TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/20 I422 1420518-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.08.2020
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Entscheidungsdatum

20.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I422 1420518-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER über die Beschwerde des XXXX StA. Tunesien (alias Irak), vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Farhad PAYA, Herrengasse 12/I, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.07.2020, Zl. 457782006/200396543, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VII. behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste (spätestens) am 18.09.1999 unrechtmäßig und schlepperunterstützt aus der Slowakei kommend nach Österreich ein, wurde festgenommen und stellte unter Angabe der Identität XXXX und der Staatsangehörigkeit Irak einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer entzog sich dem weiteren Asylverfahren durch Untertauchen.

2. Am 29.08.2009 reiste der Beschwerdeführer erneut unrechtmäßig und schleppergestützt in das Bundesgebiet ein, wo er am 25.11.2009 infolge von Drogenkonsum festgenommen und in die Justizanstalt Wien Josefstadt verbracht wurde. Im Stande der Justizhaft brachte der Beschwerdeführer am 03.12.2009 unter der Identität XXXX und der Staatsangehörigkeit Irak einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein. Diesen begründete der Beschwerdeführer zusammenfassend damit, dass im Irak Krieg herrsche und dort Minderjährige für den Krieg rekrutiert werden würden. Seine Mutter sei krank und habe er finanzielle Schwierigkeiten, weswegen er den Irak verlassen habe. Weitere Gründe habe er nicht. Im Falle einer Rückkehr fürchte er aufgrund der Probleme mit den Schiiten um sein Leben. Zudem habe er im Jahr 1994 einen Polizisten geschlagen, weshalb ihm eine zweijährige Haftstrafe drohen würde. Ansonsten rechne er mit keinen Sanktionen.

3. Nach der Entlassung aus der Justizanstalt Wien Josefstadt vom 29.12.2009 entzog sich der Beschwerdeführer durch Untertauchen erneut seinem Asylverfahren, woraufhin das zweite Asylverfahren am 19.05.2010 eingestellt wurde.

4. Der Beschwerdeführer wurde am 19.07.2010 erneut in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wien Josefstadt verbracht und stellte dort am 04.08.2010 einen weiteren Asylantrag, weshalb das mit 19.05.2010 eingestellte Asylverfahren fortgesetzt wurde.

5. Im Zuge des weiteren Ermittlungsverfahrens durch die belangte Behörde korrigierte der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 06.04.2011 erneut seine Identität und seine Staatsangehörigkeit auf Tunesien. Seinen Herkunftsstaat Tunesien habe er aufgrund eines politischen Problems seines Vaters verlassen. Dieser sei inhaftiert worden. Der Beschwerdeführer sei ebenfalls festgenommen, bezüglich seines Vaters befragt und nach zwei Wochen aus der Haft entlassen worden. Seit 2001 bestünde jedoch ein Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer. Weitere Gründe für die Asylantragstellung gäbe es nicht und sei er weder aus religiösen noch aus politischen Gründen verfolgt worden. Im Fall einer Rückkehr nach Tunesien wisse er nicht was passieren würde, entweder nichts oder eine Festnahme, beides sei möglich.

6. Mit Bescheid vom 25.07.2011, Zl. 09 15.039-BAE wies das Bundesasylamtes den Antrag auf internationalen Schutz ab und traf eine Ausweisungsentscheidung nach Tunesien. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Beschluss vom 20.12.2011, GZ A10 420.518-1/2011/9E – nachdem einem erteilten Verbesserungsauftrag zur Nachreichung einer Beschwerdebegründung nicht entsprochen wurde – als unzulässig zurück. Diese Entscheidung erwuchs mit der Zustellung am 28.12.2011 in Rechtskraft.

7. Einen in weiterer Folge am 20.01.2017 gestellten Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 06.11.2018, Zl. 161678161 ab. Aufgrund des Fehlens einer Meldeadresse wurde diese Entscheidung im Akt hinterlegt und erwuchs zwischenzeitig in Rechtskraft.

