Entscheidungsdatum
14.07.2020Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W161 2232839-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2020, Zl. 1264582110-200405011, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 i.d.g.F. und § 61 FPG i.d.g.F. als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, brachte am 16.05.2020 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab einen Treffer der Kategorie 1 mit Deutschland vom 24.04.2017.
2. Bei der Erstbefragung am 16.05.2020 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe seinen Herkunftsstaat im Juli 2016 verlassen. Nach einem Aufenthalt von drei Monaten in Italien sei er über unbekannte Länder nach Deutschland gelangt, wo er sich von Ende 2016 bis 15.05.2020 aufgehalten habe, seit 15.05.2020 sei er in Österreich. In Deutschland habe er ein Problem mit einem Drogendealer gehabt. Dieser habe versucht, ihn umzubringen und ihm Leute auf den Hals gehetzt. Er habe auch polizeiliche Anzeigenbestätigungen und ärztliche Befunde, um dies zu beweisen. Er habe in Deutschland um Asyl angesucht, das Verfahren sei noch im Gange. Er habe Angst, dorthin zurück zu kehren. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe Ägypten verlassen, da er sich weigere, seinen Militärdienst zu leisten. Er sei gegen die Revolution. Das seien alle seine Fluchtgründe.
3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) richtete am 19.05.2020 ein auf Art. 18 Abs.1 lit.b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland.
Mit Schreiben vom 22.05.2020 stimmte Deutschland dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.
4. Bei der Einvernahme durch das BFA am 23.06.2020 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er fühle sich physisch und psychisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren. Befragt nach Familienangehörigen in Österreich bzw. im Bereich der EU gab der Beschwerdeführer an:
„Ich habe meine Freundin, sie lebt in Deutschland und ist jetzt in Österreich. Wir sind traditionell verheiratet und sie ist eine deutsche Staatsbürgerin. Sie lebt in Österreich jetzt wegen mir bzw. ist wegen mir hierher gekommen auch.“
Er wolle nicht nach Deutschland zurück, weil er zweimal mit dem Tod bedroht worden sei. Das erstes Mal im Camp in XXXX und das zweite Mal auf der Straße. Er wolle damit sagen, sie hätten versucht, ihn zu töten und in seinem Zimmer hätten sie ihn mit dem Messer bedroht. Eine Person habe ihm mit dem Hammer auf die Schulter geschlagen und sie hätten ihn auch mitnehmen wollen. Er habe wegen dieser Vorfälle Anzeige erstattet und habe auch eine Bestätigung vom Krankenhaus bzw. der Behandlung vorgelegt. Er habe auch ein Schreiben seines Betreuers und ein Ansuchen um Unterkunftsverlegung, das aber in Deutschland nicht bewilligt worden wäre. Er sei mit dem Zug von Deutschland nach Österreich gefahren. Er habe Taschengeld von der Behörde bekommen. Das erste Mal habe er in Deutschland einen negativen Bescheid erhalten und dagegen Beschwerde eingereicht, das Asylverfahren sei seitdem noch immer offen. Auch seien sie als Ausländer in XXXX in seinem Ort nicht beliebt, man möge sie dort nicht. Es habe diesbezüglich auch Todesfälle gegeben. Es sei eine schlimme Situation im Camp gewesen, die er erlebt habe. Die Täter seien gekommen und hätten einen anderen besuchen wollen, dann seien sie zu seinem Zimmer gekommen. Er korrigiere, die Täter hätten gesagt, sie wollen einen anderen besuchen, um ins Camp hinein zu kommen.
Der Beschwerdeführer legte bei der Einvernahme vor eine Bestätigung des XXXX vom 07.01.2020, Standort XXXX , über eine Behandlung in der Zentralen Notaufnahme am 07.01.2020. Als Diagnose ist dort festgehalten: „V. a. Angst- und Panikattacken.“ Als Therapie wird angegeben: „Aktuell keine akute stationäre Aufnahme indiziert. Dem Patienten wurde Bedarfsmedikation mitgegeben, bei aufkommender Angst zu nehmen, er wurde über Suchtpotential und Fahruntauglichkeit aufgeklärt. Mit einem Wegzug aus XXXX sollten sich die Angstattacken einstellen, da somit der Auslöser wegfällt. Bei Beschwerdepersistenz ist eine Wiedervorstellung jederzeit möglich.“
Weiters wurden vorgelegt ein nur vom Beschwerdeführer unterzeichneter Vermerk über einen Vorfall vom 27.12.2019 im Wohnheim XXXX , in XXXX (darin schildert der nunmehrige Beschwerdeführer einen Vorfall, bei welchem angeblich jemand an seine Tür geklopft und „Polizei“ gerufen habe. Zwei Personen hätten ihn in der Folge aufs Bett geworfen und mit einem Messer und einem Hammer bedroht. Sie hätten gemeint, er solle leise sein, sonst würden sie ihn töten. Die Personen hätten gewollt, dass er mit ihnen mitgehen, was er in der Folge getan hätte. In einem kurzen unaufmerksamen Augenblick sei er der Person entwichen und in das Büro gelaufen, wo er eine Sozialarbeiterin informiert habe, die bei der Polizei angerufen habe) sowie ein Antrag auf Umverteilung/Wohnsitzwechsel, in welchem als Grund angegeben wird: „Bedrohung, Angstzustände, Übergriffe anderer Personen (siehe beigefügte Unterlagen)“, der Beschwerdeführer habe Angst, das Wohnheim zu verlassen, da Täter und seine Freunde ihn suchen und töten wollen.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 (zu ergänzen: lit. d ) Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Deutschland zulässig sei.
