TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/10 I421 2232786-1

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Veröffentlicht am 10.07.2020
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Entscheidungsdatum

10.07.2020

Norm

AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

I421 2232786-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SERBIEN, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Andreas Mauhart, 4020 Linz, Unionstraße 37, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich, Außenstelle Linz vom 25.05.2020, Zl. 1135485501-191256714, zu Recht erkannt:

A)

Der bekämpfte Bescheid wird in Stattgebung der Beschwerde behoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Oberösterreich Außenstelle Linz, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z „0“ FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V. und IV.). Begründend wurde im Wesentlichen auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers verwiesen. Der Beschwerdeführer habe Suchtgift verkauft und sei deswegen in Österreich zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden, wobei der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe vier Monate betragen habe. Es lägen keine maßgeblichen privaten oder familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet vor.

Ob dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist, wurde von der belangten Behörde von Amts wegen nicht geprüft.

Mit Schriftsatz vom 10.06.2020 erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den angeführten Bescheid. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufheben; in eventu die Abschiebung als unzulässig erklären; in eventu die Frist des Einreiseverbots erheblich herabsetzen; in eventu den Bescheid zur Gänze beheben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im bekämpften Bescheid auf den Irak Bezug genommen würde, das Einreiseverbot in der Dauer von 10 Jahren sei unverhältnismäßig, ein Einreiseverbot sei ein gefahrenabwehrendes Instrument und keine zusätzliche Strafe. Das Einreiseverbot sei vom Bundesamt nicht ausreichend begründet worden. Der Beschwerdeführer sei Student und habe das Ziel, sein Studium in Österreich fortzusetzen und abzuschließen. Seine Schwester leben in Österreich, zu der reger Kontakt bestünde und die den Beschwerdeführer auch unterstützen würde. Die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Höchstdauer von zehn Jahren sei bei richtiger Beurteilung gegenständlich rechtswidrig und nicht angemessen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vom Bundesamt vorgelegt und langten dort am 08.07.2020, in der Außenstelle Innsbruck am 09.07.2020, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und somit Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Der Beschwerdeführer ist seit 04.10.2016 mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet und ist seit 18.11.2016 im Besitz eines Aufenthaltstitels für Studenten.

Aus der von Amtswegen eingeholten AJ-WEB Auskunft ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im abgefragten Zeitraum von Juli 2016 bis 08.07.2020 mehrfach als Arbeiter bzw. als geringfügig beschäftigter Arbeiter gemeldet war. Die dem entgegenstehende Feststellung im bekämpften Bescheid aus Seite 4 (AS 39), steht mit dieser Auskunft im Widerspruch. Diese Feststellung steht aber auch mit den Ausführungen im Bescheid auf Seite 29 (AS 63) nicht im Einklang und ebenso nicht mit dem vorgenannten AJ-WEB Auszug.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts XXXX zu XXXX vom 08.04.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 5. Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der Freiheitsstrafe von 11 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Unter Anrechnung der Vorhaft vom 07.12.2019 bis zum 08.04.2020 wurde der Beschwerdeführer aus der Haft entlassen.

Dem Schuldspruch laut dem vorgenannten Strafurteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:“

Er hat im Zeitraum vom Sommer 2017 bis Anfang Dezember 2019 in XXXX und anderenorts vorschriftswidrig Suchtgift

I.) In einer der Grenzmenge (§28b) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt etwa 4.250 bis 5.100 Gramm Cannabiskraut (beinhaltend durchschnittlich 6,21 % THCA und 0,47 % Delta-9-THC), welches er zum Grammpreis zwischen EUR 7,50 und EUR 8,50 von XXXX angekauft ahtte, nachgenannten sowie namentlich nicht eruierten Suchtgiftabnehmern durch gewinnbringenden Verkauf zum Grammpreis von EUR 10,-- überlassen, unter anderem

1.) im Zeitraum von Oktober 2019 bis Anfang Dezember 2019 XXXX insgesamt zumindest 13 Gramm Cannabiskraut;

2.) zumindest etwa im Juni 2018 XXXX insgesamt zumindest 10 Gramm Cannabiskraut;

3.) XXXX ca. 15 Gramm Cannabiskraut;

II.) erworben und bis zum jeweiligen Eigenkonsum besessen, und zwar

1.) Im Zeitraum von zumindest Sommer 2017 bis Anfang Dezember 2019 etwa 500 bis 600 Gramm Cannabiskraut;

2.) etwa Anfang Dezember 2019 eine XTC-Tablette und eine unbekannte Menge Methamphetamin;

3.) zu einem unbekannten Zeitpunkt eine unbekannte Menge Kokain.

