der MA 35 am XXXX .2019 eine Bestätigung („Vignette“) nach § 24 NAG ausstellen lassen, da er kurzfristig in sein Heimatland zurückreisen musste. Mit selbigem Datum wurde von der MA 35 ein erneuter Antrag auf Zweckänderung im Zentralen Fremdenregister gespeichert. Dieser Eintrag erweckte den Eindruck, der BF habe am 22.01.2019 (auch) einen erneuten Antrag auf Zweckänderung seines Aufenthaltstitels gestellt. Tatsächlich bezieht sich dieser Eintrag jedoch auf den Zweckänderungsantrag vom September 2016. Mit Schriftsatz des (ersten) RV des BF vom XXXX .2019 wurde die Beschwerde gegen die Abweisung dieses Zweckänderungsantrags durch das AMS Wien zurückgezogen. Am selben Tag stellte der BF den ggst. Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AslyG 2005 vor dem Bundesamt.

Fest steht daher, dass sich der BF zum Zeitpunkt der ggst. Antragstellung aufgrund der unwiderruflichen Beschwerderückziehung hinsichtlich des Zweckänderungsantrages in keinem Verfahren nach dem NAG befunden hat und daher kein Zurückweisungsgrund des
§ 58 Abs. 9 AsylG 2005 vorlag.

3.2 Zur Zurückweisung der Beschwerde in Form der Beschwerdeanträge wegen Unzulässigkeit

§ 9 Abs. 1 VwGVG idgF lautet wie folgt:

㤠9. (1) Die Beschwerde hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides oder der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.“

§ 27 VwGVG idgF lautet wie folgt:

„§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.“

Im Hinblick auf die vorgebrachten Beschwerdegründe und die erstatteten Beschwerdeanträge (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) ist festzuhalten, dass iSd § 27 VwGVG das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich an die geltend gemachten Beschwerdegründe und Beschwerdeanträge gebunden ist. Zwar ist hinsichtlich der ausgeführten Beschwerdegründe (§ 9 Abs. 1 Z 3 leg. cit.) keine übermäßig formale bzw. strenge Bindung anzunehmen, hinsichtlich der Beschwerdeanträge, also dem konkreten Beschwerdebegehren (§ 9 Abs. 1 Z 4 leg. cit.) ist jedoch darauf abzustellen, ob eine Entscheidung in der „Sache“ selbst begehrt wird, oder – wenn es die Sache des Beschwerdeverfahrens zulässt – bloß eine (ersatzlose) Behebung des angefochtenen Bescheids. Jedenfalls wird der Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichts durch die Beschwerdeanträge und der Erklärung über den Umfang der Anfechtung entsprechend beschränkt (VwGH 26. 3. 2015, Ra 2014/07/0077, Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §9 VwGVG, Rz 40f).

Die „Sache“ des Verwaltungsverfahrens, also jene Sache, die die Behörde in erster Instanz zu erledigen hatte, ergibt sich dabei aus dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides. Zusammen mit der Beschwerde gegen diesen Bescheid, insbesondre aus der Erklärung über den Umfang der Anfechtung und aus den gestellten Beschwerdeanträgen, ergibt sich somit die Sache des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens.

In einer seiner Entscheidung vom 30.06.2016 (Zl.: Ra 2016/11/0044) umreißt der Verwaltungsgerichtshof dieses Verhältnis von Beschwerdeanträgen und der Sache des Beschwerdeverfahrens in den Rn. 10 bis 12 des genannten Erkenntnisses wie folgt:

„10 3.1.1. Liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG vor, so hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Beschwerdeverfahren einzustellen ist, "in der Sache" zu entscheiden. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht über den Inhalt der vor der Verwaltungsbehörde behandelten Rechtssache abspricht, wobei es entweder die Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid abweist oder dieser durch seine Entscheidung Rechnung trägt. Das Verwaltungsgericht hat somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. grundlegend das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063). "Sache" des Beschwerdeverfahrens ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl. zB. die hg. Beschlüsse vom 17. Dezember 2014, Zl. Ra 2014/03/0049, und vom 29. April 2015, Zl. Ra 2015/03/0015, sowie insbesondere das hg. Erkenntnis vom 8. September 2015, Zl. Ra 2015/18/0134 mwN.). Nimmt das Verwaltungsgericht mit einer Entscheidung in einer Angelegenheit, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Verwaltungsbehörde war, mithin mit einer "Überschreitung der Sache" des Verfahrens der belangten Behörde, eine ihm nach dem Gesetz nicht zustehende Kompetenz in Anspruch, belastet es seine eigene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. September 2014, Zl. Ro 2014/11/0074, vom 26. März 2015, Zl. Ro 2014/11/0019, sowie das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. Ra 2015/18/0134).

11 3.1.2. Nach § 66 Abs. 4 erster Satz AVG hat die Berufungsbehörde, soweit nicht ein Fall des Abs. 2 vorliegt, immer in der Sache selbst zu entscheiden, soweit die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist. Unzulässigkeit der Berufung liegt auch vor, wenn der Berufungswerber von der Berufungsbehörde eine Entscheidung in einer anderen Sache als derjenigen begehrt, die "Sache" des mit dem durch Berufung bekämpften Bescheid abgeschlossenen Verfahrens war. Ein in der Berufung gestellter Antrag auf Entscheidung in einer anderen Sache, mithin ein Berufungsantrag, der sich nicht innerhalb der "Sache" des Verfahrens der Erstbehörde bewegt, ist kein zulässiger Berufungsantrag (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1997, Zl. 96/19/3389, vom 24. September 1999, Zl. 99/19/0155, vom 28. Jänner 2004, Zl. 99/12/0120, und vom 12. November 2008, Zl. 2008/12/0008). Ein solcher unzulässiger Berufungsantrag wäre zurückzuweisen. Eine meritorische Entscheidung der Berufungsbehörde über eine unzulässige Berufung anstelle einer Zurückweisung derselben belastet erstere selbst mit Rechtswidrigkeit (vgl. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse Zl. 99/12/0120 und Zl. 2008/12/0008).

12 Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

§ 9 Abs. 1 Z. 4 VwGVG verlangt, dass die Beschwerde (u.a.) "das Begehren" zu enthalten hat. Im Hinblick auf die Gleichartigkeit des Beschwerdebegehrens mit dem Berufungsantrag kann die dargestellte hg. Judikatur zur Zulässigkeit von Berufungsanträgen und zur Folge unzulässiger Berufungsanträge auf das Beschwerdebegehren übertragen werden. Liegt dieses außerhalb der "Sache" des Beschwerdeverfahrens (vgl. erneut die hg. Beschlüsse Zl. Ra 2014/03/0049 und Zl. Ra 2015/03/0015 sowie das hg. Erkenntnis Zl. Ra 2015/18/0134 mwN), so ist die Beschwerde unzulässig und vom Verwaltungsgericht durch Beschluss zurückzuweisen.“

Konkret war Ausgangspunkt des zitierten Judikats ein in materiellrechtlicher Hinsicht gänzlich anderer Sachverhalt, da die Sache des Verwaltungsverfahrens vor der dort belangten Behörde die (Wieder-)Zulassung eines PKW war. In formalrechtlicher Hinsicht ist der dort behandelte Fall aber mit dem ggst. Fall ident: Da wie dort ging es um die Erteilung eines konkreten Rechtstitels durch die Verwaltungsbehörde, dort um eine PKW-Zulassung nach Stellung eines Antrags auf Zulassung eines PKW, hier im um die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Stellung eines Antrags auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005. „Sache“ dieser Verwaltungsverfahren ist daher – bei Reduzierung auf das formalrechtliche Betrachtungsspektrum – jeweils die Erteilung eines bestimmten Rechtstitels bzw. einer bestimmten Genehmigung über Antrag einer Verfahrenspartei.