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in Deutschland die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich seien und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.
Zur Lage in Deutschland traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert und gekürzt):
Zur COVID-19 Pandemie:
Derzeit herrscht weltweit die als COVID-19 bezeichnete Pandemie. COVID-19 wird durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte. In Deutschland wurden bisher 192480 Fälle von mit diesem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher diesbezüglich 8914 Todesfälle bestätigt wurden (https://coronavirus.jhu.edu/map.html, abgerufen 24.6.2020.
Wie gefährlich der Erreger SARS-CoV-2 ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu drei Prozent aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind (https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen.html, abgerufen am 24.06.2020).
1. Allgemeines zum Asylverfahren
Letzte Änderung: 15.5.2020
In Deutschland existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 3.2019; vgl. BAMF o.D.a, BAMF o.D.b, BR o.D., UNHCR o.D.a, für ausführliche Informationen siehe dieselben Quellen).
Im Berichtsjahr 2019 wurden 142.509 Erstanträge vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entgegengenommen. Dies bedeutet gegenüber 2018 (161.931 Erstanträge) eine Abnahme der Erstantragszahlen um 12 %. 2019 wurden insgesamt 165.938 Asylanträge (Erstanträge und Folgeanträge) gestellt. Im gesamten Berichtsjahr 2019 wurden insgesamt 183.954 Entscheidungen über Asylanträge getroffen. Im Jahr zuvor waren es 216.873 Entscheidungen; dies bedeutet einen Rückgang um 15,2 %. Dabei lag die Gesamtschutzquote für alle Staatsangehörigkeiten im Berichtsjahr 2019 bei 38,2 % (70.239 positive Entscheidungen von insgesamt 183.954). Im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreswert (35,0 %) stieg die Gesamtschutzquote somit um 3,2 Prozentpunkte an (BAMF 2020). In den ersten vier Monaten 2020 hat die Zahl der Asylanträge im Vergleich zu den entsprechenden Zahlen des Vorjahrs weiter abgenommen.
(BAMF 4.2020)
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.a): Ablauf des Asylverfahrens, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/AblaufAsylverfahrens/ablaufasylverfahrens-node.html, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 4.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2020): Aktuelle Zahlen (Ausgabe: Dezember 2019), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-dezember-2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 5.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (04.2020): Aktuelle Zahlen. April 2020, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/AsylinZahlen/aktuelle-zahlen-april-2020.pdf?__blob=publicationFile&v=6, Zugriff 11.5.2020
2. Dublin-Rückkehrer
Letzte Änderung: 15.5.2020
Es gibt keine Berichte, dass Dublin-Rückkehrer in Deutschland Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten (AIDA 16.4.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 4.5.2020
3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable
Letzte Änderung: 15.5.2020
Unbegleitete Minderjährige werden zunächst durch das vor Ort zuständige Jugendamt in Obhut genommen. Im Rahmen dieser vorläufigen Inobhutnahme werden sie bei einer geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung untergebracht. Geeignete Personen können Verwandte oder Pflegefamilien sein, geeignete Einrichtungen sind in der Regel sogenannte Clearinghäuser, die auf die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen spezialisiert sind, oder Jugendhilfeeinrichtungen. Im Zuge der vorläufigen Inobhutnahme findet auch das sogenannte Erstscreening statt. Es stellt neben der allgemeinen Prüfung des Gesundheitszustands auch das Alter der Minderjährigen fest. Die dafür verwendeten Methoden reichen von einer reinen Altersschätzung, über körperliche Untersuchungen, bis hin zu radiologischen Untersuchungen. Darüber hinaus schätzt das zuständige Jugendamt ein, ob die Durchführung des späteren Verteilungsverfahrens das Kindeswohl in physischer oder psychischer Hinsicht gefährden könnte. In diesem Zusammenhang wird auch die Möglichkeit einer Familienzusammenführung mit in Deutschland lebenden Verwandten geprüft. Bestehen enge soziale Bindungen zu anderen unbegleiteten Minderjährigen, prüft das Jugendamt, ob eine gemeinsame Unterbringung sinnvoll ist (BAMF 14.11.2019).
