TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/11 VGW-102/067/4313/2020

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Veröffentlicht am 11.09.2020
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Entscheidungsdatum

11.09.2020

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
41/01 Sicherheitsrecht
10/10 Grundrechte

Norm

B VG Art. 130 Abs1 Z2
SPG RichtlinienV §3
SPG §38 Abs1
SPG §38 Abs3
SPG §50
StGG Art. 4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Grois über die Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG des Herrn A. B., Wien, C.-straße, vertreten durch Rechtsanwalt, wegen Verletzung in Rechten in Folge Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffend die Wegweisung durch Organe der Landespolizeidirektion Wien am 07.03.2020 in Wien, D.-Platz,

zu Recht erkannt:

1. Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und wird die Wegweisung des Beschwerdeführers für rechtswidrig erklärt.

2. Der Bund als Rechtsträger der belangten Behörde hat gemäß § 35 VwGVG in Verbindung mit der VwG-Aufwandersatzverordnung – VwG-AufwErsV, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer 737,60 Euro für Schriftsatzaufwand und 922,00 Euro für Verhandlungsaufwand an Aufwandersatz binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten. Das Begehren auf Ersatz der Eingabegebühr wird zurückgewiesen.

3. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.

BEGRÜNDUNG

I.1. Mit dem am 10.04.2020 beim Verwaltungsgericht Wien eingelangten Schriftsatz erhob der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde und eine Richtlinienbeschwerde (letztere protokolliert zu GZ VGW-102/067/4314/2020) und brachte darin vor:

„I.

In oben bezeichneter Rechtssache gibt der Beschwerdeführer (BF) bekannt, dass er Mag. E., Rechtsanwalt, Vollmacht erteilt und ihn mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt hat.

Es wird höflich um Kenntnisnahme und weitere Zustellung an den ausgewiesenen Vertreter ersucht.

II.

Der BF erhebt durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist die nachstehenden

Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG iVm § 88 SPG und § 89 SPG

an das Verwaltungsgericht Wien und führt dazu wie folgt aus:

Sachverhalt

Der BF ist Autor und Journalist.

Am 07.03.2020 fand am D.-Platz einerseits eine Gedenkkundgebung anlässlich des Todestages von F. statt, andererseits hatte sich am selben Platz eine Gegendemonstration formiert.

Der BF dokumentierte im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit die Proteste vor Ort und fertigte im Zuge dessen Lichtbilder an. Aufgrund seines Presseausweises, den der BF gut sichtbar um den Hals trug, war der BF in seiner Funktion als Journalist erkennbar.

Gegen 16:00 Uhr kam es zur Festnahme eines Gegendemonstranten am D.-Platz. Der Demonstrant wurde durch Organe der LPD Wien zunächst in Bauchlage aus der Gegenkundgebung herausgetragen, an der Ecke G.-gasse - D.-Platz auf der Fahrbahn abgelegt und in weiterer Folge festgenommen.

Sowohl der BF, als auch weitere am Vorfallsort Anwesende filmten, bzw. fotografierten die Amtshandlung. Zwischen dem BF und den an der von ihm beobachteten Festnahme beteiligten Personen waren zu diesem Zeitpunkt mehrere Meter Abstand.

Der BF wurde durch einen Beamten der LPD Wien zunächst verbal, bzw. mittels Gesten dazu aufgefordert, zurückzutreten („zurück“, „gehns zurück“), wobei der einschreitende Beamte unmittelbar nach der ersten verbalen Aufforderung begann, die Wegweisung auch physisch durchzusetzen, indem er den BF mehrfach mit den Händen wegdrückte, ohne dies zuvor anzudrohen oder anzukündigen. Der BF wich zunächst einige Schritte zurück, brachte dabei aber zum Ausdruck, dass er mit der Vorgehensweise nicht einverstanden war, zumal er die Amtshandlung durch seine Anwesenheit nicht behindert hatte und er durch die Wegweisung an der Dokumentation des Vorfalles - und somit in seiner journalistischen Tätigkeit - gehindert wurde.

In weiterer Folge entspann sich eine Diskussion zwischen dem BF und dem einschreitenden Beamten, wobei dieser den BF ohne vorherige Androhung oder Ankündigung mehrfach gezielt mit den Händen zurückstieß und ihn immer wieder aufforderte, noch weiter zurückzutreten, bzw. auf den Gehsteig auf der schräg gegenüberliegenden Fahrbahnseite auszuweichen. Im Zuge der Diskussion teilte der BF mit, dass er von der ihm zugewiesenen Position aus nicht in der Lage sei, zu filmen und er deshalb näher an das Geschehen herantreten müsse. Der Beamte reagierte erneut mittels gezielter Anwendung von Körperkraft gegen den BF und stieß diesen immer wieder zurück in Richtung der gegenüberliegenden Fahrbahnseite.

Beweis:

-   PV des BF;

-   weitere Beweismittel ausdrücklich vorbehalten Zulässigkeit der Beschwerden

Zulässigkeit der Beschwerden

Gemäß § 88 Abs. 1 SPG erkennen die Landesverwaltungsgerichte über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG).

Aus § 106 StPO ergibt sich e contrario, dass eine Verletzung subjektiver Rechte durch eine Ermittlungs - oder Zwangsmaßnahme, welche die Polizei von sich aus tätigt, im Rahmen einer Maßnahmenbeschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht zu bekämpfen ist (vgl. dazu auch VfGH vom 30.06.2015, G 233/2014-15, G 5/2015-169).

Im konkreten Fall handelte es sich nicht um ein bloßes Ersuchen, sondern wurde der BF durch einen uniformierten Beamten nachdrücklich aufgefordert, seinen bisherigen Aufenthaltsort zu verlassen und wurde dies durch mehrfache Anwendung von Körperkraft seitens des Organs der LPD Wien durchgesetzt. Es handelte sich hierbei um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt.

Gemäß § 89 Abs. 1 iVm. Abs. 2 SPG kann eine Richtlinienbeschwerde sowohl bei der zuständigen Dienstaufsichtsbehörde, als auch beim Landesverwaltungsgericht eingebracht werden.

Das Landesverwaltungsgericht Wien ist folglich sowohl für die Maßnahmenbeschwerde, als auch für die Richtlinienbeschwerde sachlich zuständig.

Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 2 VwGVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG nach dem Ort, an dem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begonnen wurde.

Im gegenständlichen Fall fand die Amtshandlung in Wien statt, weshalb das Landesverwaltungsgericht Wien auch örtlich sowohl für die Maßnahmenbeschwerde, als auch für die Richtlinienbeschwerde zuständig ist.