8. Am 11.05.2020 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Amtshandlung wegen eines Raufhandels fremdenrechtlich überprüft, sein unrechtmäßiger Aufenthalt festgestellt und er festgenommen. Im Stande der Sicherungshaft stellte der Beschwerdeführer am 12.05.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der Erstbefragung im Folgeverfahren durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, XXXX zu heißen, am XXXX geboren und Staatsangehöriger Tunesiens zu sein. Das Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer seit seiner letzten Asylantragsstellung nicht verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte er aus, dass er nicht gewusst habe, dass sein letztmaliger Asylantrag abgelehnt worden sei. Seinen gegenständlichen Asylantrag begründe er damit, dass ein Nachbar versucht habe seine Schwester zu vergewaltigen. Der Beschwerdeführer habe diesen daraufhin in einer Auseinandersetzung schwerverletzt, weshalb er geflüchtet sei. Der Vater sei zudem politisch aktiv gewesen und 2011 eingesperrt worden. Im Falle einer Abschiebung befürchte auch der Beschwerdeführer eine Inhaftierung.

9. Mit gegenständlichem Bescheid vom 16.07.2020, Zl. 457782006/200396543 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Tunesien wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Zugleich wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Des Weiteren verhängte die belangte Behörde über den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot in der Dauer von sieben Jahren (Spruchpunkt VI.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht eingeräumt (Spruchpunkt VII.).

10. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 29.07.2020 – eingelangt bei der belangten Behörde am 30.07.2020 – Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass sich das verfahrensgegenständliche Vorbringen zu seinen Fluchtgründen grundlegend von jenem seines zweiten Antrages auf internationalen Schutz unterscheide, weshalb man nicht von einer bereits entschiedenen Sache im Sinne des § 68 AVG ausgehen könne. Hinsichtlich des verhängten Einreiseverbotes monierte der Beschwerdeführer, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes im Sinne des § 53 Abs. 1 iVm § 2 Z 6 und Abs. 3 FPG nicht vorliegen würden bzw. die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht Gebrauch gemacht habe bzw. zumindest eine kürzere Frist als sieben Jahre verhängt hätte werden müssen. Es wurde beantragt nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung die Spruchpunkte I. und. II. ersatzlos zu beheben, seinen Antrag auf internationalen Schutz zur Durchführung eines materiellen Asylverfahrens zuzulassen und diesbezüglich das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen in eventu auszusprechen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG zu erteilen, zumindest aber auszusprechen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und sein Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer geduldet ist, in eventu das über ihn verhängte Einreiseverbot ersatzlos zu beheben, zumindest aber auf eine kürzere Zeit zu befristen.

11. Die Beschwerde und der Bezug habende Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 03.08.2020, somit vor Ablauf der Rechtsmittelfrist, vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist tunesischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest.

Er ist ledig und hat ein Kind, für welches er jedoch nicht sorgeberechtigt ist, welches bei der Kindesmutter lebt und zu welchem er keinen Kontakt pflegt.

In Tunesien schloss er die Schule ab und begann eine neunmonatige Ausbildung als EDV-Techniker.

Die Mutter, ein Bruder, zwei Schwestern sowie eine Cousine des Beschwerdeführers leben in Tunesien. Zumindest zu seiner Cousine steht er nach wie vor in aufrechtem (unregelmäßigen) Kontakt.

Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 1999 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und schien in den folgenden Jahren unter zahlreichen Alias-Identitäten auf.

Im Zeitraum von 18.12.2012 bis 14.05.2013 war der Beschwerdeführer in einer Einrichtung des Vereins „ XXXX “ wohnhaft und unterzog sich aufgrund seiner Drogensucht einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme. Während der Dauer seines Aufenthaltes war der Beschwerdeführer nicht rückfällig und nahm an sämtlichen Gruppen- und Einzeltherapien teil.

