TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/12 W247 2158782-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2020
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Entscheidungsdatum

12.08.2020

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §7 Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
FPG §46
FPG §46 Abs1 Z2
FPG §50
FPG §61
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W247 2158782-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch XXXX , gegen die am 12.04.2017 erfolgte Überstellung bzw. Abschiebung nach Kroatien, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF., als unbegründet abgewiesen und die am 12.04.2017 erfolgte Abschiebung für rechtmäßig erklärt.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF., abgewiesen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Syrien, reiste am 13.02.2011 zunächst von Syrien in die Türkei. Über die Türkei gelangte er dann gemeinsam mit seinem Onkel und dessen Familie schlepperunterstützt nach Griechenland und von dort weiter über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich, wo er am 23.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Gestützt auf die Angaben zur Reiseroute und zur illegalen Einreise in die EU, richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) nach bereits am 02.10.2015 mittels eines Informationsersuchens an Kroatien eingeleiteten Konsultationen am 28.10.2015 ein Aufnahmegesuch an Kroatien. Eine Stattgebung dessen erfolgte durch Fristablauf mit Schreiben des BFA vom 08.01.2016.

2. Das BFA wies den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 17.03.2016, Zl. XXXX , wegen Zuständigkeit Kroatiens zur Führung des Verfahrens als unzulässig zurück, ordnete unter einem die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Kroatien zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welche dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 vorgelegt wurde.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.07.2016, Zl. W168 XXXX , wurde die Beschwerde gemäß § 5 AsylG und § 61 FPG, ohne vorherige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, als unbegründet abgewiesen.

4. Am 12.04.2017 erfolgte die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kroatien in Form einer Überstellung mit dem Flugzeug.

5. Am 24.05.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schriftsatz ein, in dem der Beschwerdeführer gegen die am 12.04.2017 erfolgte Überstellung bzw. Abschiebung nach Kroatien eine Maßnahmenbeschwerde einbrachte.

Begründend wurde in der Beschwerde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer entlang der sogenannten „Balkanroute“ über die Türkei nach Griechenland und weiter über Mazedonien, Kroatien und Slowenien in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei. Es habe im gegenständlichen Fall nicht davon ausgegangen werden können, dass eine Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt wäre. Es stelle sich die Frage, ob in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aus humanitären Gründen gestattet wird, ein „illegales“ Überschreiten der Grenze im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO vorliege und ob im Falle der Verneinung dieser Frage davon auszugehen sei, dass in einem solchen Fall kein Visumzwang im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Dublin III-VO bestehe und deshalb der Zuständigkeitstatbestand dieser Bestimmung zur Ermittlung der Zuständigkeit zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz herangezogen werden könne. Der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien habe die erörterte Fragestellung zur Auslegung des Tatbestands der „illegalen Einreise“ nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt und habe dieses Vorabentscheidungsersuchen auch rechtliche Auswirkungen für die vor österreichischen Behörden und Gerichten anhängigen Verfahren, in denen dieselbe Rechtsfrage zu klären sei. Für die österreichischen Gerichte und Behörden liege nun keine „acte claire“ Konstellation mehr vor. Es ergebe sich für das Bundesamt die Verpflichtung, keine Entscheidung zu treffen oder Handlungen zu setzen, die dem Urteil des EuGH entgegenstehen könnten. Auch wenn gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Entscheidung zur Außerlandesbringung vorgelegen habe, seien die dargelegten Argumente einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers entgegengestanden, da damit eine Entscheidung bzw. Handlung im oben dargestellten Sinn getroffen worden sei, die nicht wieder rückgängig gemacht werden könnte. Zu beachten sei, dass eine bereits erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme ihre Gültigkeit verlieren könne, wenn sich die Beurteilungsgrundlagen zugunsten der betroffenen Person verschoben hätten. Neben seinem Vater würden sich auch seine Mutter, sowie drei minderjährige Geschwister, denen der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, in Österreich befinden und sei er durch seine Ausweisung in seinem Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt worden. Auch sei die getroffene Zulässigkeit einer Abschiebung unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Art. 3 EMRK zu prüfen, da beim Beschwerdeführer nunmehr mit fachärztlichem Befund vom 27.07.2016 diagnostiziert worden sei, dass er an einer Anpassungsstörung leide und wäre ihm unter einem XXXX verschrieben worden. Eine adäquate medizinische Versorgung wäre für ihn in Kroatien nicht gegeben. Der Verwaltungsgerichtshof habe mittlerweile mit zwei Erkenntnissen (VwGH 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0172-0177 und VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0224 bis 0227) die dargelegte Rechtsansicht zu den rechtlichen Auswirkungen eines anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens bestätigt und festgehalten, dass es in Fällen wie dem vorliegenden Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichts sei, Feststellungen darüber zu treffen, „wie sich die Ein- bzw. Durchreise (des Beschwerdeführers) durch die Republik Kroatien gestaltet hat und ob es sich dabei um staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt hat, die mit jenen ident oder vergleichbar sind, die dem slowenischen Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde liegen“. Im letzteren Fall werde „vor Entscheidung über die österreichische Zuständigkeit zur Prüfung (des gegenständlichen Antrags) auf internationalen Schutz der Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens zu C-490/16 abzuwarten sein“ (jeweils Rz 12 zu Ra 2016/18/0172-0177). Im Hinblick darauf und auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er in einem Reisebus und sohin staatlich organisiert von einer Grenze an die nächste befördert worden sei, sei davon auszugehen, dass sich im gegenständlichen Fall jedenfalls die Verpflichtung ergeben hätte, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH auszusetzen bzw. keine Entscheidung zu treffen oder Handlungen zu setzen, die dem Urteil des EuGH entgegenstehen könnten. Aus diesen Erwägungen ergebe sich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers während des vor dem EuGH anhängigen Verfahrens zur Zl. C-490/16 jedenfalls unzulässig gewesen sei. Beantragt werde, 1.) eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, 2.) festzustellen, dass die am 12.04.2017 erfolgte Abschiebung des Beschwerdeführers bzw. Überstellung nach Kroatien rechtswidrig war, 3.) etwaige nicht geltend gemachte Rechtswidrigkeiten im angefochtenen Bescheid aufzugreifen, allenfalls unter Beistellung eines Verfahrenshelfers und 4.) die belangte Behörde bzw. den Bund zum Ersatz der Kosten des Verfahrens im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu verhalten.

