TE OGH 2020/10/14 2Ob113/20m

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Veröffentlicht am 14.10.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B*****, vertreten durch Dr. Michael Jöstl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. (richtig) L***** H***** GmbH (FN *****), *****, 2. A*****-Aktiengesellschaft *****, beide vertreten durch Mag. Roland Seeger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (zuletzt) 2.840 EUR sA, über den Rekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 14. Jänner 2020, GZ 2 R 119/19t-49, mit welchem die Bezeichnung der erstbeklagten Partei berichtigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Bezeichnung der erstbeklagten Partei auf L***** H***** GmbH (FN 6*****) richtiggestellt wird.

Die erstbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Äußerung vom 8. Jänner 2020 und ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]       Der Kläger erhob am 5. September 2017 eine Mahnklage gegen die „Firma L*****aier Verkehrsservice GmbH, *****, W*****straße *****“ als Halterin eines Omnibusses (Erstbeklagte) und gegen eine Versicherungsgesellschaft als Haftpflichtversicherer (Zweitbeklagte). In ihrem Einspruch bezeichnete sich die Erstbeklagte als „L*****air Verkehrsservice GmbH, *****, H*****-Straße *****“. Eine solche Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt unter dieser Firma und mit dieser Anschrift zu FN 6***** im Firmenbuch eingetragen. Sie bestand seit 1993, ihre Firma führte sie seit 2007. Der Kläger blieb in den folgenden Schriftsätzen bei der von ihm gewählten Bezeichnung der Erstbeklagten (also „L*****aier“ statt „Le*****air“ und „W*****straße“ statt „H*****-Straße“), was offenkundig niemandem auffiel.

[2]       Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Urteil vom 24. Mai 2019 statt, wobei es die Erstbeklagte als L*****air Verkehrsservice GmbH mit der Adresse W*****straße ***** bezeichnete. Das Urteil wurde in der Hauptsache rechtskräftig. Ein vom Kläger erhobener Kostenrekurs wurde dem Rekursgericht am 10. Juli 2019 vorgelegt.

[3]       In weiterer Folge wurde die Firma der Erstbeklagten durch Neufassung des Gesellschaftsvertrags auf L***** H***** GmbH geändert, wobei die Änderung am 13. Dezember 2019 im Firmenbuch eingetragen wurde. Am 23. Dezember 2019 teilte das Rekursgericht den Parteienvertretern mit, dass es beabsichtige, die Bezeichnung der Erstbeklagten auf L***** Verkehrsbetriebs GmbH zu berichtigen. Diese „Firma“ sei im Unfallbericht als Bezeichnung des Versicherungsnehmers genannt. Bei Nichtäußerung binnen sieben Tagen werde Zustimmung angenommen.

[4]       Der Beklagtenvertreter stimmte dieser Berichtigung „vorsorglich“ nicht zu. Bei der L***** Verkehrsbetriebs GmbH handle es sich um eine „andere bzw selbständige Gesellschaft“; in der „Kürze der Zeit“ sei es nicht möglich gewesen, die Thematik abzuklären.

[5]       Der Kläger äußerte sich nicht.

[6]       Mit dem angefochtenen Beschluss berichtigte das Rekursgericht die Bezeichnung der Erstbeklagten auf L***** Verkehrsbetriebs GmbH, wobei es die Entscheidung zusammen mit der Erledigung des Kostenrekurses ausfertigte.

[7]       Im Firmenbuch sei keine L***** Verkehrsservice GmbH eingetragen; an der von der Erstbeklagten genannten Adresse residiere jedoch die L***** Verkehrsbetriebs GmbH (FN 2*****). Diese werde im Unfallbericht als Versicherungsnehmerin genannt. Aus dem historischen Firmenbuch zu FN6***** gehe hervor, dass die nunmehrige L***** H***** GmbH früher L***** Verkehrsservice GmbH geheißen habe und „durch zwei Umgründungsschritte der gesamte Omnibusbetrieb auf die zu dessen Fortführung gegründete L***** Verkehrsbetriebs GmbH übertragen“ worden sei. Da die von der Klägerin genannte Partei „nicht (mehr) existier[e]“ und sich aus dem Unfallbericht „zwanglos“ ergebe, dass das Beklagtenfahrzeug von der L***** Verkehrsbetriebs GmbH gehalten werde, sei die Parteibezeichnung ungeachtet der fehlenden Zustimmung der beklagten Parteien zu berichtigen.

