TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/13 I414 2233353-1

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Veröffentlicht am 13.08.2020
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Entscheidungsdatum

13.08.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §67 Abs4
FPG §70 Abs3
StGB §127
StGB §128 Abs1
StGB §130 ersterFall
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I414 2233353-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. RUMÄNIEN, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Oberösterreich, Außenstelle Linz vom 09.07.2020, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird insofern stattgegeben, als dass die Dauer des Einreiseverbotes auf 6 Jahre herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der 35-jährige Beschwerdeführer (in der Folge als BF bezeichnet), ist rumänischer Staatsbürger. Laut seinen Angaben nach ist der Beschwerdeführer mittelos und derzeit ohne Beschäftigung. Er sei in Rumänien geboren und aufgewachsen, er habe keine Schul- und Berufsausbildung absolviert. Seine Lebensgefährtin lebe mit 3 von insgesamt 5 Kindern seit dem 12.03.2020 in Wien. Sein ältester Sohn und seine Tochter leben derzeit bei ihrem Großvater in Rumänien. Am 13.02.2020 sei er nach Österreich gereist um hier zu arbeiten.

Am 21.02.2020 wurde gegen den BF die Untersuchungshaft verhängt, zuvor wurde er angehalten.

Dem BF wurde mit Verständigung vom 06.03.2020 über die beabsichtigte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG zur Kenntnis gebracht.

Die Stellungnahme des BF langte am 19.03.2020 bei der belangten Behörde ein.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Steyr als Schöffengericht vom 29.06.2020, Zl. XXXX wurde der BF wegen das Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster Fall und 15 Abs 1 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 22 (zweiundzwanzig) Monaten verurteilt.

Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid vom 09.07.2020 wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und Abs 2 FPG ein für die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub gewährt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Dagegen richtet sich die erhobene Beschwerde. Dabei wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF sich seit Februar 2020 hier in Österreich aufhalte. Seine Lebensgefährtin mit einstweilen der 3 von 5 gemeinsamen Kindern würden seit März 2020 in Österreich leben. Seine Lebensgefährtin arbeite derzeit in einem Restaurant. Sein ältester Sohn sowie seine Tochter würden derzeit mit dem Großvater in Rumänien leben.

Nach der Entlassung aus der Strafhaft möchte er mit seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern in Wien zusammenleben. Die belangte Behörde verweise im gegenständlichen Bescheid mehrmals auf die polizeilichen Vormerkungen des BF, ohne diese in die Entscheidung miteinzubeziehen. Der BF bereue seine Taten und wolle fortan ein ruhiges Leben im Kreise seiner Familie führen. Er wisse Fehler gemacht zu haben und möchte sein Fehlverhalten auch nicht beschönigen.

Das erlassene Aufenthaltsverbot im höchstmöglichen Ausmaß von 10 Jahren sei unverhältnismäßig. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass das Aufenthaltsverbot keinen Eingriff in sein Recht auf Familienleben darstelle.

Seine Familie habe den BF mehrmals persönlich besucht. Außerdem würde der BF mit seiner Familie täglich telefonieren und wöchentlich von der Möglichkeit über Videokonferenz zu kommunizieren Gebrauch machen.

Darüber hinaus verfüge der BF nach seiner Entlassung aus der Strafhaft über eine Einstellungszusage.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um seine erste Verurteilung im Bundesgebiet handle und aufgrund des bestehenden Familienlebens mit seiner in Österreich lebenden Kernfamilie wäre von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen.

Es werde daher, die Aufhebung des Bescheides, in eventu das Aufenthaltsverbot herabzusetzen, in eventu die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs für die Dauer von einem Monat, und in eventu der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen, beantragt. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der 34-jährige BF ist rumänischer Staatsbürger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Der BF hat keine Schul- und Berufsausbildung absolviert.

Der BF verfügt über kein Vermögen und ist ohne Beschäftigung. Dem BF wurde im Bundesgebiet nie eine Anmeldebescheinigung ausgestellt und er hat eine solche auch nie beantragt.

Die Lebensgefährtin des BF lebt mit ihren drei Kindern seit März 2020 in Wien.

Der BF ist in den vorgelegten Geburtsurkunden nicht als Vater der drei Kinder eingetragen.

Der Großvater des BF lebt mit zwei Kindern in Rumänien. Darüber hinaus leben die Geschwister des BF in Rumänien.

Der BF hält sich seit Februar 2020 durchgehend in Österreich auf.

Der BF verfügt, außer einer Wohnsitzmeldung in einer Haftanstalt, über keine Wohnsitzmeldung in Österreich.

