TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/15 W185 2229663-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2020
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Entscheidungsdatum

15.07.2020

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch

W185 2229663-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2020, Zl. 1251923403-191148768, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus der Türkei, stellte am 11.11.2019 den Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren. Nach Einsicht in die Visa-Datenbank konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines vom 24.04.2019 bis 08.06.2019 gültigen Visums C für die Niederlande war.

Am 11.11.2019 fand die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, in welcher der Beschwerdeführer angab, am 24.04.2019 legal nach Amsterdam geflogen zu sein, wo er sich bis 29.04.2019 aufgehalten habe. Anschließend sei er mit einem PKW über Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien und Bulgarien wieder in die Türkei zurückgekehrt, wo er am 02.05.2019 eingelangt sei. Im August 2019 habe er dann den Entschluss gefasst, die Heimat zu verlassen; sein Zielland sei Österreich gewesen, da sich hier ein Bruder aufhalte. Am 30.08.2019 sei der Beschwerdeführer dann nach Istanbul gefahren und habe die Türkei schlepperunterstützt am 05.11.2019 mittels LKW verlassen; die Schleppung hätte € 6.000,-- gekostet. Über unbekannte Länder sei er dann am 08.11.2019 nach Österreich gekommen. Während der gesamten Fahrt habe er den LKW nicht verlassen. Außer in Österreich habe der Beschwerdeführer nirgendwo um Asyl angesucht. Sein türkischer Reisepass befinde sich in der Türkei. Diesen werde er sich schicken lassen; aus diesem seien die Reisebewegungen des Beschwerdeführers im April/Mai 2019 ersichtlich. Eine seiner Schwestern halte sich in Deutschland auf, seine Eltern, seine Exgattin und seine Kinder befänden sich nach wie vor in der Türkei. Im Zuge der Befragung machte der Beschwerdeführer keine gesundheitlichen Probleme geltend.

Aufgrund Privatverzug wurde der Beschwerdeführer von der Grundversorgung abgemeldet (AS 37f).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge Bundesamt) richtete am 12.12.2019 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Dublin III-VO) an die Niederlande und verwies dabei auf die (unbelegten) Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach dieser sich im April 2019 für ca 5 Tage in den Niederlanden aufgehalten habe und anschließend auf dem Landweg in die Türkei zurückgekehrt sein soll, wo er sich angeblich bis 05.11.2019 aufgehalten hätte (AS 45ff).

Die Niederlande stimmten mit Schreiben vom 04.02.2020 ausdrücklich zu, den Beschwerdeführer auf Grundlage des Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO zu übernehmen (AS 71).

Am 14.02.2020 langte die Vertreterbekanntgabe für RA Mag. Michael-Thomas Reichenvater beim Bundesamt ein.

Einem vorgelegten Beitrittsformular, datiert mit 01.12.2019, ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Österreich dem XXXX Verein „ XXXX “ beigetreten ist.