[8]       Der Beschluss wurde den Parteienvertretern zugestellt, nicht jedoch der L***** Verkehrsbetriebs GmbH. Gegen ihn richtet sich der Rekurs der Erstbeklagten. Sie sei seit 1993 im Firmenbuch eingetragen; nur ihre Firma habe sich mit Eintragung vom 13. Dezember 2019 geändert. Insofern werde eine Berichtigung der Parteibezeichnung beantragt. Die L***** Verkehrsbetriebs GmbH sei eine andere Gesellschaft und habe mit der Sache nichts zu tun.

[9]       Der Kläger beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

[10]     Die L***** Verkehrsbetriebs GmbH wurde bisher nicht in das Verfahren einbezogen. Mangels ihr gegenüber eingetretener Streitanhängigkeit war ihr daher nicht Gelegenheit zur Rekursbeantwortung zu geben (§ 521 Abs 1 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[11]     Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

[12]     1. Die Zulässigkeit des Rekurses ergibt sich aus § 514 ZPO.

[13]     1.1. Das Rekursgericht hat den angefochtenen Beschluss zwar aus Anlass des Rekurses, aber funktional als Erstgericht gefasst. § 528 ZPO ist daher jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar. Für solche Fälle hatte der Oberste Gerichtshof zunächst die Auffassung vertreten, dass die Zulässigkeit des Rekurses allein nach den §§ 514 und 517 ZPO zu beurteilen sei (1 Ob 109/01p; 5 Ob 68/09z; vgl RS0115511). In späteren Entscheidungen sprach er allerdings mehrfach – wenngleich meist obiter – aus, dass die Rechtsmittelbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO anzuwenden seien, nur auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO komme es nicht an (8 Ob 66/18s; 3 Ob 64/17h; 3 Ob 125/14z; 2 Ob 98/08p; zuvor schon 7 Ob 141/98f).

[14]     1.2. Die letztgenannten Entscheidungen betreffen allerdings Fälle, in denen der angefochtene Beschluss tatsächlich im Rekursverfahren erging, also im inhaltlichen Zusammenhang mit der Erledigung des Rekurses stand (7 Ob 141/98f [Unterbrechung des Rekursverfahrens]; 2 Ob 98/08p [Einsicht in die Akten des Rekursgerichts]; 3 Ob 125/14z [Berichtigung der Rekursentscheidung]; 3 Ob 64/17h [Ergänzung der Rekursentscheidung]; 8 Ob 66/18s [Wiedereinsetzung]). Hier liegt die analoge Anwendung (zumindest) von § 528 Abs 2 ZPO nahe: Denn es wäre ein untragbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar Beschlüsse, die der Erledigung des Rekurses vorangehen oder sich auf diese Erledigung beziehen, nach Maßgabe der §§ 514, 517 ZPO mit Vollrekurs anfechtbar wären, nicht aber nach § 528 Abs 2 ZPO die Erledigung des Rekurses selbst.

[15]     1.3. Im vorliegenden Fall wurde der angefochtene Beschluss allerdings bloß aus Anlass des Rekurses gefasst. Zwar wurde dieser Rekurs in einer Kostensache erhoben, sodass die Rekursentscheidung als solche nach § 528 Abs 2 Z 3 ZPO unanfechtbar ist. Der Beschluss über die „Berichtigung“ der Parteibezeichnung hat aber Bedeutung über die Kosten hinaus, weil er die Bezeichnung der Erstbeklagten für das gesamte Verfahren und damit insbesondere auch in Bezug auf die Entscheidung in der Hauptsache verändert. Eine Entscheidung (nur) im Kostenpunkt, die bei analoger Anwendung von § 528 Abs 2 Z 3 ZPO unanfechtbar wäre, liegt aus diesem Grund nicht vor. In einem solchen Fall ist die Zulässigkeit des Rekurses gegen die Entscheidung des Rekursgerichts daher tatsächlich nur nach § 514 ZPO, gegebenenfalls auch nach § 517 ZPO, zu beurteilen.

