TE Vwgh Beschluss 1997/9/18 97/20/0040

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Veröffentlicht am 18.09.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §19 Abs1 Z2;
AsylG 1991 §19 Abs3;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/20/0584 97/20/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerden des P, alias B, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II,

1. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Asylangelegenheit (protokolliert zur hg. Zl. 92/20/0040), und

2. wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung in einer Asylangelegenheit, verbunden mit der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. März 1996, Zl. 4.347.940/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung (protokolliert zu den hg. Zlen. 97/20/0041 und 97/20/0584), den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Die zur hg. Zl. 97/20/0040 protokollierte Säumnisbeschwerde wird zurückgewiesen;

2. der zur hg. Zl. 97/20/0041 protokollierte Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird gemäß § 46 VwGG abgewiesen und

3. die zur hg. Zl. 97/20/0584 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. März 1996 als verspätet zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, nach Angaben im angefochtenen Bescheid sowohl liberianischer als auch nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 23. Juni 1995 in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. Juni 1995 den Antrag, ihm Asyl zu gewähren. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, er habe in Nigeria die Universität besucht und dort "politische Probleme" bekommen. Abiola habe die Wahlen gewonnen und Studenten hätten dagegen zu demonstrieren begonnen. In Liberia sei er keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen. Er habe bis zum Jahr 1980 in Monrovia/Liberia gelebt, danach sei er mit seiner Mutter, einer nigerianischen Staatsangehörigen, nach Nigeria verzogen. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. November 1995 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Dokumente (ID-Card der Campaign for Democracy, ausgestellt am 4. März 1994 in Nigeria, Studentenausweis der Universität Edo State, ausgestellt am 21. Februar 1994, Affidavit of Change of Name vom 7. Oktober 1982, ausgestellt vom High Court of Justice Bendel State und Liberianische Geburtsurkunde Nr. 0192/76) im wesentlichen mit der Begründung, selbst im Falle einer Verfolgung in Nigeria wäre es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, sich unter den Schutz seines zweiten Heimatstaates Liberia zu stellen, zumal er sich nicht aus einem der in der in Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe außerhalb dieses Landes aufgehalten habe und auch bei seiner Einvernahme angegeben habe, in Liberia keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, die Frage seiner Staatsangehörigkeit sei eine von der Verwaltungsbehörde selbständig zu lösende Rechtsfrage, die diese infolge Unterlassung weiterer Ermittlungen unrichtig gelöst habe. Ein von seinem erstinstanzlichen Vorbringen abweichendes Sachvorbringen erstattete der Beschwerdeführer in seiner Berufung nicht. Mit Bescheid vom 25. März 1996 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG im wesentlichen mit derselben Begründung wie schon die Behörde erster Instanz ab und ergänzte lediglich, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung eine der Voraussetzungen für eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz im Sinne des § 20 Abs. 2 AsylG 1991 nicht behauptet, sodaß die Berufungsbehörde im Sinn des § 20 Abs. 1 leg. cit. von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz auszugehen gehabt habe. Dieser Bescheid wurde am 16. April 1996 gemäß § 19 Abs. 3 AsylG 1991 bei der belangten Behörde durch Hinterlegung zugestellt. Dieser Zustellung war eine telefonische Anfrage an das Polizeigefangenenhaus Wien, wo sich der Beschwerdeführer in der Zeit von 12. bis 21. Februar 1996 in Schubhaft befunden hatte, an das Meldeamt Graz, wonach der Beschwerdeführer zuletzt in Graz, V-Straße, wohnhaft gewesen war und sich am 26. Februar 1996 "nach unbekannt" abgemeldet hat, sowie an das Zentralmeldeamt, wo der Beschwerdeführer unter keiner Identität aufschien, vorausgegangen. Eine Verständigung von der - nunmehr aktenkundigen - Übersiedlung nach Graz, M-Gasse, und der dort am 8. März 1996 erfolgten polizeilichen Anmeldung findet sich nicht im Akt.