Am 19.02.2020 fand, in Anwesenheit eines Rechtsberaters und eines Cousins des Beschwerdeführers als Vertrauensperson, nach durchgeführter Rechtsberatung eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt statt. Hierbei gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, sich physisch und psychisch in der Lage zu fühlen, Angaben zu seinem Verfahren zu erstatten. Seine bisherigen Angaben würden der Wahrheit entsprechen. Er sei mit seinem Reisepass in den Niederlanden eingereist; der Reisepass sei in der Türkei verloren gegangen. Gesundheitlich gehe es ihm gut; er sei nicht in ärztlicher Behandlung. In Österreich würden sich sein Bruder, mehrere Cousins sowie zwei Tanten und ein Onkel aufhalten. Bei einem seiner Cousins wohne der Beschwerdeführer derzeit; davor habe er bei seinem Bruder gewohnt. Er habe sowohl zu seinem Bruder als auch zu dem Cousin, bei welchem er wohne, eine „sehr gute“ Beziehung. Sowohl sein Bruder als auch der genannte Cousin würden den Beschwerdeführer finanziell unterstützen; er bekomme zusammen etwa € 400,-- pro Monat von den Genannten. Mit seinem Cousin sei er in der Türkei aufgewachsen; sie seien dort Nachbarn gewesen. Vor seiner Einreise nach Österreich habe der Beschwerdeführer mit dem angeführten Bruder und dem Cousin sowohl telefonisch als auch via Facebook Kontakt gehabt. Sein Bruder und dessen Familie seien alle österreichische Staatsangehörige. Der angeführte Cousin, bei welchem der Beschwerdeführer nunmehr wohne, habe keine Familie. Der Beschwerdeführer besuche zurzeit einen Deutschkurs; die Prüfung finde Ende Februar statt. Einer Arbeit dürfe er nicht nachgehen. Er sei Mitglied in einem XXXX Verein. Nachdem dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Überstellung in die Niederlande zur Kenntnis gebracht wurde, erklärte dieser, dort niemanden zu kennen. In den Niederlanden könne ihm niemand helfen, wohingegen er in Österreich von der Familie und den Verwandten unterstützt würde. Er habe sich in Österreich bereits gut eingelebt und versuche auch, die Sprache zu erlernen. Der Beschwerdeführer werde hier von seinen Angehörigen auch hinsichtlich seiner psychischen Probleme unterstützt. In der Türkei habe er große Probleme; sogar seine Frau habe ihn verlassen. Er könne nicht ausschließen, von den Niederlanden in die Türkei zurückgeschickt zu werden. Der Beschwerdeführer habe sich 4 Tage in den Niederlanden aufgehalten; um Asyl habe er dort nicht angesucht. Er habe dort eine Messe besucht und dann Urlaub gemacht. Die Anregung, seinen psychischen Gesundheitszustand von einer Ärztin abklären zu lassen, wies der Beschwerdeführer zurück. Der Rechtsberater beantragte die Verfahrenszulassung aufgrund der familiären und verwandtschaftlichen Bindungen in Österreich.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 12 Abs. 4 der Dublin III-VO die Niederlande für die Prüfung des Antrages zuständig seien (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung in die Niederlande gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Feststellungen zur Lage in den Niederlanden wurden im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst:

Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2017; vgl. GoN o.D.a, IND o.D.a für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: Netherlands, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018

?        GoN – Government of the Netherlands (o.D.a): Asylum policy, https://www.government.nl/topics/asylum-policy, Zugriff 16.02.2018

?        IND – Immigration and Naturalisation Service (o.D.a): Asylum, https://ind.nl/en/asylum, Zugriff 16.02.2018

Dublin-Rückkehrer

Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren (allgemeines und erweitertes Verfahren) vor der niederländischen Einwanderungsbehörde (Immigratie-en Naturalisatiedienst – IND). Im Falle eines „take back“-Verfahrens kann der Asylwerber einen Folgeantrag stellen, der neue Elemente enthalten muss. Dieser wird wie der Folgeantrag eines Nicht-Dublin-Rückkehrers behandelt In „take charge“-Fällen kann der Rückkehrer einen Erstantrag stellen. (AIDA 2.2017).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: Netherlands, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018

Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Asylwerber unter 18 Jahren werden als unbegleitete Minderjährige eingestuft und erhalten einen Vormund. UMA können grundsätzlich selbst einen Asylantrag stellen, sind sie jedoch unter 12 Jahren, muss der Vormund oder ein Rechtsvertreter den Asylantrag für sie stellen. Der Vormund wird von der unabhängigen Vormundschaftsagentur NIDOS bereitgestellt und er betreut den UMA während des gesamten Aufenthalts und kümmert sich um alle wichtigen Themen, wie Unterbringung, Bildung, medizinische Betreuung usw. Bestehen Zweifel am Alter eine Antragstellers, wird eine medizinische Altersfeststellung mittels Röntgenuntersuchung durchgeführt, deren Qualität vom Inspektorat des Ministeriums für Justiz und Sicherheit überwacht wird. Trotzdem wird das Fehlen eines multidisziplinären Ansatzes bei der Altersbestimmung kritisiert (AIDA 2.2017).

Unbegleitete Minderjährige unter 13 Jahren werden unmittelbar nach ihrer Ankunft bei Pflegefamilien untergebracht. Solche zwischen 13 und 18 Jahren werden zuerst für maximal drei Monate in einer speziellen Einrichtung für UMA (sog. POL-amv) beherbergt. Dann wird entschieden welche Unterbringung für den jeweiligen UMA am geeignetsten ist: ein kommunales Kinderwohnheim, kleine Wohneinheiten, Campus-Unterbringung (15-18jährige) oder eine geschützte Unterbringungsstätte. Alle unter 18-jährigen haben das Recht auf Unterbringung, unabhängig vom Ergebnis des Asylverfahrens (COA o.D.a; vgl. Nidos o.D.).

Asylwerber werden vor dem persönlichen Interview von einem Mediziner untersucht, um festzustellen, ob sie überhaupt physisch und psychisch in der Lage sind, an der Befragung teilzunehmen. Dieser Mediziner gehört der unabhängigen Agentur FMMU an, welche von IND beauftragt wird. Dieses Verfahren dient nicht dazu eine Vulnerabilität festzustellen. Es geht darum, IND darauf aufmerksam zu machen, auf welche Art und Weise bestimmte Personen befragt werden sollen (z.B. Verschiebung des Interviews, mehr Pausen, Geschlecht des Interviewers etc.). Aufgrund der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie wurde jedoch eine medizinische Untersuchung für Asylwerber zur Feststellung von Vulnerabilität eingeführt. Das niederländische Recht sieht vor, dass diese Untersuchung durchgeführt werden muss, wenn das IND es für notwendig hält. Mit der Untersuchung wird eine unabhängige Stelle wie das Niederländische Institut für Rechtsmedizin (NFI) oder das Niederländische Institut für Forenische Psychiatrie und Psychologie beauftragt. Ist ein Asylwerber der Meinung, dass dieses Verfahren auch bei ihm notwendig sei, aber IND ist nicht einverstanden, kann der Asylwerber die Untersuchung auf eigene Kosten vornehmen lassen. Die NGO namens iMMO ist jedoch auch berechtigt bei Asylwerbern auf deren Wunsch eine medizinische Untersuchung durchzuführen, die staatlich anerkannt wird (AIDA 2.2017).
Die Zentralstelle für die Aufnahme von Asylwerbern (COA) berücksichtigt die speziellen Bedürfnisse der Schutzsuchenden. Es gibt keine eigenen Einrichtungen weder für Vulnerable noch für (alleinstehende) Frauen. Menschen mit Behinderung können aber wie niederländische Staatsbürger die vorhandenen Heimbetreuungseinrichtungen nützen. Es gibt jedoch spezielle Unterbringungseinrichtungen für Asylwerber mit psychischen Problemen und für Kinder (AIDA 2.2017).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: Netherlands, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018

?        COA – Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.a): Reception centres for youngsters, https://www.coa.nl/en/reception-centres/types-of-reception-centres/reception-centres-for-youngsters, Zugriff 16.02.2018

?        Nidos (o.D.): Wonen, https://www.nidos.nl/en/voor-jongeren/living-in-the-netherlands/where-will-you-live/, Zugriff 16.02.2018

Non-Refoulement

Das Gesetz sieht die Freizügigkeit im Inland, die Reisefreiheit, das Recht auf Emigration und Wiedereinbürgerung vor, und die Regierung respektiert generell diese Rechte. Der Staat arbeitet mit dem Büro des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren (USDOS 3.3.2017).