Um eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Unterstützung der unbegleiteten Minderjährigen sicherzustellen, gibt es ein bundesweites Verteilungsverfahren. Das Verteilungsverfahren wird innerhalb von 14 Tagen durchgeführt. Bei der Durchführung der Verteilung ist sichergestellt, dass die Kinder und Jugendlichen auf dem Weg zum zugewiesenen Jugendamt begleitet und einer Fachkraft dieses Jugendamts übergeben werden. Nach dieser Verteilung ist das Jugendamt, dem die Minderjährigen zugewiesen wurden, für deren weitere Inobhutnahme zuständig. Auch hier werden diese entweder bei einer geeigneten Person – Verwandte oder Pflegefamilien – oder in einer geeigneten Einrichtung – zum Beispiel Clearinghäuser – untergebracht. Im Anschluss daran werden die Beantragung einer Vormundschaft, weitere medizinische Untersuchungen, die Ermittlung des Erziehungsbedarfs sowie eine Klärung des Aufenthaltsstatus veranlasst (BAMF 14.11.2019).
Für unbegleitete Minderjährige muss ein Vormund oder eine Pflegekraft bestellt werden. Wer die Vormundschaft letztendlich übernimmt, wird vom Familiengericht entschieden. Eine Vormundschaft besteht in der Regel bis zur Volljährigkeit. Dabei orientiert sich die Volljährigkeit am Recht im Herkunftsland des Minderjährigen und nicht am deutschen Recht. Tritt also nach diesem Recht die Volljährigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs ein, wie etwa in Togo (Volljährigkeit mit 21), endet die Vormundschaft auch erst zu diesem Zeitpunkt. Im anschließenden Clearingverfahren werden weitere Schritte im Bereich des Jugendhilferechts oder des Aufenthaltsrechts eingeleitet. Es umfasst unter anderem die Klärung des Aufenthaltsstatus. Auf dessen Basis wird entschieden, ob ein Asylantrag gestellt wird. Ist ein Asylverfahren nicht erfolgversprechend, kann die zuständige Ausländerbehörde auch eine Duldung ausstellen. Kommt auch dies nicht infrage, berät die Ausländerbehörde über andere aufenthaltsrechtliche Möglichkeiten. Falls ein Asylantrag gestellt werden soll, ist das Bundesamt für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (BAMF 14.11.2019).
Innerhalb des Asylverfahrens gelten für die Bestimmung der Volljährigkeit die nationalen Vorschriften. Das heißt: Unbegleitete Minderjährige müssen mit Vollendung des 18. Lebensjahrs ihren Asylantrag selbst stellen, denn sie gelten – unabhängig von dem Recht in ihrem Herkunftsland – als volljährig. Der Vormund kann in diesem Fall aber weiterhin das Asylverfahren begleiten. Asylsuchende unter 18 Jahren gelten im Rahmen des Asylverfahrens als nicht handlungsfähig. Das bedeutet, dass unbegleitete Minderjährige nicht allein einen Asylantrag beim Bundesamt stellen können. In diesen Fällen muss der Asylantrag vom Jugendamt oder Vormund schriftlich gestellt werden. Wird er von einem Vormund gestellt, muss eine sogenannte „Bestallungsurkunde“ übersandt werden. Da unbegleitete Minderjährige als besonders schutzbedürftige Personengruppe mit besonderen Garantien für ihr Asylverfahren gelten, werden ihre Asylverfahren von Sonderbeauftragten betreut, die für eine sensibilisierte Herangehensweise geschult wurden (BAMF 14.11.2019).
Im ersten Halbjahr 2019 gab es 1.511 Asylerstanträge von unbegleiteten Minderjährigen, 2018 waren es insgesamt 4.087, 2017 9.084 und 2016 35.939 (BumF 17.12.2019). Im Jahr 2018 wurden 12.201 unbegleitete Minderjährige in (vorläufige) Obhut genommen. 2017 waren es noch 22.492, 2016 44.935 (BAMF 21.8.2019).
Es gibt keine bundesweite gesetzliche Vorschrift zur Identifizierung Vulnerabler, mit Ausnahme von unbegleiteten Minderjährigen. Mit der Änderung des Asylgesetzes im Jahr 2015 wurde ein Konzept betreffend die Identifizierung schutzbedürftiger Asylwerber erstellt, das als interne Richtlinie des BAMF fungiert. Alle Asylwerber werden einer medizinischen Untersuchung unterzogen, dieallerdings auf die Diagnose von Ansteckungskrankheiten abzielt und keine Untersuchung im Hinblick auf Vulnerabilität umfasst. Es gibt kein systematisiertes Verfahren zur Feststellung von Traumata bzw. Vulnerabilität, wenngleich das medizinische Personal oder Angestellte der Aufnahmezentren das BAMF allenthalben informieren, falls Anzeichen von Traumata festgestellt werden. Einige Bundesländer haben Pilotprojekte für die Identifizierung vulnerabler Asylwerber eingeführt. Insbesondere unbegleitete Minderjährige (UM), traumatisierte Asylwerber sowie Opfer von Folter oder geschlechtsspezifischer Verfolgung sollen bei Bedarf von speziell ausgebildeten Referenten behandelt werden. In Berlin und einigen Aufnahmezentren in anderen Bundesländern gibt es solche Bemühungen. Es gibt keinen standardisierten Zugang zur Gewährleistung von Sozialleistungen und Beratungsinstitutionen und in vielen Zentren existiert dieser Zugang gar nicht. Nur Rheinland-Pfalz hat scheinbar detaillierte Maßnahmen zur Identifikation und Unterbringung von vulnerablen Personen (AIDA 16.4.2019).