Der Beschwerdeführer hielt sich im Zeitraum vom 20.04.2017 bis zum 26.04.2017 aufgrund eines ischämischen Infarktes stationär im Uniklinikum Salzburg auf. Im Zeitraum vom 03.05.2017 bis 04.05.2017 hielt er sich erneut aufgrund derselben Erkrankung stationär im Uniklinikum Salzburg auf. Der Beschwerdeführer war am Aufnahmetag (03.05.2017) außer einer leichten Sprachstörung unauffällig und konnte am 04.05.2017 nachhause entlassen werden. Als Medikation nach der Entlassung wurde die Einnahme von „Thrombo ASS 100 mg“ empfohlen. Der Beschwerdeführer nimmt dieses Medikament nach eigenen Angaben nach wie vor ein, lässt sich dieses jedoch nicht verschreiben, sondern besorgt es „privat“. Darüber hinaus nimmt er einen Magenschutz ein. Derzeit befindet er sich nicht in ärztlicher Behandlung.

Er ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Beziehungen sowie über keine maßgeblichen privaten Kontakte. Ein Onkel des Beschwerdeführers lebt in Frankreich, zu diesem steht er jedoch nicht in Kontakt.

Er ist nicht Mitglied in einem Verein und betätigt sich nicht ehrenamtlich. Er absolvierte bisher keinen Deutschkurs, verfügt jedoch über gute Deutschkenntnisse. Gelegentlich übt er Übersetzungstätigkeiten (arabisch-deutsch) aus, für welche er bezahlt wird. Derzeit ist er kostenlos bei einem Freund wohnhaft.

Der Beschwerdeführer ist für die Teilnahme an dem vom WIFI veranstalteten Kurs „Mentaltrainer Diplomlehrgang“, welcher im Zeitraum vom 23.10.2020 bis zum 17.06.2021 stattfinden wird, angemeldet.

Des Weiteren meldete sich der Beschwerdeführer für die ÖIF-Integrationsprüfung B1 mit Prüfungstermin 31.07.2020 an. Ein Zertifikat, welches eine positive Absolvierung der Prüfung bescheinigen würde, legte der Beschwerdeführer bisher nicht vor.

Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und geht keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich mehrfach vorbestraft:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24.03.2010, Zl. 82 Hv 1/2010G wurde er wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z. 1 Abs. 3 und 5 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Der Beschwerdeführer besaß vorschriftswidrig Suchtgift und überließ es gewerbsmäßig anderen Personen, wobei er die Straftaten deshalb beging, weil er an Suchtmittel gewöhnt war und um sich Suchtgift für seinen persönlichen Gebrauch zu verschaffen. Als mildernd wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, das Geständnis sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, gewertet. Als erschwerend wurde die Tatwiederholung gewertet.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20.08.2010, Zl. 63 Hv 137/2010T, wurde er wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG iVm. § 28 Abs. 3 SMG sowie wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Als mildernd wurde das Geständnis gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen.

1.2. Zu den bisherigen Verfahren und dem gegenständlichen Folgeantrag:

Der Beschwerdeführer stellte am 18.09.1999 unter Angabe der Identität XXXX und der Staatsangehörigkeit Irak seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, tauchte jedoch noch vor der behördlichen Einvernahme unter.

Am 03.12.2009 stellte er aus dem Stande der Justizhaft unter der Identität XXXX und der Staatsangehörigkeit Irak seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, tauchte jedoch nach Entlassung aus der Haft erneut unter.