Hier wie auch im oben geschilderten Fall, begehrt der jeweilige Beschwerdeführer daher die Erteilung dieses Rechtstitels durch die jeweils belangte Behörde und da wie dort wurde der Antrag auf Erteilung dieses Rechtstitels von der Verwaltungsbehörde in erster Instanz abgewiesen. Aus diesen Sachen dieser Verwaltungsverfahren ergibt sich daher iSd Sachentscheidungspflicht des § 28 Abs. 2 VwGVG nur die Zulässigkeit eines Beschwerdebegehrens (§ 9 Abs. 1 Z 4 VwGVG), das primär auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache selbst gerichtet ist. Ein Beschwerdebegehren, das nur auf Kassation gerichtet ist, ist daher in dieser Sache des Beschwerdeverfahrens jedenfalls unzulässig, stellt doch nach hL die „ersatzlose Behebung“ eine (negative) Sachentscheidung dar, mit der ausgesprochen wird, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid (dem Grunde nach oder in dieser Form) gar nicht zu erlassen gehabt hätte. Wie schon in Punkt II.3.1 näher ausgeführt, liegt letzterer Fall ggst. nicht vor, da das Bundesamt mangels Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes den Antrag des BF tatsächlich inhaltlich zu erledigen hatte.

Das Bundesamt hat den Antrag des BF inhaltlich negativ erledigt und in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides den verfahrenseinleitenden Antrag des BF abgewiesen. Die weiteren Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides sind nur die gesetzlich zwingende (vgl. § 10 Abs. 3 AsylG 2005, § 52 Abs. 3 und 9 FPG, § 55 Abs. 1 FPG) Konsequenz und Ausfluss der abweisenden Entscheidung in Spruchpunkt I. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird aber - vgl. die Feststellungen in Punkt I.6 - kein Beschwerdebegehren bzw. kein erkennbarer Beschwerdeantrag auf eine (anderslautende) Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht gestellt. Im Gegenteil wird bloß die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, eventualiter die Behebung und Zurückverweisung an die belangte Behörde beantragt. Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellt iSd § 24 VwGVG einen lediglich optionalen Antrag auf einen bestimmten Vorgang des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens dar, aber jedenfalls keinen Antrag die Beschwerde auf eine bestimmte Art und Weise (Behebung oder anderslautende Sachentscheidung) inhaltlich zu erledigen. Die diesbezügliche Stellungnahme des (nunmehrigen) RV des BF (OZ 16) ist zwar im Hinblick darauf, dass der BF - wie in der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2020 hervorkam - eigentlich eine Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts tatsächlich gewollt hätte, nachvollziehbar, sie geht jedoch rechtlich ins Leere.

Zur Frage welches Beschwerdebegehren noch innerhalb der Sache des Beschwerdeverfahrens liegt, hat der VwGH im oben zitierten Erkenntnis in Folge weiter ausgeführt:

„14 Unter Spruchpunkt 2. ihres Bescheides vom 16. November 2015 hat die Revisionswerberin, wie bereits oben dargestellt, den wieder offenen Antrag des Mitbeteiligten auf Zulassung erledigt, und zwar, weil ihrer Auffassung nach die Voraussetzungen für eine Zulassung des in Rede stehenden PKW nicht vorlagen, gemäß § 40b Abs. 4 KFG 1967 - negativ - durch Abweisung. Der Ausspruch, dass die Zuweisung des Kennzeichens XXX an das genannte Kraftfahrzeug aufgehoben und der Mitbeteiligte verpflichtet werde, die Kennzeichentafeln mit den Kennzeichen XXX und die Zulassungsbescheinigungen I und II unverzüglich nach Rechtskraft abzugeben, stellt sich demgegenüber als bloße Konsequenz des den Zulassungsantrag abweisenden Spruchs, die der Umsetzung des (neuen) Abspruchs über die Zulassung in die Wirklichkeit dient. Eine (nachträgliche) Aufhebung der Zulassung nach § 44 KFG 1967 erfolgte nicht.