Der BF ist gesund, arbeitswillig und arbeitsfähig, er verfügt über eine Einstellungszusage.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 29.06.2020, Zl. XXXX , wegen das Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster Fall und 15 Abs 1 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 22 (zweiundzwanzig) Monaten verurteilt.

Im Zuge dieser Verurteilung wurde der BF für schuldig gesprochen, er hat zu nachgenannten Zeiten Geschädigten fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt EUR 5.000,-- übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er gewerbsmäßig gehandelt hat, und es teils beim Versuch geblieben ist, und zwar

1) am 21.05.2019 in XXXX in Oberösterreich Geschädigten Schmuck im Wert von EUR 2.800,--

2) am 21.05.2019 in XXXX in Niederösterreich im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem bislang unbekannten, abgesondert verfolgten Mittäter Berechtigten eines Warenhauses Wertgegenstände, wobei es aufgrund der Betretung durch das Opfer beim Versuch geblieben ist

3) am 18.02.2020 in XXXX in der Steiermark einen Geschädigten transportable Wertgegenstände, wobei es aufgrund Betretung durch das Opfer beim Versuch geblieben ist

4) am 15.02.2020 in XXXX in der Steiermark einer Geschädigten Bargeld im Wert von EUR 40,-

5) und am 06.02.2020 in XXXX in der Steiermark Geschädigten Bargeld im Wert von zumindest EUR 8.000,--.

Beim BF konnte mildernd das Geständnis und der teilweise Versuch gewertet werden, erschwerend wurden die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, mehrere Fakten, mehr als das zweifache Überschreiten der Wertqualifikation gewertet. Darüber hinaus wurde als erschwerend gewertet, dass es bei dem BF um einen Kriminaltouristen handelt.

Es wird festgestellt, dass der BF die besagten Straftaten begangen und die beschriebenen Verhaltensweisen gesetzt hat.

Der BF befindet sich seit dem 20.02.2020 in der Justizanstalt und verbüßt derzeit seine Haftstrafe.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter Berücksichtigung der Stellungnahme des BF vom 10.03.2020, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, den vorgelegten Beweismitteln. Außerdem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, der Grundversorgung und der Sozialversicherung ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht aufgrund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahren und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Feststellung zur Identität des BF ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, insbesondere aus dem rumänischen Personalausweis.

Die Feststellung zur Schul- und Berufsausbildung des BF ergibt sich aus der Stellungnahme des BF vom 10.03.2020. In der Stellungnahme gab der BF an keine Schul- und Berufsausbildung absolviert zu haben. Aus der gekürzten Urteilsausfertigung vom 29.06.2020 geht hervor, dass der BF den Beruf des Malers und des Fliesenlegers nachging.

Die Feststellungen, wonach der BF über kein Vermögen verfügt und er ohne Beschäftigung ist, ergeben sich aus der Stellungnahme des BF vom 10.03.2020, sowie aus dem Sozialversicherungsdatenauszug.

Die Feststellung, wonach der BF keine Anmeldebescheinigung ausgestellt und er eine solche auch nicht beantragte, ergibt sich aus dem Fremdenregisterauszug.

Die Feststellung, wonach die rumänische Lebensgefährtin des BF mit ihren drei Kindern seit März 2020 in Wien lebt, ergibt sich aus den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister.

Aus den drei vorgelegten rumänischen Geburtsurkunden ist ersichtlich, dass der BF nicht als Vater der Kinder eingetragen ist. In zwei Geburtsurkunden wird als Vater Rancu BANCUTA und in einer XXXX angeführt, da der BF jedoch XXXX heißt, ist nicht glaubhaft, dass der BF leiblicher Vater der drei in Wien lebenden Kinder ist. Zudem behauptet der BF in der schriftlichen Stellungnahme vom 10.03.2020, dass seine Lebensgefährtin mit seinen fünf leiblichen Kindern in Wien lebe. Dementgegen wird im Beschwerdeschriftsatz vom 21.07.2020 ausgeführt, dass nur drei von fünf der gemeinsamen Kinder in Wien leben. Darüber hinaus ist nicht glaubhaft, dass der BF selbst nicht weiß wie viele seiner Kinder in Österreich aufhältig sind. So brachte er im März vor, dass fünf Kinder in Österreich und vier Monate später brachte er vor, dass nur drei Kinder seit März in Österreich leben würden. Zudem brachte er vor, dass eine seiner Töchter krank sei und dies der Grund seiner Reise nach Österreich gewesen sei. Dabei übersieht der BF, dass er aufgrund der vorgelegten Geburtsurkunden und seines Beschwerdeschriftsatzes nur Vater einer Tochter, welche noch immer in Rumänien lebt, sein kann, weil es sich bei den vier übrigen Kindern um männliche Personen handelt.