Aufgrund eines neuerlichen (dritten) Antrages auf internationalen Schutz vom 04.08.2010, welcher aus dem Stande der Untersuchungshaft gestellt wurde, wurde das zwischenzeitlich eingestellte Asylverfahren fortgesetzt. Im Rahmen einer Einvernahme am 06.04.2011 gab der Beschwerdeführer an, dass er Herz- und Kreislaufprobleme habe sowie einen Drogenentzug absolviere. Seinen Herkunftsstaat Tunesien habe er aufgrund eines politischen Problems seines Vaters verlassen. Dieser sei inhaftiert worden. Der Beschwerdeführer sei ebenfalls festgenommen, bezüglich seines Vaters befragt und nach zwei Wochen aus der Haft entlassen worden. Seit 2001 bestünde jedoch ein Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer. Weitere Gründe für die Asylantragstellung gäbe es nicht und sei er weder aus religiösen noch aus politischen Gründen verfolgt worden.

Mit Bescheid vom 25.07.2011, Zl. 09 15.039-BAE wies das Bundesasylamtes den Antrag auf internationalen Schutz ab und traf eine Ausweisungsentscheidung nach Tunesien. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Beschluss vom 20.12.2011, GZ A10 420.518-1/2011/9E – nachdem einem erteilten Verbesserungsauftrag zur Nachreichung einer Beschwerdebegründung nicht entsprochen wurde – als unzulässig zurück. Diese Entscheidung erwuchs mit der Zustellung am 28.12.2011 in Rechtskraft.

Am 12.05.2020 stellte der Beschwerdeführer schließlich aus dem Stande der Sicherungshaft unter Angabe der Identität XXXX und der Staatsangehöriger Tunesiens den verfahrensgegenständlichen (vierten) Antrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer nunmehr an, dass ein Nachbar versucht habe seine Schwester zu vergewaltigen. Im Zuge einer Auseinandersetzung habe er diesen Nachbarn schwer verletzt und sei daher geflüchtet. Aufgrund dieses Vorfalles sei er in seiner Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden. Dieses Problem sei ihm bereits seit seiner Ausreise aus seinem Heimatland bekannt. Darüber hinaus sei sein Vater politisch aktiv und im Jahr 2011 inhaftiert worden. Auch ihm drohe in seinem Herkunftsstaat eine Inhaftierung.

Die im gegenständlichen Folgeverfahren vorgebrachten Gründe für die Antragstellung weisen keinen glaubhaften Kern auf. Darüber hinaus waren die nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe dem Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt seines vorangegangenen Antrages auf internationalen Schutz bekannt.

Es liegt daher keine Änderung der Sachlage zwischen dem rechtskräftig entschiedenen Vorverfahren und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vor. Auch in Bezug auf die Situation in Tunesien war keine wesentliche Änderung eingetreten, ebenso wenig liegt eine Änderung der Rechtslage vor.

Der Beschwerdeführer wird daher im Falle seiner Rückkehr nach Tunesien weiterhin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner Verfolgung oder wie immer gearteten existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 16.07.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Tunesien auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, des bekämpften Bescheides und seinen Angaben im Beschwerdeschriftsatz. Ergänzend wurden Auszüge des Zentralen Melderegisters (ZMR), des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister (IZR), des Betreuungsinformationssystems der Grundversorgung und des Strafregisters eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften und nicht widerlegten Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde sowie aus den rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren.

Mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest.

Die Feststellungen zu seinem Familienstand ergeben sich aus seinen Angaben vor der belangten Behörde vom 22.06.2020. Dabei brache er vor, dass er ledig sei und ein Kind habe. Er habe jedoch weder mit der Mutter noch mit dem Kind einen Kontakt. Das Kind lebe bei der Mutter und habe ein Gambier, der die Vaterschaft anerkannt. Die Kindesmutter und der Gambier hätten die Obsorge über das Kind. Die Kindsmutter habe die Vaterschaft des Beschwerdeführers verneint, er sei sich jedoch sicher, dass sie gelogen habe.

Dass sich der Beschwerdeführer im Zeitraum von 18.12.2012 bis 14.05.2013 einer stationären gesundheitsbezogenen Maßnahme beim Verein „ XXXX “ unterzog, ergibt sich aus dem von dem Beschwerdeführer vorgelegten Schreiben des Vereins „ XXXX “ vom 28.05.2013.