Medizinische Spezialbehandlung für Traumatisierte und Folteropfer kann durch einige Spezialisten und Therapeuten in verschiedenen Behandlungszentren für Folteropfer gewährleistet werden. Da die Plätze in diesen Zentren begrenzt sind, ist der Zugang nicht immer garantiert. Die Behandlungskosten werden von den Behörden nur teilweise übernommen (Übersetzerkosten etwa werden nicht gedeckt). Aus diesem Grund sind die Zentren zu einem gewissen Grad auf Spenden oder andere Einkünfte angewiesen. Große geografische Distanzen zwischen Unterbringung und Behandlungszentrum sind in der Praxis auch oft ein Problem (AIDA 16.4.2019).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 5.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (14.11.2019): Unbegleitete Minderjährige, https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/UnbegleiteteMinderjaehrige/unbegleiteteminderjaehrige-node.html, Zugriff 5.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (21.8.2019): Anteil unbegleiteter geflüchteter Mädchen gestiegen: Inobhutnahmezahlen für 2018 veröffentlicht, https://b-umf.de/p/inobhut2018/, Zugriff 5.5.2020
- BumF – Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (17.12.2019): Die Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge – Auswertung der Online-Umfrage 2019, https://b-umf.de/src/wp-content/uploads/2020/01/2019_12_17_bumfumfrage2019_v04.pdf, Zugriff 5.5.2020
4. Non-Refoulement
Letzte Änderung: 15.5.2020
Bei jedem Asylantrag prüft das Bundesamt auf Grundlage des Asylgesetzes, ob eine der vier Schutzformen – Asylberechtigung, Flüchtlingsschutz, subsidiärer Schutz oder ein Abschiebungsverbot – vorliegt. Wird ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt, darf keine Rückführung in den Staat erfolgen, für den dieses Abschiebungsverbot gilt. Den Betroffenen wird dann von der Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilt (BAMF o.D.b).
Im Jahr 2018 hob die Regierung ihr Abschiebeverbot für Afghanistan auf und im ersten Halbjahr wurden etwa 200 Personen dorthin abgeschoben. Die Praxis erlaubte bis dahin nur Abschiebungen von verurteilten Kriminellen und Personen, die als Sicherheitsrisiko betrachtet wurden. NGOs, darunter auch Amnesty International, kritisierten dies als Verstoß gegen das Refoulement-Prinzip (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 8.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 15.5.2020
5. Versorgung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Für Versorgung und Unterkunft der Asylwerber ist die zuständige Aufnahmeeinrichtung verantwortlich. Während ihres Aufenthalts erhalten die Asylwerber existenzsichernde Sachleistungen und einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse im Alltag. Art und Höhe der Leistungen sind durch das sogenannte Asylbewerberleistungsgesetz geregelt. Zu ihnen zählen: Grundleistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege, Gebrauchs- und Verbrauchsgüter im Haushalt, Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt sowie individuelle Leistungen, die vom jeweiligen Einzelfall abhängen (BAMF o.D.b; vgl. AIDA 16.4.2019).
Asylwerberleistungen werden auch in der Anschlussunterbringung (wie etwa einer Gemeinschaftsunterkunft oder auch einer privaten Wohnung) erbracht (BAMF o.D.b). Bei einer Unterbringung in Aufnahmeeinrichtungen werden die Grundleistungen als Sachleistungen bereitgestellt. Die Höhe der finanziellen Unterstützung beläuft sich je nach Unterbringung auf:
Bezieher Betrag bei Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen Betrag bei Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen
Für alleinstehende Leistungsberechtigte 135 € 354 €
Für jeden von zwei erwachsenen Leistungsberechtigte, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen 122 € 318 €
Für weitere erwachsene Leistungsberechtigte im selben Haushalt 108 € 284 €
Für sonstige jugendliche Leistungsberechtigte vom Beginn des 15. und bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 76 € 276 €
Für leistungsberechtigte Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 83 € 242 €
leistungsberechtigte Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres 79 € 214 €
Für in Aufnahmezentren untergebrachte Asylwerber gilt, dass diese mit Essen, Heizung, Kleidung und sanitären Produkten versorgt werden. Daher sind die Sätze deutlich niedriger (AIDA 16.4.2019).
Asylsuchende werden schon während der Bearbeitung ihres Antrags über die Teilnahme an Integrationskursen des Bundesamtes am jeweiligen Wohnort informiert. Für einen möglichen Arbeitsmarktzugang nehmen Beraterinnen und Berater der Bundesagentur für Arbeit vor Ort in den Ankunftszentren Erstdaten der Antragstellenden auf. Diese stehen dann den Arbeitsagenturen und Jobcentern bundesweit zur Verfügung (BAMF o.D.b).
