TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/20 W235 2195991-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2020
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Entscheidungsdatum

20.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W235 2195991-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Sabine MEHLGARTEN-LINTNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2020, Zl. 1091977805-191295876, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, §§ 10 Abs. 1 Z 3, 15 b und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52, 53 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am Tag der Antragstellung wurde er einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er angab, der schiitischen Glaubensrichtung des Islam sowie der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und stamme aus XXXX im Distrikt XXXX in der afghanischen Provinz XXXX , wo er auch zuletzt gewohnt habe. Im Herkunftsstaat würden noch seine Eltern sowie seine Schwester leben. Sein Bruder sei hingegen in Österreich aufhältig. Über Schulbildung verfüge er nicht; er habe jedoch Arbeitserfahrung als Baustellenarbeiter.

Zu seinen Fluchtgründen brachte der Beschwerdeführer vor, er habe gemeinsam mit einem Bauingenieur zunächst in XXXX gearbeitet. Als die Bauarbeiten fertig gewesen seien, habe der Ingenieur in der Stadt XXXX Arbeit gefunden. Aus diesem Grund habe er den Beschwerdeführer angerufen und ihn aufgefordert, zu ihm zu kommen. Das Projekt sei jedoch nicht gut gelaufen, sodass ihm der Bauingenieur gesagt habe, er solle mit den Baumitteln und einem Kollegen zurück nach XXXX fahren. Unterwegs hätten die Taliban ihr Auto angehalten und durchsucht. Sie hätten dann das Foto auf seiner Geburtsurkunde mit einem Foto, welches sie bei sich gehabt hätten, abgeglichen. Er habe auch eine Karte des Bauunternehmens bei sich gehabt. Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass die Taliban über seine Tätigkeit für das Bauunternehmen informiert gewesen seien. Dieses Unternehmen habe Kontakt mit amerikanischen Firmen. Sie hätten ihn und seinen Arbeitskollegen gefesselt, ihnen die Augen verbunden und sie in einen Graben geworfen, welchen sie mit einem Tuch abgedeckt hätten. Am folgenden Tag habe man sie herausgeholt und in einen Garten verbracht, wo sie geschlagen worden seien. Man habe sie töten wollen. In der Nacht zuvor hätten sie sich jedoch von ihren Fesseln befreien können und seien geflüchtet. Sie seien getrennt worden und der Beschwerdeführer habe seinen Arbeitskollegen nicht mehr gesehen. Dann habe er sich entschlossen, den Herkunftsstaat zu verlassen.

1.3. Am 06.04.2018 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in welcher er zu seinen Fluchtgründen angab, er habe in Afghanistan ein Geschäft gehabt, in welchem er alkoholische Getränke verkauft habe. Einen Tag vor dem Vorfall, der zu seiner Ausreise geführt habe, sei er in XXXX gewesen. Dort hätten die Leute erfahren, dass er alkoholische Getränke verkaufe. Der Mullah sowie der Bürgermeister von XXXX hätten davon erfahren und seien zu seinem Geschäft gekommen. Sein Nachbar habe ihn am Vormittag angerufen und ihm gesagt, dass sich viele Leute vor seinem Geschäft versammelt hätten und sie ihn töten würden, sollten sie ihn finden. Er sei durcheinander gewesen, habe Angst bekommen und sei nach Kandahar gegangen, von wo aus er weitergereist sei. Dieser Vorfall habe sich vor zweieinhalb Jahren ereignet. Einen Tag danach sei er endgültig aus dem Herkunftsstaat ausgereist. Kurz nach seiner Einreise in Österreich habe er seine Familie angerufen und habe erfahren, dass man sein Geschäft angezündet habe. Sein Vater und seine Ehefrau seien „durcheinander“ gewesen. Auf Nachfrage, wo sich seine Mutter zu aufgehalten habe, führte er an, sie sei auch in Afghanistan gewesen. Vor einem Jahr sei sie jedoch aufgrund einer Herzerkrankung verstorben. Auf Vorhalt, bei seiner Erstbefragung habe er gänzlich andere Fluchtgründe dargetan, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, es habe Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben. Seine heutige Darstellung sei korrekt.

1.4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2018, Zl. 1091977805-151605765, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkte IV. und V.). Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt (Spruchpunkt VI.)

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.06.2019 gab er zu seinen Familienangehörigen an, seine Ehefrau lebe bei seinem Vater. Ferner habe er noch eine Schwester. Einen Bruder, der in Österreich lebe, habe er entgegen seiner Angaben in der Erstbefragung nicht. Zu seinen Fluchtgründen führte er zusammengefasst aus, sowohl seine Angaben in der Erstbefragung als auch seine Ausführungen in der Einvernahme vor dem Bundesamt seien richtig. Er habe auf Baustellen gearbeitet und einen Laden besessen. Wenn er auf der Baustelle gewesen sei, habe sich sein Vater um den Laden gekümmert. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er vor dem Bundesamt angegeben habe, die Fluchtgeschichte betreffend den Alkoholverkauf sei sein einziger Fluchtgrund. Hinsichtlich der Angaben betreffend die Verfolgung im Rahmen seiner Arbeit für ein Bauunternehmen habe er sich hingegen auf eine falsche Übersetzung durch den Dolmetscher berufen. Dazu führte er aus, es sei richtig, dass der Dolmetscher falsch übersetzt habe. Der Dolmetscher habe Iranisch gesprochen; ihre Sprachen würden sich unterscheiden.

Mit Erkenntnis vom 17.07.2019, Zl. W158 2195991-1/10E, wurde die Beschwerde vollinhaltlich abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen und zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine persönliche und konkrete Verfolgungsgefährdung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründen glaubhaft gemacht habe und ihm selbst bei Wahrunterstellung eine innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. Eine Gefährdung aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit lasse sich unter Berücksichtigung der Länderfeststellungen amtswegig nicht feststellen und habe der Beschwerdeführer eine solche Gefährdung auch nicht geltend gemacht. Hinsichtlich der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde erwogen, dass der Beschwerdeführer ein arbeitsfähiger, junger, gesunder Mann sei, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Aufgrund seiner Berufserfahrung sei es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar in den großen Städten Afghanistans eine berufliche Tätigkeit zu finden, um ein für seinen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Er beherrsche eine der Landessprachen, sei mit den kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut und gehöre keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Zudem befinde sich seine Familie in Afghanistan, die sein Grundstück bewirtschafte und von der er sich bei einer Rückkehr zumindest finanzielle Unterstützung erwarten könne. Dem Beschwerdeführer sei es daher möglich, in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif ein Leben zu führen, wie es auch andere afghanische Staatsangehörige führen würden. Zudem könne er durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in den genannten Städten das Auslangen finden.