Gemäß § 88 Abs. 4 SPG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der/die Betroffene Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt hat, wenn er/sie aber durch diese behindert war, von seinem/ihrem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

Die Wegweisung erfolgte am 07.03.2020. Die Beschwerde erfolgt sohin binnen offener sechswöchiger Frist.

Beschwerdegründe

    1)  Zur Maßnahmenbeschwerde

Gemäß § 38 Abs. 1SPG sind Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen und dadurch die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.

Der BF befand sich in seiner Eigenschaft als Journalist am Vorfallsort und dokumentierte die Proteste. Seine bloße Anwesenheit in der Nähe der von ihm beobachteten Festnahme ist kein Verhalten, dass geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen. Noch weniger bewirkte das Verhalten des BF eine Störung der öffentlichen Ordnung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Unbeteiligte Personen können gemäß § 38 Abs. 1a SPG dann weggewiesen werden, wenn sie durch ihre Anwesenheit am Ort einer ersten, allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder in dessen unmittelbarer Umgebung die öffentliche Ordnung stören, indem sie die Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder eine sonstige Hilfeleistung im Zusammenhang mit einem Unglücksfall behindern oder die Privatsphäre jener Menschen unzumutbar beeinträchtigen, die von dem Vorfall betroffen sind.

Auch die in § 81 Abs. 1a iVm. Abs. 3 leg.cit. geregelte Befugnis zur Wegweisung knüpft an das Vorliegen einer Situation der Ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht, sowie an den Tatbestand der Störung der öffentlichen Ordnung an.

Da es sich bei der beobachteten Amtshandlung um eine Festnahme im Zusammenhang mit einer Demonstration handelte, ist nicht davon auszugehen, dass die Beamt_innen in Ausübung der Ersten Allgemeinen Hilfeleistungspflicht tätig wurden. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 38 Abs. 1a SPG, sowie des § 81 Abs. 1a und 3 SPG lagen daher nicht vor.

Die Wegweisung des BF erfolgte mangels entsprechender Rechtsgrundlage rechtswidrig. Der BF wurde sohin in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen weggewiesen zu werden, verletzt.

Des Weiteren haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienste den Einsatz unmittelbarer Zwangsgewalt gemäß § 50 Abs. 2 SPG zunächst anzudrohen und - sofern die Androhung nicht den gewünschten Erfolg zeigt - vor der Anwendung anzukündigen. Indem der einschreitende Beamte davon absah und dem BF mehrmals ohne vorangehende Androhung bzw. Ankündigung einen Stoß versetzte, verletzte er den BF zudem in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Zwangsgewalt ausgesetzt zu werden.

Nicht zuletzt war der BF als Journalist und somit in Ausübung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts vor Ort und hätte dieser Aspekt bei der Befugnisausübung berücksichtigt werden müssen. Der BF wurde durch die rechtswidrige Wegweisung auch in seinem Recht auf Pressefreiheit gemäß Art. 13 StGG, bzw. freie Meinungsäußerung gemäß Art. 10 EMRK verletzt.

In eventu wird die Wegweisung aufgrund der mehrfachen und unangekündigten Anwendung teils erheblicher Körperkraft durch den einschreitenden Beamten als unverhältnismäßig zu bewerten sein.

Zum einen war der BF bereits einige Schritte vom Ort der Festnahme entfernt, als ihn der einschreitende Beamte mittels Einsatz von Zwangsgewalt immer weiter nach hinten abzudrängen versuchte. Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Wegweisung grundsätzlich vorgelegen wären, hätte es genügt, den BF wenige Schritte nach hinten zu verweisen, um den angestrebten Erfolg zu erreichen. Die darauf folgende weitere Anwendung von Zwangsgewalt in Verbindung mit der Aufforderung, auf den Bürgersteig zurückzutreten, war demnach überschießend.

Aufgrund der Tatsache, dass der BF beabsichtigt hatte, über die Versammlung zu berichten, hätte die Tatsache, dass er sich erkennbar in Ausübung eines Grundrechts vor Ort befand, in die Verhältnismäßigkeitsabwägung einbezogen werden müssen. Durch die Unverhältnismäßigkeit der gesetzten Maßnahmen wurde der BF in seinem Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzt.

2) Zur Richtlinienbeschwerde

Gemäß § 10 Abs. 1 RLV haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Fall der Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dafür zu sorgen, dass die für ihr Einschreiten maßgeblichen Umstände später nachvollzogen werden können. Es ist daher eine entsprechende Dokumentation anzulegen. In der Praxis unterbleibt eine solche Dokumentation erfahrungsgemäß jedoch häufig.

Aus anwaltlicher Vorsicht wird daher geltend gemacht, dass über die geschilderte Amtshandlung keine ausreichende Dokumentation angelegt wurde, weshalb weiters ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 RLV vorliegt.

Anträge

Der Beschwerdeführer stellt daher durch seinen ausgewiesenen Vertreter die nachstehenden

Anträge

an das Verwaltungsgericht, dieses möge

1. eine mündliche Verhandlung anberaumen;

2.  feststellen, dass der BF durch die in Beschwerde gezogene Wegweisung am 07.03.2020 in seinem Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einer Wegweisung unterzogen zu werden, verletzt wurde;

3.  feststellen, dass durch die fehlende Dokumentation der Amtshandlung § 10 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung, RLV), verletzt wurde; sowie

4. dem Rechtsträger der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens gemäß der anzuwendenden Aufwandersatz-Verordnung, sowie die Kosten für die Eingabegebühren gemäß §§ 35 VwGVG iVm. § 52 Abs. 3 VwGG auferlegen.“

2. Das Verwaltungsgericht Wien übermittelte die Beschwerde der belangten Behörde mit dem Ersuchen um Aktenvorlage und der Möglichkeit zur Erstattung einer Gegenschrift. Unter einem wurde um Bekanntgabe der an der Amtshandlung beteiligten bzw. anwesenden Beamten samt deren konkreten Aufgaben bzw. Funktionen im Zuge der Amtshandlung ersucht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Meldung des einschreitenden Beamten vom 07.03.2020 betreffend die in Beschwerde gezogene Amtshandlung vor. Die Gegenschrift ist wie folgt ausgeführt:

„Die Landespolizeidirektion Wien erstattet nachfolgende

GEGENSCHRIFT.

I.   SACHVERHALT

Der Sachverhalt ergibt sich zunächst aus der vorgelegten Meldung vom 07.03.2020 betreffend die Amtshandlung mit dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: „BF“).

An der in Beschwerde gezogenen Amtshandlung unmittelbar beteiligt war - soweit derzeit ersichtlich - Rev.Insp. H. (SPK ...) als Mitglied der EE (Einsatzeinheit). Zu ergänzen ist, dass als sich das Gespräch mit dem BF zusehends konfliktbeladen zeigte, weil sich der BF beharrlich weigerte Abstand zu halten, weitere Polizeibeamte hinzutraten. Diese waren: Insp. J. (SPK ...) , Insp. K. (SPK ...), RevI. L. (SPK ...) und RvI M. (SPK ...);

Beweis: vorgelegter Verwaltungsakt, ZV der ob genannten Beamten;

II.  RECHTSLAGE

Der BF erachtet sowohl die ihm gegenüber verbal ergangene und mittels Gesten unterstützte, Aufforderungen zurückzutreten als auch gegen ihn angewandte Körperkraft, für rechtswidrig.

Die maßgelbliche Bestimmung des § 38 Abs 1a und 3 SPG idF BGBl. I Nr. 55/2018 zu verweisen. Diese Bestimmungen lauten:

„38. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.

(1a) ...

(2) ...

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind außerdem ermächtigt, jedermann aus einem Gefahrenbereich zu weisen, dessen Leben und Gesundheit dadurch gefährdet sind, daß einem gefährlichen Angriff ein Ende gesetzt wird.

(4) ...

(5) …..“

Wie in der Meldung dargelegt, waren die einschreitenden Polizeibeamten damit befasst, die Kundgebungsteilnehmer voneinander zu trennen und kam es dabei am beschwerdegegenständlichen Ort zu einer Festnahme mit Zwangsgewalt weiters auch zu körperlichem Wiederstand und zu Eierbewürfen.

Zu der Aufforderung zurückzutreten, ist zunächst auszuführen, dass die Wegweisung - wie sich aus der Parallelität zu § 36 SPG 1991 ergibt - gem § 38 SPG 1991 einen Akt der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt (Hinweis Wiederin, Sicherheitspolizeirecht, Wien 1998, Rz 474). Allein daraus, dass ein Sicherheitswacheorgan eine Aufforderung zum Verlassen einer Örtlichkeit ausspricht, kann aber noch nicht auf das Vorliegen der Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und damit einer Wegweisung iSd § 38 SPG 1991 geschlossen werden. Vielmehr liegt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt nur dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hiebei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (Hinweis E14.12.1993, 93/05/0191; Hinweis Walter-Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7.Aufl, Rz 610).

Im gegenständlichen Fall wurde der BF - wie alle anderen anwesenden Unbeteiligten - zunächst von den einschreitenden Polizeibeamten aufgefordert, den notwendigen Sicherheitsabstand zu der Örtlichkeit der Amtshandlung zu halten. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs dieser Aufforderung hatte der einschreitende Beamte keinesfalls die konkrete Zielsetzung, diese Aufforderung unmittelbar darauffolgend ohne jegliches Zuwarten mit der Anwendung von Zwangsgewalt durchzusetzen, sondern ging davon aus, dass auch der BF, gleichsam den anderen anwesenden Unbeteiligten, dem Appell der Sicherheitskräfte - zurückzutreten - folgen werde. Es erscheint daher nachvollziehbar und auch maßhaltend, dass nicht unmittelbar anschließend an das erste allgemeine Ersuchen - gewissermaßen reflexartig - auch sofort eine Androhung samt Ankündigung der Zwangsgewalt folgte, sondern durfte der Polizeibeamte zunächst davon ausgehen, dass der Aufforderung Folge geleistet werde.

Im Ergebnis stellt die oben dargelegte Aufforderung sohin keine Wegweisung iSd §38 SPG dar und auch keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt.

Vielmehr stellt die erstmalige Aufforderung des Polizeibeamten zurückzutreten lediglich einen formloser Appell an den BF dar. Dies zu dem Zweck, dass sich der BF aus dem unmittelbaren Aktionsradius der Amtshandlung entfernen möge. Eine solche Aufforderung war aufgrund der konkreten Gegebenheiten (Rivalisierende Kundgebungsteilnehmer, Festnahmen, weitere zu befürchtende Ausschreitungen) gerechtfertigt.

Eben dieses deeskalierende Verhalten nutzte der BF in der Folge jedoch ungeniert aus, indem er die Aufforderung des einschreitenden Beamten ignorierte, nicht zurückwich und den Polizeibeamten damit zu weiterem Handeln zwang. Der Polizeibeamte wiederholte daraufhin seine Aufforderung, richtete seine Aufforderung nochmals direkt an den BF und führte mit dem BF sogar ein aufklärendes Gespräch. Dies alles, um diesen zur Kooperation zu bewegen.

Der BF blieb jedoch völlig uneinsichtig, beharrte stur auf seinem Standpunkt und beendete das Gespräch mit einer unmissverständlichen Weigerung. Auf diese Weise wurde dem Polizeibeamten klar, dass sich der BF eindeutig auf Konfrontationskurs befand und ein weiteres Gespräch völlig sinn- und zwecklos war. Der Polizeibeamte musste unverzüglich handeln.

Hinzu kommt, dass aufgrund der unmittelbar zuvor geführten Debatte die Distanz zwischen dem BF und dem Polizeibeamten gering war. Sohin bot sich dem Polizeibeamten mangels jeglicher Mitwirkung des BF, keine andere adäquate Möglichkeit mehr, seine Sicherheit und die seiner Kollegen zu gewährleisten, als den BF möglichst rasch von seinem Körper als auch vom Ort der Amtshandlung wegzudrücken.

Zwar lässt sich aus § 3 RLV, wonach die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf die Vermeidung von Gefahren für sich selbst zu achten haben, keine unmittelbare Befugnis zur Anwendung von Körperkraft ableiten, allerdings kommt laut Rechtsprechung des VwGH dem Gesichtspunkt der Eigensicherung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung entscheidende Bedeutung zu (vgl. VwGH 2004/01/0547).

Aufgrund der standhaften Weigerung des BF dem Ersuchen des Beamten zu entsprechen - dessen vorrangige Aufgabe es war, andere im Einsatz befindliche Polizeibeamte von äußeren Einwirkungen abzuschirmen, deren Verletzung zu vermeiden und auch die Persönlichkeitsrechte dritter zu wahren, worüber der BF in einem Gespräch unmissverständlich aufgeklärt wurde - musste der einschreitende Polizeibeamte davon ausgehen, dass der BF danach trachtete eben diese Gefahr zu verwirklichen oder zumindest bereit war die Verwirklichung dieser Gefahr bereitwillig in Kauf zu nehmen.

Von einer konkreten Gefahr ist dann zu sprechen, wenn durch ein Verhalten eine Situation geschaffen (oder aufrecht erhalten) wird, die nicht bloß allgemein, sondern auch und gerade im besonderen Fall die Möglichkeit eines schädlichen Erfolgs besorgen lässt, die somit typischer Weise dem Eintritt der Rechtsgutverletzung vorangeht, wobei es nur von unberechenbaren oder unvorhersehbaren Umständen, also vom Zufall abhängt, ob eine solche Verletzung auch wirklich eintritt oder unterbleibt. So liegt etwa eine konkrete Gefährdung für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit dann vor, wenn sich eine bestimmte Situation so drohend zugespitzt hat, dass sie erfahrungsgemäß nahezu zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung von Leib oder Leben führt. (vgl. E VwGH v. 30.05.2001, GZ: 95/12/0338).

Im gegenständlichen Fall ging vom BF die konkrete Gefahr aus, dass dieser dermaßen nahe an den Ort der Amtshandlung vorrücken werde, dass dadurch jene Beamte, welche soeben eine Festnahme durchsetzten, in ihrem körperlichen Aktionsradius eingeschränkt würden, wodurch die Amtshandlung nicht nur maßgeblich erschwert, sondern auch ein erheblicher Gefahrenmoment für die körperliche Sicherheit aller Beteiligter entstehen würde.

Nicht weniger gering war die Gefahr einzuschätzen, dass sich der BF durch sein unbesonnenes Verhalten selbst gefährden werde, zumal Stimmung unter den Demonstrationsteilnehmern zumindest zeitweise durchaus „hitzig“ war.

Schließlich bleibt nochmals festzuhalten, dass die Aufforderung zurückzutreten und die angewandte Körperkraft auch der Wahrung der Privatsphäre der amtshandelten Person dienten.

Gemessen an dieser Gefährdungslage war die vom einschreitenden Beamten in der Folge angewandte Körperkraft in der Form eines Wegdrückens jedenfalls verhältnismäßig und vertretbar.

Das der BF in weiterer Folge trotzdem mehrmals versuchte, seinen Willen ohne jegliche Rücksicht durchzusetzten, macht deutlich, dass der einschreitende Beamte den BF und das von ihm ausgehende Gefahrenmoment richtig einschätzte, sodass die vom einschreitenden Beamten gewählte Form der Anwendung von Körperkraft auch unter Beachtung des Grundsatzes der Eigensicherung - erforderlich und zugleich das gelindeste Mittel war.

Auch hält die vom einschreitenden Beamten angewandte Körperkraft einer Interessenabwägung stand. Im Vergleich zwischen den vom einschreitenden Polizeibeamten gewahrten Interessen der eigenen körperlichen Unversehrtheit und jener seiner Kollegen sowie der Persönlichkeitsrechte eines Dritten, unterliegt das Interesse des BF, aus nächster Nähe filmen zu können, allemal.

Darüber hinaus war sich der BF zweifellos über die Konsequenzen seiner Weigerung zurückzutreten, nämlich der Anwendung von Körperkraft bewusst und versuchte dennoch hartnäckig immer wieder an den Polizeibeamten vorbeizukommen.

In der Folge musste der Polizeibeamte immer wieder Körperkraft einsetzen um die zuvor ausgesprochene Gefährdung, welche vom Vordringen des BF ausging, abzuwenden. Dies erfolgte maßhaltend, sodass weder der BF noch Sachen beschädigt wurden.

Die Anwendung von Körperkraft gegenüber dem BF endete sofort, als sich der BF schließlich bereit zeigte, einen angemessenen Abstand zu den einschreitenden Polizeibeamten und der Amtshandlung einzuhalten.

Der Auffassung des BF, der Abstand von einigen Schritten vom Ort der Festnahme (vgl. Beschwerde Seite 5, letzter Abs.) sei ausreichend und das Zurückdrücken des BF daher überschießend gewesen, ist entgegen zu halten, dass nach der Rechtsprechung des LVwG Wien diesbezüglich zunächst die Einschätzung der amtshandelnden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes relevant ist, die im Rahmen ihrer Aufgabe der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Einzelfall die Entscheidung zu treffen haben, in welchem Umkreis der Raum des Vorfallsorts frei zu halten ist (vgl. LVwG Wien VGW-102/076/2806/2016).

Im konkreten Fall erachteten die amtshandelnden Organe einen Abstand von 7 Metern für angemessen und erscheint dies aufgrund der bereits zuvor geschilderten Umstände als jedenfalls vertretbar.

Die Landespolizeidirektion Wien stellt daher die

ANTRÄGE

1)   dem BF die Beischaffung jenes Videos aufzutragen, welches im Laufe des Gesprächs zwischen dem BF und dem Polizeibeamten von der hinter dem BF stehenden Dame angefertigt wurde. Das Video zeigt Ausschnitte der bekämpften Amtshandlung und kann die Angaben des einschreitenden Beamten belegen.

2)   die Beschwerde hinsichtlich einer Wegweisung und deren Durchsetzung mittels Anwendung von Körperkraft kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

An Kosten werden

•      Schriftsatzaufwand und

•      Vorlageaufwand

•      Allfälliger Verhandlungsaufwand

gemäß § 1 der VwG-AufwErsV in der geltenden Fassung verzeichnet.“

In der mit der Aktenvorlage vorgelegten Meldung des einschreitenden Beamten vom 07.03.2020 ist ausgeführt:

Anwendung der Körperkraft am 07.03.2020, 15:45Uhr - 15:52 Uhr:

Der ML befand sich am 07.03.2020, um 15:40 Uhr in Wien, D.-Platz # N., gemeinsam mit seiner Gruppe der EE-Wien, Rufname P., im Zuge des GSOD Einsatzes betreffend der Kundgebungen „Solidarität mit den Verteidigern Europas“ sowie die Gegenkundgebungen „Gegen die Festung Europas und ihre Fans“.

Um 15:45 Uhr konnte der ML von seiner Position aus beobachten, wie Kollegen der WEGA einige Meter entfernt, D.-Platz (Ecke mit der G.-straße), Festnahmen mit Zwangsgewalt durchsetzten und diese dabei, von einigen Teilnehmern der Kundgebungen in einem Abstand von zwei bis drei Metern eingekreist wurden. Da es bereits wenige Minuten zuvor, durch Kundgebungsteilnehmer zu Eierbewürfen sowie einem Widerstand gegen die Staatsgewalt kam, beschloss der ML gemeinsam mit seiner Gruppe P., die Kollegen der WEGA gegen Einwirkungen von außen, abzuschirmen. Hierbei wurden mehrere Kundgebungsteilnehmer aufgefordert, Abstand zu den festnehmenden Beamten sowie zu dem Festgenommenen zu halten. Im Vordergrund dieser Aufforderungen stand die Eigensicherung der Kollegen sowie die Wahrung der Privatsphäre des Festgenommenen. Bis auf eine Person, folgten alle Kundgebungsteilnehmer die in einem Abstand von zwei bis drei Meter die Festnahme filmten, der Aufforderung und wichen einem der Situation angepassten Abstand, auf den Gehweg zurück.

Diese eine männliche Person, wie sich dem ML wenig später herausstellte, der … Journalist B. A., leistete der Aufforderung nicht folge. Woraufhin B. vom ML mindestens dreimal höflichst und respektvoll mit der Erklärung aufgefordert wurde, zur Sicherung der einschreitenden Beamten sowie zur Wahrung der Privatsphäre des Festgenommenen, einen der Situation angepassten Abstand von mindestens sieben Meter einzuhalten. B. antwortete dem ML daraufhin: „Nein! Das mach ich nicht. Ich darf hier filmen.

Angemerkt wird, dass sich ein bis zwei Meter hinter B. eine Dame befand, die augenscheinlich zu ihm gehörte und das Gespräch zwischen B. und dem ML mitfilmte. B. selbst stand nur im Weg herum und wies sich dem ML auch erst zu einem viel späteren Zeitpunkt als Vertreter der Presse aus, was allerdings zu diesem Zeitpunkt ohnehin irrelevant gewesen wäre, da sich dieser störend nah um die Festnahme bewegte.

Da B. sich weigerte, einen angemessenen Abstand zu der Festnahme zu halten, wurde dieser am 07.03.2020, um 15:45 Uhr, unter Anwendung von Körperkraft in Richtung Gehweg (bis zum Erreichen eines Abstandes von ca. 7 Meter) zurückgeschoben. Zuerst leistete B. erneut der Aufforderung nicht folge und ging daraufhin um die uEB herum zu der Festnahme zurück woraufhin der ML erneut in Richtung des Gehweges zurückschieben musste. B. brüskierte sich heftigst über das Vorgehen des ML und drohte mehrmals mit einer Beschwerde. Versuche diesen zu beruhigen und ein deeskailierendes Gespräch zu suchen verliefen erfolglos.

Als B. abermals versuchte zu der Festnahme zu gelangen, und der ML ihn abermals mit maßanhaltender Körperkraft versuchte zurück zu schieben, drückte dieser mit seinem Körpergewicht dem ML entgegegen woraufhin der ML den B. von sich wegstoßen musste um nicht selbst zurückgedrängt zu werden.

Der ML kann zum Zeitpunkt der Meldungslegung nicht angeben, wie oft B. versuchte an diesem vorbeizukommen, die Amtshandlung zu stören bzw. den Festgenommenen zu filmen und dadurch durch den ML geschoben oder gestoßen werden musste bis dieser endlich einen Abstand von ca. 7 Metern einhielt. Um 15:52 Uhr, blieb B. schließlich am Gehweg stehen woraufhin der ML sofort jegliche Anwendung von Körperkraft einstellte.

Bei dem Vorfall wurde weder der B. noch eine andere Person verletzt oder irgendeine Sache beschädigt.“

3. Die Gegenschrift wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme übermittelt. Unter einem erging die Aufforderung dem Verwaltungsgericht Wien das von der belangten Behörde in der Gegenschrift angesprochene Video von der Amtshandlung, aufgenommen von der hinter dem Beschwerdeführer stehenden Dame, vorzulegen.

Der Beschwerdeführer legte sodann vier Videos (Video A, B, C und D) sowie die Stellungnahme des Meldungslegers vom 07.03.2020 vor. Zur Gegenschrift der belangten Behörde führte er aus:

„In oben bezeichneter Rechtssache bringt der Beschwerdeführer (BF) durch seinen ausgewiesenen Vertreter binnen offener einwöchiger Frist die nachstehenden Beweismittel in

Vorlage

-        Video A

-        Video B

-        Video C

-        Video D

-        Meldung der LPD Wien vom 07.03.2020.

Die Videos werden mittels Upload-Link an das Verwaltungsgericht übermittelt.

Die beiliegende Meldung der LPD Wien wurde dem ausgewiesenen Vertreter im Rahmen eines zunächst angestrebten, jedoch nicht weiter verfolgten Richtlinienbeschwerdeverfahrens auf Antrag durch die LPD Wien zugestellt.

II.

Der BF erstattet durch seinen ausgewiesenen Vertreter weiters die nachstehende

Stellungnahme

zur am 02.06.2020 zugestellten Gegenschrift der belangten Behörde und führt dazu aus:

Die belangte Behörde vertritt den Standpunkt, der BF sei zunächst aufgefordert worden, den Vorfallsort zu verlassen und sei dies nicht als Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt zu werten.

Die anschließende Anwendung von Befehls- und Zwangsgewalt gegen den BF wird seitens der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt, diese sei aber zur Eigensicherung der die Festnahme durchführenden Beamt_innen, sowie zum Schutz der Privatsphäre des Festgenommenen erforderlich und angemessen gewesen.

-        Zum vorgebrachten Argument der „Freiwilligkeit“:

Es wird nicht verkannt, dass die erste, an alle zu diesem Zeitpunkt am Vorfallsort anwesenden Personen gerichtete Anweisung, zurückzutreten, für sich allein noch nicht als Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gegenüber dem BF zu werten ist. Ab dem wenige Sekunden später folgenden Zeitpunkt, zu dem der BF direkt von einem Beamten der LPD Wien - soweit ersichtlich: Insp. H. - angesprochen und mit ausgebreiteten Händen zurückgedrängt wurde, besteht auf Basis des vorliegenden Videomaterials kein Zweifel am Vorliegen eines Befehls, bei dessen Nichtbefolgung der BF mit der zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen hatte (siehe die Minuten 01:15ff, in Video A).

Anders als von der belangten Behörde dargestellt, handelt es sich nicht um zwei voneinander isoliert zu betrachtende Amtshandlungen, sondern vielmehr um eine einzige Wegweisung, die dem Zweck diente, den BF vom Vorfallsort zu verweisen. Dies ergibt sich aufgrund des Abstands von nur wenigen Sekunden zwischen der ersten Aufforderung, zurückzuweichen, und der direkten Ansprache des BF, die unmittelbar mit einem physischen Zurückschieben durch einen Beamten verbunden war. Eine Androhung, bzw. Ankündigung der zwangsweisen Durchsetzung erfolgte nicht und ist auf dem vorliegenden Videomaterial auch nicht zu hören.

-        Zum Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Wegweisung

Voranzustellen ist, dass die belangte Behörde auch in der Gegenschrift nicht darlegt, inwiefern der BF durch das die Wegweisung auslösende Verhalten - nämlich das Anfertigen von Lichtbildern in einer Distanz von mehreren Metern - die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 SPG erfüllt haben sollte, zumal er dadurch kein Verhalten setzte, das geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen und damit die öffentliche Ordnung zu stören.

Sofern die belangte Behörde darauf verweist, der BF habe sich lediglich zwei bis drei Meter von der Amtshandlung entfernt aufgehalten, wird dies ausdrücklich bestritten. Die weitaus größere Distanz zwischen dem BF und der Festnahme ergibt sich aus Video A (vgl. bspw. 00:14ff.; 01:10 ff.). Zu sehen ist unter anderem, dass mehrmals Personen zwischen dem BF und den die Festnahme durchführenden Beamt_innen vorbeigehen, ohne dass es dabei zu physischem Kontakt kam. Der Abstand zwischen dem BF und der von ihm dokumentierten Amtshandlung ist somit deutlich größer, als von der belangten Behörde behauptet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Erfüllung des Tatbestandes der Störung der öffentlichen Ordnung auf das Vorliegen zweier Elemente an: Erstens muss der / die Täter in ein Verhalten gesetzt haben, das objektiv geeignet ist, Ärgernis zu erregen. Zweitens muss durch dieses Verhalten die öffentliche Ordnung an einem Ort tatsächlich gestört worden sein (vgl. zur Vorgängerbestimmung des Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG VwGH 25.11.1991, 91/10/0207). Diese Voraussetzungen wurden durch das Verhalten des BF zu keinem Zeitpunkt erfüllt.

Sofern argumentiert wird, die Wegweisung, bzw. deren zwangsweise Durchsetzung sei aus Gründen der Eigensicherung erforderlich gewesen, ist dem zu entgegnen, dass die Gegenschrift konkrete Ausführungen dazu vermissen lässt, in welcher Form der BF die Beamt_innen der LPD Wien gefährdet haben sollte. Aus der Gegenschrift geht zudem nicht hervor, weshalb die unangekündigte zwangsweise Durchsetzung durch Schubsen, bzw. Wegstoßen des BF notwendig gewesen sein sollte.

Festzuhalten ist, dass der BF zu keinem Zeitpunkt die durchgeführte Festnahme behinderte und auch nicht selbst durch die Amtshandlung gefährdet war. Eingangs ist im vorgelegten Video A zu sehen, dass der BF den Beamtinnen, die den Festgenommenen aus der Demonstration heraustrugen, mit ausreichendem Abstand folgte. Als der Festgenommene schließlich abgelegt wurde, beobachtete der BF die Situation wie dargelegt aus einer Distanz aus mehreren Metern.

Sofern auf die Diskussion zwischen dem BF und dem ihn wegweisenden Beamten verwiesen wird, ist zu erwidern, dass die Wegweisung bereits zuvor ausgesprochen worden war und die Tatsache, dass der BF sich damit nicht einverstanden zeigte, somit keine Begründung für die vorangegangene Wegweisung darstellen konnte. Allein die Tatsache, dass es zu einer Debatte zwischen dem BF und seinem Gegenüber kam, würde auch für sich nicht die Notwendigkeit einer Wegweisung begründen, zumal dadurch weder eine Gefahr, noch eine Störung der öffentlichen Ordnung bewirkt wurde.

Zudem beweist Video A, dass es sich bei der Festnahme entgegen der Darstellung der belangten Behörde nicht um eine Situation handelte, die zu eskalieren drohte und daher einen erhöhten Sicherungsbedarf begründete. Video A zeigt vielmehr einen sich kooperativ verhaltenden Festgenommenen, der zunächst ohne jegliche Körperspannung aus der Demonstration herausgetragen und danach am Boden abgelegt wird. Insgesamt wirkt das Vorgehen der Beamt_innen routiniert und erweckt keineswegs den Anschein einer davon ausgehenden konkreten Gefahr für den BF, wie sie von der belangten Behörde behauptet wird.

Die Festnahme fand zudem auch nicht innerhalb der Demonstration statt, sondern auf einem weitgehend freien Straßenstück. Auf dem gesamten Videomaterial sind lediglich in den ersten Sekunden von Video A Demonstrant_innen zu sehen; Angriffe auf die Polizist_innen, geschweige denn Eierwürfe o.ä. sind im relevanten Zeitraum nicht sichtbar und wurden durch den BF auch nicht wahrgenommen. Als demonstrationserfahrener Journalist hätte sich der BF nicht in eine solche Situation begeben.

Die dokumentierte Amtshandlung bewegte sich zudem tendenziell in Richtung G.-straße, wo an diesem Tag ein Kontingent der belangten Behörde stationiert war, welches die Identitätsfeststellungen durchführte. Die Amtshandlung bewegte sich folglich eher vom BF weg, anstatt sich weiter in sein direktes Nahumfeld zu bewegen.

Auch aus der Ausgangsposition vor der Wegweisung behinderte der BF den Aktionsraum daher nicht und ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern von einer konkreten Gefahr auszugehen war, durch welche der BF zu Schaden gekommen wäre.

Zum Beweis dafür, dass die vom BF beobachtete Festnahme ruhig verlief und eine Wegweisung zum Schutz des BF, bzw. zur Absicherung des Einsatzbereiches nicht erforderlich war, wird der nachstehende

Antrag

auf Beischaffung des Aktes der LPD Wien zu GZ … gestellt, welchem nähere Informationen zum Ablauf der Festnahme zu entnehmen sind (vgl. insbesondere „Meldung/Zwangsmaßnahmen“ vom 07.03.2020). Unter anderem wird darin festgehalten, dass sogar vom Anlegen von Handfesseln Abstand genommen wurde, da sich der Festgenommene kooperativ verhielt.

Eine Beeinträchtigung der Privatsphäre des Festgenommenen wäre angesichts der Abschirmung durch die anwesenden Polizist_innen kaum möglich.

Die belangte Behörde stützt sich offenbar auf § 38 Abs. 1 SPG, in welchem der Schutz der Privatsphäre (anders als etwa in § 81 Abs. 1a iVm. Abs. 2 SPG) nicht als Grund für eine Wegweisung genannt wird. Für das Vorliegen eines Tatbestandes iSd. in § 81 Abs. 1a leg.cit. fehlt es am Vorliegen eines Falles der Ersten Allgemeinen Hilfeleistungspflicht.

Es liegt somit kein Anwendungsbereich für eine Wegweisung auf Basis des Sicherheitspolizeigesetzes vor. Der Schutz der Privatsphäre ist in erster Linie keine Frage des Sicherheitspolizeirechts, sondern findet ihre Grundlage primär im Zivil- bzw.- Medienrecht. Medieninhaber innen sind auf Grundlage des Medienrechts zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten verpflichtet, darüber hinaus hätte der BF gegebenenfalls auch auf Basis des § 16 ABGB mit zivilrechtlichen Folgen zu rechnen.

Wie die belangte Behörde in der Gegenschrift anführt, beabsichtigte der amtshandelnde Beamte die Wegweisung des BF, wobei die Endposition etwa sieben Meter vom Ort der Festnahme entfernt sein sollte. Selbst bei Wahrunterstellung der in der Gegenschrift vertretenen Standpunkte, wonach der einschreitende Beamte zum Schutz der Sicherheit seiner Kolleg_innen einschritt, wäre die Wegweisung aufgrund der großen Distanz als unverhältnismäßig zu bewerten, zumal schon ein weitaus geringerer Abstand den angeführten Zweck erfüllt hätte und dem BF aus dieser Entfernung eine Dokumentation des Vorfalles und somit die Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit gänzlich verwehrt war.

Nicht zuletzt zeugt der in der Meldung der LPD Wien vom 07.03.2020 vertretene Standpunkt des einschreitenden Polizisten, wonach der Umstand, dass der BF Journalist ist und seinen Presseausweis gut sichtbar um den Hals trug zum Zeitpunkt der Durchsetzung „irrelevant“ gewesen sei, von einem verfehlten Rechtsverständnis, zumal § 38 Abs. 1 SPG explizit darauf hinweist, dass die Ausübung von Grundrechten einen Rechtfertigungsgrund darstellt, auf den der Beamte hätte Bedacht nehmen müssen.“

4. Die vorgelegten Videos wurden der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. In der Stellungnahme vom 09.07.2020 ist sodann ausgeführt:

„Bekanntgabe

ln Entsprechung des Aufträge des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 06.07.2020, teilt die LPD Wien mit, dass es sich bei dem uniformierten Beamten, welcher am Beginn des Videos D zu sehen ist, um Obstlt S. handelt. Herr Obstlt S. war Kommandant des EE-Kontingents im Rahmen des Einsatzes „T.-Demo und Gegendemos“;

Darüber hinaus erstattet die LPD Wien nachfolgende

Stellungnahme

Wie bereits in der Gegenschrift vom 25.05.2020 ausgeführt wurde, musste der einschreitende Polizeibeamte aufgrund der standhaften Weigerung des BF zurückzutreten davon ausgehen, dass der BF zumindest bereit war, die Verwirklichung der Gefahr (Behinderung und damit Gefährdung der Polizeibeamten, die einen Festgenommenen am Boden fixierten, und des Festgenommenen sowie die Verletzung der Persönlichkeitsrechte eines Dritten) bereitwillig in Kauf zu nehmen.

Dass die Polizeibeamten mit ihrer Einschätzung völlig richtig lagen, belegt nun auch das Video.

In Video B 00:01:06, ist deutlich zu hören, wie der BF von Insp. K. gefragt wird: „Wollens' draufpicken oder wie?“

Darauf antwortet der BF: „Ja, das will ich.“

Weiters wird auf Video B und D klar, dass die einschreitenden Polizisten den BF keinesfalls in seinem Recht auf Pressefreiheit einschränken wollten, zumal dem BF mehrmals ausdrücklich zugesichert wurde, dass er filmen könne, allerdings nicht aus unmittelbarer Nähe, sondern mit dem gebührenden Abstand zur Amtshandlung (vgl. Video B, 2:00, 2:07, 2:50ff, Video D;). Aufgrund der Qualität der mitgeführten Kamera, welche auch die vorgelegten Videos lieferte ist offenkundig, dass dies dem BF auch real möglich gewesen wäre.

Beweis: Videos B, C und D;

Im Übrigen hält die LPD Wien den Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen aufrecht.“

Diese Stellungnahme wurde dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt.

5. Beim Verwaltungsgericht Wien fand am 04.09.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung in der Beschwerdesache zur Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen RvI H. (Meldungsleger) und Oberstleutnant S. (Kommandant des Einsatzeinheit-Kontingents) statt.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung brachten die Parteienvertreter zum Ausdruck, dass lediglich eine Wegweisung (zunächst verbal, konkret an dem Beschwerdeführer gerichtet und in weiterer Folge mittels Zurückschieben) verfahrensgegenständlich ist. Die Behördenvertreterin stellte klar, die Wegweisung sei auf Grundlage des § 38 Abs. 1 und 3 (und nicht Abs. 1a und 3) erfolgt.

In der Beschwerdesache wird aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Videos, der unbedenklichen und unbestrittenen Aktenlage, der Parteieneinvernahme und der Einvernahme der genannten Zeugen getroffen folgender im Wesentlichen unstrittiger Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Am 07.03.2020 fand in Wien, D.-Platz, eine Gedenkkundgebung (samt Gegendemonstration) anlässlich des Todestages von F. statt. Der Beschwerdeführer ist Journalist. Im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit dokumentierte er die Proteste vor Ort und fertigte mit seinem Mobiltelefon Lichtbilder bzw. Videos an. Dabei trug er seinen Presseausweis sowie seine „medienrelevante“ Dauerakkreditierung beim Bundeskanzleramt an einem Band um den Hals über der Oberbekleidung auf Brusthöhe von außen grundsätzlich sichtbar.