Die Feststellungen zur Gesundheit des Beschwerdeführers ergeben sich einerseits aus dessen Angaben vor der belangten Behörde sowie andererseits aus den von dem Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen. Es handelt sich hierbei um Entlassungsbriefe des Uniklinikum Salzburg vom 27.04.2017 sowie vom 04.05.2017. Aktuellere medizinische Unterlagen wurden nicht vorgelegt. Laut dem Inhalt zuvor erwähnten Entlassungsbriefe wurde dem Beschwerdeführer nach einem ischämischen Infarkt im April 2017 stationär auf dem Uniklinikum Salzburg aufgenommen. Bei seiner erstmaligen Entlassung am 27.04.2017 wurde die Diagnose einer Ischämie im Mediastromgebiet links, ätiologisch a.e. mikroangiopathisch gestellt und eine Therapie mit Thrombo-Ass eingeleitet. Aus dem Entlassungsbrief vom 27.04.2017 leitet sich ab, dass ein paroxysmales Vorhofflimmern nach einem 72stündigem Überwachungszeitraum ausgeschlossen werden konnte. Zudem sei aufgrund ausreichender Physio- und Logotherapien eine Verbesserung der neurologischen Defizite erreich worden. Im Entlassungsbrief wurde dem Beschwerdeführer die stationäre Wiederbestellung am 03.05.2017 aufgetragen. Der Beschwerdeführer kam dieser Wiederbestellung nach und erfolgte am 03.05.2017 und am 04.05.2017 eine stationäre Behandlung. Im Entlassungsbrief wurde die selbe Diagnose gestellt: Zustand nach Ischämie im Stromgebiet der Arteria cerebri media links sowie occipital linksseitig April 2017. Als Therapie wurde eine Behandlung mit dem Blutverdünnungsmittel (Thrombo-Ass) verschrieben. Aus dem Entlassungsbericht vom 04.05.2017 leitet sich zudem ab, dass der Beschwerdeführer – mit Ausnahme einer leichten Sprachstörung – bei seiner Aufnahme klinisch neurologisch total unauffällig war. Zudem sei am 04.05.2017 eine transöphageale Echokardiograpie in Vollnarkose durchgeführt worden. Es habe sich dabei ein unauffälliger Befund ergeben und hätten auch eine patentes Foramen Ovale und ein atriales septales Aneurysma ausgeschlossen werden können. Der Beschwerdeführer konnte daraufhin am 04.05.2017 nach Hause entlassen werden. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 22.06.2020 bestätigte der Beschwerdeführer, dass er das Blutverdünnungsmittel Thromobo Ass und auch nach wie vor den Magenschutz Pantoloc einnehme und dass er sich in Österreich derzeit keiner medizinischen Behandlung unterziehe.

Die Feststellungen betreffend seine illegale Einreise in das Bundesgebiet sowie die Verwendung von Alias-Identitäten ergeben sich zweifellos aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

Die Feststellungen betreffend seine persönlichen Verhältnisse, seiner Lebensumstände, seiner bisher getätigten Integrationsbemühungen sowie seiner Deutschkenntnisse beruhen auf den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie aus den von dem Beschwerdeführer vorgelegten Bescheinigungsmitteln (Anmeldung zum „Mentaltrainer Diplomlehrgang“, Anmeldung zur Integrationsprüfung B1).

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Seine strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister und den sich im Verwaltungsakt befindlichen Strafurteilen.

2.3. Zu den bisherigen Verfahren und dem gegenständlichen Folgeantrag:

Die Feststellungen zu seinen bisherigen Anträgen auf Asyl und den dabei geltend gemachten Fluchtmotiven wurden den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten entnommen.