Nach einer endgültigen Ablehnung des Asylantrags ist eine Folgeantragsstellung möglich. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen des Non-Refoulement-Prinzips der Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (AIDA 2.2017).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: Netherlands, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018

?        USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Netherland, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394769.html, Zugriff 16.02.2018

Versorgung

Gemäß Gesetz haben alle mittellosen Asylwerber ein Recht auf Unterbringung und materielle Versorgung ab Antragstellung (AIDA 2.2017). Die Zentralstelle für die Aufnahme von Asylwerbern (COA) ist für die Unterbringung und Versorgung der grundlegenden Bedürfnisse von Asylwerbern während ihres Asylverfahrens verantwortlich (COA o.D.b; vgl. AIDA 2.2017).

Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 296,24 Euro. Das wöchentliche Taschengeld variiert jedoch je nach Art der Unterbringung. Die Versorgung deckt die folgenden Leistungen und Kosten: Unterkunft; wöchentlicher Zuschuss für Nahrung, Kleidung und persönliche Ausgaben; Tickets für öffentliche Verkehrsmittel zum Besuch des Anwalts; Freizeitangebot und Bildungsaktivitäten (z.B. Vorbereitung für die Integrationsprüfung); Krankenversicherung; Haftpflichtversicherung; Sonderkosten (AIDA 2.2017).

Der Asylwerber darf für 24 Wochen im Jahr arbeiten. Daneben ist es für sie möglich, verschiedene Arbeiten in ihrer Unterbringung (z.B. Wartungs- und Reinigungsarbeiten) gegen wöchentliche Bezahlung in der Höhe von 14 Euro zu verrichten. Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit außerhalb des Unterbringungszentrums ist auch erlaubt (AIDA 2.2017; vgl. CAO o.D.c).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: Netherlands, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018

?        COA – Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.b): Asylum seekers, https://www.coa.nl/en/asylum-seekers, Zugriff 16.02.2018

?        CAO – Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.c): Work and education, https://www.coa.nl/en/asylum-seekers/work-and-education, Zugriff 16.02.2018

Unterbringung

Es gibt in den Niederlanden insgesamt 106 Unterbringungszentren, mit 26.185 Plätzen. Es handelt sich dabei um:

?        Antragszentrum in Schipol (Aanmeldcentrum – AC): geschlossenes Zentrum im Grenzverfahren.

?        Zentrales Auffanglager Ter Apel (Centraal Opvanglocatie – COL): wo Asylanträge zu stellen sind. Aufenthalt max. 3 Tage.

?        4 Verfahrenszentren (Proces Opvanglocatie – POL): dient der Ruhe- und Vorbereitungsphase. Bei allgemeinem Verfahren bleibt der Asylwerber im POL.

?        Asylwerberzentren (Asielzoekerscentrum – AZC): hier werden erweiterte Verfahren geführt, aber auch Schutzberechtigte untergebracht, bis sie eine Wohnmöglichkeit finden.

?        Freiheitsbeschränkende Unterbringung (Vrijheidsbeperkende locatie – VBL): bis zwölf Wochen Unterbringung möglich, wenn der Fremde bei Organisation der Heimreise kooperiert; keine geschlossene Unterbringung, aber Gebietsbeschränkung.

?        8 Familienzentren (Gezinslocatie – GL): für Familien, die das Unterbringungsrecht verloren haben, da Kinder immer unterzubringen sind. Fokus liegt auf Rückkehr. keine geschlossene Unterbringung, aber Gebietsbeschränkung (AIDA 2.2017; vgl. CAO o.D.d).

Die Familienzentren wurden vom niederländischen Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) kritisiert, da der eingeschränkte Zugang zu Versorgung mit den Regelungen über Kinderrechte nicht übereinstimmen (AIDA 2.2017).

Die zeitlich begrenzte und bedingte Unterstützung der niederländischen Regierung für abgelehnte Asylwerber gab weiterhin Anlass zur Besorgnis. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kritisiert das Gesetz, welches die medizinische Versorgung, Bildung und Sozialhilfe für Asylwerber mit einem negativen Bescheid von deren Bereitschaft zur Rückkehr in das Herkunftsland abhängig macht (HRW 18.1.2018).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: Netherlands, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018

?        CAO – Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.d): Types of reception centres, https://www.coa.nl/en/reception-centres/types-of-reception-centres, Zugriff 16.02.2018

?        HRW – Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 – European Union, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422356.html, Zugriff 16.02.2018

Medizinische Versorgung

Asylwerber sind versichert und haben Anspruch auf medizinische Versorgung (GoN o.D.b). Die allgemeine medizinische Behandlung ist, soweit möglich, dieselbe wie für niederländische Bürger, erweitert um besonderes Augenmerk auf sprachliche und kulturelle Unterschiede, die Lebenssituation von Asylwerbern, das Asylverfahren und deren besondere Bedürfnisse (AIDA 2.2017; vgl. GZA o.D.a). Das Gesundheitszentrum für Asylwerber (GZA) ist die erste Anlaufstelle für Asylwerber in Gesundheitsangelegenheiten. Das GZA verfügt über zahlreiche Standorte in oder in der Nähe fast jedes Asylwerbezentrums. Ein Allgemeinmediziner, eine Krankenschwester und ein psychologischer Berater oder medizinischer Assistent stehen dort zur Verfügung (GZA o.D.b). Außerdem gibt es eine Telefon-Hotline, wo Fragen gestellt, Termine ausgemacht und Dolmetscher für die Untersuchungen bestellt werden können. Die Hotline steht rund um die Uhr bei Notfällen auch zur Verfügung (GZA o.D.c). Bei der Ankunft in Unterbringungszentrum wird eine medizinische Eingangsuntersuchung angeboten, um Behandlungserfordernisse frühzeitig zu erfassen (IND 8.2015). Eine Tuberkulosekontrolle ist jedoch für alle Asylwerber obligatorisch (COA o.D.e).

Asylwerber haben Zugang zu medizinischer Basisversorgung, darunter Zugang zu Allgemeinmedizin, Spitälern, Psychologen, Zahnmedizin (in extremen Fällen) und auf Tagesbasis Zugang zu psychiatrischen Kliniken. Es gibt eine Reihe spezialisierter Institutionen zur Behandlung von Asylwerbern mit psychischen Problemen (z.B. Phoenix). Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber in POL, COL, VBL und für Erwachsene in GL ist nur in Notfällen gewährleistet. Gesundheitsdienstleister bekommen Leistungen für irreguläre Migranten bei einer speziellen Stiftung ersetzt. Nach einer Untersuchung rief der Ombudsmann den Gesundheitsminister auf, den Zugang zu medizinischer Versorgung auch für Menschen ohne Aufenthaltstitel zu gewährleisten (AIDA 2.2017).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

?        AIDA – Asylum Information Database (2.2017): Country Report: Netherlands, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018

?        CAO – Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.e): Asylum seeker, https://ind.nl/en/asylum/Pages/Asylum-seeker.aspx, Zugriff 16.02.2018

?        GoN – Government of the Netherlands (o.D.b): Health insurance and residence permit, https://www.government.nl/topics/health-insurance/health-insurance-and-residence-permit, Zugriff 16.02.2018

?        GZA – Gzasielzoekers (o.D.a): I am asylum seeker, https://www.gzasielzoekers.nl/en, Zugriff 16.02.2018

?        GZA – Gzasielzoekers (o.D.b): About GZA, https://www.gzasielzoekers.nl/en/iamasylumseeker/aboutgza, Zugriff 16.02.2018

?        GZA – Gzasielzoekers (o.D.c): Going to the doctor, https://www.gzasielzoekers.nl/en/iamasylumseeker/goingtothedoctor, Zugriff 16.02.2018

?        IND – Immigration and Naturalisation Service (8.2015): Before your asylum procedure begins, https://ind.nl/documents/rvt_engels.pdf, Zugriff 16.02.2018

?        MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016): Auskunft MedCOI, per E-Mail