15 3.2.2. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht konnte demnach ausschließlich die Entscheidung über den (durch die Wiederaufnahme wieder offenen) Zulassungsantrag des Mitbeteiligten sein. Das hatte für das Verwaltungsgericht zur Konsequenz, dass es - sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorlagen - nur entweder, so die Voraussetzungen für die Zulassung nicht vorlagen, die Beschwerde abweisen (und damit die behördliche Entscheidung bestätigen) oder aber, sofern die Voraussetzungen für die Zulassung entgegen der Auffassung der Revisionswerberin gegeben waren, der Beschwerde stattgeben und den Zulassungsantrag positiv erledigen durfte, beides freilich nur unter der weiteren Voraussetzung, dass das Beschwerdebegehren nach § 9 Abs. 1 Z. 4 VwGVG überhaupt innerhalb der "Sache" des Beschwerdeverfahrens lag.

16 Das Beschwerdebegehren des Mitbeteiligten lautete darauf, das Verwaltungsgericht möge den Bescheid der Revisionswerberin ersatzlos aufheben. Dieses Begehren verfehlte nach den bisherigen Ausführungen die durch den Inhalt des durch Beschwerde bekämpften Bescheids bestimmte "Sache" des Beschwerdeverfahrens, weil es nicht darauf gerichtet war, das Verwaltungsgericht möge den offenen Zulassungsantrag positiv erledigen und das Kraftfahrzeug zulassen. Dass die Formulierung des Beschwerdebegehrens nicht etwa auf einem bloßen Versehen beruhte, ergibt sich auch aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes, demzufolge der Mitbeteiligte in seinen Stellungnahmen (seines Rechtsvertreters) vom 3. Februar 2015, vom 2. April 2015 und vom 31. August 2015 gegenüber der Revisionswerberin jeweils die Auffassung vertreten hatte, dass die Voraussetzungen für eine "Aufhebung" bzw. einen "Entzug" der Zulassung (beides war nach dem Gesagten nicht Gegenstand des angefochtenen Spruchpunktes 2. des Bescheides der Revisionswerberin vom 16. November 2015) nicht vorlägen.

Das Beschwerdebegehren ist daher, weil außerhalb der "Sache" des Beschwerdeverfahrens gelegen, unzulässig. Dies hätte das Verwaltungsgericht gemäß § 27 VwGVG wahrzunehmen und die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gehabt.“

Wie schon dargelegt, treffen diese Grundsätze auch auf das vorliegende Beschwerdeverfahren zu. Der BF hat als Antragsteller vor der belangten Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels begehrt und beantragt. Das Bundesamt hat diesen Antrag abgewiesen. In der gegen diesen abweisenden Bescheid erhobenen Beschwerde wird als Hauptantrag bloß die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids begehrt; ein Begehren auf eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht in der Sache selbst ergibt sich weder aus den ausgeführten Beschwerdegründen noch aus dem Beschwerdebegehren. Dass diese Formulierung der Beschwerdebegehren – wie auch im vom VwGH behandelten Fall – nicht bloß auf einem Irrtum beruht, ergibt sich auch aus der festgestellten Ausführung der Beschwerdegründe. Wie diesen Ausführungen zu entnehmen ist, referenziert der (damalige) RV des BF, nach ausdrücklicher Zitierung höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Behebung von Bescheiden wegen Rechtswidrigkeit aus dem Jahr 1978, erkennbar und mehrfach drauf, dass die belangte Behörde selbst zu einem „anderen“ Bescheid hätte kommen sollen. Es wird also erkennbar ausgeführt, dass schon die belangte Behörde einen anderen Bescheid zu erlassen gehabt hätte (Beschwerde AS 183 unten, AS 184 letzter Absatz) und das Bundesamt deshalb seinen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet hätte, weswegen dieser aufzuheben sei.

