TE OGH 2020/9/23 3Ob128/20z

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Veröffentlicht am 23.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. mj L*****, geboren ***** 2012, 2. mj Lo*****, geboren am ***** 2014, beide wohnhaft bei der Mutter Mag. P*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Gerhards, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. E*****, vertreten durch Mag. Irene Binder, Rechtsanwältin in Wien, vertreten durch Dr. Gregor Holzknecht, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. März 2020, GZ 43 R 127/20z, 43 R 128/20x, 43 R 129/20v, 43 R 130/20s, 43 R 131/20p-852, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er die Regelung des Kontaktrechts zu bereits vergangenen Zeiträumen betrifft (2. März 2020 bis zum Tag dieser Entscheidung), mangels Beschwer zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird der außerordentliche Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]       Die Obsorge über die in den Jahren 2012 und 2014 außerehelich geborenen Kinder steht der Mutter allein zu. In dem äußerst konfliktbeladenen Verfahren sind insbesondere der Umfang eines dem Vater einzuräumenden Kontaktrechts, dessen Durchsetzung sowie die Besuchsrechtsmodalitäten strittig.

[2]       

Rechtliche Beurteilung

Der Vater bekämpft mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs die Rekursentscheidung über den Umfang und die Modalitäten des ihm eingeräumten Kontaktrechts.

Zu I.: 

[3]       Auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist. Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht. Der Rechtsmittelwerber muss auch materiell beschwert sein. Materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers in der Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS-Justiz RS0041868).

[4]       Der Vater strebt die Änderung des angefochtenen Beschlusses dahin an, dass die Kontakte der Kinder zu ihm ab 2. März 2020 ausgeweitet werden. Insoweit die Anfechtung der Entscheidung damit auch bereits abgelaufene Zeiträume betrifft, fehlt es dem Vater an der Beschwer (4 Ob 315/98x; 6 Ob 211/99v; 3 Ob 18/18w), sodass sein Rechtsmittel insoweit als absolut unzulässig zurückzuweisen ist.

Zu II.:

[5]       Im Übrigen ist der Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 71 Abs 3 AußStrG):

[6]       1. Nach gesicherter Rechtsprechung sind Ersatzbesuchstage nur ausnahmsweise und aus konkreten Anlässen und nicht generell zu gewähren (RS0047934 [T1]; jüngst 3 Ob 135/18a). Die Abweisung des Antrags des Vaters, ihm bereits vorweg und generell Ersatzbesuchstage bei Entfall von Kontakttagen einzuräumen, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur. Entgegen den Ausführungen im Rechtsmittel wird damit die Einräumung von allfälligen (wegen konkreter Anlässe ausnahmsweise möglichen) Ersatztagen nicht pro futuro pauschal ausgeschlossen.

[7]       2.1 Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig, weshalb ihr keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RS0097114).

[8]       2.2 Das Ausmaß der in der angefochtenen Entscheidung dem Vater zum (damals) siebenjährigen L***** und zum sechsjährigen Lo***** eingeräumten Kontakte (= mehrstündige Kontakte jeden Dienstag, Wochenendkontakt samt Übernachtung jede zweite Woche, mehrwöchige Kontakte in den Semester-, Oster-, Sommer-, Herbst- und Weihnachtsferien) unterschreitet jedenfalls nicht das für (Volks-)Schulkinder übliche Kontaktrecht (

9 Ob 2024/96d; 6 Ob 108/05h; 4 Ob 45/19z; RS0049070 [T12, T15]). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung liegt daher nicht vor.

[9]       2.3 Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der vom Rekursgericht abgelehnten schrittweisen Ausweitung des Kontaktrechts. Ungeachtet des Umstands, dass sich die Festlegung des Kontaktrechts nur auf die zukünftigen Kontakte richten kann, ist das konkrete Ausmaß auf Grundlage der gegenwärtigen Umstände festzulegen, wobei das Kindeswohl zentral zu berücksichtigen ist (RS0047958; RS0048062; RS0087024). Bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse (RS0007148) können die Ausübung der Kontakte und ihr Ausmaß neu geprüft werden (vgl zB 10 Ob 61/15s; 9 Ob 61/16k; 3 Ob 90/17g). Inwieweit die Forderung des Vaters, die spätere Ausdehnung seines Kontaktrechts bereits jetzt und daher vorweg beschlussmäßig zu fixieren – etwa für die Zeit „ab 2027“ – dem Wohl der Kinder dienen soll, wird im Rechtsmittel nicht nachvollziehbar ausgeführt.

[10]     2.4 Auch die vom Vater vermisste Festlegung eines Kontaktrechts zu „besonderen Anlässen“ (Geburtstag, Vatertag, Nikolo, Leopoldi) kann die Zulässigkeit nicht begründen. Abgesehen davon, dass auch diese Frage einzelfallbezogen ist und dabei auch auf die obsorgeberechtigte Mutter Rücksicht genommen werden muss, ist es dem Vater jedenfalls möglich, die besonderen Anlässe mit den Kindern zeitnah zu feiern, weil er die Kinder – neben den Ferienkontakten – im Schnitt an acht Tagen im Monat sehen kann.

[11]           3. Das Rekursgericht hat den Antrag des Vaters abgewiesen, dass die Mutter diesem bei der Kontaktrechtsausübung die Kinder entweder persönlich oder durch einen von ihm akzeptierten Dritten zu übergeben und wieder entgegenzunehmen hat. Auch hier bedarf der angefochtene Beschluss keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung. Der Vater kann die von ihm angestrebte Verpflichtung der Mutter auf keine Rechtsgrundlage stellen. Vielmehr steht der obsorgeberechtigten Mutter die Aufsicht über ihre Kinder zu (§ 160 ABGB), wobei es auch ihr obliegt, diese Aufsicht an Dritte zu übertragen (§ 139 Abs 1 ABGB). Daraus lassen sich keine Einschränkungen für die Übergabe/Übernahme des Kindes im Zuge der Kontaktrechtsausübung des anderen Elternteils ableiten. Aufgrund der klaren Rechtslage liegt auch in diesem Punkt keine erhebliche Rechtsfrage vor.

[12]           4. Die behauptete Aktenwidrigkeit sowie die behaupteten Verfahrensmängel wurden geprüft; sie liegen nicht vor.

[13]     5. Der Revisionsrekurs ist somit zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Textnummer

E129687

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00128.20Z.0923.000

Im RIS seit

17.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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