Beim Arbeitsmarktzugang für Asylwerber und Geduldete gelten die folgenden Regelungen: Asylwerber benötigen grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis, die durch die lokale Ausländerbehörde erteilt wird. Im 1. bis zum 3. Monat befinden sich die Personen in der Wartefrist. Ab dem 4. Monat können Asylwerber sowie Geduldete in vielen Teilen Deutschlands (mit Ausnahme einiger Regionen) eine Arbeit aufnehmen. Ab dem 16. Monat ist der Arbeitsmarkt in ganz Deutschland ohne Vorrangprüfung offen. Immer dann, wenn keine Vorrangprüfung erfolgt, ist auch eine Tätigkeit als Leiharbeitnehmer möglich. Ab dem 49. Monat ist keine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit mehr erforderlich; aber weiterhin jene der Ausländerbehörde. Für Fachkräfte und bei Ausbildung gilt ein erleichterter Arbeitsmarktzugang (BMAS 26.3.2020).
Flüchtlinge und Asylsuchende sehen sich bei der Arbeitssuche mit mehreren Hürden konfrontiert, unter anderem langen Überprüfungszeiten für Vorqualifikationen, fehlenden amtlichen Zeugnissen und Abschlüssen sowie eingeschränkten Deutschkenntnissen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 12.5.2020
- BMAS – Bundesministerium für Arbeit und Soziales (26.3.2020): Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge, https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Infos-fuer-Asylsuchende/arbeitsmarktzugang-asylbewerber-geduldete.html, Zugriff 12.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020
5.1. Unterbringung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Zunächst werden alle Asylsuchenden in den nächstgelegenen Aufnahmeeinrichtungen des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen. Eine solche Einrichtung kann für die vorübergehende oder auch für die längerfristige Unterbringung zuständig sein (BAMF o.D.b). In Deutschland gibt es grundsätzlich drei verschiedene Arten der Unterbringung: Erstaufnahmezentren, Gemeinschaftsunterkünfte und dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. 2015 und 2016 waren Notunterkünfte im Betrieb, die bis auf wenige Ausnahmen inzwischen wieder geschlossen wurden (AIDA 16.4.2019).
Asylwerberinnen und Asylwerber werden in der Regel zunächst in einer Erstaufnahmeunterkunft untergebracht. Nach einer Gesetzesreform vom Juli 2017 wurde die maximale Aufenthaltsdauer in der Erstaufnahmeeinrichtung von sechs auf 24 Monate erhöht. Diese Regelung wurde jedoch bis Ende 2018 nur in Bayern umgesetzt. Wenn die Pflicht zum Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum endet, kommen Asylwerber normalerweise in Gemeinschaftsunterkünften unter, wobei es sich um Unterbringungszentren im selben Bundesland handelt. Asylwerber müssen während des gesamten Asylverfahrens in der Gemeinde aufhältig sein, die von der Behörde festgelegt wurde. Die Verantwortung für diese Art der Unterbringung wurde von den Bundesländern oftmals den Gemeinden und von diesen wiederum auf NGOs oder Privatunternehmen übertragen. Manche Gemeinden bevorzugen eine dezentralisierte Unterbringung in Wohnungen. Die Standards und die Lebensbedigungen in Gemeinschaftsunterkünften unterscheiden sich nicht nur regional, sondern auch oft innerhalb bestimmter Regionen stark, daher kann nur schwerlich eine allgemeingültige Aussage über die Lebensbedingungen in solchen Einrichtungen getroffen werden (AIDA 16.4.2019).
Die Ankunftszentren sind der zentrale Zugangspunkt zum Asylverfahren. In diesen Zentren werden alle für das Asylverfahren erforderlichen Schritte durchgeführt. Dies beinhaltet die ärztliche Untersuchung durch die Länder, die Erfassung der persönlichen Daten und die Identitätsprüfung, die Antragstellung, Anhörung und Entscheidung über den Asylantrag sowie erste Integrationsmaßnahmen, wie etwa die sogenannten Erstorientierungskurse durch das Bundesamt. Darüber hinaus findet eine Erstberatung zum Arbeitsmarktzugang durch die örtliche Arbeitsagentur statt (BAMF o.D.b).
Mit den neuen Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückkehr-Einrichtungen (AnkER-Einrichtungen) wurde die Grundidee der Ankunftszentren weiterentwickelt. Das zentrale Element des AnkER-Konzepts ist die Bündelung aller Funktionen und Zuständigkeiten: von Ankunft über Asylantragstellung und Entscheidung bis zur kommunalen Verteilung, ersten integrationsvorbereitenden Maßnahmen bzw. der Rückkehr von Asylantragstellenden. Alle direkt am Asylprozess beteiligten Akteure sind vor Ort in den AnkER-Einrichtungen vertreten. Dies sind in der Regel die Aufnahmeeinrichtungen des Landes, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Ausländerbehörden, Verwaltungsgerichte, Jugendämter und die Bundesagentur für Arbeit. Für die Ausgestaltung der Zentren wird dabei kein starres Konzept vorgegeben – die Länder können hier die Schwerpunkte setzen, die ihnen besonders wichtig sind (BAMF o.D.b).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 8.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 11.5.2020
5.2. Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 15.5.2020
Asylwerber sind grundsätzlich nicht gesetzlich krankenversichert, sondern haben im Krankheitsfall Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). In Abhängigkeit von Aufenthaltsdauer und -status definiert das Gesetz unterschiedliche Leistungsniveaus (GKV 6.11.2019).