Entsprechend der obigen Ausführungen des VwGH in der zitierten Rn. 15 kann das Bundesverwaltungsgericht jedoch im ggst. Fall aufgrund der Sache des Beschwerdeverfahrens - so die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels nicht vorliegen - die Beschwerde nur entweder abweisen (und damit die behördliche Entscheidung bestätigen) oder aber - sofern die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels vorliegen - der Beschwerde stattgeben und den Aufenthaltstitelantrag des BF positiv erledigen und ihm den beantragten Aufenthaltstitel erteilen. Der in der Beschwerde als Hauptantrag gestellte Antrag auf Kassation iSe ersatzlosen Behebung liegt daher außerhalb der Sache des ggst. Beschwerdeverfahrens und ist daher unzulässig. Dieses Verfahrensergebnis entspricht auch dem Primat der Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht, zumal dem BF mit einer ersatzlosen Behebung des angefochtenen Bescheids nicht weitergeholfen wäre, da ihm diesfalls nach wie vor kein Aufenthaltstitel erteilt worden wäre und er auch ggü. der belangten Behörde keinen Rechtsanspruch auf einen anderslautenden (positiven) Bescheid hätte.

Auch der gestellte Eventualantrag auf Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG ändert am Verfahrensergebnis nichts mehr: Abgesehen davon, dass von einem Vorliegen der Voraussetzungen für eine Zurückverweisung keine Rede sein kann, zumal das Bundesamt ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt hat und den BF zu seinem Antrag einvernommen hat, erweist sich dieser Eventualantrag mangels Zulässigkeit des auf bloße Behebung gerichteten Hauptantrages bereits als unzulässig. In der Lehre wird weiters ua. auch vertreten, dass Anträge auf Kassation und Zurückverweisung auch in Form von Eventualanträgen unzulässig sind:

„Damit bleibt fraglich, ob das Begehren (gem § 63 Abs 3 AVG wie auch) gem § 9 Abs 1 Z 4 VwGVG in einer Parteibeschwerde nicht doch nur auf eine – solche „negative“ oder eben eine positive (anderslautende) – Entscheidung in der Sache selbst (§ 28 Rz 66 ff, 71) gerichtet sein darf (idS VwGH 29. 3. 1995, 92/05/0227; ferner Schmied/Schweiger, Verfahren 52). Für diese einschränkende Auslegung (so auch Brandstetter/Larcher/Zeinhofer, Behörde Rz 78) spricht, dass lediglich ein solches Begehren dem endgültigen Rechtschutzziel der Partei entspricht bzw die Bescheidbeschwerde nach ihrem Grundkonzept auf eine solche Entscheidung in der Sache selbst durch die Rechtsmittelinstanz abzielt (vgl aber auch Grabenwarter/Fister, Verwaltungsverfahrensrecht4 206 [arg „Rechtsschutzziel … gegebenenfalls … Zurückverweisung“]). Dies zeigt sich auch darin und wird somit dadurch bestätigt, dass zumindest auf Basis des bisherigen Verständnisses von § 66 Abs 2 AVG der Rechtsmittelwerber kein subjektives Recht auf eine bloße Kassation und Zurückverweisung hat (§ 28 Rz 87). (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG §9 VwGVG, Rz. 42).

Letztlich kann diese Frage aber insoweit dahingestellt bleiben, da sich dieser Eventualantrag nach den zitierten Ausführungen des VwGH ebenfalls als außerhalb der Sache des Beschwerdeverfahrens liegend erweist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 9 Abs. 1 Z 4 und § 27 iVm § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen, da das in der Beschwerde erhobene Begehren außerhalb der Sache des ggst. Beschwerdeverfahrens liegt.

Zu B)

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Begehren Eventualantrag individuelle Verhältnisse mangelnder Anknüpfungspunkt Sache des Verfahrens Voraussetzungen VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2227566.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten