TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/13 I415 2232754-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

AVG §57 Abs1
BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §34
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3
FPG §77
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

I415 2232754-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang (Feststellungen):

Der Beschwerdeführer (BF) besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft nicht, er besitzt auch keine Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaates, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der BF gehört der Volksgruppe der Tadschiken an, reiste am 25.08.2015 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen. Der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan wurde ebenfalls abgewiesen und wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.08.2019, W232 2170607-1/7E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.07.2019, als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Bescheidbeschwerde wurde – nach anfänglicher Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung – mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13.12.2019, E 3615/2019-16, abgelehnt.

Das Asylverfahren ist damit rechtskräftig abschlägig entschieden. Es besteht gegen den BF eine rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Am 12.09.2019 wurde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eröffnet.

Am 24.12.2019 hat der BF nachweislich einen Mitwirkungsbescheid, Zl. XXXX , für die Mitwirkung im HRZ Verfahren der ho. Behörde übernommen. Der BF ist dem angeführten Termin bei der Adresse RD Wien, Haupteingang 1080 Wien, Hernalser Gürtel 6-12, 1. Stock im Wartebereich Zimmer 121 am 10.01.2020 um 11:00 Uhr nicht nachgekommen.

Am 16.01.2020 wurde die Polizei durch die ho. Behörde ersucht auf Grund des Nichterscheinens zum Interviewtermin vom 10.01.2020 eine Wohnsitzerhebung für den BF durchzuführen. Die PI XXXX teilte der ho. Behörde am 22.01.2020 mit, dass der BF gemäß Erhebung seit einigen Tagen nicht mehr an der angeführten Adresse aufhältig war. Es erfolgte deshalb die Abmeldung durch den Unterkunftsgeber am 20.01.2020. Eine neue Adresse des BF konnte nicht ermittelt werden.

Aus diesem Grund wurde der BF mit Festnahmeauftrag des BFA vom 23.01.2020 gem. § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG zur Festnahme ausgeschrieben.

Der BF ist seit 06.02.2020 nicht mehr behördlich gemeldet.

Am 25.02.2020 erreichte die ho. Behörde ein Ersuchen der italienischen Behörden um Rückübernahme des BF gem. Dublinverordnung, da der BF illegal nach Italien gereist ist und dort einen weiteren Asylantrag gestellt hat. Am 27.05.2020 stimmte die ho. Behörde der Rückübernahme aus Italien zu. Der Fremde wurde jedoch nie durch die italienischen Behörden nach Österreich überstellt, da er sich offensichtlich den italienischen Behörden entzogen hat.

Am 28.04.2020 wurde durch die nunmehrige rechtliche Vertretung des BF, RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, mittels E-Mail ein Antrag bei der ho. Behörde gestellt einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen für den BF zu erteilen. Zu diesem Antrag wurden diverse Beweismittel vorgelegt. Eine aufrechte behördliche Wohnsitzmeldung des BF war jedoch nicht enthalten. Am 04.05.2020 wurden weitere Unterlagen die Versicherung des BF bei der Behörde nachgereicht.

Die ho. Behörde übermittelte am 05.06.2020 eine schriftliche Ladung an den rechtlichen Vertreter für eine persönliche Einvernahme im ATB Verfahren des BF für den 29.06.2020 um 09:00 Uhr.

Der BF reiste am 21.06.2020 um ca. 15:15 Uhr von Italien kommend illegal zu Fuß nach Österreich ein, wo der BF von Beamten des Bundesheeres angehalten und an die Beamten der Landespolizeidirektion XXXX übergeben wurden. Im Zuge der fremdenpolizeilichen Kontrolle wurde festgestellt, dass gegen den BF ein Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Ziff. 3 FPG bestand. Nach Rücksprache mit dem BFA-Journaldienst wurde dieser Umstand bestätigt und um Vollziehung des gegenständlichen Festnahmeauftrages ersucht, sowie die Verbringung des BF in das Personenanhaltezentrum (PAZ) Innsbruck angeordnet.

Der BF wurde am 21.06.2020 um 19:45 Uhr in das PAZ XXXX überstellt.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 21.06.2020, Zl. XXXX , wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet und dazu begründend ausgeführt, dass aufgrund des Vorverhaltens des BF von Fluchtgefahr auszugehen sei. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig. Mit 21.06.2020 um 20:21 Uhr erfolgte die Zustellung dieses Bescheids an den BF wobei die Unterschrift für die Übernahme durch den BF verweigert wurde.

Mit der irrtümlich am 06.07.2020 beim BFA eingebrachten – und in weiterer Folge am 07.07.2020 ans Bundesverwaltungsgericht weitergeleiteten – Schubhaftbeschwerde erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 21.06.2020 im PAZ XXXX und wurde im Wesentlichen die Unverhältnismäßigkeit der laufenden Schubhaft vorgebracht. Er beantragte, die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen. Weiters wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Seit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes, sohin seit dem 13.08.2019, habe sich die soziale Integration des BF zu seinen Gunsten weiter verbessert hat, sodass jedenfalls ein neuer Sachverhalt vorliege, der es notwendig mache, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 55 Abs. 1 AsylG einer eingehenden Prüfung von Amts wegen zu unterziehen. Die erstinstanzliche Behörde, sohin das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , habe sohin neuerlich den Sachverhalt einer Überprüfung zuzuführen, ob aktuell eine Rückkehrentscheidung erlassen wird oder festgestellt, dass dauerhaft die Unzulässigkeit der Rückkehr des BF in sein Heimatland vorliegt.

Der BF befand sich bis zum 07.07.2020 im PAZ XXXX , wurde jedoch mit 07.07.2020, 08:30 Uhr zum Zwecke der Wahrnehmung einer Vorführung zur afghanischen Botschaft im HRZ Verfahren am 10.07.2020 in das PAZ XXXX überstellt.

Die Behörde legte die Akten vor, erstattete eine Stellungnahme im Sinne des Akteninhalts und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Durch die am 10.07.2020 geplante Vorführung sei in den nächsten Wochen mit einer Ausstellung eines Ersatzreisedokuments zu rechnen. Weiters wäre es in der Vergangenheit laufend zu Charterabschiebungen nach Afghanistan gekommen. Trotz der aktuellen CoViD-19-Lage sei in naher Zukunft mit (Charter)Abschiebungen nach Afghanistan zu rechnen und seien diese seitens der ho. Behörde und durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex geplant.

Von der Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte wegen geklärten Sachverhalts aus dem vorliegenden Akteninhalt und der Beschwerde abgesehen werden.

II. Feststellungen:

Die im Verfahrensgang als Feststellung gefassten Punkte werden der Entscheidung ebenfalls zu Grunde gelegt.

Festgestellt wird, dass sich der BF illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat. Er ist mittellos und geht keiner legalen Beschäftigung nach.

Im bisherigen Verfahren verhielt sich der BF unkooperativ, indem er sich durch Untertauchen den Behörden entzog und in Italien einen weiteren Asylantrag stellte. Zu einer Rückführung des BF nach Österreich kam es nicht, weil sich der BF auch gegenüber den italienischen Behörden unkooperativ zeigte. Der BF verfügt über keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielt er sich seit dem 07.02.2020 unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf. Auch in der Beschwerde wurde keine Adresse betreffend Wohngelegenheit genannt. Der BF ist daher nicht vertrauenswürdig und besteht daher eine erhebliche Gefahr des erneuten Untertauchens.

Der BF besitzt kein gültiges Reisedokument. Er kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig, nicht im Besitz von wesentlichen Barmitteln und weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf. Der BF hat in Österreich keinen gesicherten Wohnsitz. Dass der BF bei irgendjemandem wohnen könnte, wurde nicht behauptet.

Die Behörde hat zeitgerecht im September 2019 ein Verfahren zur Erlangung eines HRZ eingeleitet. Am 10.07.2020 fand eine Vorführung des BF vor der afghanischen Botschaft statt. Der BF wurde dabei als Staatsangehöriger Afghanistans identifiziert.

Der BF ist haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor. Der BF hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

Es besteht ein hohes öffentliches Interesse, rechtsgrundlos in Österreich aufhältige Fremde außer Landes zu bringen.

In Österreich bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen.

Für Anfang Herbst 2020 sind erneut Charterflüge nach Afghanistan fixiert. Derzeit kommt es aufgrund der CoViD-19-Pandemie zu Einschränkungen im Flugverkehr. Es treten jedoch vermehrt Lockerungen der CoViD-19-Beschränkungen auf, sodass die Grenzen zu anderen EU-Staaten wieder geöffnet wurden und der Flugverkehr auch wieder aufgenommen wurde.

III. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und der erhobenen Beschwerde.

Aus seinem bisherigen Verhalten ist unzweifelhaft abzulesen, dass der BF gänzlich vertrauensunwürdig ist. Im Falle seiner Freilassung ist daher davon auszugehen, dass der BF abermals sofort untertauchen wird, um nicht nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Es besteht sohin akute Fluchtgefahr und notwendiger Sicherungsbedarf, zumal der BF im Bundesgebiet nicht nennenswert integriert ist und nicht gemeldet ist. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels kann im Hinblick auf das zu erwartende Verhalten des BF nicht das Auslangen gefunden werden.

Die Behörde hat ein Abschiebeverfahren mit Afghanistan eingeleitet, wobei zu erwarten ist, dass die Ausstellung eines HRZ in rechtlich vertretbarer Frist zu erlangen sein wird. Eine Identifikation des BF als Staatsangehöriger Afghanistans durch eine Afghanische Delegation erfolgte am 10.07.2020.

Der BF ist haftfähig, es sind keine relevanten Umstände hervorgekommen, dass die Haft unverhältnismäßig wäre.

Damit hat der BF klar gezeigt, dass er weder als kooperativ noch als vertrauenswürdig angesehen werden kann. Dass der BF mit den Behörden kooperieren und sich beispielsweise einer regelmäßigen Meldeverpflichtung im Rahmen eines gelinderen Mittels unterziehen würde, lässt sich aus dem aufgezeigten Vorverhalten des BF gerade nicht folgern.

Wenn in der Beschwerde weiters moniert wird, dass der belangten Behörde durch die im Zuge der Antragstellung auf Erteilung des Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen in Vorlage gebrachte Wohnraumbestätigung vom 23.03.2020 jedenfalls die Wohnadresse des BF bekannt gewesen wäre, so ist dem entgegenzuhalten, dass der BF dort nach wie vor nicht behördlich gemeldet ist. Auch die Asylantragstellung in Italien steht dazu im krassen Widerspruch.

Aufgrund der Aktenlage (behördliche und gerichtlicher Schubhaftakt) ergibt sich, dass der BF über keinerlei familiäre oder anderweitige wesentliche soziale Kontakte in Österreich verfügt. Derartiges wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet.

Der BF hat eine legale Berufstätigkeit nicht behauptet und kann nicht von einem periodischen Einkommen ausgegangen werden. Eine nachhaltige Einkunftsquelle im Bundesgebiet, die dem BF zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse verhelfen kann, ist nicht gegeben.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist keine Wohnmöglichkeit für den BF im Bundesgebiet erkennbar geworden und wurde derartiges auch nicht behauptet.

Dass die Familie des BF bestehend aus seiner Mutter, zwei Brüdern und zwei Schwestern in Pakistan leben, bis auf seinen jüngeren Bruder, der im Iran lebt, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 13.08.2019 festgestellt. Seitdem ist sohin nicht einmal ein Jahr vergangen.

Die Verwaltungsbehörde hat ein einwandfreies Ermittlungsverfahren geführt.

Die Verwaltungsbehörde hat klar und übersichtlich die einzelnen Bescheid(begründungs)elemente dargestellt und ergibt sich aufgrund der von der Verwaltungsbehörde getroffenen Feststellungen des Untertauchens in Österreich, der Asylantragstellung in Italien, der mangelnden beruflichen und sozialen Verankerung in Österreich der daraus rechtlich gezogenen Schlussfolgerung der Vertrauensunwürdigkeit jedenfalls das Bestehen der erheblichen Gefahr des abermaligen Untertauchens.

Inwiefern vor diesem Hintergrund die Anwendung eines gelinderen Mittels in Frage kommen sollte, ist nicht nachvollziehbar; aber auch damit hat sich die Verwaltungsbehörde auseinandergesetzt:

So hatte sie zu Recht die Anwendung einer finanziellen Sicherheitsleistung wegen Fehlens entsprechender Mittel von vornherein ausgeschlossen, auch weil aufgrund der persönlichen Lebenssituation und des bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens besteht.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte vor dem Hintergrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgesehen werden:

In seiner Entscheidung vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0012, bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung (in Schubhaftbeschwerdeverfahren), dass „Der im vorliegenden Fall einschlägige § 21 Abs. 7 BFA-VG […] auch im Fall eines ausdrücklich darauf gerichteten Antrags das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung ermöglicht, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht“.

Nach der aktuellen Judikatur konnte sohin von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen: Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

zu Spruchpunkt A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 –FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Die Bestimmung des §22a BFA-VG idgF bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche in der anzuwendenden geltenden Fassung lauten:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“ (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Gemessen also an §76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen des Sachverhaltes herausgeschälten, und zwar

?        das Untertauchen in Österreich, die mangelnde Mitwirkung im Verfahren betreffend Erwirkung eines Heimreisezertifikates, die Asylantragstellung in Italien während des laufenden ATB Verfahrens in Österreich, das Entziehen der italienischen Behörden durch Untertauchen

?        der Mangel an sozialen, familiären und beruflichen Bindungen in Österreich

unzweifelhaft „die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird“.

Im vorliegenden Fall liegt bereits durch den Bescheid vom 30.08.2017 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.08.2019 als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Bescheidbeschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof im Dezember 2019 abgelehnt.

Es wurde bereits ein Heimreisezertifikatsverfahren eingeleitet und der BF am 10.07.2020 einer Delegation der afghanischen Botschaft vorgeführt. Er wurde als afghanischer Staatsangehöriger identifiziert.

Nach Ansicht des Gerichtes kann der BF – wie umseits dargestellt – aufgrund seines Vorverhaltens nicht als kooperativ oder aber als vertrauenswürdig angesehen werden.

Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den umseits angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso ausreichenden Sicherungsbedarf für gegeben an.

Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland, zeigt sich, dass der BF keinerlei nennenswerte familiären/sozialen Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Der BF hat durch sein Untertauchen in Österreich und Italien zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das bestehende Rechtssystem beabsichtigt.

Daraus lässt sich sohin auch ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF klar erkennen. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher – wie umseits angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus.

Wie das BFA in seiner Stellungnahme vom 07.07.2020 zutreffend festhält – verfügt der BF über keinerlei Ausweisdokumente. Der BF hat in seinem Asylverfahren lediglich eine Tazkira von seinem Vater vorgelegt, aus diesem Grund ist eine Vorführung vor die afghanischen Behörden unerlässlich. Der BF hat sich bisher als höchst unzuverlässig und unkooperativ gezeigt. Er hat nicht auf behördliche Anordnung reagiert, hat sich durch Untertauchen dem Verfahren zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments entzogen und ist sogar nach Italien ausgereist, um dort einen weiteren Asylantrag zu stellen. Trotz einer nicht aufrechten Wohnsitzmeldung und ohne der Behörde seinen Aufenthaltsort mitzuteilen, stellte der Fremde einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen über seinen rechtlichen Vertreter. Dieses anhängige Verfahren hat jedoch keinerlei Auswirkung auf die rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Seitens der belangten Behörde ist – laut Stellungnahme vom 07.07.2020 – zum jetzigen Verfahrensstand im Aufenthaltstitelverfahren beabsichtigt den Antrag abzuweisen.

Wie das BFA in seiner Stellungnahme vom 07.07.2020 weiters zutreffend festhält, ist – entgegen dem Beschwerdevorbringen – die Aufrechterhaltung der Schubhaft auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (CoViD-19) als verhältnismäßig einzustufen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil zum jetzigen Zeitpunkt sehr wohl absehbar erscheint, wann mit der Abschiebung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in sein Heimatland zu rechnen ist. Durch die am 10.07.2020 durchgeführte Vorführung und dabei erfolgte Identifizierung ist in den nächsten Wochen mit einer Ausstellung eines Ersatzreisedokuments zu rechnen. Weiters kam es in der Vergangenheit laufend zu Charterabschiebungen nach Afghanistan. Trotz der aktuellen CoViD-19-Lage ist in naher Zukunft mit (Charter)Abschiebungen nach Afghanistan zu rechnen und sind diese seitens der ho. Behörde und durch die europäische Grenzschutzagentur Frontex geplant. Aufgrund der derzeitigen Corona-Pandemie kommt es zwar auch weiterhin zu Verzögerungen im internationalen Flugverkehr, es konnte jedoch für Anfang Herbst 2020 bereits ein Charterflug nach Afghanistan fixiert werden. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht somit aus aktueller Sicht jedenfalls. Eine Abschiebung im Herbst 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch.

Die Ausführungen in der Stellungnahme des BFA waren ausreichend, um gerichtlicherseits davon ausgehen zu können, dass – bei baldiger Zurücknahme der pandemiebedingten Maßnahmen – eine daran anknüpfende Abschiebung des BF innerhalb der gesetzlichen Fristen durchaus möglich erscheint.

Sich rechtswidrig und unkooperativ zu verhalten, aber im Gegenzug die Dauer der Schubhaft sehr bald als unverhältnismäßig darzustellen, vermag das erkennende Gericht nicht zu überzeugen. Die laufende Schubhaft ist daher auch aus diesem Gesichtspunkt weiter verhältnismäßig.

Nach Ansicht des Gerichtes ist es derzeit zu früh, verlässliche Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie in Österreich und im Herkunftsstaat des BF abzugeben und kann auch die Wirksamkeit und Wechselwirkungen der in vielen Ländern gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der Weiterverbreitung des Virus für einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt (mehrere Monate im Voraus) nicht verlässlich beurteilt werden. Derartige Prognosen stellen aus heutiger Sicht lediglich Spekulationen dar, die zur Begründung einer gerichtlichen Entscheidung nicht hinreichen können.

Wie umseits angeführt, hat der BF ihn treffende Rechtsnormen im In- und Ausland geradezu ignoriert. Dieses Verhalten war vom Gericht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Dieses Fehlverhalten des BF kann nicht unbeachtet bleiben. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus diesen Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Themenbereich „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des BF nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht davon auszugehen, dass der BF nicht untertauchen würde, da er weder sozialen Anschluss noch einen gesicherten Wohnsitz vorweisen konnte. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Auch die im vorliegenden Fall u.U. mögliche finanzielle Sicherheitsleistung wäre nach Ansicht des Gerichts nur ungenügend in der Lage, ein Untertauchen des BF zu unterbinden, zumal er diese Geldmittel zur persönlichen Versorgung dringend benötigen würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie umseits näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängte Schubhaft.

3.2. Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. und IV. – Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Anhaltung aufenthaltsbeendende Maßnahme Ausreisewilligkeit Entscheidungszeitpunkt Festnahmeauftrag Feststellungsantrag Feststellungsverfahren Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel illegale Einreise Interessenabwägung Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Mandatsbescheid öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Verfahrenskosten Verfahrenskostenersatz Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2232754.1.01

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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