Die Gesetze sehen medizinische Versorgung für Asylwerber in Fällen akuter Erkrankung oder bei Schmerzen vor. Hierbei werden beispielsweise auch Zahnbehandlung und Medikation umfasst. Sonstige, darüber hinausgehende Leistungen liegen im Ermessen der Sozialbehörden und können gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich sind. Schwangere und Wöchnerinnen sind eigens im Gesetz erwähnt. Unabdingbare medizinische Behandlung steht auch Personen zu, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Recht auf Sozialunterstützung mehr haben. Deutsche Gerichte haben sich in verschiedenen Fällen der Sichtweise angeschlossen, dass von diesen Bestimmungen auch chronische Erkrankungen abgedeckt werden, da auch diese Schmerzen verursachen können. Berichten zufolge werden jedoch notwendige, aber kostspielige diagnostische Maßnahmen oder Therapien von den lokalen Behörden nicht immer bewilligt (AIDA16.4.2019; vgl. GKV 6.11.2019).
Zuständig für die Umsetzung dieses Leistungsanspruchs sind die Länder bzw. die von ihnen per Landesgesetz bestimmten Behörden. Innerhalb der ersten 15 Monate des Aufenthalts in Deutschland (sogenannte Wartezeit) wird dies in der Regel über die Ausgabe von speziellen Behandlungsscheinen (Krankenscheinen) durch die Sozialämter sichergestellt (GKV 6.11.2019). Bei letzteren wird von Problemen aufgrund von Inkompetenz des Personals berichtet (AIDA 16.4.2019). Die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG liegt demnach im Ermessen der kommunalen Leistungsträger. Nach der Wartezeit werden die Asylwerber gemäß § 264 Abs. 2 SGBV auftragsweise von den gesetzlichen Krankenkassen betreut. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte (eGK), mit der Sie nahezu dieselben Leistungen erhalten wie gesetzlich Krankenversicherte. Die Krankenkassen erhalten die Aufwendungen und einen Verwaltungskostenanteil von den Trägern der Sozialhilfe erstattet (GKV 6.11.2019).
Es wurde kritisiert, dass auch Asylwerber, die eine Gesundheitskarte besitzen, immer noch lediglich Zugang zu einer Notfallbehandlung hätten. Einige Gemeinden und private Gruppen sorgten für eine zusätzliche Gesundheitsversorgung (USDOS 13.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 11.5.2020
- GKV – GKV-Spitzenverband (6.11.2019): Fokus: Asylsuchende/ Flüchtlinge, https://www.gkv-spitzenverband.de/presse/themen/fluechtlinge_asylbewerber/fluechtlinge.jsp, Zugriff 12.5.2020
- USDOS (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 – Germany, https://www.ecoi.net/de/dokument/2027519.html, Zugriff 12.5.2020
6. Schutzberechtigte
Letzte Änderung: 15.5.2020
Asylberechtigte erhalten von ihrer zuständigen Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Dasselbe gilt, wenn die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist. Nach frühestens drei Jahren kann unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa die Sicherung des Lebensunterhalts und ausreichende deutsche Sprachkenntnisse, eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn das Bundesamt kein Widerrufsverfahren einleitet (BAMF o.D.b; vgl. AIDA 16.4.2019).
Subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltserlaubnis mit einjähriger Gültigkeit, die für jeweils zwei Jahre verlängert werden kann. Nach frühestens fünf Jahren (unter Einrechnung der Dauer des Asylverfahrens) kann eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erteilt werden, sofern weitere Voraussetzungen, wie etwa die Sicherung des Lebensunterhalts und ausreichende deutsche Sprachkenntnisse, erfüllt sind (BAMF o.D.b; vgl. AIDA 16.4.2019).
Wurde ein nationales Abschiebungsverbot festgestellt, darf keine Rückführung in den Staat erfolgen, für den dieses Abschiebungsverbot gilt. Die Betroffenen erhalten eine Aufenthaltserlaubnis, wenn die Bedingungen hierfür erfüllt sind. Die Aufenthaltserlaubnis wird für mindestens ein Jahr erteilt und kann wiederholt verlängert werden. Für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis gilt das Gleiche wie bei subsidiär Schutzberechtigten (BMF o.D.b).