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer im wesentlichen geltend, er habe sich am 26. Februar von der Adresse V-Straße, ab- und am 8. März 1996 unter der Adresse M-Gasse in Graz behördlich angemeldet und diese Adressenänderung der erstinstanzlichen Behörde zeitgerecht, nämlich am selben Tag, mitgeteilt, eine Zustellung des über seine Berufung ergangenen Bescheides sei an diese Adresse bis zum heutigen Tage unterblieben. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 19 Abs. 3 AsylG 1991 findet im Asylverfahren § 8 Abs. 2 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, mit der Maßgabe Anwendung, daß ohne vorhergehenden Zustellversuch die Hinterlegung bei der Behörde selbst erfolgt. § 8 Abs. 2 Zustellgesetz sieht vor, daß dann, wenn eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert und dies der Behörde nicht unverzüglich mitteilt und Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen ist, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Die Zulässigkeit einer Hinterlegung im Sinn des § 19 Abs. 3 AsylG 1991 knüpft daher an die Beantwortung der Frage an, ob "eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden" konnte. In diesem Zusammenhang machte der Beschwerdeführer lediglich geltend, er habe die Übersiedlung nach und die Anmeldung in Graz, M-Gasse, noch am selben Tage, nämlich am 8. März 1996 der Verwaltungsbehörde erster Instanz (d.h. dem Bundesasylamt, Außenstelle Graz) mitgeteilt. Anders als bei einer vorangegangenen Wohnsitzänderung von der seinerzeitigen Adresse Unterpremstätten, L-Weg, in die V-Straße im August 1995, ist die behauptete Übersiedlung von der V-Straße in die M-Gasse nicht aktenkundig. Der Beschwerdeführer legt hiezu auch keine Nachweise (z.B. Mitteilungs-Schreiben oder Kopie des Meldezettels mit Eingangsstampiglie des Bundesasylamtes o.ä.) vor, sondern beläßt es bei der bloßen Behauptung der erfolgten Verständigung. Geht man aber in Ermangelung aktenkundiger Nachweise davon aus, daß diese mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht übereinstimmt, erweisen sich die aus dem Aktenvermerk vom 5. März 1996 ersichtlichen Erhebungsversuche der belangten Behörde als ausreichend. Darüber hinausgehende Ermittlungen wären jedenfalls für die belangte Behörde nicht mehr "ohne Schwierigkeiten" durchzuführen gewesen. Die am 16. April 1996 erfolgte Hinterlegung des Bescheides vom 25. März 1996 bei der belangten Behörde gemäß § 19 Abs. 3 AsylG 1991 erscheint daher nicht rechtswidrig. Entsprach aber die Hinterlegung dieses Bescheides dem Gesetz, so wurde dieser dem Beschwerdeführer gegenüber rechtswirksam erlassen, sodaß eine Säumnis der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde (20. Jänner 1997) nicht mehr vorlag. Aus diesem Grunde war die wegen Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde erhobene Säumnisbeschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Seinen für den Fall der Bejahung der ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 25. März 1996 gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist begründet der Beschwerdeführer - ausgehend von den bereits wiedergegebenen Sachverhaltsgrundlagen - damit, er habe unverschuldeterweise von der Zustellung des Berufungsbescheides keine Kenntnis erlangt, weil er in diesem Zeitpunkt bereits an der Adresse Graz, M-Gasse, wohnhaft gewesen sei. Er sei berechtigterweise davon ausgegangen, daß der Berufungsbescheid vielmehr an der der Behörde erster Instanz am 8. März 1996 bekanntgegebenen neuen Anschrift zugestellt werden werde. Abgesehen davon habe er sich in der Zeit von 24. April bis 3. Juni 1996 in Untersuchungshaft und in weiterer Folge bis zum 18. Dezember 1996 in Schubhaft befunden. Er habe erst am 2. Jänner 1997 von einem Mitarbeiter der Caritas Graz erfahren, daß sein Asylverfahren angeblich mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. März 1996 rechtskräftig entschieden worden sei. Daher stellte er den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG zu gewähren und erhob unter einem die Beschwerde gegen den genannten Bescheid der belangten Behörde, mit welcher er Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend macht.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Gemäß § 46 Abs. 3 leg. cit. ist in den Fällen des Abs. 1 der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

Geht man - wie bereits vorher dargelegt - davon aus, daß eine Mitteilung der Adressänderung durch den Beschwerdeführer nicht erfolgt war, so kann in der Nichtzustellung des Bescheides an diese Anschrift ein unabwendbares Ereignis nicht gesehen werden. Auch die von ihm geltend gemachten Haftzeiten tangieren den Zeitpunkt der erfolgten Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 19 Abs. 3 AsylG 1991 (16. April 1996) nicht. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung im Sinn des § 46 VwGG liegen somit nicht vor. Damit erweist sich aber die damit verbundene Beschwerde als verspätet, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997200040.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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