Zusammengefasst wurde festgehalten, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Dieser leide weder an schweren psychischen Störungen noch an schweren Krankheiten. Eine von der Behörde angebotene Untersuchung durch eine Ärztin habe der Beschwerdeführer abgelehnt. Der Beschwerdeführer sei mittels eines niederländischen Schengen-Visums in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten eingereist und habe dieses seither auch nicht wieder verlassen. Die Niederlande hätten ihre Zuständigkeit auch ausdrücklich anerkannt. In Österreich würden sich ein Bruder, welcher hier einen Aufenthaltstitel habe, mehrere Cousins, zwei Tanten und ein Onkel des Beschwerdeführers aufhalten. Bei einem der genannten Cousins wohne der Beschwerdeführer auch derzeit. Eine besondere Integrationsverfestigung sei nicht ersichtlich. Aus den Angaben des Beschwerdeführers seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass dieser tatsächlich Gefahr laufen würde, in den Niederlanden Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass diesem eine Verletzung seiner durch Art 3 EMRK gewährleisten Rechte dadurch drohen könnte. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers würden die Niederlande das Refoulement-Gebot beachten und drohe dem Genannten keine rechtswidrige Abschiebung in den Herkunftsstaat. Eine Schutzverweigerung der Niederlande sei aufgrund der ausdrücklichen Zustimmung zur Übernahme des Beschwerdeführers nicht zu erkennen. Der Beschwerdeführer lebe mit seinem (namentlich angeführten) Cousin in einem gemeinsamen Haushalt. Dieser Cousin und der Bruder des Beschwerdeführers würden diesen unterstützen. Hinsichtlich des behaupteten Abhängigkeitsverhältnisses zu seinen in Österreich aufhältigen Angehörigen sei anzuführen, dass solche nicht hätten festgestellt werden können. Es sei zweifelsfrei, dass bei der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Bruder, seinen Cousins, seinen Tanten und seinem Onkel nicht vom Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens iSd Art 8 EMRK auszugehen sei. Die Beziehung zu den angeführten Verwandten gehe über ein übliches verwandtschaftliches Maß nicht hinaus und würden auch besondere wechselseitige Abhängigkeiten nicht vorliegen. Es wäre auch nach einer Überstellung in die Niederlande möglich, den Beschwerdeführer auch in den Niederlanden weiterhin finanziell zu unterstützen. Hinsichtlich des Familienlebens sei anzumerken, dass sich die aus seinem Aufenthalt in Österreich ergebenden, direkten Beziehungen zu Verwandten zu einem Zeitpunkt entstanden seien, als dem Beschwerdeführer sein unsicherer Aufenthaltsstatus in Österreich bewusst gewesen sein musste. Die Außerlandesbringung in die Niederlande sei zulässig. Die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung von Kontakten zu in Österreich befindlichen Verwandten bestehe – wenn auch in eingeschränkter Form - auch von den Niederlanden aus. Ein gravierender Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers sei nicht zu erkennen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe zu. Es habe sich diesbezüglich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO ergeben.

Gegen den oa Bescheid des Bundesamtes wurde am 13.03.2020 fristgerecht Beschwerde eingebracht und zusammengefasst vorgebracht, dass sich neben seinem Bruder, seinen Tanten und seinem Onkel auch etwa 20 Cousins des Beschwerdeführers in Österreich aufhalten würden, welche den Beschwerdeführer unterstützen würden; allein deshalb wäre das Verfahren des Beschwerdeführers bereits zuzulassen gewesen. Weiters sei festzuhalten, dass der Beschwerdeführer am 03.03.2020 in Österreich standesamtlich eine rumänische Staatsangehörige geheiratet habe. Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Gattin im gemeinsamen Haushalt und pflege mit dieser ein Ehe- und Familienleben. Die gegenständliche Entscheidung greife vehement in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ein. Eine Interessenabwägung sei nicht ersichtlich bzw nicht erfolgt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.03.2020 wurde der Beschwerde gegen gem. § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus der Türkei, suchte am 11.11.2019 in Österreich um internationalen Schutz an. Er war in Besitz eines vom 24.04.2019 bis 08.06.2019 gültigen niederländischen Schengen-Visums der Kategorie C.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 12.12.2019 ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO an die Niederlande. Hiebei wurden die Niederlande darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer – ohne hiefür Nachweise vorzulegen – behauptete habe, nach einem etwa 5 Tage dauernden Aufenthalt Ende April 2019 die Niederlande verlassen zu haben und am 02.05.2019 in die Türkei zurückgekehrt zu sein, wo er sich bis 05.11.2019 aufgehalten hätte.