1.5. Dieses Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer im Wege seiner Vertretung am 17.07.2019 durch Hinterlegung im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt und ist sohin am 18.07.2019 in Rechtskraft erwachsen.

2. Gegenständliche Verfahren:

2.1. Am 05.08.2019 stellte der Beschwerdeführer in der Schweiz einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens wurde der Beschwerdeführer am XXXX 12.2019 gemäß Artikel 31 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) von der Schweiz nach Österreich überstellt.

Dem Standardformular für die Übermittlung von Daten vor einer Überstellung nach Art. 31 Abs. 4 Dublin III-VO wurde unter anderem ein Austrittsbericht der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie XXXX vom XXXX 12.2019 betreffend den Beschwerdeführer beigelegt. Diesem Schreiben ist zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer von XXXX 11.2019 bis XXXX 12.2019 in dieser Klinik in stationärer Behandlung befunden hat. Die Hauptdiagnose lautete demnach dissoziativer Stupor bei belastendem Ereignis (F44.2) mit bzw. bei depressiver Reaktion im Rahmen der Flucht und angekündigten Ausschaffung (F43.20) sowie einem Zustand nach dissoziativem Bewusstseinsverlust mit Mutismus am 19.11.2019 und unwillkürlichem Herumschlagen der vier Extremitäten (ohne Zungenbiss oder Einnässen). Ferner wurde eine Mikrozytose unklarer Ätiologie diagnostiziert.

Aus der Zusammenfassung der Anamnese geht im Wesentlichen hervor, dass der Beschwerdeführer im Rahmen eines Dolmetschergesprächs angab, er habe im Herkunftsstaat ein kleines Geschäft betrieben und zudem am Bau gearbeitet. Eine verheiratete Frau habe seine Aufmerksamkeit gewonnen und es sei zu einer intimen Beziehung gekommen. Der Ehemann dieser Frau habe in der Ukraine gearbeitet, die Frau habe ein Kind gehabt. Er habe sich von ihr distanzieren wollen, doch sie habe ihn anschließend erpresst, sodass er auf Anraten seiner Angehörigen und seiner Ehefrau das Land verlassen habe. Vor drei Monaten habe ihn die Nachricht erreicht, dass seine Familie bestehend aus seinen Eltern, seiner Schwester und seiner Ehefrau, bei einem Angriff der Taliban auf die Stadt XXXX ums Leben gekommen sei.

Hinsichtlich seines Psychostatus bei Austritt ( XXXX 12.2019) wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer wach sowie bewusstseinsklar sei und sich auf Farsi gut ausdrücken könne. Er habe keine Sinnestäuschungen oder Wahnerleben und habe von keinen Ängsten und/oder Zwängen berichtet. Sein Antrieb sei gegeben, er mache Sporttraining im Zimmer und halte sich körperlich fit. Sein Affekt sei nur leicht niedergestimmt. Sein affektiver Rapport sei herstellbar und deutlich besser. Durch die Ausschaffung fühle er sich gestresst. Er leide an keinen Ein- und Durchschlafstörungen. Ferner habe er keine suizidalen Absichten und Pläne. Hinweise auf fremdaggressives Verhalten liege nicht vor.

Betreffend Therapie und Verlauf wurde unter anderem festgehalten, dass initial keine ausführliche Exploration des psychopathologischen Befundes möglich gewesen sei. Bei fremdanamnestischen Angaben und reduzierter Schwingungsfähigkeit habe die Suizidalität initial hoch eingeschätzt werden müssen. Nach Absetzen des Medikaments Temesta sei der deutlich weniger gehemmte Zustand bestehen geblieben. Es sei zu einer deutlichen Verbesserung, insbesondere des Antriebs, gekommen. Der Beschwerdeführer habe viel Sport getrieben, wobei keine psychomotorische Verlangsamung mehr zu beobachten gewesen sei. Erneute dissoziative Anfälle oder gar nur ein Rückfall in eine Verschlechterung seien nicht aufgetreten. Der Patient habe sich so verständlich machen können, dass er sich klar und anhaltend von Suizidalität distanziert habe. Die antidepressive Therapie sei aufgrund von Magenbeschwerden vom Beschwerdeführer abgelehnt worden, sodass nach einer körperlichen Untersuchung eine Therapie mit Pantoprazol und Alucol begonnen worden sei. Trotz rascher Verbesserung der Beschwerden habe der Beschwerdeführer jedoch Bedenken an der Notwendigkeit der medikamentösen Therapie geäußert. Er sei nie krank gewesen, habe daher auch nie Medikamente gebraucht und brauche auch derzeit keine. Bei Austritt habe eine weitgehende Remission der depressiven Symptomatik bestanden und er habe am XXXX 12.2019 in stabilem Zustand ins Regionalgefängnis XXXX verlegt werden können. Die Medikation bei Austritt setzte sich aus je einer Tablette Lisitril 5 mg und Pantoprazol Sandoz 20 mg zusammen.

Aus den Ausführungen zum Procedere ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine Weiterführung der Medikation abgelehnt habe, eine regelmäßige Blutdruckkontrolle empfohlen werde und im Verlauf die diagnostizierte Mikrozytose erneut zu überprüfen sei.

2.2. Am XXXX 12.2019 stellte der Beschwerdeführer in Österreich den nunmehr verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

2.2.1. Am selben Tag wurde er einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er hinsichtlich seiner Religion anführte, sich zum Islam zu bekennen. Zu seinem Gesundheitszustand brachte er vor, an einer schweren psychischen Erkrankung zu leiden. Hinsichtlich seines Verbleibs seit der Entscheidung über seinen letzten Antrag auf internationalen Schutz führte er an, seit Sommer 2019 bis dato in der Schweiz gewesen zu sein.

Zu den Gründen für die neuerliche Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz, führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater, seine Mutter, seine Schwester und seine Ehefrau seien vor zweieinhalb Monaten von den Taliban im Herkunftsstaat getötet worden. Eine Verwandte von ihm habe ihn angerufen und ihn darüber informiert. Sie habe ihm über das Handy Fotos der Leichen gesendet. Nachdem er die Fotos gesehen habe, habe er das Handy auf den Boden geworfen. Sein Handy sei seither kaputt und er habe es in den Müll geworfen. Da seine Familie getötet worden sei, habe er Angst, im Fall seiner Rückkehr ebenfalls getötet zu werden.

2.2.2. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX 12.2019 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er gemäß § 15b AsylG iVm § 7 VwGVG in einem näher bezeichneten Quartier durchgehend Unterkunft zu nehmen hat. Gleichzeitig wurde ihm ein Mitteilungsblatt über die Folgen der Missachtung der Anordnung ausgehändigt.

2.2.3.. Am 27.12.2019 erfolgte die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wobei er zunächst angab, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, der Einvernahme zu folgen. Eingangs bestätigte er seine Personaldaten und gab weiter an, er bekenne sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er sei verwitwet. Seine Ehefrau, XXXX , sei ca. 24 Jahre alt und sei in XXXX geboren. Ihr genaues Geburtsdatum kenne er nicht. Seine Ehefrau sei von den Taliban erschossen worden. Kinder habe er nicht. Seine gesamte Familie, konkret seine Eltern, seine Schwester und seine Ehefrau, seien bei einer Kontrolle der Taliban ermordet worden. Weitere Familienangehörige, die in Afghanistan leben würden, habe er nicht. Hinsichtlich seines beruflichen Werdegangs führte er aus, er sei zunächst Feldarbeiter in landwirtschaftlichen Betrieben gewesen. Dann sei er als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle tätig gewesen, habe als Lebensmittelhändler gearbeitet und habe schließlich alkoholische Getränke verkauft. In Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union habe er keine familiären Beziehungen. Ebenso wenig habe er Verwandte oder Bekannte, die seine Identität bestätigen könnten. Seine Tazkira habe er im Meer verloren.

2.2.4. Am 07.01.2020 erfolgte eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wobei er seine Angaben zu seiner Herkunft und zu seinem Namen bestätigte, als Geburtsdatum jedoch den XXXX anführte. Die Frage, ob er der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehöre, bejahte er. Auf weitere Nachfrage, ob er gläubig sei oder seinen Glauben praktiziere, führte der Beschwerdeführer aus, er glaube nicht mehr an den Islam. Er habe vor, den Islam zu verlassen, da er denke, es handle sich dabei um eine Gewaltreligion. Es würden im Namen dieser Religion massenweise Menschen getötet. Daher wolle er zum Christentum konvertieren. Täglich würden in Afghanistan 100 bis 200 Schiiten getötet. Seit etwa sechs Monaten denke er darüber nach. Er finde die österreichische Religion besser, da hier die Menschen besser behandelt würden. In Afghanistan würden sich die Menschen hingegen gegenseitig umbringen. Auf Nachfrage, warum er diese Konversionsgedanken nicht bereits vor dem Bundesverwaltungsgericht im Vorverfahren erwähnt habe, führte er aus, es sei damals nicht so ernst gewesen. Nachdem seine Familie vernichtet worden sei, habe er diese Entscheidung getroffen. Hazara seien in Afghanistan weniger wert als ein Tier. Auf Nachfrage, was er mit der Formulierung „damals sei es noch nicht so ernst“ gewesen, gemeint habe, erklärte er, er habe sich noch nicht entschieden. Er habe sich auf Youtube damit auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer mache das nicht wegen Asyl; er habe den Islam satt.

In Afghanistan sei er ein einfacher Arbeiter gewesen. Er sei nicht gebildet. Der Vorfall, bei dem seine Familie getötet worden sei, sei vor etwa zweieinhalb Monaten gewesen. Der Beschwerdeführer sei damals in der Schweiz gewesen. Eine Woche nach dem Vorfall habe ihn ein Freund angerufen und habe ihm erklärt, was passiert sei. Da er es nicht glauben habe wollen, habe ihm der Freund Fotos und kleine Videos geschickt. Als der Beschwerdeführer das gesehen habe, sei es ihm schlecht gegangen und er habe sein Handy zerschlagen. Folglich habe er keine Beweise mehr. Auslöser für diesen Vorfall sei der Krieg gewesen. Die Taliban hätten XXXX erobern wollen. Vier Familien, darunter auch seine Familie, seien von den Taliban angehalten und kontrolliert worden. Die Taliban hätten die Tazkira seiner Familie entdeckt und herausgefunden, dass sie schiitische Hazara seien. Aus diesem Grund seien sie auf der Stelle getötet worden. Auf weitere Nachfrage führte er aus, dass alle vier Familien getötet worden seien. Alle seien getötet worden, da sie aus XXXX stammen würden. Der Vorfall sei zwei bis drei Monate nach der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.06.2019 gewesen.

Zu seinem Familienleben führte der Beschwerdeführer an, dass seit Abschluss des Verfahrens über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz keine Änderungen eingetreten seien. Er sei psychisch schwer belastet und nehme täglich vier Tabletten. In der Schweiz sei es noch schlimmer gewesen. Dort habe er sechs Tabletten einnehmen müssen und habe sich zehn Tage in einer intensiven Behandlung befunden. Er sei von einer Kamera beobachtet worden. Die Ärzte hätten Angst gehabt, dass er sich umbringe. Ihm gehe es jetzt auch nicht besser. Er könne nur eine Stunde schlafen und habe ständig Angst. Ferner habe er Schmerzen in der linken Kopfhälfte. Teilweise verliere er das Bewusstsein wegen der Schmerzen. Er versuche manchmal alles zu vergessen, indem er Sport betreibe. Dann gehe er joggen. Im Lager sei er bei einem Arzt gewesen. Dieser habe ihm einen Termin bei einem Spezialisten geben wollen, dann seien aber die Feiertage gekommen. Weitere Untersuchungstermine seien nicht vereinbart worden. Der Beschwerdeführer werde am folgenden Tag wieder hingehen. In Österreich sei er nie stationär in einem Krankenhaus aufhältig gewesen und er habe auch lediglich medizinische Unterlagen aus der Schweiz. In der Folge wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, sämtliche medizinischen Unterlagen, welche er hat bzw. welche er noch bekommen wird, eigenständig und ohne weitere Aufforderung der Behörde vorzulegen.

Befragt, warum er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, führte der Beschwerdeführer aus, inzwischen sei seine Familie getötet worden. Dies sei ein Schock für ihn gewesen. Aus diesem Grund hasse er auch den Islam und wolle jetzt Christ werden. Auf die Frage, für welche Konfession des Christentums er sich interessiere, fragte er zunächst, ob es verschiedene Konfessionen gebe. Daraufhin führte er aus, er wisse es nicht. In der Nähe gebe es eine Kirche.

In der Folge gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, er habe keine Angehörigen mehr im Herkunftsstaat. Auf Vorhalt, er habe bei der Erstbefragung angegeben, dass eine Verwandte ihn angerufen und über den Tod der Familie informiert habe, während er nunmehr behauptet habe, ein Freund hätte ihn kontaktiert, erklärte er, er habe auch in der Erstbefragung von einem Freund gesprochen. Dieser Freund stamme aus dem gleichen Gebiet wie er. Auf weiteren Vorhalt, der Beschwerdeführer habe laut den vorliegenden medizinischen Unterlagen angegeben, von einer verheirateten Frau in Afghanistan erpresst worden zu sein, gab er zu Protokoll, er habe das nie gesagt. Er habe mit dem Arzt nur über seine Familie gesprochen. Auf weitere Nachfrage, woher der Arzt diese Angaben habe, antwortete der Beschwerdeführer, dies seien nicht seine Angaben.

Zu seinem Krankenhausaufenthalt in der Schweiz brachte der Beschwerdeführer vor, er sei bewusstlos in das Krankenhaus eingeliefert worden, sei etwa um drei Uhr in der Früh aufgewacht und sei dann zehn Tage ununterbrochen mit einer Kamera überwacht worden. Dann sei es ihm besser gegangen und er sei entlassen worden. Schließlich sei seine Krankheit aber wiedergekommen. Als man ihn nach Österreich abschieben habe wollen, sei es ihm sehr schlecht gegangen, was die Polizisten auch bemerkt hätten. Seit seiner ersten Antragstellung habe er die Europäische Union verlassen, sei aber nur in der Schweiz gewesen. Man habe ihn aus Österreich abschieben wollen, da habe er Angst bekommen und sei in die Schweiz gegangen. In der Schweiz sei er ein „Dublinfall“ gewesen und habe nach Österreich zurückkehren müssen. Auf die Frage, ob er sich erneut dem Verfahren entziehen werde, wenn er eine negative Entscheidung erhalte, antwortete er: „Ja. Ich hasse Afghanistan“.

Weder in Österreich noch in einem sonstigen Staat in Europa habe der Beschwerdeführer Verwandte oder sonstige Personen, zu welchen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Seit rechtskräftigem Abschluss seines ersten Verfahrens auf internationalen Schutz habe er keine Kurse oder Ausbildungen absolviert. Er habe eine Woche nach der Verhandlung eine negative Entscheidung bekommen. Dann sei er zur Rechtsberatung gegangen, wo man ihm gesagt habe, er habe keine Chance und habe nur zwei Wochen Zeit [zur Ausreise]. Er habe wegwollen, bevor er von der Polizei geholt werde. Zu seinen Deutschkenntnissen führte er an, er verstehe viel, könne aber nicht Deutsch sprechen. Er sei Analphabet und es sei schwierig für ihn, die Sprache zu lernen. Der Beschwerdeführer habe nur drei Monate unregelmäßig einen Deutschkurs besucht. Er sei arbeitsfähig und werde arbeiten, wenn er bleiben dürfe. Er gehe jedem Job nach, den er bekomme. Früher habe er freiwillig für die Gemeinde gearbeitet und € 3,00 pro Stunde erhalten. Er befinde sich jetzt in der Grundversorgung und werde vom Staat versorgt. Über finanzielle Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfüge er nicht. In Österreich habe er keine sozialen Kontakte, gehe keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nach und sei weder Mitglied in einem Verein noch in einer sonstigen Organisation. Er mache ein Boxtraining und wolle in Zukunft Mitglied in einem Verein werden sowie eine Medaille für Österreich gewinnen. In Österreich habe er niemanden. Er sei aber nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, sei nur positiv aufgefallen und rauche nicht einmal. Von einem zivil- oder strafrechtlichen Gerichtsverfahren oder von einer einstweiligen Verfügung sei er nie betroffen gewesen. Er sei auch nie in eine gerichtlichen Untersuchung als Zeuge oder Opfer involviert gewesen.

Abschließend wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, Einsicht in die Quellen und Berichte zur allgemeinen Situation in Afghanistan zu nehmen. Dem Beschwerdeführer wurde unter Einräumung einer zumindest einwöchigen Frist das Länderinformationsblatt ausgehändigt.

2.2.5. Mit Verfahrensanordnung vom 07.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da die Behörde davon ausgeht, dass eine entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliegt.

2.2.6. Am 22.01.2020 fand im Beisein eines Rechtsberaters eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Zu seinem Gesundheitszustand führte der Beschwerdeführer an, es gehe ihm seit ein paar Tagen nicht so gut. Er habe schlecht geschlafen und habe Kopfschmerzen; er sei jedoch in der Lage, die Fragen zu beantworten. Er sei seit der letzten Einvernahme beim Arzt gewesen und habe Medikamente erhalten, welche jedoch keine Wirkung zeigen würden. Abgesehen von den Medikamenten habe er keine Behandlung erhalten und sei auch nicht stationär im Krankenhaus aufhältig gewesen. Medizinische Unterlagen habe er nicht, da er zuerst einen Termin ausmachen müsse, um diese im Krankenhaus zu erhalten. Auf Nachfrage gab er zu Protokoll, es sei kein Termin vereinbart worden.

In der Folge bestätigte der Beschwerdeführer seine bisherigen Angaben im gegenständlichen Verfahren. Ergänzend führte er aus, dass vor drei Tagen die Taliban seine Gegend, konkret den Distrikt XXXX in der Provinz XXXX , angegriffen hätten und die Leute dort in Lebensgefahr seien. Schiiten würden gezielt getötet. Diese Informationen beziehe er aus den Medien.

Hinsichtlich der den Beschwerdeführer zur Stellungnahme ausgehändigten Länderinformationen gab er zu Protokoll, es sei aus den Berichten ersichtlich, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan schlecht sei. Er könne nirgends leben, da er Hazara sei. Zusätzlich bestehe die Gefahr, dass seine Feinde ihn in Afghanistan finden würden. Er könne daher nicht zurückkehren und würde es bevorzugen, hier zu sterben. Auch psychisch gehe es ihm schlecht und er weine täglich ein bis zwei Stunden, insbesondere wenn er an seine Familie denke. Er sei aber auch vergesslich und wisse oft nicht mehr, was er zuvor gesagt habe.

Auf Vorhalt der Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 18.09.2019 sowie vom 15.05.2019, wonach sowohl psychiatrische und psychologische Behandlung als auch die notwendigen Medikamente in Afghanistan verfügbar seien, führte der Beschwerdeführer aus, dies sei falsch. Die Ärzte in Afghanistan seien nicht qualifiziert. Sie würden den Patienten nur Schmerztabletten geben und behaupten, dies würde helfen. Sie könnten nicht richtig diagnostizieren und behandeln. Aus diesem Grund würden die Patienten nach Indien gehen, um sich behandeln zu lassen.

In der Folge gab der Beschwerdeführer an, er habe im bisherigen Verfahren alles erzählen können. Sein Leben sei in Gefahr und er kehre nicht zurück. Er bleibe hier. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit eingeräumt, zur beabsichtigten Zurückweisung seines Antrags gemäß § 68 AVG sowie der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG samt Einreiseverbot gemäß § 53 FPG Stellung zu beziehen. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er für sich selbst eine Entscheidung treffen müsse. Er sei schon so lange hier und wisse immer noch nicht, wo er zuhause sei. Er könne gegen die Entscheidung der Behörde nichts machen, als sich umzubringen. In den letzten fünf Jahren sei er immer brav gewesen und habe nie gegen die Gesetze verstoßen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 31.01.2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gegen ihn unter Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Ferner wurde unter Spruchpunkt VII. dieses Bescheides gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Unter Spruchpunkt VIII. wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG mit Verfahrensanordnung aufgetragen wurde, von XXXX 12.2019 bis 22.01.2020 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Person des Beschwerdeführers, zu seinen Asylverfahren sowie zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen fest, dass er Staatsangehöriger Afghanistans sei und der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam angehöre. Es könne nicht festgestellt werden, dass er sich vom Islam abgewendet habe. Er sei volljährig, spreche Dari und nehme innerhalb der afghanischen Gesellschaft keine exponierte Stellung ein. Er stamme aus der Provinz XXXX . Der Beschwerdeführer verfüge über keine Schulbildung, habe jedoch eine mehrjährige Berufserfahrung in verschiedenen Bereichen gesammelt. Sein Familienstand könne nicht hinreichend festgestellt werden. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er keinen Kontakt zu seinen Angehörigen in Afghanistan habe. Der Beschwerdeführer sei arbeitsfähig und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung, welche einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehe. Sein Antrag auf internationalen Schutz vom 22.10.2015 sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2019, rechtskräftig seit 18.07.2019, abgewiesen worden. Im gegenständlichen Verfahren habe er keine glaubhaften, asylrelevanten Gründe vorgebracht. Auch aus den sonstigen Umständen könne eine Verfolgung aus den Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen einer politischen Überzeugung nicht festgestellt werden. Seit Dezember 2019 befinde sich der Beschwerdeführer neuerlich in Österreich. Ihm sei sein unsicherer Aufenthaltsstatus bewusst gewesen. Er habe in Österreich keine Angehörigen oder Verwandten, zu welchen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestehe. Seinen Lebensunterhalt bestreite er aus den Mitteln der Grundversorgung. Besondere soziale Bindungen in Österreich weise er nicht auf. Der Beschwerdeführer sei unbescholten. Hinsichtlich der Gründe für die Erlassung des Einreiseverbots wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer nach Abschluss des Verfahrens über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz die Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen nicht eingehalten habe. Er sei untergetaucht und habe sich dadurch fremdenpolizeilichen Maßnahmen entzogen. Folglich habe er wiederholt einer behördlichen Anordnung nicht Folge geleistet und habe sich zwischenzeitlich in der Schweiz aufgehalten. Nach seiner Einreise sowie nach seiner Rücküberstellung nach Österreich habe er seinen Lebensunterhalt aus staatlichen Mitteln finanziert. Den Besitz von ausreichenden Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes habe er nicht nachweisen können. Von XXXX 12.2019 bis 22.01.2020 sei ihm ein näher bezeichnetes Quartier zugewiesen worden. Auf den Seiten 20 bis 129 des Bescheids wurden Feststellungen zur allgemeinen Situation im Herkunftsstaat getroffen.

Beweiswürdigend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich die Feststellungen zur seiner Staatsangehörigkeit, zur Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, zur Herkunft aus XXXX , zur Volljährigkeit, zur (fehlenden) Schulbildung, zur Berufserfahrung, zur Arbeitsfähigkeit sowie zu seinen Sprachkenntnissen aus den insoweit konsistenten Angaben des Beschwerdeführers ergeben würden. Zu seinem Gesundheitszustand wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leiden. Aus den von den schweizer Behörden übermittelten Unterlagen gehe hervor, dass der Grund seines stationären Aufenthalts ein zweitätiger Stupor gewesen sei. Eine medikamentöse Behandlung habe demnach zur Linderung der Beschwerden ausgereicht. Laut Schreiben habe er keine suizidalen Absichten gehabt und habe die Fortführung der Medikation abgelehnt. Vor dem Bundesamt habe der Beschwerdeführer hingegen behauptet, sich aufgrund von Suizidgedanken in Behandlung befunden zu haben. Ferner habe er zwar angegeben, sich einer medikamentösen Behandlung zu unterziehen; entsprechende medizinische Unterlagen habe er jedoch trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Seine im Zuge der Einvernahme geäußerten Suizidgedanken seien vor diesem Hintergrund als erneuter Versuch der Verhinderung einer Abschiebung zu werten. So habe er selbst angegeben, im Fall einer negativen Entscheidung neuerlich unterzutauchen und sich einer Abschiebung zu entziehen. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen sei festzustellen gewesen, dass seine Beschwerden weder als schwerwiegend noch als lebensbedrohlich zu qualifizieren seien. Ferner gehe aus zwei Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 18.09.2019 und vom 15.05.2019 hervor, dass psychische Probleme in Afghanistan behandelbar und die notwendigen Medikamente erhältlich seien. Sein Vorbringen, wonach er nunmehr vom schiitischen Glauben zum Christentum konvertieren wolle, werde nicht als glaubhaft erachtet. Sowohl in der Erstbefragung am XXXX 12.2019 als auch in der Einvernahme am 27.12.2019 habe er explizit angegeben, sich zum Islam zu bekennen. Auch in der Einvernahme am 07.01.2020 habe er eingangs bestätigt, der schiitischen Glaubensgemeinschaft anzugehören. Erst auf Nachfrage, ob er gläubig sei, habe er angeführt, zum Christentum konvertieren zu wollen und bereits seit sechs Monaten darüber nachzudenken. Im Beschwerdeverfahren betreffend seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz habe er dies seinen eigenen Angaben nach nicht erwähnt, da er sich noch nicht entschieden habe. Dieses Vorbringen werde jedoch nicht als glaubhaft erachtet, zumal er den Islam als „Gewaltreligion“ bezeichnet und weiter ausgeführt habe, dass aufgrund des Islam massenweise Menschen getötet würden. Hätte er tatsächlich eine derartige Abneigung gegen den Islam, wäre davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jede Möglichkeit nutzen würde, um sich von dieser Religion zu distanzieren. Aus seinen Angaben lasse sich auch nicht schließen, dass er einen Glaubenswandel im Sinne einer tiefgreifenden, ernsthaften, innerlich identitätsprägenden Abkehr vom islamischen Glauben sowie einer Hinwendung zum Christentum aus innerer Überzeugung vollzogen habe. Es handle sich sohin um eine Scheinkonversion, deren Zweck es sei, einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erlangen. Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers werde ferner auch dadurch erschüttert, dass er bereits im Vorverfahren widersprüchliche Angaben gemacht habe. Zudem habe er vor den Ärzten in der Schweiz einen vollkommen anderen Sachverhalt geschildert als in der Einvernahme am 07.01.2020. Zusammengefasst komme das Bundesamt sohin zur Auffassung, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Konversion konstruiert sei und lediglich eine Steigerung seines ursprünglichen Fluchtvorbringens darstelle. Unabhängig davon habe er sich seinen eigenen Angaben nach bereits vor rechtskräftigem Abschluss seines Vorverfahrens mit dem Christentum auseinandergesetzt und stelle sein diesbezügliches Vorbringen sohin keinen neuen Sachverhalt dar. Das Vorbringen, wonach die Angehörigen des Beschwerdeführers ermordet worden seien, sei widersprüchlich. Ein Vergleich zwischen seinen Angaben vor den schweizer Behörden einerseits und den österreichischen Behörden andererseits zeige, dass seine diesbezüglichen Zeitangaben divergieren. Der Beschwerdeführer habe überdies keine Beweise zur Untermauerung seines Vorbringens in Vorlage vorgebracht. Zudem habe er selbst angeführt, dass seine Angehörigen nicht gezielt ausgewählt oder verfolgt worden wären, sondern zufällig mit drei anderen Familien bei einer Straßenkontrolle angehalten und ermordet worden seien. Dieser Vorfall sei während eines Angriffs der Taliban auf den Distrikt XXXX erfolgt. Selbst bei Wahrunterstellung dieses Vorbringens ergebe sich daher aus dem beschriebenen Vorfall keine reale Gefahr einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Das Bestehen einer realen Gefahr der Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sei bereits im Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz verneint worden und würden sich hierfür auch aus den aktuellen Länderberichten keine Anhaltspunkte ergeben. Da das Vorbringen zur Ermordung der Angehörigen nicht als glaubhaft erachtet werde, könne der Familienstand des Beschwerdeführers nicht hinreichend festgestellt werden. Ferner könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer keine Angehörigen im Herkunftsstaat habe. Hinsichtlich der Feststellungen zur Erlassung des Einreiseverbots wurde beweiswürdigend festgehalten, aus dem unbestrittenen Akteninhalt gehe hervor, dass der Beschwerdeführer die ihm eingeräumte Frist zur freiwilligen Ausreise nicht eingehalten habe, sondern in die Schweiz gereist sei. Zudem habe er explizit angegeben, dass er sich dem Verfahren entziehen habe wollen. Sein Verhalten zeige, dass er nicht gewillt sei, sich an die österreichischen Gesetze zu halten, weshalb er eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstelle. Zudem sei er offenkundig mittellos und sohin nicht in der Lage, die Mittel für seinen Lebensunterhalt zu erwerben.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides, dass sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt im Hinblick auf die allgemeine Situation in Afghanistan seit der rechtskräftigen Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz nicht geändert habe. Auch mit seinem Vorbringen habe der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt glaubhaft gemacht. Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des Beschwerdeführers gelegen sei noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen sei – noch im Begehren und/oder dem anzuwendenden Recht eine Änderung eingetreten sei, stehe die Rechtskraft des Erkenntnisses vom 17.07.2019 seinem neuerlichen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten entgegen. Im Hinblick auf Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nicht vorlägen. Betreffend Spruchpunkt IV. wurde rechtlich festgehalten, dass der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich kurz gewesen sei und sich lediglich auf einen im Ergebnis unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestützt habe. Bereits im Erstverfahren habe eine Gesamtabwägung ergeben, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers keinen unzulässigen Eingriff in seine nach Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte darstelle. Im gegenständlichen Verfahren habe er keine Änderung der Situation im Hinblick auf sein Privat- und Familienleben geltend gemacht. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiege insgesamt das Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Da keine Gründe gemäß § 50 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG ersichtlich seien, sei auszusprechen, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zu Spruchpunkt VI. folgerte das Bundesamt, dass im Fall einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und im gegenständlichen Fall von einer Erteilung der Frist abzusehen sei. Somit sei der Beschwerdeführer ab dem Zeitpunkt der Durchführbarkeit der Rückkehrentscheidung zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet. Zu Spruchpunkt VII. wurde ausgeführt, dass das Bundesamt gemäß § 53 Abs. 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung auch ein Einreiseverbot erlassen könne. Die Aufzählung des § 53 FPG sei demonstrativ und demnach nicht als enumerativ abschließend anzusehen, was auch eindeutig aus dem Gesetzestext hervorgehe. Unter Hinweis auf die Rückführungsrichtlinie folgerte die Behörde, dass die Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu prüfen sei, wenn der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung nicht fristgerecht freiwillig nachkommen sei. Dazu folgerte das Bundesamt, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, nämlich die Nichteinhaltung der behördlichen bzw. gerichtlichen Anweisung, in der gewährten Frist das Bundesgebiet bzw. das Schengengebiet zu verlassen, geeignet sei, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden, und auch den Interessen des Art. 8 EMRK zuwiderlaufe. Überdies wurde berücksichtigt, dass er untergetaucht sei und sich so aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entzogen habe. Sein fremdenrechtliches Fehlverhalten könne nicht unter einen der in § 53 FPG aufgelisteten Tatbestände subsumiert werden; dennoch sei es geeignet, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden. Eine Zukunftsprognose falle sohin zu Lasten des Beschwerdeführers aus. Ferner erfülle der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG, da er den Besitz von ausreichenden Mitteln zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht nachgewiesen habe. Eine auf gesetzliche Bestimmungen basierende Bewilligung zur Aufnahme einer Beschäftigung, wie sie regelmäßig der Lebenssicherung (Nahrung und Obdach) diene, sei dem Beschwerdeführer nicht möglich und daher könne er den Besitz von Mitteln zu seinem Unterhalt nicht nachweisen. Im Fall der Mittellosigkeit eines Fremden bedarf es nicht der Feststellung weiterer Umstände, um eine negative Prognose für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu begründen. Die Mittellosigkeit des Fremden sei im Hinblick auf die daraus resultierende Gefahr der illegalen Beschaffung der Mittel zum Unterhalt eine ausreichende Grundlage für die gerechtfertigte Annahme, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Der derzeitige Unterhalt des Beschwerdeführers sei nur durch staatliche Unterstützung gewährleistet. Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ausführlich geprüft und festgestellt, seien seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Es müsse ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Erlassung eines Einreiseverbots sein privates Interesse am Verbleib im österreichischen Bundesgebiet überwiege. Aus einer Gesamtbeurteilung seines Fehlverhaltens ergebe sich, dass die Erlassung des Einreiseverbots in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Hinsichtlich Spruchpunkt VIII. wurde festgehalten, dass die Anordnung zur Unterkunftnahme gemäß § 15b Abs. 1 AsylG zulässig gewesen sei, da gegen den Beschwerdeführer vor Stellung seines Antrags auf internationalen Schutzes bereits eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei und er die österreichischen Behörden überdies nicht über seine Ausreise in die Schweiz informiert habe. Folglich sei er seiner Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 AsylG nicht nachgekommen. Die Anordnung sei ihm ferner mit Verfahrensanordnung vom XXXX 12.2019 zur Kenntnis gebracht worden.

Mit Verfahrensanordnung vom 31.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung am 11.02.2020 fristgerecht Beschwerde und stellte einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensgangs im Wesentlichen vorgebracht, dass eine „entschiedene Sache“ im Sinne des § 63 Abs. 1 AVG (gemeint wohl § 68 AVG) vorliege, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert habe und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren decke. Gegenständlich habe es die Behörde unterlassen, auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers würden sich konkrete Hinweise darauf ergeben, dass sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt geändert habe. Der Beschwerdeführer habe ausführlich zu seinen Asylgründen Stellung bezogen. Diesbezüglich werde auf die Einvernahmen am 27.12.2019 und am 07.01.2020 verwiesen. Konkret habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er sich nunmehr zum christlichen Glauben bekenne und diesen Glauben auch praktiziere. Zudem sei seine komplette Familie von den Taliban ausgelöscht worden und er wäre sohin in Afghanistan komplett auf sich allein gestellt. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan drohe ihm jedenfalls asylrelevante Verfolgung wegen der ihm unterstellten religiösen Gesinnung. Auch dabei handle es sich um einen geänderten Sachverhalt. Da der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Familie mehr habe, hätten sich auch seine Gründe hinsichtlich einer Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geändert. In der Folge wurden die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 im Hinblick auf die Situation von Konvertiten und Apostaten auszugsweise zitiert. Ergänzend wurde auch auf die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 07.08.2018 zur Lage von zum Christentum konvertierten Personen insbesondere in Kabul und Mazar-e Sharif hingewiesen. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde ferner ausgeführt, dass die Glaubhaftmachung einer inneren Überzeugung oder der religiösen Einstellung ein stark subjektives Element enthalte und daher eine mündliche Verhandlung mit persönlicher Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht sinnvoll und zielführend sei. Hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage wurde festgehalten, dass laut den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 die Taliban zum 31.01.2018 43,7% aller Distrikte Afghanistans kontrolliert oder für sich beansprucht hätten. In Kabul und anderen großen Ballungsräumen hätten sie ihre Angriffe verstärkt. Weder die Lage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers noch in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat sei ausreichend sicher. Aus den genannten Informationen ergebe sich, dass dem Beschwerdeführer keine innerstaatliche Fluchtalternative in Afghanistan offenstehe. Zur Bescheinigung dieses Vorbringens wurde das Länderinformationsblatt Afghanistan vom 13.11.2019 auszugsweise wiedergegeben. Ergänzend wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer im Gegensatz zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Entscheidung nunmehr keine familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat habe. In der Folge wurde auf den EASO-Bericht „Netzwerke in Afghanistan“, Stand Jänner 2018, verwiesen, wonach die Großfamilie die zentrale Säule der afghanischen Gesellschaft bilde und das wichtigste soziale Sicherheitsnetz sei. Rückkehrenden sei eine Wiederansiedlung nur möglich, wenn ein familiäres Netzwerk vorhanden sei. Im Hinblick auf das Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass die Erlassung eines solchen nur zulässig sei, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden könne, dass die öffentliche Sicherheit durch einen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet werde. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots sei das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers jedenfalls in die Beurteilung einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Interessen zuwiderlaufe. Allein die Verweigerung der Ausreise könne nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Ein zweijähriges Einreiseverbot sei daher jedenfalls unverhältnismäßig. Abschließend wurde ersucht, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da der sofortige Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer mit einem unverhältnismäßigen Nachteil verbunden wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans und gehört der Volksgruppe der Hazara sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Er stammt aus der afghanischen Provinz XXXX und hat den Großteil seines Lebens in Afghanistan verbracht, wo er in verschiedenen Bereichen Berufserfahrung gesammelt hat. Seine Erstsprache ist Dari.

1.2. Nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte er am 22.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und wurde betreffend den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2019 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer im Wege seiner Vertretung durch Hinterlegung im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt und ist am 18.07.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Der Beschwerdeführer ist in der Folge von Österreich aus in die Schweiz gereist, um sich allfälligen fremdenbehördlichen Maßnahmen zu entziehen, und hat dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens zwischen der schweizer Dublinbehörde und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde er am XXXX 12.2019 von den schweizer Behörden nach Österreich überstellt, wo er am selben Tag den verfahrensgegenständlichen, zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer konnte seit Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz (seit 18.07.2019) kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun. Mit seinem Vorbringen, wonach die Taliban den Distrikt XXXX erobern hätten wollen und im Zuge dessen bei einer Straßenkontrolle vier Familien, darunter auch die Familie des Beschwerdeführers, von den Taliban getötet worden seien, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, dass für ihn im Fall der Rückkehr die Gefahr einer konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgung besteht. Ferner weist sein Vorbringen keinen glaubhaften Kern auf, sodass davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer nach wie vor über Familienangehörige im Herkunftsstaat verfügt.

Auch mit seinem Vorbringen, wonach er der schiitischen Glaubensrichtung des Islam angehöre, jedoch seit sechs Monaten über eine Konversion zum Christentum nachdenke, dem Islam ablehnend gegenüberstehe und diese Religion daher verlassen wolle, vermag er keine entscheidungsrelevante Änderung darzutun und kommt auch diesem Vorbringen bereits im Kern keine Glaubwürdigkeit zu.

1.3. Nicht festgestellt werden kann ferner, dass seit 18.07.2019 Umstände eingetreten sind, wonach dem Beschwerdeführer in Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde oder, dass ihm im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Während seines Aufenthalts in der Schweiz hat er sich von XXXX 11.2019 bis XXXX 12.2019 in stationärer Behandlung wegen eines dissoziativen Stupors befunden. Ferner wurde eine Mikrozytose unklarer Ätiologie sowie Hypertonie diagnostiziert. Im Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Universitätsklinik hat eine weitgehende Remission der depressiven Symptomatik bestanden. Suizidale Absichten und Pläne hat der Beschwerdeführer nicht gehabt. Hinweise auf fremdaggressives Verhalten sind ebenso wenig vorgelegen. Nicht festgestellt wird, dass sich der Beschwerdeführer in Österreich einer medizinischen Behandlung unterzogen hat und/oder seit seiner Entlassung aus der schweizer Universitätsklinik eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten ist. Folglich ist der Beschwerdeführer aktuell nicht behandlungsbedürftig und ist ein Krankenhausaufenthalt weder geplant noch indiziert. Zudem wird festgestellt, dass in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus existieren (BFA 4.2018). Ferner ist die grundlegende medizinische Versorgung in Afghanistan gewährleistet. Im Fall einer Verschlechterung seines psychischen Gesundheitszustandes besteht für den Beschwerdeführer sohin die Möglichkeit einer Behandlung im Herkunftsstaat.

1.4. Der Beschwerdeführer ist seit seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet im Oktober 2015 nicht mehr nach Afghanistan zurückgekehrt und hat sich jedenfalls bis Juli 2019 sowie seit seiner Überstellung aus der Schweiz am XXXX 12.2019 in Österreich aufgehalten. Es kann nicht festgestellt werden, dass diese Zeit zur Integration genutzt wurde. Der Beschwerdeführer hat nie über einen Aufenthaltstitel verfügt, welcher sich nicht auf einen Antrag auf internationalen Schutz gestützt hat. Der Beschwerdeführer bezieht während seines gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet Leistungen aus der Grundversorgung. Er geht keiner rechtmäßigen Erwerbstätigkeit nach und verfügt auch nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um seinen Lebensunterhalt aus Eigenem zu bestreiten. Ferner hat er sich keine nennenswerten Deutschkenntnisse angeeignet. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer weder in Österreich noch in einem anderen Staat in Europa über verwandtschaftliche Beziehungen verfügt. In Österreich lebt er auch mit niemandem in einer Lebensgemeinschaft oder in einer familienähnlichen Beziehung. Es liegen keine Hinweise auf eine ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers, insbesondere in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht, in Österreich vor. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Allerdings zeigt er nach wie vor keine Bereitschaft, fremdenbehördliche Anordnungen zu respektieren.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.5. Zur aktuellen Lage in Afghanistan wurden im angefochtenen Bescheid auf den Seiten 20 bis 129 umfangreiche und aktuelle Feststellungen getroffen, welche von der erkennenden Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes geteilt und auch für gegenständliches Erkenntnis herangezogen werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Berufserfahrung, zu seinen Sprachkenntnissen, zu seiner Herkunft, zu seiner Ausreise aus Österreich nach Abschluss des ersten Asylverfahrens sowie zu seinen Aufenthalten in Österreich und in der Schweiz ergeben sich aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers im Zuge seines bisherigen Verfahrens und aus dem Akteninhalt. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers war im Wesentlichen gleichlautend und sohin glaubhaft.

2.2. Die Feststellungen zum rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren des Beschwerdeführers, einschließlich zu den darin vorgebrachten Fluchtgründen, ergeben sich aus der Einsicht in den diesbezüglichen Verwaltungsakt sowie aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.07.2019, Zl. W158 2195991-1/10E. Die Feststellung zur rechtswirksame Zustellung stützt sich ebenso auf den Akteninhalt (vgl. Akteninhalt des Erstverfahrens: Protokoll: 2195991-1/10E). Darüber hinaus gründen die Feststellungen zur illegalen Einreise nach Österreich, zur Stellung der beiden Anträge auf internationalen Schutz vom 22.10.2015 und vom XXXX 12.2019 sowie zur Überstellung aus der Schweiz gemäß den Bestimmungen der Dublin III-VO auf dem Akteninhalt und wurden diese Umstände auch von Seiten des Beschwerdeführers nicht bestritten.

Hinsichtlich der Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit Rechtskraft der letzten Entscheidung am 18.07.2019 kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen dartun konnte, ist Folgendes auszuführen:

Wie bereits das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zutreffend festgestellt hat, kommt dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach seine Familie in seiner Herkunftsprovinz gemeinsam mit drei weiteren Familien von den Taliban getötet worden sein soll, kein glaubhafter Kern zu. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bereits durch sein divergierendes Vorbringen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates im Verfahren über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stark gemindert wird. In der Erstbefragung am 22.10.2015 brachte er vor, er sei von den Taliban aufgrund der Tätigkeit für ein Bauunternehmen, welches Verbindungen zu amerikanischen Unternehmen habe, verfolgt worden. Im Gegensatz dazu erklärte er in der darauffolgenden Einvernahme vor dem Bundesamt am 06.04.2018, er sei in Afghanistan einer Gefährdung ausgesetzt, da er in seinem Geschäft alkoholische Getränke verkauft habe. Den Widerspruch zu seinen Angaben in der Erstbefragung führte er auf eine falsche Übersetzung des Dolmetschers zurück. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung betreffend die Abweisung seines ersten Antrags auf internationalen Schutz behauptete er wiederum, sowohl sein Vorbringen in der Erstbefragung zur Verfolgung durch die Taliban als auch sein Vorbringen vor dem Bundesamt zur Gefährdung aufgrund des Verkaufs von Alkohol würde den Tatsachen entsprechen. Dem Austrittsbericht der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie XXXX vom XXXX 12.2019 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Zuge seines Krankenhausaufenthalts behauptete, er habe den Herkunftsstaat verlassen, da er infolge einer Affäre mit einer verheirateten Frau erpresst worden sei. Auf Vorhalt dieses Widerspruchs in der Einvernahme am 07.01.2020 gab er nur pauschal zu Protokoll, die im Bericht zitierten Angaben würden nicht von ihm stammen (vgl. AS 153). Der Beschwerdeführer hat sohin sein Fluchtvorbringen im Laufe der Verfahren mehrfach ausgetauscht.

Sein Vorbringen, wonach seine Familie von den Taliban getötet worden sei, erweist sich zudem als völlig substanzlos. Der Beschwerdeführer konnte keinerlei Bescheinigungsmittel in Vorlage bringen und gab nur pauschal an, als man ihm Bilder seiner verstorbenen Angehörigen gesendet habe, habe er den Anblick nicht ertragen, weshalb er sein Handy kaputt gemacht habe.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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