Gegen 16:00 Uhr wurde ein Demonstrant festgenommen und in Bauchlage bzw. an den Armen und Beinen von vier Beamten der belangten Behörde haltend aus der Menschenmenge herausgetragen und an der Ecke G.-gasse/D.-Platz auf dem Fahrbahnrand gelegt und dort die Amtshandlung fortgesetzt. Eine aktive körperliche Gegenwehr der festgenommenen Person war auf dem vorgelegten Video nicht erkennbar. Die Kundgebungsteilnehmer bewegten sich in die Gegenrichtung bzw. in Richtung Ring weiter fort.

In weiterer Folge traten drei Männer mit Kameras bzw. einer mit einem Mobiltelefon sehr nahe zur Amtshandlung um die festgenommene Person heran und fotografierten bzw. filmten diese; teilweise beugten sich diese Männer über den festgenommenen bzw. die Amtshandlung durchführenden Beamten.

Revierinspektor H. und weitere Beamte der Einsatzeinheit traten zum Handlungsgeschehen hinzu, um die bei der festgenommenen Person handelnden Beamten abzusichern und zu schützen. Revierinspektor H. forderte dann die hinzutretenden Personen auf zurückzutreten, welche der Aufforderung folgten. Ihm war dabei wesentlich, den Aktionsradius der handelnden Beamten zu sichern. Den für die Amtshandlung erforderlichen Aktionsradius erachtete Revierinspektor H. im Wesentlichen bis zum Gehsteig hin als erforderlich ? dies um allfällig auch einem Fahrzeug für den Abtransport der festgenommenen Person hinzukommenden Platz zu gewährleisten.

Auch der Beschwerdeführer, der ebenso zur Amtshandlung um die festgenommene Person hinzutreten wollte und diese mit seinem Mobiltelefon dokumentieren wollte, wurde mehrfach von Revierinspektor H. aufgefordert zurückzutreten. Der Beschwerdeführer wollte dieser Aufforderung nicht Folge leisten. Er wurde sodann von Revierinspektor H. auf Brusthöhe bzw. an den Armen angefasst und zurückgeschoben. Nicht festgestellt konnte werden, dass dem Beschwerdeführer das Zurückschieben vorher angedroht bzw. angekündigt wurde – der Beschwerdeführer bestritt dies glaubhaft und Revierinspektor H. wusste dies seiner Aussage zufolge aufgrund des mehrstündigen Einsatzes nicht mehr und mutmaßte lediglich, dass er die Anwendung von Körperkraft angedroht hätte. Auch den vorgelegten Videos lassen sich Anhaltspunkte für eine vorangehenden Ankündigung und Androhung der Körperkraft nicht entnehmen.

Der Beschwerdeführer wies im Weiteren darauf hin, er hätte das Recht zu dokumentieren und versuchte weiter hin zur Amtshandlung um die festgenommene Person zu gehen. Revierinspektor H. schob den Beschwerdeführer „bitte treten Sie zurück“ weiterhin zurück mit den Worten und erklärte diesem, er könne die Amtshandlung auch vom „Bürgersteig“ dokumentieren. Ob sein Presseausweis bis zu diesem Zeitpunkt für Revierinspektor H. sichtbar war oder aufgrund seiner in Brusthöhe gehaltenen Hände verdeckt war, konnte nicht festgestellt werden. Der glaubhaften Aussage Revierinspektors H. zufolge hat dieser den Presseausweis erst nach der Wegweisung (bzw. nach der Anwendung von Körperkraft) wahrgenommen.

Der Beschwerdeführer versuchte in weiterer Folge über einen anderen Weg zur Amtshandlung um die festgenommenen Person zu gelangen; dabei stellte sich ein anderer Beamter den Beschwerdeführer in den Weg und begann mit dem Beschwerdeführer ein Gespräch. Revierinspektor H. warf in das Gespräch ein, der Beschwerdeführer könne „ja eh [dokumentieren], aber von da drüben“. Der Beschwerdeführer zeigte auf die Frage des andere Beamten, wer er denn sei, diesem seinen Presseausweis vor, worauf dem Beschwerdeführer vom anderen Beamten gesagt wurde, „das können Sie von dahinten auch“. Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge von Revierinspektor H. mit den Worten „Ja danke“ und „zurück“ erneut am Oberkörper erfasst und in Richtung Gehsteig zurückgedrängt. Der Beschwerdeführer erklärte sodann, „dies werde eine wunderschöne Maßnahmenbeschwerde“. Was mit den Worten von Revierinspektor H. „Ja passt, schreiben Sie“ quittiert wurde.

Der im unmittelbaren persönlichen Eindruck sehr glaubhaften Aussage Revierinspektors H. zufolge sprach dieser die Wegweisung zwecks Eigensicherung der Kollegen gestützt auf § 3 der Richtlinienverordnung aus. Da Revierinspektor H. zum Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. der zwangsweisen Durchsetzung der Wegweisung durch Anwendung von Körperkraft nicht wusste, dass der Beschwerdeführer ein Angehöriger der Presse war, hatte er auch nicht ausschließen können, dass der Beschwerdeführer einen gefährlichen Angriff gegen die amtshandelnden Beamten oder allfällig gegen den Festgenommenen durchführen hätte können.

II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit. Ist im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen, so hat das Verwaltungsgericht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen (§ 28 Abs. 6 VwGVG).

2.1. Die im Beschwerdeverfahren relevanten Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 105/2019, und in der Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 113/2019, lauten auszugsweise:

Sicherheitspolizeiliche Aufgabenerfüllung
§ 28a.

(1) Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme einer Gefahrensituation rechtfertigen, obliegt den Sicherheitsbehörden, soweit ihnen die Abwehr solcher Gefahren aufgetragen ist, die Gefahrenerforschung.

(2) Die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dürfen zur Erfüllung der ihnen in diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben alle rechtlich zulässigen Mittel einsetzen, die nicht in die Rechte eines Menschen eingreifen.

(3) In die Rechte eines Menschen dürfen sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben nur dann eingreifen, wenn eine solche Befugnis in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist und wenn entweder andere Mittel zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht ausreichen oder wenn der Einsatz anderer Mittel außer Verhältnis zum sonst gebotenen Eingriff steht.“

Verhältnismäßigkeit
§ 29.

(1) Erweist sich ein Eingriff in Rechte von Menschen als erforderlich (§ 28a Abs. 3), so darf er dennoch nur geschehen, soweit er die Verhältnismäßigkeit zum Anlaß und zum angestrebten Erfolg wahrt.

(2) Insbesondere haben die Sicherheitsbehörden und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

1.

Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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