Die Niederlande stimmten in Kenntnis des o.a. Vorbringens des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 04.02.2020 ausdrücklich zu, den Beschwerdeführer auf Grundlage von Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zu übernehmen.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Anschluss an seinen Aufenthalt in den Niederlanden das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten wieder für mehr als drei Monate verlassen und sich bis 05.11.2019 in der Türkei aufgehalten hätte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Niederlande an.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung in die Niederlande Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an akut lebensbedrohenden Krankheiten leidet, die eine Überstellung in die Niederlande unzulässig machen würden. Der Beschwerdeführer hat für seine vorgebrachen „psychischen Probleme“ keine Befunde vorgelegt und eine Untersuchung durch eine qualifizierte Ärztin abgelehnt. In den Niederlanden sind alle Krankheiten behandelbar und ist eine ausreichende medizinische Versorgung für Asylwerber gewährleistet und auch in der Praxis zugänglich.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich folgende familiäre bzw verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte: Einen erwachsenen Bruder, zwei Tanten und einen Onkel sowie eine Vielzahl an Cousins. Bei einem dieser Cousins ist der Beschwerdeführer seit 07.01.2020 polizeilich gemeldet. Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen der Grundversorgung in Anspruch; er wird von seinen Verwandten in Österreich finanziell unterstützt. Eine finanzielle Abhängigkeit von den Genannten kann jedoch nicht festgestellt werden.

Am 03.03.2020 hat der Beschwerdeführer in Österreich eine Staatsangehörige aus Rumänien standesamtlich geheiratet. Im Falle des Bestehens eines gemeinsamen Haushaltes mit dieser ist vom Vorliegen eines grundsätzlich schützenswerten Familienlebens iSd Art 8 EMRK auszugehen. Im Verhältnis zum (erwachsenen) Bruder, zu den Tanten, zum Onkel sowie zu den Cousins des Beschwerdeführers ist hingegen nicht vom Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens auszugehen.

Der Beschwerdeführer ist persönlich nicht glaubwürdig.

Mit Beschluss vom 18.03.2020 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der legalen Einreise des Beschwerdeführers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten mittels eines niederländischen Schengen-Visums ergeben sich aus dem – im Verwaltungsakt dokumentierten – Auszug aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres vom 11.11.2019 und den damit in Einklang stehenden Angaben des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, nach seinem Aufenthalt in den Niederlanden das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate wieder verlassen zu haben, sich während dieser Zeit in der Türkei aufgehalten und sich anschließend nach Österreich begeben zu haben, wo er den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz stellte. Die zum Nachweis des angeblichen Verlassens des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten Ende April 2019 zugesagte Vorlage des Reisepasses des Beschwerdeführers ist bis dato nicht erfolgt. Die Ausführungen in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 19.02.2020, wonach der Beschwerdeführer den Reisepass in der Türkei „verloren“ habe bzw dieser in seinem Büro gewesen wäre, welches zerstört worden sei, stellen sich als reine „Schutzbehauptungen“ dar; dies zumal der Beschwerdeführer noch in der Erstbefragung erklärte, sich den Reisepass aus der Türkei nachschicken zu lassen, um diesen der Behörde vorzulegen. Zu diesem Zeitpunkt muss der Beschwerdeführer bereits gewusst haben, dass sein Reisepass „verloren“ gegangen ist. Hinsichtlich des vorgeblichen Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Türkei im Zeitraum vom 02.05.2019 bis 05.11.2019 wurden keinerlei Nachweise beigebracht. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers war nicht glaubhaft. In der Beschwerde wurde dann auch ein angeblicher, mehr als dreimonatiger Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei im oben genannten Zeitraum mit keinem Wort mehr erwähnt und die grundsätzliche Zuständigkeit der Niederlande nicht bestritten.