Als Strafzumessungsgründe werden mildernd das umfassende Geständnis, die teilweise objektive Schadensgutmachung und die Unbescholtenheit, als erschwerend das Zusammentreffen von Vergehen und Verbrechen, mehrfaches Überschreiten der Grenzmenge und langer Tatzeitraum gewichtet.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht holte Zentralmelderegisterauszüge, einen Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister, eine AJ-WEB Abfrage, einen Auszug aus dem Schengener Informationssystem sowie des Strafregisters des Beschwerdeführers ein.

Das genannte strafgerichtliche Urteil ist aktenkundig. Es wird der gegenständlichen Entscheidung im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Maßgebliche private oder familiäre Bezüge zu Österreich, abgesehen vom Umstand, die Schwester des Beschwerdeführers lebe in Österreich, wurden zu keiner Zeit vorgebracht. Aus der Beschwerde und den Feststellungen des Landesgerichtes für Strafsachen geht hervor, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensmittelpunkt ausschließlich in Serbien hat, dort auch verheiratet ist und lediglich zur Begehung von Straftaten nach Österreich gereist ist.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln und insbesondere den im gesamten Verfahren vom Beschwerdeführer gemachten eigenen Angaben in der Beschwerde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 57 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsstaatsangehörigen von Amts wegen … eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ unter den im Gesetz genannten Bedingungen zu erteilen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG hat das Bundesamt über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 oder 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Im gegenständlichen Verfahren hat dies die belangte Behörde unterlassen, sodass schon aus diesem Grund der bekämpfte Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung, nach Verfahrensergänzung, an die Behörde zurückzuverweisen ist.

Dabei wird sich die belangte Behörde insbesondere mit der Frage der Dauer des befristeten Einreiseverbots insbesondere in dem Sinne auseinanderzusetzen haben, als eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose angestellt und ausgeführt wird, auf welche bestimmten Umstände die belangte Behörde „die negative Zukunftsprognose und Gesamtverhalten“ (AS 69) stützt. Dabei ist zu bedenken, dass im erstinstanzlichen Verfahren nur eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers eingeholt wurde und sich im Behördenakt lediglich eine „gekürzte Urteilsausfertigung“ des Strafurteils befindet, auf welchem das Einreiseverbot und insbesondere dessen Dauer fußt. Ein Hauptverhandlungsprotokoll liegt nicht vor, sodass auch daraus nicht entnommen werden kann, wie sich der Beschwerdeführer im konkreten zu den Anklagepunkten verantwortet hat, insbesondere welche Umstände dazu geführt haben, dass der Beschwerdeführer straffällig geworden ist. Das Hauptverhandlungsprotokoll wird auch nicht mehr einholbar sein, weil ja auf Rechtsmittel gegen das in der Hauptverhandlung mündlich verkündete Urteil verzichtet wurde, sodass die Protokollübertragung nicht geboten war.

Es wird daher unerlässlich sein, dass sich die belangte Behörde einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer macht, um überhaupt eine entsprechende Gefährdungsprognose bezüglich des Beschwerdeführers erstellen zu können. Ermittlungen, die bisher von der Behörde gänzlich unterblieben sind.

Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass § 28a Abs 1 SMG Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren vorsieht und im gegenständlichen das erkennende Strafgericht und auch die Staatsanwaltschaft, andernfalls wohl gegen die Strafhöhe Berufung erhoben worden wäre, davon ausgingen, dass eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon vier Monate tatsächlich verbüßt wurden, ausreichend sein wird, den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, diese eben unter Setzung der Probezeit von drei Jahren. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass die gegenständlichen Straftaten zur erstmaligen Verurteilung des Beschwerdeführers führten. Auf Grund des derzeitigen Aktenstandes und in Anbetracht der Tatsache, dass von § 53 Abs. 3 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind (so strafgerichtliche Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren), der Beschwerdeführer sich geständig zeigte und er bisher strafgerichtlich unbescholten war, erachtet das erkennende Gericht die Ausschöpfung der Höchstdauer des Einreiseverbots von 10 Jahren für unverhältnismäßig und überzogen.

Hinsichtlich der Beschwerde gegen die weiteren Spruchpunkte des Bescheides wird der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Behebung und Zurückverweisung an die belangte Behörde ist im Gegenständlichen geboten, da von der belangten Behörde die Verfahrensergänzungen rascher und kostengünstiger durchgeführt werden können, dies auch in Hinblick auf den Wohnsitz des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und den Sitz der Behörde in Linz.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltstitel aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung berücksichtigungswürdige Gründe Einreiseverbot Ermittlungspflicht Gefährdungsprognose Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Sachverhaltsfeststellung Nachvollziehbarkeit persönlicher Eindruck Rückkehrentscheidung Suchtmitteldelikt Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I421.2232786.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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