Die Feststellung, wonach der Großvater mit zwei Kinder des BF in Rumänien lebt, ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz.

Die Feststellung, wonach sich der BF durchgehend seit Februar 2020 in Österreich aufhält, ergibt sich aus der Stellungnahme des BF.

Die Feststellung, wonach der BF nur in einer Haftanstalt gemeldet ist und ansonsten über keine Wohnsitzmeldungen in Österreich verfügt, ergibt sich aus dem Auszug des Zentralen Melderegisters.

Die Feststellungen, wonach der BF gesund, arbeitsfähig, arbeitswillig und über eine Einstellungszusage verfügt, ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.

Die strafgerichtliche Verurteilung des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister. Die den Verurteilungen zugrundeliegenden Handlungen und Strafzumessungsgründe können anhand der im Akt vorliegenden Strafurteile festgestellt werden.

Die Feststellung, wonach sich der BF seit dem 20.02.2020 in der Justizanstalt befindet und seine Haftstrafe verbüßt, ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Als Staatsangehöriger von Rumänien ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist vorweg festzuhalten, dass das BVwG die Beschwerdeausführungen für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Bescheids dagegen für zutreffend erachtet. Dem Beschwerdevorbringen ist somit lediglich Folgendes zu erwidern:

Mangels eines längerfristigen kontinuierlichen Aufenthalts des BF, er befindet sich seit Februar 2020 durchgehen in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden.

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 29.06.2020, Zl. XXXX , wegen das Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 130 Abs 1 erster Fall und 15 Abs 1 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 22 (zweiundzwanzig) Monaten verurteilt.

Das, durch Tatwiederholungen sowie die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, geprägtes Verhalten des BF lässt erkennen, dass dieser dazu neigt, gültige Normen und Regeln zu ignorieren und zur Befriedigung von Bereicherungsgelüsten nicht vor der Begehung von Straftaten zurückschreckt. Darüber hinaus handelt es sich bei dem BF – bei den Strafbemessungsgründen als erschweren gewertet - um einen Kriminaltouristen.

Der BF hat sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich und damit auch seine unionsrechtliche Freizügigkeit zum Begehen strafbarer Handlungen missbraucht.

Der belangten Behörde ist sohin nicht entgegenzutreten, wenn diese von einer maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den BF ausgeht.

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs. 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Die rumänische Lebensgefährtin des BF lebt seit 09.03.2020 mit ihren drei Kindern in Wien.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF muss verhältnismäßig sein. Wie aus den Feststellungen gegenständlicher Entscheidung zu entnehmen, ist der BF aufgrund der vorgelegten Geburtsurkunden nicht der leibliche Vater der in Österreich – seit März 2020 – lebenden Kinder. Es besteht unbestritten ein Privat- und Familienleben, gleichwohl der BF aufgrund der Haft mit seiner Lebensgefährtin in Österreich in keinem gemeinsamen Haushalt lebte. Der Kontakt zu seiner Familie ist durch den Strafvollzug stark eingeschränkt, gleichwohl er mehrmals in der Justizanstalt von seiner Familie besucht wird. Aufgrund seiner Verurteilung wusste der BF um den Unrechtsgehalt seiner Taten, er ließ sich trotz des Aufenthalts seiner Lebensgefährtin und deren Kinder nicht davon abhalten straffällig zu werden. Dem Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich steht das Fehlen der der strafgerichtlichen Unbescholtenheit und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von schweren und gewerbsmäßigen Eigentumsdelikten wie den vom BF begangenen, gegenüber.

Es bestehen auch Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat. So spricht er Rumänisch und dort lebt sein Großvater, sein ältester Sohn und seine kranke Tochter. Aufgrund des kurzen Aufenthalts des BF und seiner rumänischen Lebensgefährtin und deren Kinder ist die Fortsetzung des Familienlebens in Rumänien oder außerhalb Österreichs möglich. Darüber hinaus ist dem BF zumutbar, während der Dauer des Aufenthaltsverbots die Kontakte zu seiner Familie durch Besuche außerhalb Österreichs, Telefonate und andere Kommunikationsmittel zu pflegen. Der BF fasste ferner in keiner Weise Fuß in Österreich und nutzte seinen Aufenthalt in Österreich ausschließlich als Kriminaltourist dazu deliktisch zu handeln. Auch konnten keine Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht erkannt werden, gleichwohl er über eine Einstellungszusage verfügt.

Den persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich steht somit das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der öffentlichen Sicherheit gegenüber. Diesen gewichtigen öffentlichen Interessen kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 12.03.2002, 98/180260, vom 18.01.2005, 2004/18/0365, vom 03.05.2005, 2005/18/0076, vom 17.01.2006, 2006/18/0001 und vom 09.09.2014, 2013/22/0246).

Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes kann daher als im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden. Die im vorliegenden Beschwerdefall vorzunehmende Interessensabwägung schlägt somit zuungunsten des BF und zugunsten des öffentlichen Interesses an seiner Außerlandesschaffung aus. Es ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dringend geboten, um ihn von der Begehung von Straftaten in Österreich abzuhalten.

Das persönliche Verhalten des BF stellt daher eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit - insbesondere dem Schutz des fremden Eigentums – dar. Die Gesamtbeurteilung seines Verhaltens, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher ergeben, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt und notwendig ist. Das erkennende Gericht lässt nicht außer Acht, dass das Strafgericht in seinem Urteil sein Geständnis und, dass es bei zwei Fakten beim Versuch geblieben ist strafmildern. Zugleich wertete es aber die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und das 2 fache Überschreiten der Wertqualifikation als erschwerend. Darüber hinaus wurde der BF vom Strafgericht als Kriminaltourist bezeichnet. Um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom BF ausgehenden, durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährlichkeit ausgehen zu können, bedarf es grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens, wobei in erster Linie das gezeigte Wohlverhalten in Freiheit maßgeblich ist. Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat. Dieser Zeitraum ist nach den Grundsätzen der Judikatur umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden – etwa in Hinblick auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten oder einen raschen Rückfall – manifestiert hat (vgl. VwGH 30.04.2020, Ra 2019/20/0399). Derzeit befindet sich der BF in Haft. Auf Grundlage des zuvor gesagten, ist im gegenständlichen Fall eine positive Zukunft zum derzeitigen Zeitpunkt daher auszuschließen.

Die Bemessung des Aufenthaltsverbotes mit einer Dauer von zehn Jahren erscheint jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass das Strafgericht bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe mit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von schlussendlich zwei Jahren und zwei Monaten Jahren das Auslangen gefunden hat und von § 67 Abs. 2 FPG auch kriminelle Handlungen von höherem Unrechtsgehalt erfasst sind (so strafgerichtliche Verurteilungen zu unbedingten Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren), nicht geboten. Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der von ihm begangenen Straftaten unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe ein sechsjähriges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einer nachhaltigen Abkehr von Straftaten zu bewegen. Während dieser Zeit sollte es dem BF möglich sein, seine Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren und seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines Rückfalls zu untermauern. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in teilweiser Stattgebung der Beschwerde auf sechs Jahre herabzusetzen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortigen Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat und wie sich aus den bereits zum Aufenthaltsverbot dargelegten Erwägungen ergibt, erwies sich die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich. Im Hinblick auf die Eigentumskriminalität des BF und das Fehlen von Erwerbstätigkeit, Krankenversicherung und Wohnsitzmeldung ist es nicht zu beanstanden, dass ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt wurde. Darüber hinaus handelt es sich bei den Kindern nicht wie vom BF behauptet um die gemeinsamen Kinder mit seiner Lebensgefährtin. Der BF hält sich erst seit Februar 2020 durchgehend in Österreich auf und befindet sich seit dem 20.02.2020 in Haft, seine Lebensgefährtin befindet sich erst seit März 2020 in Österreich, somit hatte er mit ihr in Österreich in keinen gemeinsamen Haushalt gelebt. Der BF fasste ferner in keiner Weise Fuß in Österreich und nutzte seinen Aufenthalt in Österreich ausschließlich als Kriminaltourist zu handeln, er hat durch sein Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung, insbesondere an die Strafgesetze, zu halten. Die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sind somit zu Recht erfolgt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der BF hat zwar die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, doch wurden bereits alle für ihn sprechenden Tatsachen der Entscheidung zugrunde gelegt und musste sich der erkennende Richter kein eigenes Bild mehr vom Beschwerdeführer machen. Zwar kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen der mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu (VwGH 23.03.2017, 2016/21/0349 (und das auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände. Daraus ist aber keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung im Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen positiven persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422).

Das Gericht musste sich keinen persönlichen Eindruck vom BF verschaffen, da es sich um einen solchen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist. Darüber hinaus wurde vom BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Die in der Beschwerde vorgelegten Urkunden sowie das Vorbringen des BF in der Beschwerde wurde dieser Entscheidung zugrunde gelegt.

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens und der Aufenthaltsdauer bei Rückkehrentscheidungen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Angemessenheit Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung - Entfall Diebstahl Durchsetzungsaufschub EWR-Bürger Gefährdung der Sicherheit Gefährdungsprognose Gewerbsmäßigkeit Haft Haftstrafe Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben private Interessen Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Straftat Unionsbürger Vergehen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I414.2233353.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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