Im gegenständlichen Folgeverfahren bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass ein Nachbar versucht habe seine Schwester zu vergewaltigen. Im Zuge einer darauf folgenden Auseinandersetzung habe er diesen Nachbarn schwer verletzt und sei daher geflüchtet. Aufgrund dieses Vorfalles sei er in seiner Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt worden. Dieses Problem sei ihm bereits seit seiner Ausreise aus seinem Heimatland bekannt. Darüber hinaus sei sein Vater politisch aktiv und im Jahr 2011 inhaftiert worden. Auch ihm drohe eine Inhaftierung.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von dem Beschwerdeführer nunmehr vorgebrachten Fluchtgründe diesem - nach eigenen Angaben - bereits zum Zeitpunkt seiner vorangegangenen Anträge auf internationalen Schutz bekannt waren. Es ist daher der belangten Behörde beizupflichten, wenn diese ausführte, dass dem Beschwerdeführer die Verpflichtung zugekommen wäre, diese Fluchtgründe bereits im Rahmen seines ersten Verfahrens auf internationalen Schutz geltend zu machen. Hiezu wies bereits der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung darauf hin, dass dem Vorbringen des Asylwerbers zentrale Bedeutung zu kommt. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG 2005 deutlich hervor, wonach das BFA und das BVwG in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 03.07.2020, Ra 2019/14/0608). Berücksichtigt man, dass kein Asylwerber eine sich ihm bietende Gelegenheit zur Darbietung eines entscheidungsrelevanten Vorbringens ungenützt verstreiche lässt, ist es für das erkennende Gericht es ebenfalls nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sein gegenständliches Asylvorbringen nicht bereits bei seinem ersten Asylantrag vorbringen und auch in keine der darauffolgenden Folgeanträge, Befragungen und Einvernahmen erwähnt.

Darüber hinaus ist den nunmehr geltend gemachten Fluchtgründen mangels eines glaubhaften Kerns die Glaubhaftigkeit abzusprechen (vgl. VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0487) und gründet dies auf folgenden Überlegungen:

Diesbezüglich ist insbesondere auf das von dem Beschwerdeführer seit seiner ersten Einreise im Jahr 1999 in das Bundesgebiet gezeichnete Charakterbild hinzuweisen. So bediente sich der Beschwerdeführer über die Jahre hinweg zahlreicher Aliasidentitäten, versuchte zunächst seine wahre Staatsangehörigkeit zu verschleiern, indem er fälschlicherweise angab aus dem Irak zu stammen, stellte insgesamt vier – letztlich unbegründete – Anträge auf internationalen Schutz, dies stets zu einem Zeitpunkt, zu welchem er sich in Haft befand und entzog sich darüber hinaus wiederholt und beharrlich den Verfahren durch Untertauchen. Insofern spricht dieses Verhalten des Beschwerdeführers jedenfalls für eine mangelnde persönliche Glaubwürdigkeit.

Schon diesen Gründen, welche die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers massiv erschütterten, kann dem nunmehrigen Fluchtvorbringen kein Glauben geschenkt werden.

Wie zuvor bereits dargelegt, spricht gegen sein nunmehriges Fluchtvorbringen, dass er dieses erst im Rahmen seines vierten Asylantrages geltend macht.

Darüber hinaus legte der Beschwerdeführer - trotz dahingehender Aufforderung durch die belangte Behörde - keinerlei Bescheinigungsmittel zur Unterstützung seiner vagen Behauptungen bei. Eine lebensnahe Betrachtung der behaupteten Situation des Beschwerdeführers weist daher auf ein konstruiertes Fluchtvorbringen hin.

Dem vom Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren vorgebrachten Fluchtvorbringen spricht die belangte Behörde zu Recht jegliche Glaubhaftigkeit ab.