Sowohl Personen mit internationalem Schutz als auch Personen mit subsidiärem Schutz haben den gleichen Zugang zu Arbeitsmarkt, Bildung, Sozialleistungen und medizinischer Versorgung wie deutsche Bürger (AIDA 16.4.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Mit dem Ausländerbeschäftigungsförderungsgesetz vom Juni 2019 werden Asylwerber mit guter Bleibeperspektive frühzeitig gefördert und schneller in den Arbeitsmarkt integriert. Der Zugang Geflüchteter, die voraussichtlich länger in Deutschland bleiben, zu Integrations- und berufsbezogenen Sprachkursen sowie zur Ausbildungsförderung wird leichter. Mit der Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes hat die Bundesregierung die Bedarfssätze angepasst und eine bestehende Förderlücke geschlossen. Geflüchtete, die eine Berufsausbildung oder ein Studium absolvieren, können künftig auch nach dem 15. Monat ihres Aufenthalts in Deutschland Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Damit wird verhindert, dass sie eine Lehre oder ein Studium aus finanziellen Gründen abbrechen müssen. Um Integration auch durch Übernahme von Ehrenämtern zu fördern, gibt es hierfür künftig einen Freibetrag. Die neu geschaffene Kooperationsvereinbarung zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Arbeitsstab der Integrationsbeauftragten unterstützt insbesondere Frauen mit Einwanderungsgeschichte bei der Integration auf dem Arbeitsmarkt (BR 1.3.2020).
Quellen:
- AIDA – Asylum Information Database (16.4.2019): Country Report: Germany – 2018 Update, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_de_2018update.pdf, Zugriff 5.5.2020
- BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (o.D.b): Ablauf des deutschen Asylverfahrens – Broschüre, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/AsylFluechtlingsschutz/Asylverfahren/das-deutsche-asylverfahren.pdf?__blob=publicationFile&v=12, Zugriff 4.5.2020
- BR – Die Bundesregierung (1.3.2020): Flüchtlingspolitik, Asylverfahren - Was tut die Bundesregierung im Bereich Migration und Integration?, https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/migration-und-integration-1657562, Zugriff 4.5.2020
Begründend wurde festgestellt, der Antrag sei Staatsbürger von Ägypten, volljährig und voll handlungsfähig. Er leide an keinen Krankheiten, die seiner Überstellung nach Deutschland im Wege stünden. Er habe am 16.05.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz beim BFA gestellt, das BFA habe ein Konsultationsverfahren gemäß Art. 18 Abs. 1 der Dublin-Verordnung mit Deutschland eingeleitet. Mit Schreiben vom 22.05.2020 habe Deutschland dem österreichischen Wiederaufnahmeersuchen zugestimmt.
Der Antragsteller habe eine Freundin in Deutschland. Enge familiäre oder andere enge private Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich sonst aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können.
In Bezug auf den Vorfall vom 27.12.2019 sei auf die Zuständigkeit der deutschen Behörden zu verweisen sowie auf die amtlichen Länderfeststellungen zur BRD.
Im Übrigen wurde ausgeführt, dass ein vom Beschwerdeführer im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen würden, im Verfahren nicht hervorgekommen sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu. Es habe sich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Eine Anordnung zur Außerlandesbringung habe gemäß § 61 Abs. FPG zu Folge, dass die Abschiebung in den Zielstaat zulässig sei.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher insbesondere vorgebracht wird, die belangte Behörde habe sich zu Unrecht nicht näher mit den Erlebnissen des Beschwerdeführers in Deutschland auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer habe in Deutschland erfolglos versucht, sich den von ihm geschilderten Gewalttaten zu entziehen und sei ein Ansuchen auf Verlegung nicht bewilligt worden. Weiter habe der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er Drohungen gegen seine Person per Messenger erhalten habe, welche von der belangten Behörde pflichtwidrig unbeachtet geblieben seien. Somit gestaltet sich das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde als grob mangelhaft. Auch habe die belangte Behörde den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht ausreichend ermittelt und aktenwidrige Feststellungen zu getroffen. Dieser leide an einer Anpassungsstörung sie deshalb auch in stationärer Behandlung gewesen. Auch habe der Beschwerdeführer in Deutschland seine Frau kennengelernt und traditionell geheiratet. Sie sei rumänische Staatsangehörige und nicht wie aktenwidrig angenommen deutsche Staatsangehörige. Seine Frau lebe nun in Österreich, um ihren Mann zu unterstützen und psychisch zur Seite zu stehen. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Deutschland eine Verletzung seiner durch Artikel 8 EMRK gewährleitsteten Rechte darstellen würde, weshalb zwingend das Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. Dublin III-VO auszuüben sei. Die Behörde hätte aufgrund der besonderen Umstände des gegenständlichen Falles von der humanitären Klausel Gebrauch machen müssen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer reiste spätestens im Jahr 2016 über Italien illegal in das Gebiet der Mitgliedsstaaten ein. Er stellte am 24.04.2017 einen Asylantrag in Deutschland. Sein Antrag wurde in Deutschland abgelehnt. Er reiste dann weiter und stellte am 16.05.2020 in Österreich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.