II.      Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien und am 13.02.2011 von Syrien über die Türkei nach Griechenland und sodann über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien illegal nach Österreich gereist, wo er am 23.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers wies das BFA mit Bescheid vom 17.03.2016, Zl. XXXX , wegen der Zuständigkeit Kroatiens zurück. Zudem ordnete das BFA die Außerlandesbringung an und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Kroatien fest. Die dagegen am 24.03.2016 erhobene Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 12.05.2016 vorgelegt und von diesem ohne vorherige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit Erkenntnis vom 20.07.2016, Zl. W168 XXXX , abgewiesen.

Am 02.06.2016 erging der Festnahmeauftrag des nach § 5 AsylG 2005 mit Ablauf des 19.05.2016 durchführbaren Bescheides.

Am 12.04.2017 wurde der Beschwerdeführer per Flugzeug nach Kroatien abgeschoben. Zu diesem Zeitpunkt lag eine ihn betreffende durchsetzbare und durchführbare Anordnung zur Außerlandesbringung hinsichtlich Kroatiens vor. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt seiner Abschiebung flugtauglich.

Beim Beschwerdeführer am 27.07.2016 das Vorliegen einer Anpassungsstörung diagnostiziert und wurde ihm „ XXXX “ verschrieben.

Im Bundesgebiet leben die Eltern sowie drei Geschwister des Beschwerdeführers, denen der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde.

2.       Beweiswürdigung:

2.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des verfahrensgegenständlichen Verwaltungsaktes des BFA sowie den entsprechenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie des Datums seiner Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus dem Akteninhalt. Die Feststellungen zur Reiseroute und zur illegalen Einreise nach Österreich über Kroatien seine Familie betreffend ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers.

2.3. Die Feststellungen zur Flugtauglichkeit sowie zur erfolgten Abschiebung ergeben sich aus dem Akteninhalt. Zudem wurde in der Beschwerde diesbezüglich nichts Gegenteiliges vorgebracht.

2.4. Die Feststellungen betreffend die bei ihm diagnostizierte Anpassungsstörung ergibt sich aus seinem Vorbringen, sowie dem in Vorlage gebrachten ärztlichen Befund.