Des Weiteren konnten aus den Länderberichten keine derartigen Verschlechterungen der Sicherheitslage in Tunesien abgeleitet werden, welche den Beschwerdeführer individuell und konkret betreffen würden.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Tunesien samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der verwendeten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland weder in seiner Einvernahme, noch in seinem Beschwerdeschriftsatz substantiiert entgegen.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich trotzdem keine wesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur teilweisen Stattgebung der Beschwerde:

3.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.2. Rechtslage:

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom VwG von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl. VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0029). Auch das VwG hat dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis (vgl. dazu etwa VwGH vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032) einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. 03.07.2020, Ra 2020/14/0255 bzw. VfGH 18.06.2014, G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014)).

Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 08.09.1977, 2609/76).

Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag vorlagen, sind nicht geeignet, einen maßgeblich geänderten Sachverhalt im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG zu begründen (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0263).

Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 12.10.2016, Ra 2015/18/0221).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; 29.05.2018, Ra 2018/20/0256).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob die belangte Behörde den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der "Berufung" nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, dh eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, der Bescheid der belangten Behörde zum vorangegangenen Asylverfahren ist in formelle Rechtskraft erwachsen.

Die belangte Behörde hat - wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung näher ausgeführt- völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung der belangten Behörde an, dass die Angaben des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht dazu geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Dies deswegen, da die von dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Folgeverfahren vorgebrachten Fluchtgründe diesem bereits zum Zeitpunkt seiner vorangegangenen Anträge auf internationalen Schutz – allen voran seinem ersten Asylantrag – bekannt waren und diesen darüber hinaus kein glaubhafter Kern zukommt.

Da insgesamt weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.

Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache war daher rechtmäßig, weshalb die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen war.

3.2. Zur Behebung der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage:

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 03.07.2020, Ra 2020/14/0008).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie sich aus den im gegenständlichen Administrativverfahren in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen ergibt, erlitt der Beschwerdeführer im April 2017 einen ischämischen Infarkt und wurde er aufgrund dessen stationär auf dem Uniklinikum Salzburg aufgenommen und in weiterer Folge medizinisch behandelt.

Dieser Umstand stellt im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand eine derartig wesentliche Änderung des Sachverhaltes dar, die im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr von § 68 AVG abgedeckt ist und somit einer inhaltlichen Auseinandersetzung bedarf.

Im Allgemeinen hat kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind (Urteil des EGMR vom 13.12.2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (vgl. VfGH 06.03.2008, B2400/07 - B2418/07; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0105).

Im fortgesetzten Verfahren wird es also erforderlich sein, die Erkrankung des Beschwerdeführers dahingehend einer materiellen Beurteilung zu unterziehen, ob dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr eine dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen könnte.

Mit der Aufhebung der abweisenden Entscheidung hinsichtlich des Antrages auf subsidiären Schutz verlieren die amtswegige Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, die Rückkehrentscheidung sowie die auf die Rückkehrentscheidung aufbauenden Aussprüche nach § 52 Abs. 9 FPG und § 55 FPG ebenso wie das Einreiseverbot nach § 53 FPG ihre Grundlage (vgl. VwGH 13.02.2020, Ra 2019/01/0005).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Spruchpunkt II. bis VII. zu beheben.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

In Bezug auf die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz sowie auf die Aufhebung entfällt die Beschwerdeverhandlung auch gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG, weil der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen ist bzw. schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid teilweise aufzuheben ist.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich das erkennende Gericht in seiner Einzelfallentscheidung an der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Thematik „entschiedene Sache“ orientierte.

Schlagworte

Abschiebung Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache erhebliche Unterschiedlichkeit Folgeantrag freiwillige Ausreise Frist geänderte Verhältnisse Gefährdung der Sicherheit Haft Haftstrafe Identität der Sache Kassation real risk reale Gefahr Rechtskraft der Entscheidung Rechtskraftwirkung res iudicata Rückkehrentscheidung Spruchpunktbehebung Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat subsidiärer Schutz Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen Vergehen Vorstrafe Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.1420518.3.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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