Valide Nachweise für einen mehr als dreimonatigen ununterbrochenen Aufenthalt außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten konnte der Beschwerdeführer nach dem oben Gesagten zweifellos nicht erbringen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten dieses nicht für mehr als drei Monate wieder verlassen hat. Es erscheint unplausibel, dass der Beschwerdeführer nach einem legalen Aufenthalt in der EU, u.a auch in Österreich (siehe dessen Angaben zum Reiseweg in der Erstbefragung) das Gebiet der Mitgliedstaaten wieder verlässt, und drei Monate darauf den Entschluss fasst, die Türkei zu verlassen und nach Österreich zu seinem Bruder zu kommen, und hiefür den Weg einer illegalen Einreise wählen und Schleppungskosten in Höhe von € 6.000,-- in Kauf nehmen sollte. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die niederländischen Behörden im Konsultationsverfahren seitens des Bundesamtes auch konkret auf die (unbelegten) Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach dieser Ende April 2019 für mehr als 3 Monate wieder in die Türkei zurückgekehrt sei, hingewiesen wurden. Es wurde auch mitgeteilt, dass keine Nachweise für eine Rückkehr des Beschwerdeführers in die Türkei beigebracht worden seien. Dass die niederländischen Behörden - in Kenntnis dieser Umstände - mit Schreiben vom 04.02.2020 der Aufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich zugestimmten, ist als klares Indiz dafür zu werten, dass auch die niederländischen Behörden keine Hinweise auf einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Türkei gefunden haben.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers seitens der Niederlande leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren – der diesbezügliche Schriftwechsel liegt dem Verwaltungsakt ein – zwischen der österreichischen und der niederländischen Dublin-Behörde ab.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in den Niederlanden auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das Asylwesen in den Niederlanden grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in den Niederlanden, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in den Niederlanden wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe hiezu die weiteren Ausführungen unten).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus der vorliegenden Aktenlage. Befunde wurden nicht in Vorlage gebracht. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus den eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage. Dass der Beschwerdeführer am 03.03.2020 in Österreich eine rumänische Staatsangehörige standesamtlich geheiratet hat, ergibt sich aus den entsprechenden Ausführungen in der Beschwerde sowie der vorgelegten Heiratsurkunde.

Die mangelnde persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich für das erkennende Gericht aus den divergierenden Ausführungen des Beschwerdeführers zur Vorlage seines Reisepasses.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2.       der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3.       …

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1.       dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2.       …

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

„Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Artikel 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa

(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit der Niederlande ergibt. Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U 462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12; Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15; Mehrdad Ghezelbash/Niederlande.

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15, Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [ … ] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums [ … ] geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15, Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit der Niederlande zur Prüfung des in Rede stehenden Asylantrages in Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO begründet, da der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in Österreich im Besitz eines niederländischen Visums war, das weniger als sechs Monate abgelaufen war. Die Niederlande haben sich mit Schreiben vom 04.02.2020 explizit nach Art 12 Abs 4 leg cit zur Übernahme des Beschwerdeführers bereit erklärt. Anhaltspunkte dafür, dass die Zuständigkeit der Niederlande in der Zwischenzeit untergegangen sein könnte, bestehen nicht (diesbezüglich wird nochmals auf die obige Beweiswürdigung verwiesen). Der Ablauf der Überstellungsfrist ist durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gehemmt.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 Dublin-III-VO (humanitäre Klausel) ergibt sich keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrages des Beschwerdeführers.

Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05; 15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949; 25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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