Das BFA richtete am 19.05.2020 ein Wiederaufnahmeersuchen an Deutschland. Deutschland stimmte mit Schreiben vom 22.05.2020 der Wiederaufnahme gemäß Art. 18 Abs. 1 lit.d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer das Gebiet der Dublin-Staaten sei seiner Asylantragstellung in Deutschland für mehr als drei Monate verlassen hätte.
Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Deutschland sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen akut lebensbedrohenden Krankheiten.
Der Beschwerdeführer hat eigenen Angaben zufolge eine Lebensgefährtin, die deutsche Staatsbürgerin ist und mit welcher er nach traditionellem islamischen Recht verheiratet ist.
Besondere individuelle Gründe, die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei in Österreich sprechen würden, wurden während sämtlicher Befragungen als auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.
2. Beweiswürdigung:
De Feststellungen zum Reiseweg des Beschwerdeführers und seiner Antragstellung in Deutschland ergeben sich im Speziellen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage.
Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Deutschland ergeben sich aus der ausdrücklichen Zustimmung Deutschlands. Daraus ergibt sich letztlich auch, dass das Verfahren auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers in Deutschland abgeschlossen ist.
Aus der Aktenlage ergibt sich im Übrigen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer zwischen seiner Antragstellung in Deutschland und seiner Ankunft in Österreich das Gebiet der Mitgliedstaaten nicht für mindestens drei Monate oder auf Grundlage eines Rückführungsbeschlusses oder einer Abschiebungsanordnung verlassen hat, Gegenteiliges wurde auch nicht vorgebracht.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage.
Schwere Erkrankungen des Beschwerdeführers wurden weder behauptet, noch wurden im Verfahren diesbezügliche ärztliche Befunde vorgelegt. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an der Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigten würden. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab er an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die an ihn gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Er nannte von sich aus keine Erkrankungen. Aus dem von ihm vorgelegten ärztlichen Bericht des XXXX ergibt sich, dass er dort an einem Tag (07.01.2020) in ambulanter Behandlung wegen Angst- und Panikattacken gewesen ist. Aus dem erst mit der Beschwerde vorgelegten vorläufigen Entlassungsbrief des Klinikums XXXX ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sich dort von 01.07.2020 bis 02.07.2020 in stationärer Behandlung wegen Anpassungsstörungen F43.2 befunden hat.
Aus den vorgelegten ärztlichen Unterlagen kann keinesfalls eine schwere Erkrankung in einem solchen Ausmaß abgeleitet werden, welche eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Deutschland hintanhalten würde. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass Asylwerber in Deutschland ausreichende medizinische Versorgung für psychische und physische Erkrankungen erhalten.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine zu berücksichtigenden privaten oder familiären Bindungen hat, ergibt sich aus seinen Angaben im Verfahren im Zusammenhalt mit dem Akteninhalt. Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung noch an, er sei ledig und nannte auch keine Lebensgefährtin. Bei der niederschriftlichen Einvernahme sprach er erstmals von einer Freundin, die in Deutschland lebe und jetzt in Österreich sei. Er gab an, er sei mit dieser traditionell verheiratet und sei sie deutsche Staatsbürgerin. Er gab weder einen Namen noch eine Adresse von dieser an, noch legte er Unterlagen für die angeblich traditionell geschlossene Eheschließung vor. Er gab an, dieses Freundin sei wegen ihm nach Österreich gekommen. Die Beschwerdebehauptung, wonach die Freundin rumänische Staatsangehörige sei, widerspricht somit den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren. Im übrigen wurden auch in der Beschwerde keine näheren Angaben zur der angeblichen Freundin getätigt und keinerlei Urkunden zum Nachweis vorgelegt, aus denen sich der Name, die Staatsangehörigkeit, der Wohnsitz oder die traditionelle Eheschließung ergeben würden, vorgelegt. Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Mai 2020 in Österreich und kann nach den von ihm zu der Freundin/Lebensgefährtin getätigten Angaben nicht auf ein zu berücksichtigendes Familienleben geschlossen werden. Auch lebte seine deutsche Freundin seinen Angaben zufolge zuletzt in Deutschland und kam nur wegen des Beschwerdeführers nach Österreich. Bei einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Deutschland könnten beide ihre Beziehung dort somit ohne Probleme fortsetzen.
Eine die beschwerdeführende Partei konkret treffend Bedrohungssituation in Deutschland wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt 3.).
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwer-bern in Deutschland auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Zur Aktualität der Quellen älteren Datums verwies das BFA im angefochtenen Bescheid darauf, dass zwischenzeitlich keine entscheidungsrelevante Änderung der Lage eingetreten sei, die-ser Einschätzung wird vom erkennenden Gericht im Wesentlichen beigepflichtet (vgl. näher unter Punkt II.4.3.2.).
Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen in Zusammenschau mit laufender Medienbeobachtung ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das deutsche Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des BVwG insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die Abschiebepraxis, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Deutschland den Feststellungen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu folgen. In-dividuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Län-derfeststellungen klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 57/2018, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.
Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013).
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. …
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 56/2018 lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. …
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-Verordnung) lauten:
"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.