[16]     1.4. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich auch aus einem Vergleich mit der Rechtslage im Berufungsverfahren: Eine (funktional erstinstanzliche) „Berichtigung“ der Parteibezeichnung durch das Berufungsgericht ist nach ständiger Rechtsprechung mit Vollrekurs anfechtbar (RS0039608), und zwar richtigerweise analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (RS0039608 [T4]): Durch eine „Richtigstellung“ der Parteibezeichnung, die wegen eines dadurch bewirkten Parteiwechsels unzulässig ist, wird die Fortsetzung des Verfahrens mit der Altpartei verweigert, was im Ergebnis einer Klagezurückweisung gleichkommt. Es gibt keinen Grund, den Rekurs gegen eine solche „Richtigstellung“ anders zu behandeln (also nicht zuzulassen), wenn sie vom Rekursgericht vorgenommen wird.

[17]      2. Der Rekurs ist berechtigt, weil die vom Rekursgericht vorgenommene „Berichtigung“ der Parteibezeichnung tatsächlich zu einem Parteiwechsel führte.

[18]     2.1. Schon nach dem Wortlaut von § 235 Abs 5 ZPO kommt eine Berichtigung der Parteibezeichnung nur in Frage, wenn das Klagebegehren nach dem Inhalt der Klage „in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise“ gegen eine bestimmte Person erhoben wird, die aber in der Klage unrichtig bezeichnet wurde (RS0039378). Eine Änderung der Parteibezeichnung ist regelmäßig dann ausgeschlossen, wenn im Berichtigungsweg ein bestehendes Rechtssubjekt gegen ein anderes ausgetauscht werden soll (RS0039530 [T1]), wobei die Existenz zweier Rechtssubjekte für einen (unzulässigen) Parteiwechsel spricht (RS0039297).

[19]     2.2. Im vorliegenden Fall war die Klage eindeutig gegen die – seit 1993 bestehende und seit 2007 unter dieser Firma handelnde – „L***** Verkehrsservice GmbH“ gerichtet. Der Schreibfehler des Klägers („L*****aier“ statt „L*****air“) und die von ihm genannte Adresse (W*****straße statt H*****-Straße) konnten insofern keine Zweifel wecken. Diese Gesellschaft besteht unverändert fort, nur ihre Firma hat sich (neuerlich) geändert. Die vom Rekursgericht „zwanglos“ auf Angaben in einem Unfallbericht und auf Vermutungen über Betriebsübergänge gestützte „Berichtigung“ der Parteibezeichnung führte daher zu einem unzulässigen Parteiwechsel.

[20]     2.3. Aus diesem Grund hat der Rekurs Erfolg. Der angefochtene Beschluss ist dahin abzuändern, dass die Bezeichnung der erstbeklagten Gesellschaft aufgrund der am 13. Dezember 2019 im Firmenbuch eingetragenen Änderung des Firmenwortlauts auf L***** H***** GmbH (FN 6*****) richtiggestellt wird.

[21]     3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 40 ZPO.

[22]     Der Kläger könnte nach seinem Obsiegen in der Hauptsache nur kostenersatzpflichtig werden, wenn er der Erstbeklagten in Bezug auf die Berichtigung der Parteibezeichnung entgegengetreten wäre („echter“ Zwischenstreit, vgl Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.328, 1.335). Da das nicht zutraf, hat die Erstbeklagte die Kosten des Verfahrens über die „Berichtigung“ ihrer Bezeichnung (im Verhältnis zum Kläger) selbst zu tragen.

Textnummer

E129827

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00113.20M.1014.000

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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