2.5. Die Feststellung betreffend seine im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen ergibt sich aus seinem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie einer von Amts wegen erfolgten Nachschau im zentralen Informationssystem (IZR).

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1.    Zu Spruchpunkt I: Abweisung der Beschwerde

3.1.1.  Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (u.a.) gemäß dem 7. Hauptstück des FPG, in dem sich der die Abschiebung regelnde § 46 FPG befindet. Es ist daher auch weiterhin zulässig, im Wege einer solchen Beschwerde die Rechtmäßigkeit einer Abschiebung als Maßnahme unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt (nunmehr:) durch das BVwG prüfen zu lassen. Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist auf den Zeitpunkt ihres Vollzugs abzustellen (vgl. dazu VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089 mwN).

Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind.

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

3.1.2.  Für den gegenständlichen Fall bedeutet das:

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt lag zum Zeitpunkt der Abschiebung des Beschwerdeführers am 12.04.2017 eine bereits seit Ablauf des 19.05.2016 durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung vor. Wird eine Außerlandesbringung durchsetzbar, ist damit stets die Verpflichtung zum unverzüglichen Verlassen des Bundesgebietes verbunden. Der Beschwerdeführer ist seiner Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgereicht nachgekommen, weshalb der Tatbestand des § 46 Abs. 1 Z 2 FPG dadurch jedenfalls erfüllt ist.

Die gegenständliche Beschwerde wird – zusammengefasst – ausschließlich damit begründet, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers trotz der durchsetzbaren Anordnung zu seiner Außerlandesbringung nach Kroatien im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.11.2016, Ra 2016/18/0172-0177, und unter Hinweis auf ein Vorabentscheidungsersuchen der Republik Slowenien an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) rechtswidrig gewesen sei. So ging die Beschwerde davon aus, dass das Dublin Verfahren in Fällen, die dem gegenständlichen gleichgelagert sind, nicht anzuwenden sei, weil keine Umgehung von Grenzkontrollen vorliege und somit Österreich für die Prüfung der Asylverfahren zuständig sei. Dennoch sei am 12.04.2017 die Abschiebung nach Kroatien erfolgt. Zudem müsse die Relevanz der Frage, dass Art. 13 der Dublin III – VO nicht anzuwenden sei, da kein illegaler Grenzübertritt vorgelegen habe, sondern ein von Behörden organisierter Transport, bekannt gewesen sein, da diese in den Rechtsmitteln thematisiert worden seien.

Den Ausführungen in der Beschwerde ist insofern entgegenzutreten, als über das aufgezeigte Vorabentscheidungsersuchen Sloweniens sowie über ein weiteres Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes in den Rechtssachen C-490/16 bzw C-646/16 der EuGH inzwischen mit Urteilen jeweils vom 26.07.2017 entschieden hat. Der EuGH hat dabei u.a. erkannt, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III – VO für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz von Personen zuständig ist, die seine Grenze während der „Flüchtlingskrise“ der Jahre 2015 und 2016 in großer Zahl überschritten haben bzw. kann die Gestattung der Einreise durch Kroatien nicht als „Visum“ iSd Art. 12 iVm Art. 2 lit m Dublin III – VO eingestuft werden. So ist ein derartiges humanitäres Überschreiten der Grenze zwangsläufig – obschon der Duldung, aber aufgrund des Fehlens der Einreisevoraussetzungen (hier: eines Visums) – als illegal im Sinne der Dublin III – VO zu werten. Fallbezogen erweist sich somit auch vor diesem Hintergrund die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kroatien als rechtmäßig.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Kroatien einer existentiellen Gefährdung oder sonstigen Bedrohung ausgesetzt war, sodass die Abschiebung eine Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK bedeuten würde. So obliegt es nach der ständigen Judikatur des EGMR, wonach es – abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 MRK darstellen würde – grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 MRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 26.04.2017, Ra 2017/19/0016).

Fallbezogen hat der Beschwerdeführer in seiner Maßnahmenbeschwerde geltend gemacht, dass die getroffene Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen sei, da bei ihm durch eine Fachärztin für Psychiatrie am 27.07.2016 eine Anpassungsstörung diagnostiziert worden sei und ihm das Arzneimittel „ XXXX “ verschrieben worden sei.

Bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ist unbestritten, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Kroatien nicht zulässig gewesen wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation gedroht hätte. In einem solchen Fall wäre das Selbsteintrittsrecht gemäß Dublin-VO zwingend auszuüben gewesen.

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9) zu verweisen, welches die relevante Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, es ergebe sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Nach der Rechtsprechung des EGMR, des VfGH sowie des VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil desselben gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von
Art. 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art. 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten bzw. dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 03.05.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 04.07.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).

Aus dem vorgelegten Ambulanzbericht einer österreichischen Fachärztin für Psychiatrie lässt sich aufgrund der Unleserlichkeit des Ausdrucks eine Diagnose sowie Therapieempfehlung nicht ablesen. Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde jedoch vor, dass bei ihm eine „F 43.2 Anpassungsstörung“ diagnostiziert worden sei. Als Therapieempfehlung sei „ XXXX “ (Anmerkung BVwG: ein atypisches Neuroleptikum zur Behandlung von Schizophrenie) angeführt worden.

Nach den Länderfeststellungen des Bescheides vom 27.03.2016, Zl. 1088537409-15141689, ist im zuständigen Mitgliedsstaat der Zugang zur Gesundheitsversorgung gesichert, sodass davon ausgegangen werden kann, dass für den Fall, dass der Beschwerdeführer in Kroatien möglicherweise eine Behandlung benötigen sollte, eine solche gewährleistet ist. Da nach den Länderfeststellungen des genannten Bescheides in Kroatien der Zugang zur Gesundheitsversorgung somit gesichert ist, kann davon ausgegangen werden, dass für den Fall, dass der Beschwerdeführer im Zielstaat eine Behandlung benötigt hätte bzw. künftig benötigen sollte, eine solche gewährleistet ist. Der Beschwerdeführer leidet somit an keinen gravierenden Erkrankungen, die einer Überstellung nach Kroatien entgegengestanden wären.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Zusammenfassend liegen dem erkennenden Gericht keine Hinweise vor, dass beim Beschwerdeführer zum gegenständlich zu prüfenden Zeitpunkt seiner Außerlandesbringung eine Erkrankung vorgelegen ist, die typischerweise in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK fällt bzw. eine Überstellung nach Kroatien unzumutbar erscheinen hätte lassen. Auch sonst wurden keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Beschwerdeführer durch seine Abschiebung nach Kroatien dem realen Risiko einer Verletzung des Art. 2 oder Art. 3 EMRK ausgesetzt war.

Zum Vorbringen, wonach die erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme ihre Gültigkeit verloren hätte, da seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.07.2016 weitere 10 Monate vergangen seien, in denen der Beschwerdeführer sich gemeinsam mit seiner Familie, konkret seinen Eltern und drei minderjährigen Geschwistern in Österreich aufgehalten habe, ist einzuwenden, dass hierdurch keine maßgebliche Sachverhaltsänderung gegenüber den bereits in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts berücksichtigten Umständen erkennbar ist. Diese Erwägungen ergeben sich auch daher, da zu keinem Zeitpunkt in Österreich ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Beschwerdeführer und den genannten Angehörigen bestanden hat und der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, dass jemals ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihm und seinen Angehörigen in Österreich vorgelegen hätte. Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer durch seine Überstellung nach Kroatien sohin in seinen Rechten gemäß Art. 8 EMRK verletzt worden wäre, sind daher letztlich nicht erkennbar.

Sonstige außergewöhnliche Umstände, die die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kroatien unzulässig gemacht hätten, sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgetreten und wurden auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Beschwerdeführer durch die von ihm mittels Maßnahmenbeschwerde bekämpfte Abschiebung am 12.04.2017, die zur Durchsetzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgte, nicht in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde gegen die Abschiebung war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zu Spruchpunkt II: Kostenersatz

3.2.1.  Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

3.2.2. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

3.2.3. Es ist daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

4.       Entfall der mündlichen Verhandlung

Da der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG im gegenständlichen Fall die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des EuGH geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Abschiebung Aufwandersatz Befehls- und Zwangsgewalt Feststellungsverfahren Kostenersatz - Antrag Maßnahmenbeschwerde medizinische Versorgung Überstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W247.2158782.1.00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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